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des Landes Oberösterreich
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VwSen-221042/5/Gu/Atz

Linz, 27.10.1994

VwSen-221042/5/Gu/Atz Linz, am 27. Oktober 1994 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Hans Guschlbauer über die von O O gegen die Höhe der mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Freistadt vom 14. Juli 1994, Ge96-33-1994-Pa, wegen Übertretungen der Allgemeinen Arbeitnehmerschutzverordnung verhängten Strafen, zu Recht:

Der Berufung wird teilweise Folge gegeben.

Die Strafaussprüche zu den Punkten a) und b) der vorzitierten Entscheidung werden behoben und dem Beschuldigten unter Anwendung des § 21 Abs.1 VStG jeweils eine bescheidmäßige Ermahnung erteilt.

Die zu Punkt c) der vorzitierten Entscheidung ausgesprochene Geldstrafe wird auf 1.000 S, die Ersatzfreiheitsstrafe auf 6 Stunden und der Verfahrenskostenbeitrag für das erstinstanzliche Verfahren auf 100 S herabgesetzt.

Ein Kostenbeitrag für das Berufungsverfahren entfällt.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 AVG iVm § 24 VStG, § 31 Abs.2 ANSchG, § 16 VStG, § 19 VStG, § 21 Abs.1 VStG, § 65 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

Die Bezirkshauptmannschaft Freistadt hat den Rechtsmittelwerber mit dem angefochtenen Straferkenntnis schuldig erkannt, es als verwaltungsstrafrechtlich verantwortlicher Arbeitgeber seines Tischlereibetriebes in K, vertreten zu müssen, daß am 9. März 1994 a) unmittelbar im Bereich des Bedienungsplatzes der Formatkreissäge der Absaugschlauch der Späneabsauganlage in einen Bodenkanal geführt wurde, wobei der Schlauch einen Durchmesser von ca. 15 cm und die Bodenöffnung einen Durchmesser von ca. 25 cm aufgewiesen habe, sodaß durch die nicht abgedeckte Bodenöffnung eine Stolperstelle im Fußboden gegeben gewesen sei; b) die im ersten Obergeschoß befindliche Beschickungsöffnung des Massivholzlagers, von der eine Absturzhöhe von ca.

3 m in den Hof gegeben gewesen sei, durch eine zu öffnende Türe abgesichert zu haben, wobei an dieser Beschickungsöffnung (Wandöffnung) keine Anhaltevorrichtungen vorhanden gewesen seien und c) das kraftbetriebene Rolltor im Bereich der Verladerampe und das Hubgliedertor im Bereich der Garage und des Furnierschneide- und Zusammensetzraumes verwendet worden ist, ohne daß diese einer Abnahmeprüfung und wiederkehrenden Prüfung unterzogen worden seien.

Wegen der Übertretung zu a) des § 6 Abs.1 zu b) des § 18 Abs.3 und zu c) des § 22 Abs.10 der AAV iVm § 31 Abs.2 lit.p des Arbeitnehmerschutzgesetzes wurden dem Beschuldigten Geldstrafen von zu a) 1.000 S zu b) 1.000 S und zu c) 3.000 S (Ersatzfreiheitsstrafen 10 + 10 Stunden + 1 Tag) und Verfahrenskostenbeiträge in der Höhe von 10 % der verhängten Geldstrafen auferlegt.

Bezüglich der Strafbemessung hat die Erstinstanz begründend ausgeführt, daß einerseits die Strafhöhe im Interesse des Schutzzweckes der Norm geboten gewesen sei. Als erschwerend wurde kein Umstand angenommen, als mildernd hingegen das bisherige anstandslose Verhalten des Beschuldigten.

In Anbetracht des Realbesitzes, einem Geschäfts- und Wohnhaus, sowie von einem geschätzten monatlichen Einkommen von 15.000 S bei Sorgepflichten für eine Ehegattin und zwei Kinder und der gebotenen Präventionswirkung hielt die erste Instanz die ausgesprochenen Strafen für erforderlich.

In seiner rechtzeitig dagegen erhobenen Berufung macht der Rechtsmittelwerber unter Beilage von zwei Lichtbildern zur Veranschaulichung der örtlichen Situation geltend, daß sich die Bodenöffnung, welche zum Zweck der öfteren Reinigung des Absaugschlauches erforderlich sei, ohnedies unter der Kreissäge befinde, sodaß ein Betreten dieser Stelle und ein Stolpern ausgeschlossen sei. Im übrigen habe er zwischenzeitig eine an das Bodenniveau heranführende Abdeckung angefertigt.

Bezüglich der geforderten Anhaltevorrichtungen macht er geltend, daß solche Anhaltevorrichtungen in der Türleibung durch eine dadurch sich ergebende Verengung in der Türlichte den Transport von Holzstücken erschwere bzw. von größeren überhaupt behindere.

In der Zwischenzeit habe er eine andere Sicherungsvorrichtung angebracht (aus dem Lichtbild ist ersichtlich, daß es sich hiebei um eine Mittelwehr zur Sicherung gegen Absturz einer sich unbeabsichtigt öffnenden Türe handelt).

Bezüglich der Prüfung der Tore habe er das Abnahme- bzw.

Prüfverfahren durch den TÜV in die Wege geleitet.

