Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-221126/13/Gu/Km

Linz, 18.01.1995

VwSen-221126/13/Gu/Km Linz, am 18. Jänner 1995 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Hans GUSCHLBAUER über die Berufung des K P vertreten durch Rechtsanwalt Mag.

G E gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft vom 9. Oktober 1994, Zl. Ge96/2651/92 wegen Übertretung der Bauarbeitenschutzverordnung, zu Recht:

Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

Der Rechtsmittelwerber hat keine Verfahrenskostenbeiträge zu leisten.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 AVG iVm § 24 VStG, § 31 Abs.2 Auslaufsatz Arbeitnehmerschutzgesetz, § 45 Abs.1 Z1 2. Sachverhalt VStG, § 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

Die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck hat den Rechtsmittelwerber mit dem angefochtenen Straferkenntnis im zweiten Rechtsgang schuldig erkannt, es als gemäß § 9 VStG zur Vertretung nach außen verantwortlicher handelsrechtlicher Geschäftsführer der "P B Ges.m.b.H." mit dem Sitz in B , A vertreten zu müssen, daß am 4.3.1993 auf der Baustelle "G , E Straße , L " wie anläßlich einer Unfallerhebung durch das Arbeitsinspektorat für den 9.

Aufsichtsbezirk in L festgestellt worden sei, der Arbeitnehmer L N auf einer Leiter stehend die Befestigungselemente einer Brandschutztüre an der Wand befestigte, wobei sich die Wandöffnung, die diese Brandschutztüre abschließen sollte, im ersten Obergeschoß an der Außenmauer des Reifenlagers befunden habe (5 m über dem Innenhof) nicht abgeschränkt gewesen sei, sodaß in weiterer Folge der Arbeitnehmer abgestürzt sei.

Wegen Verletzung des § 31 Abs.2 lit.b ANSchG iVm § 39 Abs.1 der Bauarbeitenverordnung BGBl.Nr. 267/1954 in der geltenden Fassung wurde über den Rechtsmittelwerber eine Geldstrafe von 5.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe 120 Stunden) und ein Verfahrenskostenbeitrag von 500 S verhängt.

In seiner vom rechtsfreundlichen Vertreter verfaßten Berufung bekämpft der Rechtsmittelwerber umfangfreich seine Verantwortlichkeit und führt unter anderem aus, daß der Monteur bereits seinerzeit mit Urkunde vom 19.7.1991 die Pflicht der Arbeitnehmerschutzvorschriften zur Kenntnis zu nehmen und einzuhalten bestätigt habe. Gerade der Umstand, daß das gerichtliche Strafverfahren gegen J L geführt worden sei, zeige, daß primär J L als möglicher Haftungsträger in Frage gekommen sei, weil dieser nach der Arbeitsteilung im Unternehmen der verantwortliche Montageleiter auf der Baustelle gewesen sei und ihm die Überwachung der Einhaltung der einschlägigen Arbeitnehmerschutzvorschriften zur Pflicht gemacht worden sei.

Da im entscheidungsrelevanten Teil nur Rechtsfragen zu erörtern waren, konnte die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erfolgen.

Der Berufung kommt im Ergebnis Berechtigung zu.

Gemäß § 31 Abs.2 des Arbeitnehmerschutzgesetzes begehen Arbeitgeber und deren Bevollmächtigte die den Vorschriften der aufgrund des § 24 dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen oder den aufgrund des § 27 dieses Bundesgesetzes vorgeschriebenen Bedingungen und Auflagen oder den erteilten Aufträgen zuwiderhandeln, eine Verwaltungsübertretung und sind, sofern die Tat nicht nach anderen Gesetzen strenger zu bestrafen ist, von der Bezirksverwaltungsbehörde mit Geldstrafe bis zu 50.000 S zu bestrafen.

Gemäß Abschnitt 4., § 39 Abs.1 der Bauarbeitenverordnung sind als Vorkehrungen im Inneren von Bauten zur Sicherung gegen Absturz im Inneren entweder die Deckenträger unmittelbar nach deren Verlegen voll und tragfähig zu überdecken oder die nicht zu überdeckenden Trägerlagen oder nicht zu volltragfähigen Deckenlagen führenden Öffnungen, in den Außenwänden ebenso wie jene Öffnungen, die unmittelbar in Höfe, Schächte oder unvollendete Stiegenhäuser führen, sicher abzuschranken.

Gemäß § 88 Abs.1 StGB ist, wer fahrlässig einen anderen am Körper verletzt oder an der Gesundheit schädigt mit Freiheitsstrafe bis zu drei Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 180 Tagsätzen zu bestrafen.

Trifft den Täter kein schweres Verschulden und ist entweder aus der Tat keine Gesundheitsschädigung oder Berufsunfähigkeit einer anderen Person von mehr als dreitägiger Dauer erfolgt, so ist der Täter nach Abs.1 nicht zu bestrafen.

Hat die Tat eine schwere Körperverletzung zur Folge (länger als 24 Tage dauernde Gesundheitsschädigung oder Berufsunfähigkeit - oder an sich schwere Verletzung oder Gesundheitsschädigung) so ist der Täter mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagsätzen zu bestrafen.

Gemäß § 45 Abs.1 Z1 VStG hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden kann oder keine Verwaltungsübertretung bildet.

