Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-221103/3/Ga/La

Linz, 14.11.1994

VwSen-221103/3/Ga/La Linz, am 14. November 1994 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch die 5. Kammer (Vorsitzender: Dr. Grof; Berichter:

Mag. Gallnbrunner; Beisitzer: Dr. Schön) über die Berufung des Ing.F B in W, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Perg vom 29. September 1994, Zl. Ge96-52-1994-Fr/Gut, wegen Übertretung des Arbeitszeitgesetzes (AZG), zu Recht erkannt:

Der Berufung wird Folge gegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird a) bezogen auf die Tatzeiten bis einschließlich '20.1.1994' aufgehoben und in diesem Umfang wird die Einstellung des Strafverfahrens verfügt; b) bezogen auf alle übrigen Tatzeiten hingegen nur aufgehoben; dies mit der Feststellung, daß es in diesem Umfang von einer unzuständigen Behörde erlassen worden ist.

Rechtsgrundlage:

AVG: § 66 Abs.4.

VStG: § 24; § 2 Abs.2, § 27 Abs.1, § 45 Abs.1 Z2, § 51 Abs.1, § 51c, § 51e Abs.1; § 66 Abs.1.

Entscheidungsgründe:

1. Mit dem eingangs bezeichneten Straferkenntnis wurde der Berufungswerber schuldig erkannt, er habe als verantwortlicher Beauftragter einer bestimmten Gesellschaft mbH mit näher genanntem Sitz in der Gemeinde S, pol.Bez.

S, zu verantworten, daß in der in W, gelegenen Arbeitsstätte (Filiale) dieser Gesellschaft, wie am 12. Jänner 1994 durch das Arbeitsinspektorat für den 5. Aufsichtsbezirk festgestellt worden sei, hinsichtlich zweier namentlich angeführter Arbeitnehmer die Vorschriften des § 9 AZG jeweils mehrfach (im ersten Fall an insgesamt 13 Tagen; im zweiten Fall an insgesamt 14 Tagen) übertreten worden seien.

Wegen dieser Verwaltungsübertretungen wurde über den Berufungswerber eine - ungeteilte - Geldstrafe in der Höhe von 27.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe: eine Woche) kostenpflichtig verhängt.

2. Über die dagegen erhobene, den Tatvorwurf erkennbar bestreitende, von der belangten Behörde ohne Gegenäußerung vorgelegte Berufung hat der unabhängige Verwaltungssenat, nach Beweisaufnahme durch Einsicht in den zugleich vorgelegten Strafakt, erwogen:

2.1. Gemäß § 51 Abs.1 VStG in der im Berufungsfall anzuwendenden Fassung gemäß dem am 1. Oktober 1993 in Kraft getretenen BGBl.Nr. 666/1993 steht dem Beschuldigten das Recht der Berufung an den unabhängigen Verwaltungssenat zu, in dessen Sprengel nach dem Ausspruch der Behörde erster Instanz die Tat begangen wurde.

Vorliegend ist nun die belangte Behörde im Schuldspruch ausdrücklich - wenngleich auch, wie unten darzulegen sein wird, teilweise zu Unrecht - von einem durch den in der Gemeinde Sierning gelegenen (zentralen) Sitz der involvierten Gesellschaft determinierten Tatort ausgegangen.

Im Hinblick auf diesen Inhalt des Spruchs des angefochtenen Strafbescheides ist der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zur Berufungsentscheidung in diesem Fall zuständig (vgl. VwGH 18.5.1994, 94/09/0033).

2.2. Gemäß § 27 Abs.1 VStG ist jene Bezirksverwaltungsbehörde in erster Instanz zur Untersuchung und Bestrafung einer Übertretung örtlich zuständig, in deren Sprengel die Verwaltungsübertretung begangen worden ist, auch wenn der zum Tatbestand gehörende Erfolg in einem anderen Sprengel eingetreten ist. Begangen wird eine Übertretung gemäß § 2 Abs.2 VStG dort, wo der Täter gehandelt hat oder hätte handeln sollen. Dies ist für den Bereich des VStG in Sachen, die sich - wie hier - auf den Betrieb einer gleichwohl in Filialen gegliederten Unternehmung beziehen, hinsichtlich gebotener, jedoch unterlassener Vorsorgehandlungen zwar in der Regel der Sitz der Unternehmensleitung.

Im Erkenntnis Zl. 94/11/0055 vom 19. April 1994 jedoch hat der Verwaltungsgerichtshof zum Tatort in einem die Übertretung von Arbeitnehmerschutzvorschriften betreffenden, hier vergleichbaren Fall klargestellt: "Wenn für einen Filialbetrieb ein verantwortlicher Beauftragter im Sinne des zweiten Satzes des § 9 Abs.2 VStG bestellt ist, dann liegt der Tatort einer von diesem zu verantwortenden Verwaltungsübertretung nicht am Sitz der (zentralen) Unternehmensleitung. In der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wurde in diesem Zusammenhang zum Ausdruck gebracht, daß der Tatort dort liegt, wo die Dispositionen und Anweisungen zur Vermeidung der Verstöße gegen die Verwaltungsvorschriften hätten gesetzt werden müssen (vgl. das Erkenntnis vom 25. Jänner 1994, Zl.

93/11/227). Dies ist aber bei einem verantwortlichen beauftragten Filialleiter der Standort dieser Filiale." 2.3. Nun geht aus der im Strafakt einliegenden Urkunde über die Bestellung des Berufungswerbers zum verantwortlichen Beauftragten unzweifelhaft hervor, daß der Berufungswerber in seiner Stellung als Filialleiter ausdrücklich und ausschließlich im räumlichen Zuständigkeitsbereich ("Dienstort") der Filiale in der Akaziengasse 36 in 1234 Wien für die verantwortliche Einhaltung aller Arbeitnehmerschutzvorschriften bestellt worden ist. Diese Bestellung und die Zustimmung des Beauftragten hiezu erfolgten laut ausgewiesener Datumsangabe am 18. Jänner 1994; die Bestellungsurkunde ist am 21. Jänner 1994 beim Arbeitsinspektorat für den 5. Aufsichtsbezirk eingelangt und hat daher erst mit diesem Tag die Rechtswirkungen gemäß § 23 Abs.1 ArbIG ausgelöst.

2.4. Dieser Sachverhalt ist, was die Eignung des Berufungswerbers, als Beschuldigter für die hier inkriminierten Übertretungen des AZG überhaupt herangezogen zu werden einerseits bzw. was - bejahendenfalls - den dann maßgeblichen Tatort andererseits anbelangt, wie folgt zu beurteilen:

2.4.1. Im Schuldspruch des angefochtenen Straferkenntnisses ist zwar als (einziger) Kontrollzeitpunkt der 12. Jänner 1994 festgehalten, als eigentliche Tatzeit sind jedoch für beide Arbeitnehmer jeweils Zeiträume (u.zw. determiniert durch eine Aneinanderreihung einzelner Tattage) angelastet.

Ist jedoch, wie dargelegt, die Rechtswirksamkeit der von der belangten Behörde zugrundegelegten verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortlichkeit des Berufungswerbers frühestens mit 21. Jänner 1994 anzunehmen gewesen, so hat dies die Konsequenz, daß für die Tatzeiten vom 10. Jänner bis einschließlich 20. Jänner 1994 (Arbeitnehmer G) bzw. vom 4. Jänner bis einschließlich 20. Jänner 1994 (Arbeitnehmerin S) der Berufungswerber - noch - nicht verantwortlich gemacht werden durfte; vielmehr ist für diese Tatzeiträume die grundsätzliche Verantwortlichkeit der iSd § 9 Abs.1 VStG berufenen Vertretungsorgane der Gesellschaft, u.zw. an ihrem Sitz, aufrecht geblieben.

Eingeschränkt auf diese Zeiten war daher die Bestrafung des Berufungswerbers gesetzwidrig und war nicht nur die Aufhebung des Straferkenntnisses, sondern gemäß § 45 Abs.1 Z2 erster Fall VStG auch die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens zu verfügen; letzteres deswegen, weil für diese Zeiträume der Berufungswerber die angelasteten Übertretungen mangels Verantwortlichkeit nicht begangen hat bzw. dafür (noch) nicht einzustehen hat.

2.4.2. Hingegen war für die Tatzeiten vom 24. Jänner bis zum 31. Jänner 1994 (Arbeitnehmer G) bzw. vom 24.

Jänner bis zum 27. Jänner 1994 (Arbeitnehmerin S) nur auf die Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnisses zu entscheiden, weil infolge der mit 21. Jänner 1994 (nach außen) rechtswirksam gewordenen Bestellung des Berufungswerbers zum verantwortlichen Beauftragten mit seiner auf die Filiale in Wien eingeschränkten Verantwortlichkeit die belangte Behörde zur Erlassung des Straferkenntnisses örtlich nicht zuständig gewesen ist; eine materielle Einstellungswirkung ist diesfalls mit der Aufhebung des Straferkenntnisses nicht verbunden (vgl. VwGH 8.10.1992, 92/18/0391, 0392; UVS 11.2.1994, VwSen-220852/2/Ga/La) und obliegt die Beantwortung der Frage, ob für diese Tatzeiträume das Verwaltungsstrafverfahren gegen den Berufungswerber fortgeführt werden kann oder nicht vielmehr mit einer Einstellungsverfügung gemäß § 45 Abs.1 Einleitungssatz VStG vorzugehen sein wird, der sachlich und örtlich zuständigen Strafbehörde, in diesem Fall - unter neuerlichem Hinweis auf die oben (2.2.) zitierte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes - dem Bürgermeister der Bundeshauptstadt Wien (als Bezirksverwaltungsbehörde).

Der unabhängige Verwaltungssenat hatte im übrigen diese Unzuständigkeit der belangten Behörde von Amts wegen wahrzunehmen (idS VwGH 24.6.1994, 94/02/0021).

3. Bei diesem Verfahrensergebnis, das sich schon iSd § 51e Abs.1 VStG aus der Aktenlage, ohne daß eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt und ohne daß das beteiligte Arbeitsinspektorat zum Inhalt der Berufung angehört werden mußte, ergab, braucht auf folgende weitere Auffälligkeiten dieses Falles nicht näher eingegangen zu werden:

- Nicht nur war schon die mit Schriftsatz vom 28. März 1994 erfolgte und auf § 27 Abs.1 VStG gestützte Gesamtabtretung des Strafaktes durch das Magistratische Bezirksamt für den 23. Bezirk (der Stadt Wien) an die Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land rechtswidrig, sondern auch die von der Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land mit Schriftsatz vom 26.

Mai 1994 erfolgte und auf § 29a VStG gestützte Abtretung an die Bezirkshauptmannschaft Perg. Nach den Umständen des Falles durfte die Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land zum Zeitpunkt der Abtretung nämlich keinesfalls davon ausgehen, daß, wie es die Vorschrift des § 29a VStG verlangt, hiedurch das Verfahren wesentlich vereinfacht oder beschleunigt werden würde.

- Weder aus dem Schuldspruch noch aus den Gründen des bekämpften Straferkenntnisses noch aus dem sonstigen Akteninhalt geht hervor, auf welche Ermittlungsakte die nach dem einzigen angeführten Kontrollzeitpunkt '12.

Jänner 1994' liegenden Einzeltathandlungen gestützt werden. Insbesondere ist auch aus der Anzeige des Arbeitsinspektorates für den 5. Aufsichtsbezirk vom 21. März 1994 diesbezüglich eine Aufhellung nicht zu gewinnen. Sämtliche nach dem 12. Jänner 1994 liegenden und vorgeworfenen Tatzeiten müssen kraß aktenwidrig erscheinen.

- Entgegen der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes in Arbeitnehmerschutzangelegenheiten wirft das angefochtene Straferkenntnis nicht je Arbeitnehmer gesonderte und gemäß § 22 VStG zu kumulierende Verwaltungsübertretungen vor, sondern bestraft den Berufungswerber mit einer Gesamtstrafe, die jedoch vom unabhängigen Verwaltungssenat als Strafberufungsbehörde nicht (auch nicht mit Hilfe der Begründung) aufgeteilt und je zugemessen werden könnte; schon auch aus diesem Grunde hätte zumindest der Strafausspruch ersatzlos aufgehoben werden müssen (vgl. VwGH 30.6.1994, 94/09/0049).

- In der Anzeige vom 21. März 1994 ist das Arbeitsinspektorat für den 5. Aufsichtsbezirk rechtsirrig davon ausgegangen, daß 27 Einzelstraftaten vorlägen und hat offenbar deswegen beantragt, 27 mal eine Geldstrafe in der Höhe von 1.000 S zu verhängen. Indem die belangte Behörde zur Strafbemessung - in Verletzung der Anordnung des § 19 VStG - bloß leerformelhaft feststellt, daß die Bemessung der (Gesamt-)Geldstrafe nach den Bestimmungen des § 19 VStG "unter Berücksichtigung der vom Arbeitsinspektorat beantragten Strafhöhe" erfolgt sei, kann nicht nachvollzogen werden, welchen Deliktstypus die belangte Behörde ihrem Straferkenntnis tatsächlich zugrundegelegt hat. Wäre die belangte Behörde - diesfalls zutreffend vom Vorliegen sogen. fortgesetzter Delikte (vgl. etwa VwGH 24.7.1991, 91/19/0150) ausgegangen, hätte sie dann jedoch als Geldstrafe für jede der beiden Verwaltungsübertretungen gemäß § 28 Abs.1 AZG höchstens nur 6.000 S verhängen dürfen (abgesehen freilich davon, daß für die Ausschöpfung des Strafrahmens für die Geldstrafe nach der Aktenlage keine Begründung auffindbar gewesen wäre).

- Schließlich kann auch dahingestellt bleiben, ob vorliegend aus dem Blickwinkel des § 44a Z1 VStG und der hiezu ständigen Rechtsprechung des VwGH überhaupt eine hinlänglich bestimmte Verfolgungshandlung innerhalb der Verjährungsfrist gesetzt worden ist; so scheint die belangte Behörde verkannt zu haben, daß der als verletzt zugrundegelegte § 9 AZG zweierlei Verbotsnormen enthält; den im Akt auffindbaren Verfolgungshandlungen kann jedoch nicht hinlänglich bestimmt entnommen werden, ob dem Berufungswerber die Verletzung der einen oder der anderen Vorschrift angelastet werden sollte.

4. Die Aufhebung bzw. die Aufhebung und Einstellung bewirken auf der Kostenseite, daß der Berufungswerber mit Beiträgen zum Strafverfahren weder vor der belangten Behörde (als Folge der Aufhebung des Straferkenntnisses) noch vor dem unabhängigen Verwaltungssenat zu belasten ist.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. G r o f

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