Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-221027/15/Ga/La

Linz, 31.01.1996

VwSen-221027/15/Ga/La Linz, am 31. Jänner 1996 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch das Mitglied Mag. Gallnbrunner über die Berufung des G... F..., vertreten durch DDr. H...

MSchG..., Rechtsanwalt in L..., gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Freistadt vom 28. Juni 1994, Zl.

Ge96-56-1994-Pa, wegen Übertretung des Mutterschutzgesetzes - MSchG, zu Recht erkannt:

Der Berufung wird Folge gegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird aufgehoben und das Strafverfahren eingestellt.

Rechtsgrundlage:

AVG: § 66 Abs.4.

VStG: § 24; § 45 Abs.1 Z2, § 51 Abs.1, § 51e, § 51d, § 51e Abs.1, § 65 und § 66 Abs.1.

Entscheidungsgründe:

1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde der Berufungswerber schuldig erkannt, er habe als verantwortlicher Beauftragter "gemäß § 9 VStG" der G...

F...-, W...- und S... Ges.m.b.H., mit Sitz in F..., für eine Übertretung nach § 4 Abs.2 Z2 iVm § 37 MSchG einzutreten, indem, wie im Zuge einer Überprüfung durch das Arbeitsinspektorat festgestellt wurde, am 28. Mai 1993 eine namentlich bezeichnete werdende Mutter in einer näher angegebenen Betriebsstätte dieser Gesellschaft in der Gemeinde Asten von 06.00 Uhr bis 12.00 Uhr als Ladnerin im Stehen beschäftigt worden sei, obwohl diese Arbeitnehmerin zum angegebenen Zeitpunkt in der 21. Woche schwanger gewesen sei.

Über den Berufungswerber wurde eine Geldstrafe in der Höhe von 5.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe: drei Tage) kostenpflichtig verhängt.

Begründend führt die belangte Behörde zur Verantwortlichkeit des Berufungswerbers aus, daß aus seiner Erklärung vom 1. Mai 1993 die durch seinen Arbeitgeber erfolgte, ausdrückliche Bestellung als verantwortlicher Beauftragter iSd § 9 VStG für den Zeitraum vom 1. Mai bis 31. Mai 1993 hervorgehe, u.zw. betreffend die Einhaltung der Arbeitnehmerschutzvorschriften für alle Filialen der Gesellschaft; der Beschuldigte habe dieser Bestellung zugestimmt. Daher sei wegen der damit bewirkten Übertragung der verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortlichkeit das Strafverfahren gegen den Beschuldigten in dieser seiner Stellung als verantwortlicher Beauftragter zu führen gewesen.

2. Zugleich mit der Berufung hat die belangte Behörde den Strafakt zu Zl. Ge96-56-1994-Pa, ohne Gegenäußerung, vorgelegt. Zur Berufung wurde die Amtspartei angehört.

Im Zuge des Verfahrens vor dem unabhängigen Verwaltungssenat teilte der Beschuldigte mit Schriftsatz vom 12. August 1994 mit, daß die Urkunde über seine Bestellung zum verantwortlichen Beauftragten gemäß § 9 Abs.2 VStG in Wahrheit erst mit Brief vom 18. Juni 1993 dem zuständigen Arbeitsinspektorat mitgeteilt wurde; seine Bestellung sei wirksam somit erst mit diesem, nach der Tatzeit liegenden Zeitpunkt erfolgt, weshalb er die Einstellung des gegen ihn als verantwortlicher Beauftragter geführten Strafverfahrens beantrage. Das hiezu angehörte Arbeitsinspektorat bestätigte mit Schriftsatz vom 1. September 1994 diese Darstellung, vertrat jedoch die Auffassung, daß der Beschuldigte durch seine mit 1. Mai 1993 datierte Unterschrift auf der Bestellungsurkunde "de facto" seine Verantwortung anerkannt habe, weshalb er gegenständlich zwar nicht als verantwortlicher Beauftragter, so doch als Bevollmächtigter iSd § 31 ANSchG bestraft werden könne.

Dieser Auffassung widersprach der Berufungswerber mit Stellungnahme vom 19. September 1994. Hierin führt er aus, daß die zit. Erklärung vom 1. Mai 1993 zum Nachweis seiner Bevollmächtigten-Stellung nicht tauge, weil eine Bestellung zum Bevollmächtigten überhaupt nicht erfolgt sei. Vielmehr habe er sich nämlich nach dem Ausscheiden des F... S... aus der Gesellschaft (am 30. April 1993) erst mit den neuen Angelegenheiten vertraut machen müssen. Derartige Entscheidungen, wie "die Dienstfreistellung bezüglich der Einhaltung des Mutterschutzes", seien zu dieser Zeit von der Personalabteilung der Gesellschaft getroffen worden. Er selbst habe in diesem Zusammenhang Schriftverkehr bloß weitergegeben. Eine Einflußmöglichkeit oder eine Dispositionsmöglichkeit in der Sache habe er nicht gehabt.

Jedenfalls sei er nicht zum Bevollmächtigten iSd § 37 Abs.1 MSchG bestellt worden und dürfe auch eine konkludente Bevollmächtigung nicht angenommen werden. Dem Sinne nach bringt er weiter vor, daß dann, wollte man der Auffassung des Arbeitsinspektorats folgen, das Institut des verantwortlichen Beauftragten nach § 9 Abs.2 VStG überflüssig würde und die Strafbehörden in die Lage versetzt wären, im Unternehmen Beschäftigte stets neben dem zur Vertretung nach außen Berufenen, jedoch nicht zu verantwortlichen Beauftragten bestellten Personen zu bestrafen. Zudem hätte die Ansicht des Arbeitsinspektorats in seinem Fall zur Folge, daß er nicht nur als Bevollmächtigter im Sinne des MSchG, sondern auch als Bevollmächtigter iSd § 31 ANSchG und des § 28 AZG angesehen werden müßte. Es sei jedoch eine solche Bevollmächtigung weder ausdrücklich noch konkludent erfolgt.

Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

3.1. Aus der Aktenlage ergibt sich zweifelsfrei, daß eine Haftung des Berufungswerbers als verantwortlicher Beauftragter iSd § 9 Abs.2 und Abs.4 VStG für die Tat des Schuldspruchs ausscheidet. Die ausdrückliche, mit seiner Zustimmung erfolgte Bestellung zum verantwortlichen Beauftragten war gemäß § 23 Abs.1 ArbIG zum Tatzeitpunkt noch nicht wirksam.

3.2. Weder der (in dieser Hinsicht dem § 31 Abs.2 ANSchG vergleichbar formulierte) § 37 Abs.1 MSchG noch eine sonstige Regelung dieser Arbeitnehmerschutzvorschrift enthalten zum Begriff des Bevollmächtigten eine nähere Aussage. Die zur Begriffsdeutung heranzuziehende einschlägige Judikatur (vgl. VwGH 11.6.1986, 83/11/0144, 0146) sieht den Sinn und Zweck solcher Regelungen, nach denen ein Bevollmächtigter neben dem Arbeitgeber (in der Diktion des MSchG: Dienstgeber) für die Einhaltung der Arbeitnehmerschutzvorschriften verwaltungsstrafrechtlich verantwortlich ist, darin, daß es sich beim Bevollmächtigten um eine Person handelt, die mit ihrem Einverständnis vom Dienstgeber mit der Überwachung der Einhaltung der Schutzvorschriften betraut und von diesem mit den entsprechenden Anordnungs- und Entscheidungsbefugnissen zu ihrer Durchsetzung ausgestattet wurde. Die Betrauung und Ausstattung erfordern jedoch das Einverständnis der zu bevollmächtigenden Person. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes genügen - auch bloß im nachhinein abgegebene - eigene Angaben sowohl hinsichtlich der Betrauung als auch hinsichtlich der Ausstattung mit Anordnungs- und Entscheidungsbefugnis, um auf eine korrekte Bevollmächtigung iSd § 37 Abs.1 MSchG schließen zu können (vgl. zB VwGH 9.6.1988, 88/08/0104; mit Hinweis auf Vorjudikate).