Was die Tat - den Lebenssachverhalt - anlangt, so steht fest, daß am 4.3.1992 im Schaumstoffwerk G in L E Straße , im ersten Obergeschoß im Bereich der Außenmauer des Ausreifungsbereiches für Schaumstoffblöcke dadurch ein Arbeitsunfall zustande kam (wodurch der Arbeitnehmer L N der P Ges.m.b.H. der mit der Montage einer Führungseinrichtung eines Brandschutztores beschäftigt war), daß er vor einer Öffnung an der Außenwand auf einer Leiter stand, welche sich am Ende eines mehrfach gegliederten Förderbandes befand und von einem Schaumstoffblock, der eine nichtfunktionierende Abschaltvorrichtung überfuhr, getroffen wurde und durch die ungesicherte Öffnung ins Freie fiel, nach 5 m am Boden aufschlug und sich hiebei eine komplizierte Fraktur einer Hand mit mehr als 24tägiger Berufsunfähigkeit zuzog. Der Bauarbeiter war von der verantwortlichen Person der Auftraggeberin eindringlich informiert worden, während des Betriebes der Förderbänder keine Arbeiten verrichten zu dürfen, hatte aber vertraut, daß der Endabschalter des Förderbandes dessen ungeachtet seine Sicherheit garantiere.

Der dem Bauarbeiter vorgesetzte Montageleiter namens J L hatte die Baustelle vorher nicht besichtigt und auch keine konkreten Anweisungen gegeben.

Aus diesem Grund beantragte die Staatsanwaltschaft L zahlreiche Vorerhebungen gegen den verdächtigten J L wegen des Verdachtes des Vergehens nach § 88 StGB, welche durch gerichtliche Vernehmung des Verdächtigten und von Zeugen tatsächlich auch durchgeführt wurden, erklärte jedoch am 24.8.1992 letztendlich, daß kein Grund zur weiteren Verfolgung des Verdächtigten gefunden wurde.

Wie eingangs erwähnt, begehen Arbeitgeber und deren Bevollmächtigte nur dann eine Verwaltungsübertretung, sofern die Tat nicht nach anderen Gesetzen strenger als mit 50.000 S Geldstrafe zu bestrafen ist.

Zweifellos ist die fahrlässige schwere Körperverletzung strenger zu bestrafen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger Judikatur (vergl. zuletzt Erkenntnis vom 20. Mai 1994, 93/02/0110) dargelegt, daß nur im Falle einer verurteilenden Entscheidung durch das Strafgericht eine Bindung der Verwaltungsstrafbehörde in der Frage besteht, ob ein gerichtlich zu ahndender Tatbestand vorliegt, der die Ahndung als Verwaltungsübertretung ausschließt. Bei Freispruch und Einstellung des Verfahrens hat eine selbständige Prüfung durch die Verwaltungsstrafbehörde zu erfolgen, ob sie zur Ahndung zuständig ist.

Nachdem gerichts- bzw. staatsanwaltsseitig das Verfahren gemäß § 90 StPO eingestellt worden ist, war daher die selbständige Prüfung der Frage, ob die Tat an sich nicht nach strengeren Gesetzen, nämlich nach dem Strafgesetzbuch zu bestrafen sei, vorzunehmen.

Ungeachtet daß dem Arbeitnehmer gegenüber ein ausdrückliches Verbot der Tätigkeit während des Betriebes der Förderbänder vorlag, hat der Beschuldigte, indem er weder selbst noch durch seine Erfüllungsgehilfen geeignete Schutzvorrichtungen gegen Abstürzen zur Verfügung gestellt hat und auch kein wirksames Kontrollnetz bzw. keine Aufsichtsperson zur Überwachung des Arbeitnehmers sichergestellt hat, sohin in Mißachtung der konkreten zum Schutze der körperlichen Sicherheit des Arbeitnehmers aufgestellter Normen gehandelt bzw. diesbezügliche Unterlassungen begangen und dadurch einen strafgesetzwidrigen Erfolg als Verwirklichung mangelnder Gefahrenabwehr herbeigeführt, derentwegen das Verhalten des Täters geboten war bzw. wurde dadurch eine Gefahrenlage geschaffen, die zur Sorge verpflichtete, daß die dadurch bewirkte abstrakte Gefahr nicht in einem tatbildmäßigen Erfolg umgesetzt wird. Dabei genügte es, daß der Beschuldigte die Wahrscheinlichkeit des Erfolgseintrittes gegenüber rechtmäßigem Alternativverhalten erhöht hat (Foregger-Serini StGB, 4. Auflage, Seite 212 Erl.

II-IV).

Es ist daher nach Ansicht des O.ö. Verwaltungssenates die Zuständigkeit des Gerichtes zur Tatahndung gegeben, unbeschadet der nach § 90 Abs.1 StPO erfolgten Zurücklegung der Anzeige gegen J L durch die Staatsanwaltschaft und unbeschadet des Fehlens einer Anzeige gegen K P bei der Staatsanwaltschaft, weshalb im Grunde der nach § 31 Abs.2 Auslaufsatz Arbeitnehmerschutzgesetz normierten Subsidiarität, das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs.1 Z1 VStG einzustellen war.

Da die Berufung im Ergebnis Erfolg hatte, ist der Rechtsmittelwerber von Beiträgen zu den Kosten des Berufungsverfahrens befreit (§ 66 Abs.1 VStG).

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. Guschlbauer

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum