Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-221162/32/Ga/La

Linz, 30.11.1995

VwSen-221162/32/Ga/La Linz, am 30. November 1995 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch die 5. Kammer (Vorsitzender: Dr.

Grof, Berichter: Mag. Gallnbrunner, Beisitzer: Dr. Schön) über die Berufung des R. F., vertreten durch Dr. K. F., Rechtsanwalt in ....., ..............., gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt ..... vom 5.

Dezember 1994, Zl. MA2-Ge-4016-1993 Ste, wegen Übertretung der Bauarbeitenschutzverordnung (BArbSchV), nach öffentlicher mündlicher Verhandlung und durch öffentliche Verkündung am 7. November 1995 zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird insoweit stattgegeben, als die verhängte Geldstrafe auf 10.000 S und die Ersatzfreiheitsstrafe auf drei Tage herabgesetzt werden; im übrigen wird die Berufung abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis mit der Maßgabe bestätigt, daß - der Schuldspruch von der fünften Zeile an wie folgt zu lauten hat: "... beschäftigt wurden, ohne daß die Arbeitnehmer bei diesen Arbeiten in irgendeiner Weise gegen Absturz gesichert waren, obwohl ...."; - das Zitat des § 33 Abs.7 ANSchG in den als verletzt angegebenen Rechtsvorschriften (§ 44a Z2 VStG) zu entfallen hat; - als Strafnorm (§ 44a Z3 VStG) anzuführen ist: "§ 31 Abs.2 lit.p iVm § 33 Abs.7 ANSchG".

II. Der Beitrag des Berufungswerbers zu den Kosten des Verfahrens vor der Strafbehörde wird auf 1.000 S herabgesetzt.

Rechtsgrundlage:

AVG: § 66 Abs.4.

VStG: § 24; § 16, § 19, § 44a, § 51 Abs.1, § 51c, § 51d, § 51e Abs.1, § 51g, § 51i; §§ 64 f.

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde der Berufungswerber wie folgt schuldig erkannt:

"Sie haben es als handelsrechtlicher Geschäftsführer der Firma R. Ges.mbH. & Co KG., ....., ..............., zu vertreten, daß am 25.11.1992 auf der Baustelle Tennishalle ............, ............. (......../.........) mehrere von Ihrer Firma dort beschäftigte Arbeitnehmer auf der Ostseite des Daches dieser Tennishalle bei einer möglichen Absturzhöhe von ca. 5 - 9 m mit dem Verlegen von Trapezblechen beschäftigt waren, ohne daß bei der Durchführung dieser Arbeiten geeignete Gerüste vorhanden gewesen oder die Arbeitnehmer in irgendeiner anderen Weise gegen Absturz gesichert gewesen waren, obwohl die Bauarbeitenschutzverordnung vorschreibt, daß mit Arbeiten auf Dächern erst nach Durchführung von Sicherheitsmaßnahmen, die ein Abstürzen von Menschen, Materialien und Geräten hintanzuhalten geeignet sind, begonnen werden darf." Dadurch habe er den § 43 Abs.1 BArbSchV iVm § 31 Abs.2 lit.p, § 33 Abs.1 lit.a Z12 und § 33 Abs.7 des Arbeitnehmerschutzgesetzes (ANSchG) verletzt und sei er gemäß § 31 Abs.2 lit.p ANSchG mit einer Geldstrafe in der Höhe von 20.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe: sechs Tage) kostenpflichtig zu bestrafen gewesen.

1.2. Begründend verweist die belangte Behörde auf die dieses Verwaltungsstrafverfahren auslösende Anzeige des Arbeitsinspektorates vom 27. November 1992 einschließlich der übermittelten Fotos und hält nach Darstellung des Ganges des Ermittlungsverfahrens die Tatbestandsmäßigkeit für gegeben. Was die Schuldseite angeht, ist die belangte Behörde vor dem Hintergrund des von ihr erschließbar zugrundegelegten Ungehorsamsdeliktes und der hiezu ergangenen Judikatur zur Auffassung gelangt, daß dem Berufungswerber mit dem von ihm dargestellten Kontrollsystem die Glaubhaftmachung seiner Schuldlosigkeit an der von ihm in seiner Eigenschaft als handelsrechtlicher Geschäftsführer der involvierten Gesellschaft zu verantwortenden Übertretung nicht gelungen sei.

