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des Landes Oberösterreich
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VwSen-221166/7/Kl/Rd

Linz, 15.02.1996

VwSen-221166/7/Kl/Rd Linz, am 15. Februar 1996 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch das Mitglied Dr. Klempt über die Berufung des H, vertreten durch RA Dr. W, gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Linz vom 15.12.1994, GZ:

502-32/Fe/Sche/004/94j, wegen Verwaltungsübertretungen nach dem Arbeitnehmerschutzgesetz zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird hinsichtlich des Faktums a) (Nichteinhaltung einer Bescheidauflage) Folge gegeben, das Straferkenntnis diesbezüglich aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

Im übrigen (hinsichtlich Faktum b): Übertretung nach der AAV) wird der Berufung keine Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis sowohl hinsichtlich der Schuld als auch hinsichtlich der Strafe mit der Maßgabe bestätigt, daß - der Einleitungssatz im Spruch nach der Wortfolge "...

und somit als" durch die Wortfolge "nach außen vertretungsbefugtes Organ und" zu ergänzen ist, - im Tatvorwurf und in der verletzten Rechtsvorschrift "§ 21 Abs.1" AAV zu zitieren ist und - als Strafnorm iSd § 44a Z3 VStG "§ 31 Abs.2 letzter Satzteil ASchG" zu zitieren ist.

II. Hinsichtlich des Faktums a) entfällt daher jegliche Verpflichtung zur Leistung von Verfahrenskostenbeiträgen.

Im Hinblick auf das Faktum b) beträgt der Verfahrenskostenbeitrag zum Verfahren erster Instanz 500 S und ist ein Kostenbeitrag zum Verfahren vor dem unabhängigen Verwaltungssenat von 1.000 S, ds 20 % der verhängten Strafe, zu leisten.

Rechtsgrundlagen:

zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24 und 45 Abs.1 Z1 (hinsichtlich Faktum a)) sowie 19 und 51 VStG.

zu II.: §§ 64 und 66 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Mit Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Linz vom 15.12.1994, GZ: 502-32/Fe/Sche/004/94j, wurden über den Berufungswerber (Bw) Geldstrafen von a) 10.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe zwei Tage) und b) 5.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe ein Tag) wegen Verwaltungsübertretungen nach § 31 Abs.2 lit.p ASchG iVm a) § 27 Abs.2 ASchG und dem Bescheid des Magistrates Linz vom 16.3.1992 und b) § 100 und § 21 Abs.2 der AAV verhängt, weil er als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als nach außen vertretungsbefugtes Organ und gemäß § 9 VStG verwaltungsstrafrechtlich Verantwortlicher der Firma C, mit dem Sitz in zu vertreten hat, daß, wie anläßlich einer Inspektion durch das AI für den 9.

Aufsichtsbezirk festgestellt wurde, am 29.11.1993 in oa Firma a) an der vollautomatischen Abfüllanlage, Typ J.de Vree & CO, V 136 T, ein Zugriff auf Antriebsteile, die Scher- und Quetschstellen darstellten, möglich war, diese Antriebsteile im unteren Bereich der Anlage links neben der Abfüllvorrichtung nicht verkleidet waren, und ebenso der Schutz gegen gesundheitsgefährdende Dämpfe und spritzende Füllgüter fehlte, da sich die offenen Zwischenbehälter zur Abfüllung im Atembereich der dort beschäftigten Arbeitnehmer befanden, obwohl Punkt 30) des Bescheides des Magistrates Linz vom 16.3.1992, GZ 501/S-1117/89a, vorschreibt, daß hinsichtlich der Abfüll- und Verpackungsmaschinen die Vorschriften der Berufsgenossenschaft der chemischen Industrie, "Sicheres Arbeiten in der Lackindustrie", ZH 1/233, einzuhalten sind, wonach Schutzmaßnahmen gegen Gefährdungen mechanischer Art zu treffen sind (zB - Verdeckungen an erfahrungsgemäß störungsfrei arbeitenden Verpackungsstationen zum Schutz gegen unwillkürlichen, unmittelbaren Zugriff. - Verkleidungen an Verpackungsstationen, die erfahrungsgemäß zu Störungen neigen zB Beleimstationen, Schweißstationen, Übergabe- und Abziehstationen. - Verkleidung von Zahnrad-, Ketten- und Riementrieben. Werden sie als Fördermittel oä benutzt, müssen Eingriff- bzw. Auflaufstellen gesichert werden. - Mit dem Antrieb verriegelte Verdeckungen oder Schutzhauben für Gefahrenbereiche, in denen betriebsmäßig häufig eingegriffen werden muß. - Lichtschranken oder Kontaktschalteinrichtungen vor den Gefahrenstellen. - Zweihandoder Mehrhandeinrückungen) und beim Abfüllen gesundheitsgefährlicher Produkte zum Schutz der Personen vorgesehene Einrichtungen vorhanden sein und sich in ordnungsgemäßem Zustand befinden müssen (Absaugung, Spritzschutz).