3.3. Ausgehend davon, daß, wie hier, die strengen Voraussetzungen für eine Bestellung zum verantwortlichen Beauftragten iSd § 9 Abs.2 und Abs.4 VStG nicht erfüllt sind, ist die Schlußziehung auf eine dann wenigstens konkludent anzunehmende (schlichte) Bevollmächtigung jedoch ausgeschlossen, wenn nicht nur kein eigenes Zugestehen vorliegt, sondern die fragliche Person die Bevollmächtigung, u.zw. sowohl in der Betrauung als auch in der Ausstattung mit Anordnungs- und Entscheidungsbefugnis, sogar ausdrücklich bestreitet. Der nunmehrigen Bestreitung des Berufungswerbers kann aus der Aktenlage nicht entgegengetreten werden. So widerspricht seine Darstellung, daß er zum Tatzeitpunkt noch keine Verantwortung übertragen bekommen hatte, weil er zu dieser Zeit erst eingeschult worden sei, nicht der allgemeinen Lebenserfahrung. Gestützt wird diese Darstellung immerhin dadurch, daß die Urkunde, aus der seine Bestellung dezidiert zum 'verantwortlichen Beauftragten' hervorgeht, eben erst mit 18. Juni 1993 an das Arbeitsinspektorat übergeben worden ist. Daraus ist die Schlußfolgerung zulässig, daß vor diesem Zeitpunkt der Berufungswerber mit Verantwortlichkeit noch nicht belastet sein sollte.

Dafür, daß die Absicht des Arbeitgebers eben nicht bloß auf die Bestellung zum einfachen Bevollmächtigten, sondern dem expliziten Wortlaut der Bestellungsurkunde vom 1. Mai 1993 entsprechend - allein auf den vollständigen Übergang der verwaltungsstrafrechtlichen Haftung in der Qualitätsstufe eines verantwortlichen Beauftragten iSd § 9 Abs.2 und Abs.4 VStG gerichtet gewesen ist, spricht der weitere Umstand, daß nur in diesem Fall der Arbeitgeber auch von der Beaufsichtigung des bestellten Arbeitnehmers im Umfange der Beauftragung entlastet wäre.

3.3. Aus allen diesen Gründen ist zusammenfassend für den fraglichen Zeitraum eine korrekte Bevollmächtigung des Berufungswerbers iSd § 37 Abs.1 MSchG nicht vorgelegen, weil, darauf bezogen, weder sein Einverständnis zur Betrauung noch die Ausstattung mit Anordnungs- und Entscheidungsbefugnis mit Gewißheit angenommen werden kann (vgl. im übrigen zur konkludenten Begründung einer Bevollmächtigtenstellung die h. Erkenntnisse vom 28.7.1994, VwSen-220651/23/Schi/Ka [verneinend], und vom 29.5.1995, VwSen-220814/13/Ga/La [bejahend]).

War aber der Berufungswerber - weder allein noch neben seinem Arbeitgeber - zur Tatzeit mit keiner dergestaltigen strafrechtlichen Verantwortlichkeit ausgestattet, durfte er auch nicht für die vorliegende Gesetzesübertretung bestraft werden. Wie sich herausgestellt hat, ist in diesem Fall somit nur der Arbeitgeber bzw. das Organ iSd § 9 Abs.1 VStG verfolgbar gewesen. Das Straferkenntnis war daher aufzuheben und gleichzeitig war die Einstellung des Strafverfahrens zu verfügen.

4. Mit diesem Verfahrensergebnis entfällt die Kostenpflicht des Berufungswerbers gänzlich (die Aufhebung bewirkt zugleich auch den Wegfall des strafbehördlichen Kostenausspruchs).

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Mag. Gallnbrunner

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