Die verhängten Strafen seien daher angesichts seiner beinahe 30-jährigen klaglosen Führung des Tischlereibetriebes nicht gerechtfertigt. Daß er an einer gesetzmäßigen und zweckmäßigen Lösung der Sicherungsmaßnahme interessiert sei - er hatte hiezu auch den Amtsvorstand des Arbeitsinspektorates gebeten - und bereit sei, unverzüglich den Rechtsvorschriften und den behördlichen Verfügungen entsprechenden Zustand herzustellen, habe er bewiesen und beantragt er aus diesem Grunde von einer Strafe Abstand zu nehmen und eine Verwarnung (gemeint offensichtlich eine Ermahnung gemäß § 21 VStG) auszusprechen.

In Wahrung des Parteigehörs hat das anzeigende Arbeitsinspektorat zur Berufung (anderes als in der abschließenden Stellungnahme vom 14. Juli 1994, welche vor Erlassung des angefochtenen Straferkenntnisses erging und in welcher zu Punkt a) eine Ermahnung und zu Punkt c) bei Vorlage der Abnahmeprüfungen bis 15. September 1994 mit einer Herabsetzung der Geldstrafe auf 1.000 S Einverständnis erklärt worden war) die Bestätigung der durch das angefochtene Straferkenntnis ausgesprochenen Strafen beantragt.

Der Strafrahmen für alle drei Übertretungen der AAV beträgt gemäß § 31 Abs.2 ANSchG in Geld bis zu 50.000 S.

Gemäß § 16 Abs.2 VStG darf eine Ersatzfreiheitsstrafe, wenn keine Freiheitsstrafe angedroht und sonst nicht anderes bestimmt ist, zwei Wochen nicht übersteigen.

Gemäß § 19 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Im ordentlichen Verfahren sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 - 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

Gemäß § 21 Abs.1 VStG kann die Behörde ohne weiteres Verfahren von der Verhängung einer Strafe absehen, wenn das Verschulden des Beschuldigten geringfügig ist und die Folgen der Übertretung unbedeutend sind. Sie kann jedoch den Beschuldigten gleichzeitig unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit dieses Verhaltens mit Bescheid ermahnen, sofern dies erforderlich ist, um den Beschuldigten vor weiteren strafbaren Handlungen gleicher Art abzuhalten.

Was den Vorwurf der Stolperstelle anlangt, so konnten die Angaben des Beschuldigten, welche fotodokumentarisch belegt wurden, nicht widerlegt werden und war die angelastete Unterlassung von der objektiven und subjektiven Tatseite her beidemale nur von geringem Gewicht.

Bezüglich des Vorwurfes der mangelnden Sicherung durch genügend lange Anhaltevorrichtungen wie Bügel "an beiden Seiten der (absturzgeneigten) Öffnungen" war hinsichtlich der objektiven Tatseite zu berücksichtigen, daß dieser Bereich keinen ständigen Arbeits- und Aufenthaltsbereich von Dienstnehmern darstellte, ein Hinausbeugen von Arbeitnehmern zu transportierten Gütern nicht denknotwendig jedesmal erforderlich war und hinsichtlich des Ortes der Anbringung von Anhaltevorrichtungen (Bügel) aufgrund der gemäß § 3 Abs.2 ArbIG gebotenen Unterstützungs- und Beratungspflicht durch die Organe der Arbeitsinspektorate Verständnisschwierigkeiten gegeben erschienen, zumal die Anbringung der Anhaltevorrichtungen aufgrund des Gesetzestextes ohnedies nicht notwendig in der Türlichtung selbst, sondern "an beiden Seiten der Öffnungen", sohin auch im unmittelbaren Nahbereich der Innenseite des aufgehenden Mauerwerkes zulässig sind. Es waren auch hier noch die Folgen der Übertretung als unbedeutend und das Verschulden als geringfügig einzustufen. Aus diesen Gründen konnte ein Absehen von einer Bestrafung erfolgen. Um die Aufmerksamkeit bezüglich Stolper- und Absturzgefahren im bestehenden Tischlereibetrieb zu schärfen, erschien es allerdings geboten, eine Ermahnung auszusprechen.

Was die fehlenden Abnahmebefunde für die kraftbetriebenen Roll- und Hubgliedertore anlangt, so war aufgrund deren nicht seltenen Gebrauchnahme das geschützte Interesse, nämlich der Vorsorge vor Verletzungen durch fachtechnische Abnahme und Überprüfung, nicht mehr bedeutungslos, sodaß schon aus diesem Grunde ein Absehen von einer Bestrafung nicht mehr in Frage kam. Unter Berücksichtigung der Tatsache, daß der Beschuldigte - auf die Beanstandung hin tätig geworden - sich um ein normgerechtes Verhalten bemüht hat, unter weiterer Berücksichtigung der Sorgepflicht für eine Ehegattin und zwei Kinder bei einem geschätzten Monatseinkommen von ca. 15.000 S unter weiterer Berücksichtigung, daß der Beschuldigte bislang unbescholten war und keine erschwerenden Umstände bekannt geworden sind, erschien unter Anwendung des Grundsatzes der Ökonomie der Strafe, das heißt, daß vor dem Hintergrund der verfassungsrechtlich geschützten Freiheits- und Eigentumssphäre die gelindesten Straf- und Eingriffsmittel anzuwenden sind, die allen Strafzwecken, insbesondere einem künftigen Wohlverhalten genügen, eine Herabsetzung der Geldstrafe auf 1.000 S und der Ersatzfreiheitsstrafe auf 6 Stunden gerechtfertigt.

Der Teilerfolg der Berufung befreit gemäß § 65 VStG den Rechtsmittelwerber von der Pflicht zur Leistung von Verfahrenskostenbeiträgen für das Berufungsverfahren.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. Guschlbauer

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