Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-221107/9/Kl/Rd

Linz, 18.07.1996

VwSen-221107/9/Kl/Rd Linz, am 18. Juli 1996 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch das Mitglied Dr. Klempt über die Berufung des JV, vertreten durch RA, 4020 Linz, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung vom 20.9.1994, Ge96-101-3-1994/Schf, wegen einer Verwaltungsübertretung nach der Gewerbeordnung 1994 zu Recht erkannt:

Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 und 45 Abs.1 Z1 und Z3 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Mit Straferkenntnis der BH Urfahr-Umgebung vom 20.9.1994, Ge96-101-3-1994/Schf, wurde über den Berufungswerber (Bw) eine Geldstrafe von 4.000 S, für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von vier Tagen, wegen einer Verwaltungsübertretung nach § 367 Z15 iVm § 52 Abs.4 GewO 1994 und der Verordnung des Bürgermeisters der Gemeinde St. G vom 1.12.1992 verhängt, weil er vom 16.12.1992 bis zum 3.8.1994 in den Aufstellungsorten R und St. G, das Gewerbe (Handelsgewerbe gemäß § 103 Abs.1 lit.b Z25 GewO 1973, beschränkt auf den Einzelhandel mit Kaugummi und Beigaben) mittels Automaten zur Abgabe von Süßigkeiten (Kaugummiautomaten) entgegen den Bestimmungen der Verordnung des Bürgermeisters der Gemeinde St. G vom 1.12.1992, in Kraft getreten am 16.12.1992, ausgeübt hat. Aufgrund dieser gemäß § 52 Abs.4 GewO 1973 erlassenen Verordnung ist zum Schutz von unmündigen Minderjährigen vor unüberlegten Geldausgaben die Ausübung gewerblicher Tätigkeiten mittels Automaten zur Abgabe von Süßigkeiten wie Zuckerl, Kaugummi ua und zur Abgabe von Kleinspielwaren, wie Ringe, Tierzeichen, Kugeln ua an folgenden Standorten untersagt:

1. In einem Umkreis von 200 m vom Standort der Volksschule St. G; 2. in einem Umkreis von 200 m bei der Haltestelle des öffentlichen Verkehrs sowie der Schulbushaltestelle vor dem Haus R.

2. Dagegen wurde fristgerecht Berufung eingebracht, welche sich dem gesamten Inhalte nach gegen das Straferkenntnis richtet. Zunächst wurde darauf hingewiesen, daß die Automaten ordnungsgemäß angemeldet wurden, auch die Zustimmung des Eigentümers bestehe und daß die Automaten durch eigenberechtigte Mitarbeiter aufgestellt worden seien. Weiters wurde darauf hingewiesen, daß die vorliegende Verordnung im Hinblick auf bereits mehrfach ergangene Entscheidungen des VfGH, wonach Umkreise von 200 m keineswegs der Bestimmung des § 52 Abs.4 GewO entsprechen, offensichtlich gesetzes- und verfassungswidrig ist.

3. Die BH Urfahr-Umgebung als belangte Behörde hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt.

4. Der O.ö. Verwaltungssenat hat erwogen:

4.1. Im Grunde der Berufungsausführungen hatte der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich in sinngemäßer Anwendung des Art. 89 Abs.2 iVm Art. 129a Abs.3 B-VG Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit der dem Verwaltungsstrafverfahren zugrundeliegenden Verordnung des Bürgermeisters der Gemeinde St. G vom 1.12.1992 über das Verbot der Ausübung gewerblicher Tätigkeiten mittels Automaten, weil die auch im gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahren anzuwendende Regelung eine Verbotszone "in einem Umkreis von 200 m" für bestimmte Schulbus- bzw. Aufnahmestellen des öffentlichen Verkehrs iSd § 52 Abs.4 Z2 und 3 GewO verfügt.

Dies widerspricht aber dem § 52 Abs.4 GewO, weil die Festlegung eines "näheren Umkreises" als Verbotszone nur nach dessen Z1 und 5, also für Schulen und Plätze, die von unmündigen Minderjährigen frequentiert werden, vorgesehen ist, nicht aber nach dessen Z2 und 3, die Aufnahmestellen des öffentlichen Verkehrs und Schulbushaltestellen betreffen.

Im Grunde dieser Erwägungen und der bereits zu dieser Frage ergangenen Judikatur des VfGH (VfGH-Erkenntnis V36/84 vom 2.10.1985) hat der O.ö. Verwaltungssenat gemäß Art. 129a Abs.3 iVm Art. 89 Abs.2 und Art. 139 Abs.1 B-VG und iVm § 57 VfGG 1953 an den VfGH den Antrag gestellt, er möge die Worte "in einem Umkreis von 200 m" in der Z2 des § 1 der Verordnung des Bürgermeisters der Gemeinde St. G vom 1.12.1992 über das Verbot der Ausübung gewerblicher Tätigkeiten mittels Automaten als gesetzwidrig aufheben.

4.2. Diesem Antrag des O.ö. Verwaltungssenates hat der VfGH mit Erkenntnis vom 26.6.1996, V 106/95-9, Folge gegeben und die Wortfolge "in einem Umkreis von 200 m" in der Z2 des § 1 der obzitierten Verordnung als gesetzwidrig aufgehoben.

4.3. Gemäß Art. 139 Abs.6 B-VG sind alle Gerichte und Verwaltungsbehörden an den Spruch des VfGH gebunden, wenn eine Verordnung wegen Gesetzwidrigkeit aufgehoben worden ist. Auf die vor der Aufhebung verwirklichten Tatbestände mit Ausnahme des Anlaßfalles ist jedoch die Verordnung weiterhin anzuwenden, sofern der VfGH nicht in seinem aufhebenden Erkenntnis anderes ausspricht.

Im Grunde dieser Bestimmung kommt daher dem Bw im gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahren die "Rechtswohltat" des Anlaßfalles zugute, sodaß die aufgehobene Wortfolge der obzitierten Verordnung für ihn nicht mehr anzuwenden war.

4.3.1. Demgemäß geht aber, weil ein Aufstellen nur mehr bei der Haltestelle des öffentlichen Verkehrs sowie bei der Bushaltestelle vor dem Haus R strafbar ist, aus dem Schuldspruch des angefochtenen Straferkenntnisses nicht hervor, ob das vorgeworfene Aufstellen des Kaugummiautomaten entweder bei der Haltestelle des öffentlichen Verkehrs oder bei der Schulbushaltestelle vor dem Haus R erfolgt ist.

Gleiches gilt für den Vorwurf des Aufstellens eines Kaugummiautomaten "am Aufstellungsort St. G", weil weder aus diesem Tatvorwurf noch aus dem gesamten Verwaltungsstrafakt ersichtlich ist, ob dieser Aufstellungsort in einem Umkreis von 200 m vom Standort der Volksschule St. G gelegen ist.

4.3.2. Im übrigen war noch zu berücksichtigen, daß als verletzte Rechtsvorschrift gemäß § 44a Z2 VStG bei der in Rede stehenden Übertretung die Bestimmung des § 367 Z15 GewO (in der zur Tatzeit geltenden Fassung) iZm der fallbezogen in Betracht kommenden - konkreten - Bestimmung der aufgrund des § 52 Abs.4 GewO ergangenen Verordnung zu zitieren ist.

Enthält diese Verordnung mehrere Untergliederungen, so ist dem Erfordernis der konkreten Bezeichnung der angewendeten Verordnungsbestimmung nur entsprochen, wenn auch die im Einzelfall angewendete Untergliederung dieser Verordnung bestimmt bezeichnet ist (VwGH vom 27.6.1995, 95/04/0056). Es wäre daher der Tatvorwurf unter Zuordnung zur jeweiligen Untergliederung der gegenständlichen Verordnung konkret umschrieben zu teilen gewesen und entsprechend bei der verletzten Rechtsvorschrift die entsprechende Untergliederung der Verordnung anzuführen gewesen. Schließlich wird noch angemerkt, daß als Strafnorm iSd § 44a Z3 VStG "§ 367 Einleitungssatz" der GewO zu zitieren ist.

Aus den angeführten Gründen war daher das Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs.1 Z1 und 3 aufzuheben.

5. Bei diesem Verfahrensergebnis waren keine Verfahrenskostenbeiträge vorzuschreiben (§ 66 VStG).

6. Schließlich wird die belangte Behörde eindringlich darauf hingewiesen, daß im Verwaltungsstrafverfahren ein Kostenersatz für die Parteien nicht vorgesehen ist (§§ 24 VStG und 79a AVG).

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Beilage: Akt Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. K l e m p t

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