Strafbemessend verweist die belangte Behörde abstrakt auf bestimmte Kriterien des § 19 VStG und gibt an, daß für die Festsetzung der Geldstrafe die Vermögens-, Einkommensund Familienverhältnisse des Beschuldigten berücksichtigt worden seien.

2.1. Mit der gegen dieses Straferkenntnis erhobenen, von der belangten Behörde zugleich mit dem Strafakt, ohne Gegenäußerung, vorgelegten Berufung beantragt der Beschuldigte die Aufhebung und Verfahrenseinstellung, hilfsweise die Durchführung mehrerer Beweise, somit erschließbar die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung.

Hiezu bringt er mit näherer Begründung vor, daß das angefochtene Straferkenntnis an einem mangelhaft geführten Verfahren und an inhaltlicher Rechtswidrigkeit leide. So wendet er - insoweit nahezu wörtlich übereinstimmend mit seiner hier zu VwSen-221163-1995 protokollierten Berufung ein, daß seinen Beweisanträgen nicht Folge geleistet worden sei, daß die Arbeitnehmer die bereits fertig eingedeckten Dachteile als Arbeitsbühne für die weiteren Dachdeckerarbeiten verwendet hätten und dadurch einen wesentlich höheren Sicherheitsgrad genossen hätten, als dies durch ein allfälliges schmales Gerüst möglich gewesen wäre. Jedenfalls verfehlt sei die Auffassung, daß ihm der Entlastungsbeweis gemäß § 5 Abs.1 VStG nicht gelungen sei; die belangte Behörde habe nämlich die von ihm angebotenen Beweise nicht aufgenommen. In diesem Zusammenhang macht er auch geltend, daß das angefochtene Straferkenntnis mangelhaft begründet sei. Zu dem von ihm gehandhabten Kontrollsystem zur Gewährleistung der Einhaltung von Arbeitnehmerschutzvorschriften führt er aus, daß in seinem Betrieb die Arbeitnehmer ständig belehrt und angewiesen worden seien, daß durch ihn selbst bzw. den zuständigen Bauleitern immer wieder Stichprobenkontrollen der Baustellen vorgenommen würden und darüber hinaus auch den Mitarbeitern für den Fall der Nichteinhaltung von Sicherheitsbestimmungen Sanktionen angedroht worden seien. Auch der jeweilige Vorarbeiter an der Baustelle sei striktest angewiesen worden, auf die Einhaltung der Sicherheitsvorschriften peinlichst zu achten.

Insgesamt habe daher der Beschuldigte alle nur erdenklichen, ihm zumutbaren Maßnahmen getroffen und ein dicht gewobenes Kontroll- und Überprüfungssystem eingerichtet, das ein gefahrloses Verlegen des Daches gewährleisten solle und insbesondere darauf abgestellt sei, den einschlägigen Sicherheitsbestimmungen zu genügen, woraus hervorgehe, daß er den Entlastungsbeweis iSd § 5 Abs.1 VStG sehr wohl erbracht habe. Davon abgesehen habe er als Nichtjurist guten Glaubens annehmen können, in der Person des J. G. einen verantwortlichen Beauftragten wirksam bestellt zu haben und liege deswegen, weil von ihm die Kenntnis der diesbezüglich speziellen Judikatur nicht verlangt werden könne, zumindest ein entschuldbarer Rechtsirrtum vor.

2.2. Das zur Berufung angehörte Arbeitsinspektorat hat seine Auffassung bekräftigt, wonach auf der gegenständlichen Baustelle zum Kontrollzeitpunkt, wie auch aus Fotos hervorgehe, in keiner Weise Absturzsicherungen getroffen gewesen seien. Was den Einwand der "Arbeitsbühne" betrifft, führt das Arbeitsinspektorat aus:

"Dabei wird jedoch übersehen, daß dieser "Arbeitsbelag" - sprich Trapezfläche - eine Neigung von ca. 30 o aufwies und an sämtlichen Absturzkanten eine für eine Arbeitsbühne erforderliche Absturzsicherung nicht vorhanden war, wobei es für die Arbeitnehmer offensichtlich notwendig war, im direkten Absturzbereich zu arbeiten. Diese Arbeiten wurden (siehe Fotos) trotz Fehlens einer technischen Schutzvorrichtung ohne Verwendung einer persönlichen Schutzausrüstung durchgeführt. .... Weiters übersieht der Beschuldigte, daß bei der Verlegung von Profilblechen durchwegs im Bereich der Absturzkanten gearbeitet werden muß, und daher unabhängig davon, wie groß die bereits verlegte Dachfläche ist, eine Absturzsicherung an den Kanten vorhanden sein muß. Diese Absturzsicherung kann in technischer Weise erfolgen bzw.

unter Verwendung einer persönlichen Schutzausrüstung." 3.1. Im Hinblick auf die ausdrückliche Bestreitung hat der unabhängige Verwaltungssenat eine öffentliche mündliche Verhandlung unter Ladung der Verfahrensparteien und der Zeugen am 7. November 1995 - gemäß § 51e Abs.5 VStG gemeinsam mit der denselben Berufungswerber betreffenden Verhandlung zu VwSen-221163-1995 - anberaumt und durchgeführt. Von den Parteien ist die belangte Behörde ferngeblieben und war die Beschuldigtenpartei durch ihren Rechtsfreund vertreten. Die Zeugen Dipl.-Ing. H. und J. G.

wurden förmlich vernommen; auf die Vernehmung des geladenen und erschienenen Zeugen M. R. haben die Parteien einvernehmlich verzichtet.

3.2. Eingangs der Verhandlung wurden der bisherige Verfahrensgang und die Verfahrensgrundlage anhand des zu Zl. MA2-Ge-4016-1993 Ste vorgelegten Strafaktes sowie der Berufung dargestellt. In die einen Bestandteil dieses Aktes bildenden, vom kontrollierenden Organ des Arbeitsinspektorats an der Baustelle aufgenommenen Fotos, die vom unabhängigen Verwaltungssenat als Beweismittel anerkannt werden, haben die Verhandlungsparteien Einsicht genommen.

Unter Einbeziehung dieser Aktenlage stellt der unabhängige Verwaltungssenat auf Grund des Beweisverfahrens unter Hinweis auf § 51i VStG - sowohl der Zeuge Dipl.-Ing.

H. als auch der Zeuge G. schienen bei ihrer Vernehmung hinsichtlich der wesentlichen Sachverhalte aus einer noch wachen Erinnerung zu schöpfen und machten, jeder für seinen Wahrnehmungsbereich, einen sicheren, unbeeinflußten und daher insgesamt glaubwürdigen Eindruck - folgenden maßgebenden SACHVERHALT fest:

Bei der im Schuldspruch bezeichneten Baustelle, auf der die involvierte Gesellschaft ca. 8 Wochen beschäftigt war, handelte es sich um einen Hallenrohbau mit ostseitig noch nicht fertig eingedeckt gewesener Dachfläche. Auf dieser ostseitigen Dachfläche waren mehrere, mindestens jedoch drei Arbeitnehmer der involvierten Gesellschaft mit dem Verlegen von Trapezprofilen beschäftigt. Die Dachkonstruktion war mit ca. 30 o geneigt, wobei die Neigung etwa von der Mitte weg zur Außenkante hin steiler verlief. Die Absturzhöhe variierte zwischen ca. 4 m im Randbereich bis ca. 9 m im Firstbereich. Die Dachkonstruktion bestand aus Holzleimbindern, mit einer Breite zwischen 20 und 50 cm, auf die die Trapezprofile verlegt wurden. Zu diesem Zweck wurden Profilpakete mittels Kran auf das Dach hinaufgehoben; die einzelnen Bleche wurden dann Stück für Stück heruntergenommen und auf die Holzleimbinder verlegt. Bei dieser Tätigkeit bewegten sich die Arbeitnehmer auf den Oberkanten der Holzleimbinder und arbeiteten dann auf einem gerade aufgebrachten Profilblech stehend weiter. Auf den schon verlegten Profilen waren keine sogenannten "Z-Leisten" angebracht. Sofern traufenseitig für die Dachrinne konstruktiv notwendige Holzbohlen überhaupt schon montiert gewesen sind, boten diese möglicherweise einen Schutz gegen das Abrutschen, nicht jedoch gegen den Absturz von nach rückwärts gehenden Arbeitnehmern. Absturzgefahr bestand aber auch an den vorderen und seitlichen Kanten der schon verlegten Trapezprofile sowie von den Oberkanten der Holzleimbinder. Die einzelnen Trapezprofile hatten ein Ausmaß von mindestens 84 cm x 10 m. Die im Kontrollzeitpunkt mit den Verlegearbeiten beschäftigt gewesenen Arbeiter waren mit keiner persönlichen Sicherung, zB Gurt, Sicherheitsgeschirr mit dazugehörigem Sicherheitsseil und dgl.

ausgerüstet. Auch technische Sicherungen, wie zB fahrbare Gerüste im Halleninneren, Außengerüste an der Außenseite oder Fangnetze gab es nicht. Der Vorarbeiter der Baustelle wurde vom Kontrollorgan des Arbeitsinspektorats darauf aufmerksam gemacht, daß nichts an Sicherungen vorhanden war, was ein Auffangen der Arbeitnehmer, Materialien oder Geräte tatsächlich hätte bewirken können. Allenfalls hätten die Holzpfosten dort, wo sie nicht ausschließbar bereits angebracht waren, eine gewisse Abrutschsicherung für Geräte oder Materialien, ja möglicherweise sogar für einen gestürzten und ins Rutschen gekommenen Arbeitnehmer darstellen können, nicht jedoch eine geeignete Absturzsicherung nach außen für Arbeiter im Bereich der Kanten.

Der Bauleiter dieser Baustelle, J. G., war am Kontrolltag selbst nicht auf der Baustelle; die örtlichen Verhältnisse und die Dachkonstruktion waren ihm jedoch vollauf vertraut. Durchschnittlich zweimal pro Woche hat er die Baustelle besucht. Außer ihm hat die Baustelle eigentlich sonst niemand, auch nicht der Geschäftsführer, kontrolliert; jedenfalls kann er sich an keine solche Kontrolle erinnern. Über den Vorfall wurde der Bauleiter vom Vorarbeiter W. G. informiert.

Weil er sich für die Sicherheit seiner Leute in gewisser Weise verantwortlich fühlte, hat er den eingeteilten Arbeitern zu Beginn der Baustelle auch die Weisung erteilt:

"Nehmt's Gurte und Sicherheitsseile mit und sichert Euch damit." Jedenfalls sei ihm bewußt gewesen, daß er auch für die Sicherheit der unter seiner Bauleitung werkenden Arbeitnehmer verantwortlich ist. Dies, obwohl ihm in der Firma eigentlich niemand besondere Anweisungen für seine Verantwortung, auch die Sicherung der Arbeiter wahrzunehmen, gegeben hat. Im Falle der Zuwiderhandlung eines Mitarbeiters haben sich seine Kompetenzen darauf beschränkt, dem Betreffenden ins Gewissen zu reden. Wenn der Geschäftsführer längere Zeit, etwa durch Urlaub, abwesend war, konnte er Arbeitnehmer aufnehmen, obgleich die letzte Entscheidung beim Geschäftsführer selbst lag. Kündigungen konnte er nicht aussprechen. Daß auf einen Verstoß gegen Sicherheitsvorkehrungen ihm oder anderen gegenüber in der Firma Sanktionen, zB Lohnkürzungen oder ähnliches, angedroht oder ausgesprochen worden wären, ist ihm nicht in Erinnerung.

Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

4.1. Gemäß § 43 Abs.1 BArbSchV dürfen Arbeiten auf Dächern, wie Dachdecker-, Spengler-, Bauglaser- oder Anstreicherarbeiten sowie Arbeiten an Blitzschutzanlagen erst nach Durchführung von Sicherheitsmaßnahmen, die ein Abstürzen von Menschen, Materialien und Geräten hintanzuhalten geeignet sind, begonnen werden.

§ 43 Abs.4 BArbSchV ordnet an, daß dann, wenn beim Bauwerk geeignete Gerüste vorhanden sind, diese, sofern sie nicht auch als Arbeitsgerüste für Dacharbeiten geeignet sind, als Schutzgerüste für Dacharbeiten ausgebildet werden müssen; der Belag der Schutzgerüste muß sich etwa in Höhe des Dachsaumes befinden. Diese Gerüste dürfen erst nach Beendigung der Dacharbeiten entfernt werden.

4.2. Der Berufungswerber ist mit dem angefochtenen Straferkenntnis, wenngleich im Spruchteil gemäß § 44a Z3 VStG irreführenderweise von "Verwaltungsübertretungen" die Rede ist, nur wegen der Verletzung des § 43 Abs.1 BArbSchV allein bestraft worden. Die Tatumschreibung im Schuldspruch stellt jedoch - auch - darauf ab, daß keine "geeigneten Gerüste" vorhanden gewesen sind. Damit aber spricht der Schuldspruch § 43 Abs.4 BArbSchV an. Diese Bestimmung für sich enthält allerdings kein Gebot mit der Aussage, daß bei der Baustelle "geeignete Gerüste" vorhanden sein müssen. Im Gegenteil: Anordnungen trifft diese Vorschrift NUR für den Fall, daß "geeignete Gerüste" vorhanden sind. Weil im Berufungsfall jedoch gerade hinsichtlich der überhaupt nicht vorhanden gewesenen Gerüste daher auch die zit. Vorschrift nicht verletzt sein konnte, war die darauf bezugnehmende Wortfolge aus dem angefochtenen Schuldspruch - ohne Nachteil für die Tatanlastung insgesamt - zu eliminieren.

Das verbleibende wesentliche Tatelement, nämlich daß die Arbeitnehmer in keiner Weise gegen Absturz gesichert waren, ist jedoch aus dem Blickwinkel des Konkretisierungsgebotes des § 44a Z1 VStG für die Umschreibung der erforderlichen, aber nicht vorhanden gewesenen Sicherungseinrichtungen nach der einschlägigen Judikatur (vgl. VwGH 27.1.1995, 94/02/0407; mit Hinweisen auf Vorjudikatur) ausreichend. So hat der VwGH mit Bezug auf die allgemeine Verbotsnorm des § 43 Abs.1 BArbSchV für unbedenklich gefunden, wenn die Tatumschreibung hinsichtlich unterlassener Sicherheitseinrichtungen mit Wortlauten wie "Sicherungsmaßnahmen, die ein Abstürzen hintanhalten hätten können", "Einrichtungen ..., die geeignet gewesen wären, ein Abstürzen der Arbeitnehmer zu verhindern" und "Absturzsicherung" vorgenommen wurde. Daß aber auf dieser Baustelle Dachdeckerarbeiten durchgeführt und somit auch begonnen wurden, bei denen ohne Sicherheitsmaßnahmen Menschen konkret absturzgefährdet waren, ist nach dem Ergebnis des Beweisverfahrens nicht bestreitbar. Zu Recht hat im übrigen das Arbeitsinspektorat den Standpunkt eingenommen, daß unter diesen Umständen von einer Qualität der schon "fertig" eingedeckten Dachteile als "Arbeitsbühne" keine Rede sein kann.

Haben aber die Arbeitnehmer die beschriebenen Dachdeckerarbeiten auf dieser Baustelle vorgenommen, waren sie dabei durch keinerlei Sicherheitsmaßnahmen persönlicher oder allgemein technischer Art gegen ein Abstürzen, das jedenfalls nicht von vornherein ausgeschlossenen werden durfte, geschützt, dann steht die Tatbestandsmäßigkeit des Verstoßes gegen die Schutzvorschrift des § 43 Abs.1 BArbSchV fest.

4.3. Der Berufungswerber hat die Übertretung als handelsrechtlicher Geschäftsführer der involvierten Gesellschaft, somit als Arbeitgeber auch zu verantworten. Ihm ist die Tat, wie die belangte Behörde schon zutreffend ausgeführt hat, als schuldhaft begangen vorzuwerfen.

Gegenständlich handelt es sich um ein Ungehorsamsdelikt und ist der Berufungswerber daher schon durch den objektiven Tatbestand belastet; seine Schuld ist gemäß § 5 Abs.1 zweiter Satz VStG bis zur Glaubhaftmachung des Gegenteils durch ihn selbst - und weil auch Anhaltspunkte, die an seinem Verschulden zweifeln lassen, nicht vorliegen - von Gesetzes wegen anzunehmen. Dies folgt daraus, daß zur Tatzeit, wie aus der Aktenlage ersichtlich und vom Berufungswerber zugestanden, ein verantwortlicher Beauftragter iSd § 9 Abs.2 und Abs.4 VStG wirksam noch nicht bestellt gewesen ist.

Es ist aber auch der für die Baustelle als Bauleiter eingesetzte J. G. entgegen der Auffassung des Berufungswerber kein (schlicht) Bevollmächtigter iSd § 31 Abs.2 ANSchG gewesen und war daher die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit des Berufungswerbers nicht im Lichte des § 31 Abs.5 ANSchG zu prüfen. Wie im Beweisverfahren hervorgekommen ist, war nämlich Josef Grüneis nicht mit einer entsprechenden Anordnungs- und Entscheidungsbefugnis nach der Judikatur (vgl. das in der h. Entscheidung v.

21.11.1995, VwSen-220668, zit. Erk. VwGH 17.12.1992, 92/18/0393, mit Hinweis auf Erk. 12.6.1992, 90/19/04/64; ua) eine Wesensvoraussetzung für die Bestellung als Bevollmächtigter - ausgestattet.

Abgesehen davon, würde selbst die Annahme einer derartigen Bestellung der Berufung nicht zum Erfolg verhelfen: Nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH wäre der Berufungswerber aus dem Blickwinkel der Verschuldensregelung des § 31 Abs.5 VStG nur dann von seiner Verantwortlichkeit befreit, wenn er es - unter anderem - bei der Beaufsichtigung des Bevollmächtigten nicht an der erforderlichen Sorgfalt hätte fehlen lassen. Dieses subjektive Tatelement der ungenügenden Beaufsichtigung des Bauleiters als - angeblicher - Bevollmächtigter, ist vorliegend jedoch erfüllt, weil, wie hervorgekommen ist, der Berufungswerber diese Baustelle, die etwa acht Wochen in Anspruch genommen hat, gar nicht kontrolliert hat. Dies schließt der unabhängige Verwaltungssenat daraus, daß ein solcher Kontrollgang dem Bauleiter nicht in Erinnerung bzw.

nicht aufgefallen ist. Im Hinblick auf die Dauer der Baustelle hätte sie der Berufungswerber jedoch mehrere Male zu kontrollieren gehabt und hätten nach der Erfahrung des täglichen Lebens zumindest einige dieser Kontrollgänge dem Bauleiter auffallen oder sonst zur Kenntnis gelangen und in Erinnerung bleiben müssen. Daß aber der Berufungswerber statt Kontrollgängen auf der Baustelle andere wirksame Maßnahmen zur Beaufsichtigung des (angeblichen) Bevollmächtigten eingerichtet und gehandhabt hätte, ist im Verfahren vor dem unabhängigen Verwaltungssenat hingegen nicht hervorgekommen.

Bei diesem Ergebnis kann auf sich beruhen, daß auch die von der Judikatur herausgearbeiteten (und von der belangten Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides zutreffend dargestellten) weiteren Kriterien für ein wirksames Kontrollsystem, das die Entlastung des Arbeitgebers hätte bewirken können, entgegen den Angaben des Berufungswerbers nicht, jedenfalls nicht mit der erforderlichen Effizienz vorgekehrt waren. Hätte der Berufungswerber ein solches Kontrollsystem aber durchschlagend eingerichtet gehabt, dann hätte er nach den Umständen dieses Falles auch wahrnehmen müssen, daß der eingesetzte Bauleiter pro Woche durchschnittlich nur zwei Baustellenbesuche absolvierte und damit die regelmäßige Einhaltung von Schutzvorschriften durch die beschäftigt gewesenen Arbeiter, wie durch das Geschehen am Tattag erwiesen, nicht gewährleisten konnte.

4.4. Der vom Berufungswerber eingewendete Rechtsirrtum liegt hier nicht vor. Nach der Judikatur des VwGH kann ein Rechtsirrtum nur entschuldigen, wenn er erwiesenermaßen unverschuldet ist (vgl. etwa VwGH 12.8.1994, 94/02/0226).

Vorliegend jedoch ist davon auszugehen, daß ein für die betriebliche Praxis hinreichend aktualisiertes und gesichertes Wissen um die Rechtslage betreffend die Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten regelmäßig zum Kenntnisstand einer sorgfältigen Geschäftsführung im Verkehrskreis des Berufungswerbers gehört. Im Fall von Zweifeln oder von Rechtsunsicherheit hätte sich der Berufungswerber daher einschlägig, zB bei der Interessensvertretung oder bei der Behörde informieren und den allfälligen Nachweis unrichtiger Rechtsauskünfte erbringen müssen (vgl. VwGH 15.12.1994, 94/09/0092).

Die noch in der Berufungsschrift (nicht mehr in der Verhandlung!) zum Beweisthema 'Kontrollsystem' als zusätzliche Zeugen beantragten, weil gegenständlich involviert gewesenen, Arbeiter W. G. und H. S. hat der unabhängige Verwaltungssenat deshalb nicht zur Verhandlung geladen, weil zu diesem Thema schon die Zeugen Raaher und Grüneis zur Verfügung standen und nach der Aktenlage und dem Vorbringen in der Berufung davon auszugehen war, daß insbesondere der als bestellter Bevollmächtigte geltend gemachte Bauleiter J. G. zum Beweisthema 'Kontrollsystem' erschöpfend werde Auskunft geben können.

5. Die Höhe der verhängten Strafe und die bei der Strafbemessung maßgebend gewesenen Erwägungen der belangten Behörde blieben unbekämpft.

Daß die belangte Behörde bei ihrer Ermessensentscheidung zur Strafhöhe nicht grundsätzlich nach den Kriterien des § 19 Abs.1 und Abs.2 VStG vorgegangen wäre, hat die Berufungsverhandlung nicht entdeckt. Offensichtlich auch sind - entgegen § 60 AVG (iVm § 24 VStG) verschweigt sich die Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses diesbezüglich - weder Milderungs- noch Erschwerungsgründe gewertet worden. Daß dennoch Milderungsgründe zu berücksichtigen gewesen wären, hat der Berufungswerber nicht vorgebracht; solche Gründe waren nach der Sachlage auch vom unabhängigen Verwaltungssenat nicht aufzugreifen. Aus dem Strafakt ersichtlich ist, daß der Berufungswerber über die der Strafbemessung zugrundegelegten persönlichen Verhältnisse (monatl. Nettoeinkommen 31.000 S; Einfamilienhaus; keine Sorgepflichten) Kenntnis hatte. Auch diese Verhältnisse blieben unbekämpft.

Die belangte Behörde hat sich aber zum Unrechtsgehalt, auf den in erster Linie die Strafbemessung abzustellen ist, nicht geäußert. Der unabhängige Verwaltungssenat wertet den hier verwirklichten Unrechtsgehalt im Lichte des verletzten Schutzzweckes als beträchtlich, weil infolge der Gegebenheiten auf der Baustelle die Absturzgefahr als akut hoch eingeschätzt werden muß und zudem mehrere Arbeitnehmer zugleich dieser Gefahr ausgesetzt waren. Dennoch hat die belangte Behörde dadurch, daß sie diesbezüglich dem - in diesem Punkt nicht näher begründeten - Strafantrag des Arbeitsinspektorats unreflektiert gefolgt ist und die Geldstrafe mit 20.000 S festgesetzt hat, zu hoch gegriffen.

Nach Auffassung des unabhängigen Verwaltungssenates liegt kein Grund vor, den Unrechtsgehalt - und auch das Ausmaß des Verschuldens - vorliegend mit einem anderen Ergebnis zu bewerten, als dies die belangte Behörde in dem vom unabhängigen Verwaltungssenat zu Zl. VwSen-221163 entschiedenen Berufungsfall mit der Verhängung einer Geldstrafe im (dort so auch vom AI beantragten) Ausmaß von nur 10.000 S ausgedrückt hat. Beide Fälle sind hinsichtlich der objektiven und subjektiven Tatumstände in einer Weise vergleichbar, daß nicht einzusehen ist, warum vorliegendenfalls eine doppelt so hohe Strafe ausgemessen worden ist.

Aus allen diesen Gründen war die verhängte Geldstrafe auf die nun bestimmte Höhe von 10.000 S täter- und tatangemessen herabzusetzen. Gleichzeitig war auch die Ersatzfreiheitsstrafe in einem entsprechenden Verhältnis zu mindern.

6. Die im übrigen verfügte Präzisierung bzw. Korrektur des Bescheidspruchs (auch der Spruchteile gemäß § 44a Z2 und Z3 VStG) bedeutet keine unzulässige Erweiterung des Abspruchsgegenstandes und ist durch das Ergebnis des Beweisverfahrens bzw. die Richtigstellungspflicht des unabhängigen Verwaltungssenates gerechtfertigt.

Zusammenfassend war aus allen diesen Gründen der Berufung hinsichtlich der Strafe stattzugeben; hinsichtlich der Schuld war jedoch das angefochtene Straferkenntnis wie im Spruch zu bestätigen.

7. Auf der Kostenseite bewirkt diese Entscheidung, daß dem Berufungswerber ein Beitrag zum Berufungsverfahren nicht aufzuerlegen, sein Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor der Strafbehörde jedoch entsprechend herabzusetzen war.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Beilage Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. G r o f

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