Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-221022/5/Kl/Rd

Linz, 23.03.1995

VwSen-221022/5/Kl/Rd Linz, am 23. März 1995 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch das Mitglied Dr. Klempt über die Berufung des Ing. J W T, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 28.6.1994, Ge96/265/1993/Tr, hinsichtlich des Strafausmaßes wegen Verwaltungsübertretungen nach der Bauarbeitenschutzverordnung bzw. der Allgemeinen Arbeitnehmerschutzverordnung zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird keine Folge gegeben und der Straf- und Kostenausspruch vollinhaltlich bestätigt.

II. Als Kostenbeitrag zum Verfahren vor dem unabhängigen Verwaltungssenat sind insgesamt 2.000 S, ds 20 % der verhängten Strafen, binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Rechtsgrundlagen:

zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 16, 19, 24 und 51 VStG.

zu II.: § 64 Abs.1 und 2 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 28.6.1994, Ge96/265/1993/Tr, wurden gegen den Berufungswerber Geldstrafen von 1) 3.500 S (Ersatzfreiheitsstrafe von 24 Stunden), 2) 3.500 S (Ersatzfreiheitsstrafe von 24 Stunden) und 3) 3.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe 20 Stunden) wegen Übertretungen nach 1) § 19 Abs.4 BAV iVm § 33 Abs.1 lit.a Z12 und § 33 Abs.7 und § 31 Abs.2 lit.p ASchG, 2) § 46 Abs.6 und § 100 AAV iVm § 31 Abs.2 lit.p ASchG und 3) § 46 Abs.11 und § 100 AAV iVm § 31 Abs.2 lit.p ASchG verhängt, weil er als zur Vertretung nach außen berufener handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit Verantwortlicher gemäß § 9 Abs.1 VStG der Arbeitgeberin "Baumeister T Gesellschaft mbH" mit dem Sitz in A zu vertreten hat, daß am 15.6.1993 auf der Baustelle "P" in P, wie von einem Organ des Arbeitsinspektorates Linz festgestellt wurde, die Arbeitnehmer H und M mit dem Aufmauern der Giebelmauer auf der do. Geschoßdecke beschäftigt wurden, wobei diese Tätigkeit von einem einetagigen Metallrohrgerüst aus bei einer möglichen Absturzhöhe von ca. 3m durchgeführt wurden, wobei 1. keine Fußwehren angebracht waren, obwohl gemäß § 19 Abs.4 erster Satz Bauarbeitenschutzverordnung Gerüstlagen in einer Höhe von mehr als 2m über dem Erd- oder Geschoßboden dort, wo Absturzgefahr besteht, mit Brustwehren und mit Fußwehren zu versehen sind, 2. keine Mittelwehren angebracht waren, obwohl gemäß § 46 Abs.6 der Allgemeinen Arbeitnehmerschutzverordnung (AAV) Gerüstbeläge, von denen Arbeitnehmer mehr als 2m abstürzen können, mit Brust- und Fußwehren gesichert sein müssen und zwischen Brust- und Fußwehr eine Mittelwehr angebracht sein muß und 3. kein sicher begehbarer Zugang zum oa Gerüst vorhanden war und die Arbeitnehmer auf dem Gerüst hinunter- bzw.

hinaufklettern mußten, obwohl gemäß § 46 Abs.11 erster Satz AAV Arbeitsplätze auf Gerüsten über sicher begehbare Zugänge wie Leitern, Leitergänge, Stiegen oder Laufbrücken, erreichbar sein müssen.

Gleichzeitig wurde ein Verfahrenskostenbeitrag von insgesamt 1.000 S verhängt.

2. Dagegen wurde fristgerecht Berufung eingebracht und begründend ausgeführt: "Ich berufe mich nun abermals auf meine Rechtfertigung vom 09.08.1993 und füge dem hinzu, daß ich nicht absichtlich so gehandelt habe und ich der Ansicht bin, daß das Strafausmaß in keiner Weise in einer Relation zur begangenen Verwaltungsübertretung steht. Ich ersuche daher um deutliche Herabsetzung des Strafausmaßes, da ich ansonsten diese Angelegenheit meinem Rechtsanwalt übergebe.

Mit freundlichen Grüßen".

3. Die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land als belangte Behörde hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt und keine Stellungnahme abgegeben.

Da sich die Berufung nur gegen das Strafausmaß richtet und in der Berufung eine öffentliche mündliche Verhandlung nicht ausdrücklich verlangt wurde, konnte eine solche unterbleiben (§ 51e Abs.2 VStG).

4. Das zuständige Arbeitsinspektorat für den 9. Aufsichtsbezirk wurde gemäß ArbIG am Verfahren beteiligt, und es hat dieses unter Hinweis auf die gesetzliche Höchststrafe und unter Beachtung der Absturzhöhe von ca. 3m die verhängte Bestrafung durchaus gerechtfertigt erachtet.

5. Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

5.1. Gemäß § 31 Abs.2 lit.p Arbeitnehmerschutzgesetz, BGBl.Nr. 234/1972 idgf (kurz: ASchG), begehen Arbeitgeber und deren Bevollmächtigte eine Verwaltungsübertretung und sind, sofern die Tat nicht nach anderen Gesetzen strenger zu bestrafen ist, von der Bezirksverwaltungsbehörde mit Geldstrafe bis zu 50.000 S zu bestrafen, wenn sie den Vorschriften der aufgrund des § 24 dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen oder den aufgrund des § 27 dieses Bundesgesetzes vorgeschriebenen Bedingungen und Auflagen oder den erteilten Aufträgen zuwiderhandeln.

Gemäß § 33 Abs.1 lit.a Z12 ASchG ist die BAV im bisherigen Umfang als Bundesgesetz in Geltung und gelten bei Zuwiderhandlung die Bestimmungen des § 31 sinngemäß (§ 33 Abs.7 leg.cit.).

Gemäß § 100 AAV sind Übertretungen dieser Verordnung nach Maßgabe des § 31 des ASchG zu ahnden.

Der Schuldspruch des gegenständlichen Straferkenntnisses wurde mit der Berufung nicht angefochten und ist daher in Rechtskraft erwachsen.

5.2. Gemäß § 19 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat (Abs.1).

Im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen.

Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des StGB sinngemäß anzuwenden.

Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

Die belangte Behörde führt im angefochtenen Straferkenntnis zur Strafbemessung begründend aus, daß die verhängten Strafen dem Unrechtsgehalt angemessen sind, zumal eine durch die BAV zu verhindernde Absturzgefahr gegeben war und somit auf die bestehende Gefährdung des Lebens und der Gesundheit der betroffenen Arbeitnehmer Bedacht genommen wurde. Die Gesundheit der Arbeitnehmer sei ein äußerst schützenswertes Rechtsgut, sodaß die Gefährdungen dieses Gutes als erheblich anzusehen sind und die Verhängung höherer Geldstrafen gerechtfertigt ist. Nachteilige Folgen wurden der Behörde nicht bekannt. Zum Schuldgehalt der Tat verwies die belangte Behörde auf die Ausführungen zur Schuld, wonach eine wirksame Kontrolle der Einhaltung der Weisungen nicht erfolgte und der Beschuldigte durch ein organisiertes Kontrollnetz dafür zu sorgen hat, daß von den Beschäftigten die zu beachtenden Vorschriften auch tatsächlich im Einzelfall eingehalten werden. Es sei daher dem Beschuldigten anzulasten, die zumutbare Sorgfalt außer Acht gelassen zu haben, weshalb zumindest Fahrlässigkeit gegeben war. Die persönlichen Verhältnisse wurden mangels Angaben des Beschuldigten von der Behörde geschätzt, nämlich kein Vermögen, keine Sorgepflichten und ein monatliches Nettoeinkommen von 20.000 S. Weitere Strafmilderungs- und Straferschwerungs gründe waren nicht vorhanden. Die Geldstrafen wurden ausreichend erachtet, um den Beschuldigten von weiteren Übertretungen von Arbeitnehmerschutzbestimmungen abzuhalten.

5.3. Laut ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist die Strafzumessung innerhalb eines gesetzlichen Strafrahmens eine Ermessensentscheidung. Gemäß Art.130 Abs.2 B-VG liegt im Bereich des verwaltungsbehördlichen Ermessens Rechtswidrigkeit dann nicht vor, wenn die Behörde von diesem im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht hat. Demgemäß obliegt es der Behörde, in Befolgung der Anordnung des § 60 AVG (dieser ist gemäß § 24 VStG auch im Verwaltungsstrafverfahren anzuwenden) in der Begründung ihres Bescheides die für die Ermessensübung maßgebenden Umstände und Erwägungen insoweit aufzuzeigen, als dies für die Rechtsverfolgung durch die Parteien des Verwaltungsverfahrens und für die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes in Richtung auf seine Übereinstimmung mit dem Sinn des Gesetzes erforderlich ist.

Im Sinn der zitierten gesetzlichen Bestimmungen sowie der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat daher die belangte Behörde von dem ihr zustehenden Ermessen in gesetzmäßiger Weise Gebrauch gemacht und konnte eine Ermessensüberschreitung nicht festgestellt werden. Es sind daher die Ausführungen der belangten Behörde auch dieser Entscheidung zugrundezulegen. Weiters wird ergänzend angeführt, daß im Hinblick auf den Unrechtsgehalt der angelasteten Verwaltungsübertretungen zu berücksichtigen war, daß gerade durch die Vorschriften der Bauarbeitenschutzverordnung und der Allgemeinen Arbeitnehmerschutzverordnung eine Gesundheitsbeeinträchtigung bzw. Gesundheitsgefährdung der Arbeitnehmer hintangehalten werden soll. Durch die Nicht einhaltung der diesbezüglichen Bestimmungen wird genau dieser Schutzzweck verfehlt, weshalb der Nichteinhaltung insbesondere unter Hinblick auf die doch erhebliche Absturzgefährdung ein besonderer Unrechtsgehalt zukommt.

Schon im Sinne des Unrechtsgehalts der Übertretungen kann daher mit noch niedrigeren Strafen - wie sie vom Beschuldigten gefordert wurden - nicht das Auslangen gefunden werden. Im übrigen ist zu berücksichtigen, daß die Normen des Arbeitnehmerschutzes zwingend sind und daher von der Parteiendisposition ausgeschlossen sind. Der Gesetzgeber wollte nämlich vermeiden, daß regelmäßig in wirtschaftlicher Abhängigkeit stehende Arbeitnehmer ihre gesundheitlichen Interessen aus wirtschaftlichen Gründen außer Acht lassen.

Es können daher Einwendungen, daß die erforderlichen Gerüstteile zwar angefordert waren, aber erst verspätet nachgebracht werden konnten, gerade die Bedenken der Gefährdung nicht entkräften und die Gesetzesübertretung nicht legalisieren. Es hätte nämlich vielmehr mit den Arbeiten bis zur Vervollständigung des Gerüstes nicht angefangen werden dürfen. Im übrigen entsprechen die verhängten Geldstrafen jeweils etwa 1/15 des gesetzlichen Strafrahmens. Sie sind daher jeweils im untersten Bereich des gesetzlichen Strafrahmens (bis zu 50.000 S) angesiedelt und daher dem Unrechtsgehalt der Tat durchaus angemessen. Es wurde aber idS auch berücksichtigt, daß ein konkreter Schaden bzw. nachteilige Folgen nicht eingetreten sind.

Hinsichtlich der zu beachtenden Erschwerungs- und Milderungsgründe war darauf Bedacht zu nehmen, daß dem Beschuldigten, wie bereits die belangte Behörde ausführte, die Rechtswohltat der Unbescholtenheit nicht zukommt, sondern daß rechtskräftige Vormerkungen wegen Verwaltungsübertretungen vorliegen. Diese Vormerkungen sind nicht einschlägig, sodaß sie aber auch nicht als Erschwerungsgrund heranzuziehen sind. Auch dies wurde von der belangten Behörde befolgt.

Weder weitere Erschwerungsgründe noch Milderungsgründe kamen aber hervor und wurden auch nicht vom Beschuldigten in seiner Berufung vorgebracht.

Auch waren die verhängten Geldstrafen schuldangemessen, insbesondere da der Beschuldigte im Verwaltungsstrafverfahren nicht glaubhaft machen konnte bzw. nicht glaubhaft machte, daß ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft. Indem in der Berufung auf seine Stellungnahme im Verfahren erster Instanz hingewiesen wurde, wonach der Beschuldigte selbst zugibt, daß ihm die Arbeitnehmerschutzbestimmungen bekannt sind, ihm aber ein sofortiges Beibringen der fehlenden Gerüstteile nicht möglich war, hat er zumindest jene Sorgfalt außer Acht gelassen, die nach den zitierten Bestimmungen dem Beschuldigten als Arbeitgeber auferlegt ist. Vielmehr hätte er für einen vollständigen Gerüstebau Sorge tragen müssen und solche Maßnahmen vorkehren müssen, daß die entsprechenden Arbeiten nur unter Einhaltung der Arbeitnehmerschutzbestimmungen durchgeführt werden. Dieses zumindest fahrlässige Verhalten wurde im Grunde der Strafbemessung, insbesondere durch die pro Verwaltungsübertretung nur sehr niedrig bemessene Strafe berücksichtigt.

Zu den persönlichen Verhältnissen machte der Berufungswerber weder im Verfahren erster Instanz noch in seiner Berufungsschrift Ausführungen, sodaß die von der belangten Behörde vorgenommene Schätzung, welche als nicht überhöht und durchschnittlichen Verhältnissen angepaßt anzusehen ist, auch vom unabhängigen Verwaltungssenat angenommen wurden. ISd dem Beschuldigten treffenden Mitwirkungspflicht im Verwaltungsstrafverfahren wäre es am Beschuldigten gelegen gewesen, geänderte persönliche Verhältnisse in der Berufung anzuführen.

Es sind daher die verhängten Geldstrafen jeweils tat- und schuldangemessen und den persönlichen Verhältnissen angepaßt und unter Einbeziehung der erstmaligen Überschreitung von Arbeitnehmerschutzvorschriften auch geeignet, den Berufungswerber von einer weiteren Tatbegehung abzuhalten. Ein überhöhtes Strafausmaß konnte entgegen den Ausführungen in der Berufung nicht festgestellt werden, insbesondere weil die jeweils verhängten Strafen im untersten Bereich des gesetzlich möglichen Strafrahmens liegen. IS des im Verwaltungsstrafverfahren geltenden Kumulationsprinzips wurden aber durch mehrere selbständige Taten mehrere Verwaltungsübertretungen begangen und sind daher Strafen nebeneinander zu verhängen (§ 22 VStG), wobei die obigen Erwägungen zur Strafbemessung für jede einzelne Tat bzw. Strafe vorzunehmen sind.

6. Bei diesem Verfahrensergebnis, weil mit der Entscheidung des unabhängigen Verwaltungssenates ein Straferkenntnis bestätigt wird, hat der Berufungswerber einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens in der Höhe von weiteren 20 % der verhängten Strafe, ds 2.000 S, zu leisten.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. K l e m p t

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum