Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-221044/3/Ga/La

Linz, 25.08.1994

VwSen-221044/3/Ga/La Linz, am 25. August 1994 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch die 5. Kammer (Vorsitzender: Dr. Grof, Berichter:

Mag. Gallnbrunner, Beisitzer: Dr. Schön) über die Berufung des R F, vertreten durch Dr. K F, gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Wels vom 22.

Juli 1994, Zl. MA2-Ge-2749-1991 Ste, wegen Übertretung der Bauarbeitenschutzverordnung (BArbSchV), zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird Folge gegeben; das Straferkenntnis wird aufgehoben und die Einstellung des Strafverfahrens verfügt.

II. Der Berufungswerber hat keine Beiträge zu den Kosten des Strafverfahrens zu leisten.

Rechtsgrundlage:

Zu I.: § 66 Abs.4 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl.Nr. 51, iVm § 24 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 - VStG, BGBl.Nr. 52; § 45 Abs.1 Z3, § 51 Abs.1, § 51c und § 51e Abs.1 VStG.

Zu II.: § 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde der Berufungswerber einer Übertretung des § 7 Abs.1 BArbSchV schuldig erkannt. Folgende, als erwiesen angenommene Tat wurde dem Schuldspruch zugrundegelegt: Der Berufungswerber habe es "als handelsrechtlicher Geschäftsführer und gemäß § 9 VStG als verwaltungsstrafrechtlich Verantwortlicher der Firma M. R Ges.m.b.H. & Co KG, W, zu vertreten, daß am 2.12.1991 auf der Baustelle 'Firma P (richtig wohl: P-E), sechs Arbeitnehmer der Firma R mit dem Eindecken der Stahlbetonkonstruktion mit Trapezblech beschäftigt waren, wobei die Traufenhöhe 6 m bis 7 m betrug und an den Ortgängen sowie auf dem ca. 40 cm breiten Stahlbetonträger, auf dem sich die Arbeitnehmer befanden, Absturzgefahr bestand, ohne daß Einrichtungen, die geeignet sind, ein Abstürzen auf den verdichteten Schotterboden zu verhindern, angebracht waren, obwohl an allen Arbeitsstellen, an denen Absturzgefahr besteht, Einrichtungen anzubringen sind, die geeignet sind, ein Abstürzen der Dienstnehmer zu verhindern oder ein Weiterfallen hintanzuhalten, wie Arbeitsgerüste, Brustwehren, Schutzgerüste oder Fangnetze." Wegen dieser Verwaltungsübertretung wurde über den Berufungswerber eine Geldstrafe in der Höhe von 20.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe: sechs Tage) kostenpflichtig verhängt.

2. In der dagegen erhobenen Berufung macht der Rechtsmittelwerber Mangelhaftigkeit des Verfahrens und inhaltliche Rechtswidrigkeit des Straferkenntnisses geltend; auch bestreitet er, als verwaltungsstrafrechtlich Verantwortlicher herangezogen werden zu können, weil mit einem namentlich genannten Bauleiter ein verantwortlicher Beauftragter iSd § 9 Abs.2 bis 4 VStG für die Einhaltung der Arbeitnehmerschutzvorschriften auch an der hier gegenständlichen Baustelle mit der entsprechenden Anordnungsbefugnis noch rechtzeitig vor der Tat bestellt gewesen sei. Gestützt darauf beantragt der Berufungswerber die Aufhebung des Straferkenntnisses und die Verfahrenseinstellung.

3. Die Strafbehörde als belangte Behörde hat die Berufung vorgelegt und den Strafakt angeschlossen. Zum Inhalt der Berufung hat sie sich nicht geäußert.

Soweit das im Strafakt zu Zl. MA2-Ge-2749-1991-Ste dokumentierte Verwaltungsstrafverfahren gegen den Berufungswerber geführt und mit dem Straferkenntnis vom 27.

Juli 1994 schließlich abgeschlossen wurde, ist dieses Strafverfahren aus dem Blickwinkel der dem unabhängigen Verwaltungssenat obliegenden Gesetzmäßigkeitskontrolle mit dem Ergebnis zu beurteilen, daß das angefochtene Straferkenntnis - gemäß § 51e Abs.1 VStG ohne öffentliche mündliche Verhandlung - aufzuheben ist.

Dies aus folgenden Gründen:

3.1. Gemäß § 31 Abs.1 und 2 VStG ist die Verfolgung einer Person unzulässig, wenn gegen sie binnen der Verjährungsfrist von sechs Monaten von der Behörde keine Verfolgungshandlung vorgenommen worden ist. ISd § 32 Abs.2 VStG ist Verfolgungshandlung jede von einer Behörde gegen eine bestimmte (physische) Person als Beschuldigten gerichtete Amtshandlung (Ladung, Vorführungsbefehl, Vernehmung, Ersuchen um Vernehmung, Auftrag zur Ausforschung, Strafverfügung udgl.). Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist auch eine Zeugenvernehmung eine solche Verfolgungshandlung, dies unter der Voraussetzung, daß Gegenstand, dh. Beweisthema der Zeugenvernehmung (jedenfalls auch) der gegen eine bestimmte Person gerichtete Verdacht einer Verwaltungsübertretung ist (zB Erk. VwSlg.

8384 A/1973). Auch mit einem Rechtshilfeersuchen, eine dritte Person als Zeugen zu vernehmen, wird eine Verfolgungshandlung iSd § 32 Abs.2 VStG gesetzt, wenn in diesem Rechtshilfeersuchen die dem Berufungswerber (als Beschuldigten) vorgeworfene Tat der Beschreibung im angefochtenen Straferkenntnis entsprechend bezeichnet worden ist (vgl. VwGH 16.3.1994, 93/03/0204). Immer aber muß sich die Verfolgungshandlung auf eine bestimmte Tatzeit, einen Tatort und sämtliche Tatbestandselemente der durch die Tat verletzten Verwaltungsvorschrift iSd § 44a Z2 VStG beziehen (vgl. Ringhofer, Verwaltungsverfahren II, zu § 32 E5 sowie E30 ff).

3.2. Die aus Anlaß der Berufungsvorlage nunmehr gebotene, einläßliche Sichtung der das Strafverfahren gegen den Berufungswerber betreffenden Urkunden im Strafakt erweist, daß die ursprüngliche Annahme des unabhängigen Verwaltungssenates im Erkenntnis vom 17.12.1993, Zl.

230176/10, wonach (in dieser Strafsache) von der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land ein die Verfolgungsverjährung unterbrechendes Rechtshilfeersuchen an den Magistrat der Stadt Wels gerichtet worden wäre, nicht aufrechterhalten werden kann: Weder dieses Rechtshilfeersuchen vom 17. Dezember 1991, Zl.

Ge-15/107/1991/Eich, der genannten Bezirkshauptmannschaft noch eine der daraufhin vom ersuchten Magistrat der Stadt Wels bis zum Ablauf der Verfolgungsverjährungsfrist (das war mit dem 2. Juni 1992) gesetzten und im Akt auffindbaren Amtshandlungen kann im Lichte der hier maßgeblichen Rechtsvorschriften und der hiezu ergangenen Judikatur als taugliche Verfolgungshandlung gegen den Berufungswerber gewertet werden.

3.2.1. So hat das genannte Rechtshilfeersuchen vom 17.

Dezember 1991 einleitend zwar die Anzeige des Arbeitsinspektorats dargestellt, dies jedoch keineswegs in Form und Inhalt eines gegen eine bestimmte Person als Beschuldigten gerichteten Tatvorwurfs, sondern erkennbar nur zwecks grundsätzlicher Information der ersuchten Behörde.

Es stand nämlich zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht fest, wer überhaupt als Beschuldigter zu belangen wäre. Um dies erst herauszufinden, sollte zunächst einmal der Berufungswerber in seiner Funktion als handelsrechtlicher Geschäftsführer der involvierten Gesellschaft ausdrücklich und ausschließlich als Zeuge vernommen werden. Das für diese Zeugenvernehmung maßgebliche Beweisthema hat die ersuchende Behörde in Punkte untergliedert. Die Punkt 1 bis 6 des auf diese Weise ausführlich umschriebenen Beweisthemas haben keineswegs den späterhin zum Schuldspruch erhobenen Tatvorwurf zum Inhalt, sondern betreffen ausschließlich Fragen zur Ergründung der Verantwortlichkeitsverhältnisse für die involvierte Gesellschaft. Lediglich dem Punkt 7 des Rechtshilfeersuchens mit der Formulierung: "Sonstiges (eventuell Aussagen zu dem in der Anzeige angeführten Sachverhalt)", könnte vordergründig eine Beziehung zum späterhin erhobenen Tatvorwurf zugemessen werden. Näher betrachtet ist jedoch diese Formulierung für sich genommen und auch im Zusammenhang gesehen derart vage, daß selbst dieser Punkt nicht einmal in die Nähe einer tauglichen Verfolgunghandlung gerückt werden darf.

Im übrigen würde ein Ergebnis, das in dieser ersuchten Zeugenvernehmung des Berufungswerbers (mit einem weder ausdrücklich noch erschließbar den Tatvorwurf enthaltenden Beweisthema) eine ihn daher selbst belastende, weil ihn in den Status des Beschuldigten versetzende Verfolgungshandlung sehen wollte, mit dem auf Verfassungsebene gewährleisteten Selbstbezichtigungsverbot (vgl. VfSlg. 10.291) in Widerspruch geraten.

3.2.2. Aber auch andere im Strafakt auffindbare und bis zum 2. Juni 1992 ergangene Amtshandlungen stellen keine tauglichen Verfolgungshandlungen gegen den Berufungswerber dar.

So hatte die Zeugenvernehmung des M R vom 11. März 1992 keine Vernehmung zum Tatvorwurf (iSd Schuldspruchs) zum Inhalt, sondern wiederum nur die Klärung der verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortlichkeit. Auch die Strafverhandlungsschrift vom 20. März 1992, die den Berufungswerber aktenwidrig als 'Beschuldigten' bezeichnet, ist keine taugliche Verfolgungshandlung: Der Berufungswerber wurde ausschließlich zu den Punkten 1 bis 6 des oben genannten Rechtshilfeersuchens vernommen. Ein Tatverdacht im Sinne des späteren Schuldspruchs war nach Maßgabe dieser (in diesem Stadium des Verfahrens: unzulässig verwendeten!) Strafverhandlungsschrift nicht Inhalt dieser Vernehmung. Ob die Niederschrift vom 10. April 1992 über die Vernehmung des Alois Ehgartner überhaupt als Dokumentation einer förmlichen Zeugenvernehmung iSd § 50 AVG (iVm § 24 VStG) gewertet werden kann, ist zweifelhaft; zufolge dieser Niederschrift war jedenfalls kein bestimmter, gegen den Berufungswerber als Beschuldigten gerichteter Tatverdacht Gegenstand dieser Vernehmung. Und schließlich scheidet auch die Niederschrift vom 15. Mai 1992 über eine weitere Vernehmung des M R als taugliche Verfolgungshandlung aus: Zum einen ist aus dieser Niederschrift nicht ersichtlich, in welcher Eigenschaft (Zeuge?, Beschuldigter?) M R vernommen worden ist, und zum anderen war Gegenstand dieser Vernehmung jedenfalls kein gegen den Berufungswerber als Beschuldigten gerichteter, mit dem späteren Schuldspruch korrespondierender Tatverdacht.

4. Zusammenfassend war aus all diesen Gründen zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Straferkenntnisses bereits Verfolgungsverjährung eingetreten. Das dennoch erlassene Straferkenntnis vom 22. Juli 1994 hat den Berufungswerber in seinem Recht, wegen Verjährung nicht mehr bestraft zu werden, verletzt und war deshalb aufzuheben; gleichzeitig war die Einstellung des Strafverfahrens zu verfügen, weil Umstände vorliegen, die die (weitere) Verfolgung des Berufungswerbers in dieser Sache ausschließen.

Bei diesem Verfahrensergebnis war inhaltlich weder auf das bekämpfte Straferkenntnis noch auf die Berufungsbegründung einzugehen; die Anhörung des beteiligten Arbeitsinspektorats zum Inhalt der Berufung konnte entfallen.

5. Die Aufhebung und Einstellung haben auf der Kostenseite die Entlastung des Berufungswerbers von allen Beiträgen zum Strafverfahren zur Folge.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. G r o f

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