Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-221076/2/Kl/Rd

Linz, 17.03.1995

VwSen-221076/2/Kl/Rd Linz, am 17. März 1995 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch die 8. Kammer (Vorsitzender: Dr. Schieferer, Berichterin: Dr. Klempt, Beisitzer: Dr. Langeder) über die Berufung des G H, gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Steyr vom 12.8.1994, SV-384/1990, wegen einer Verwaltungsübertretung nach der Gewerbeordnung 1994 zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

II. Es entfällt die Verpflichtung zur Leistung von Verfahrenskostenbeiträgen.

Rechtsgrundlagen:

zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 44a, 45 Abs.1 Z3 und 51 VStG.

zu II.: § 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Mit Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Steyr vom 12.8.1994, SV-384/1990, wurde über den Berufungswerber eine Geldstrafe von 15.000 S, Ersatzfreiheitsstrafe von 360 Stunden, wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 366 Abs.1 Z1 GewO 1994 verhängt, weil er es als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit gemäß § 9 Abs.1 VStG Verantwortlicher der G H Gebäudereinigung und -service, Personal- Leasing GesmbH zu vertreten hat, daß in S, das bewilligungspflichtige gebundene Gewerbe (vormals konzessionierte Gewerbe) "Überlassung von Arbeitskräften" seit 1.1.1989 ohne eine entsprechende Gewerbeberechtigung ausgeübt wird.

Gleichzeitig wurde ein Verfahrenskostenbeitrag von 1.500 S verhängt.

2. Dagegen wurde fristgerecht Berufung eingebracht, in welcher die positive Erledigung der Berufung beantragt wurde. Begründend wurde im wesentlichen darauf hingewiesen, daß mit Bescheid des Landeshauptmannes vom 15.12.1989 eine Konzession zur Überlassung von Arbeitskräften erteilt wurde, welcher Bescheid aber von der Arbeiterkammer und dem Arbeitsamt angefochten wurde. Über die Berufung wurde bislang nicht entschieden. Es werde daher um die Aussetzung des Strafverfahrens bis zur Erledigung des Konzessionsverfahrens ersucht. Gleichzeitig wurde darauf hingewiesen, daß seit Bestehen des Betriebes ab Juni 1984 die selben Tätigkeiten mit entsprechenden Gewerbeberechtigungen durchgeführt wurden, die Mißverständnisse sich aber nur durch die Änderung auf eine GesmbH - unter Einbringung des Einzelunternehmens Josef Müller in die GesmbH - und durch eine Gewerberechtsnovelle hervorgerufen wurden.

3. Der Magistrat der Stadt Steyr hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt und keine Stellungnahme abgegeben.

Weil eine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, war zur Entscheidung eine Kammer des O.ö. Verwaltungssenates zuständig.

4. Der O.ö. Verwaltungssenat hat in den vorgelegten Verwaltungsstrafakt Einsicht genommen. Weil bereits aus der Aktenlage ersichtlich war, daß das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben war, war eine öffentliche mündliche Verhandlung nicht anzuberaumen (§ 51e Abs.1 VStG).

5. Der O.ö. Verwaltungssenat hat erwogen:

5.1. Gemäß § 366 Abs.1 GewO 1973, BGBl.Nr. 50/1974 idF vor der Gewerberechtsnovelle 1992, begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe bis zu 50.000 S zu bestrafen ist, wer Z1 ein Anmeldungsgewerbe (§ 5 Z1) ausübt, ohne die erforderliche Gewerbeberechtigung erlangt zu haben; Z2 ein konzessioniertes Gewerbe (§ 5 Z2) ohne die erforderliche Konzession ausübt.

Mit der Gewerberechtsnovelle 1992, BGBl.Nr. 29/1993, wiederverlautbart als Gewerbeordnung 1994, begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe bis zu 50.000 S zu bestrafen ist, wer Z1 ein Gewerbe ausübt, ohne die erforderliche Gewerbeberechtigung erlangt zu haben.

5.2. Vorauszuschicken ist, daß gemäß § 1 Abs.1 VStG als Verwaltungsübertretung eine Tat nur bestraft werden kann, wenn sie vor ihrer Begehung mit Strafe bedroht war. Der darin enthaltene Grundsatz "nullum crimen sine lege" bringt zum Ausdruck, daß maßgebliche Rechtslage jene im Zeitpunkt der Begehung der Tat ist. Dieser Grundsatz erfährt nur dann keine Anwendung, wenn zwischen Tatbegehung und Bestrafung eine Änderung der Rechtslage für den Täter günstiger ist, dh eine nach Art oder Maß mildere Strafdrohung vorsieht (§ 1 Abs.2 VStG).

Weil die zum Zeitpunkt der Erlassung des Straferkenntnisses geltende Rechtslage (Gewerbeordnung 1994) keine günstigere darstellt, war bei der Beurteilung des gegenständlichen Tatvorwurfes auf die jeweils geltende Rechtslage abzustellen. Dies muß auch im Spruch des Straferkenntnisses zum Ausdruck kommen (vgl. VwGH vom 18.3.1994, 93/07/0011: "Es hätte im vorliegenden Fall einer Teilung des Deliktzeitraumes entsprechend dem Geltungsbereich der Strafnormen und der verletzten Verwaltungsvorschrift in ihren unterschiedlichen Fassungen bedurft, welche zu zwei getrennten Schuldsprüchen führen hätte müssen. Eine Bestrafung hätte angesichts des unveränderten Charakters der dem Beschwerdeführer vorgeworfenen Handlung als fortgesetztes Delikt dabei auf der Basis des als verwirklicht angesehenen Straftatbestandes erfolgen können").

4.2. Gemäß § 44a Z1 VStG hat der Spruch eines Straferkenntnisses, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten. Danach ist es rechtlich geboten, die Tat hinsichtlich des Täters und der Tatumstände so genau zu umschreiben, daß 1) die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale ermöglicht wird und 2) die Identität der Tat (zB nach Ort und Zeit) unverwechselbar feststeht. Was den vorstehenden Punkt 1) anlangt, sind entsprechende, dh, in Beziehung zum vorgeworfenen Straftatbestand stehende wörtliche Anführungen erforderlich, die nicht etwa durch bloße paragraphenmäßige Zitierung von Gebots- oder Verbotsnormen ersetzt werden können. Was den vorstehenden Punkt 2) anlangt (unverwechselbares Festhalten der Identität der Tat) muß im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat insoweit in konkretisierter Umschreibung zum Vorwurf gemacht werden, daß er in die Lage versetzt wird, im ordentlichen Verwaltungsstrafverfahren und gegebenenfalls im außerordentlichen Verfahren auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen, und es muß ferner der Spruch geeignet sein, den Beschuldigten rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden.

4.3. Gemäß § 31 Abs.1 und 2 VStG ist die Verfolgung einer Person unzulässig, wenn gegen sie binnen der Verjährungsfrist von sechs Monaten von der Behörde keine Verfolgungshandlung vorgenommen worden ist.

Verfolgungshandlung iSd § 32 Abs.2 VStG ist jede von einer Behörde gegen eine bestimmte Person als Beschuldigten gerichtete Amtshandlung.

4.4. Es muß daher die Tat unter Anführung aller wesentlichen Tatbestandsmerkmale dem Beschuldigten innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist vorgeworfen werden. Eine Umschreibung der Tatbestandsmerkmale lediglich in der Bescheidbegründung reicht im Bereich des Verwaltungsstrafrechtes nicht aus (vgl. Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, Seite 937 ff).

5.4. Diesen Anforderungen wird aus nachstehenden Gründen nicht entsprochen:

Im Sinne der ständigen Judikatur des VwGH (zB vom 17.3.1987, 85/04/0210, vom 10.9.1991, 91/04/0098, vom 24.11.1992, 92/04/0156) fehlen jegliche Feststellungen, durch welche Tätigkeiten das angeführte Gewerbe unbefugt ausgeübt wurde und es widerspricht auch die Tatanlastung, der Beschwerdeführer habe das Gewerbe der Arbeitskräfteüberlassung ausgeübt, ohne jene Tätigkeiten näher zu beschreiben, wodurch er das erwähnte Gewerbe unbefugt ausgeübt haben soll, dem Konkretisierungsgebot des § 44a Z1 VStG. Weiters ist es erforderlich, alle Feststellungen im Hinblick auf die Gewerbsmäßigkeit in den Tatvorwurf aufzunehmen. Es indiziert nämlich der Vorwurf der dem bezeichneten Gewerbe zugerechneten Arbeiten allein noch nicht die Erfüllung der Tatbestandsmerkmale einer gewerblichen Tätigkeit.

Unter diesen Aspekten wäre auch eine Teilung des Spruches im Hinblick auf die jeweilige Rechtslage im Tatzeitraum einzugehen gewesen.

Nach ständiger Judikatur des VwGH ist die Übertretung der unbefugten Gewerbeausübung ein fortgesetztes Delikt (vgl.

Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, Seite 877, E.37). Bei einem fortgesetzten Delikt ist aber eine kalendermäßig eindeutige Umschreibung des Tatzeitraumes erforderlich, also die Angabe von Beginn und Ende des Tatzeitraumes. Die Konkretisierung der Tat durch Anführung der Tatzeit ist insbesondere auch dann geboten, wenn durch den Strafbescheid ein noch nicht abgeschlossenes Geschehen erfaßt werden soll. Aus der Anführung eines bestimmten Tatzeitraumes im Spruch des erstinstanzlichen Straferkenntnisses ergibt sich nämlich unabhängig von der mit der Bestrafung verbundenen weiteren (Erfassungs-)Wirkung, daß Abspruchgegenstand, und somit auch "Sache" iSd § 66 Abs.4 AVG, ausschließlich die Tatbegehung in diesem Zeitraum war (vgl. Hauer-Leukauf, Seite 949, E.29 ff). Mit der spruchgemäßen Formulierung der Tatbegehung "seit ... " ohne ausdrückliche Anführung des Tatzeitendes wird zum Ausdruck gebracht, daß die Tatzeit mit dem Zeitpunkt der Schöpfung des Straferkenntnisses (das ist im Fall der schriftlichen Bescheiderlassung der Zeitpunkt der Unterfertigung durch den Genehmigenden) endete (Hauer-Leukauf, Seite 947, E.14).

5.5. Da aber im gesamten Verwaltungsstrafverfahren erster Instanz einschließlich dem angefochtenen Straferkenntnis ein entsprechender Tatvorwurf an den Berufungswerber nicht ergangen ist, war eine entsprechende Berichtigung innerhalb der sechsmonatigen Verfolgungsverjährungsfrist durch den O.ö. Verwaltungssenat gemäß § 66 Abs.4 AVG nicht mehr möglich.

5.6. Für den Fall eines weiteren Verwaltungsstrafverfahrens wird jedoch angemerkt, daß als Übertretungsnorm gemäß § 44a Z2 VStG die zum Tatzeitpunkt geltende Norm anzuführen ist.

Als Strafnorm gemäß § 44a Z3 VStG wäre "§ 366 Abs.1 Einleitungssatz GewO" zu zitieren. Auf die Bestimmung des § 16 Abs.2 VStG wird ausdrücklich hingewiesen. Danach darf die Ersatzfreiheitsstrafe das Höchstausmaß der für die Verwaltungsübertretung angedrohten Freiheitsstrafe und, wenn keine Freiheitsstrafe angedroht und nicht anderes bestimmt ist, zwei Wochen nicht übersteigen. Dies bedeutet aber auch, daß in der Regel nur bei Verhängung der höchstmöglichen Geldstrafe auch die höchste Ersatzfreiheitsstrafe (gegenständlich 14 Tage oder 336 Stunden) verhängt werden darf.

Eine Überschreitung dieses Höchstausmaßes ist nicht zulässig.

6. Bei diesem Verfahrensergebnis waren gemäß § 66 Abs.1 VStG - weil das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen war keine Verfahrenskostenbeiträge aufzuerlegen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. S c h i e f e r e r

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