b) der Fluchtweg von den Behältern der Halle 1 (explosionsgefährdeter Bereich) aus dem Bereich der Abfüllanlage ca.

35 m betrug, obwohl § 21 Abs.2 der Allgemeinen Arbeitnehmerschutzverordnung (AAV), BGBl.Nr. 218/1983, vorschreibt, daß Fluchtwege aus explosionsgefährdeten Räumen nicht mehr als 20 m betragen dürfen.

Weiters wurde das Verwaltungsstrafverfahren hinsichtlich dreier weiterer Delikte nach dem ASchG gemäß § 45 Abs.1 Z1 VStG eingestellt.

2. Dagegen wurde fristgerecht Berufung eingebracht und zu den Spruchpunkten I)a) und I)b) die Aufhebung des Straferkenntnisses und Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens beantragt. Begründend wurde ausgeführt, daß im Punkt 30 des Bescheides des Magistrates Linz vom 16.3.1992, GZ 501/S-1117/89a, vorgeschrieben wurde, die Vorschriften der Berufsgenossenschaft der chemischen Industrie "Sicheres Arbeiten in der Lackindustrie", ZH 1/233, einzuhalten. Im genannten Bescheid seien die Vorschriften nicht wörtlich zitiert worden, auch seien diese Vorschriften kein Bundesoder Landesgesetz. Es fehle daher die Grundlage nach § 1 Abs.1 VStG. Weiters wurde zur Verkürzung des Fluchtweges angeführt, daß eine Verkürzung nicht sofort nach der Beanstandung möglich gewesen sei, weil zahlreiche Umbauarbeiten durchgeführt worden seien und dies auch dem AI bekannt und von seinem Konsens getragen sei. Es durfte daher der Bw und der für Sicherheitsfragen verantwortliche Angestellte darauf vertrauen, daß die Arbeitnehmerschutzvorschriften aus bautechnischer Sicht eingehalten worden seien. Im übrigen sei ein Sicherheitsbeauftragter, nämlich Ing. H, bestellt und war der Bw der Ansicht, daß dieser die Einhaltung der Sicherheitsbestimmungen überwache. Auch diesbezüglich sei der Bw im Irrtum gewesen, welcher nicht vorwerfbar gewesen sei. Es habe aber der Bw regelmäßig stichprobenartig die Einhaltung überprüft und die sofortige Beseitigung eines Mißstandes, sofern er einen solchen findet, veranlaßt.

3. Der Magistrat Linz hat den bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt und mitgeteilt, daß eine Berufungsvorentscheidung nicht beabsichtigt sei.

Festgehalten wird, daß nur hinsichtlich des verurteilenden Teiles des Straferkenntnisses Berufungsausführungen im Berufungsschriftsatz enthalten sind, sodaß dieser als Berufung gegen die beiden Schuldsprüche iSd zum Ausdruck kommenden Parteiwillens gewertet wird.

Das zuständige Arbeitsinspektorat wurde am Verfahren beteiligt.

4. Zum Faktum a) war bereits aus der Aktenlage ersichtlich, daß der angefochtene Bescheid aufzuheben war, sodaß aus diesem Grunde eine öffentliche mündliche Verhandlung nicht anzuberaumen war (§ 51e Abs.1 VStG). Im übrigen (Faktum b)) war der entscheidungserhebliche Sachverhalt, nämlich daß zum Tatzeitpunkt ein Fluchtweg von 35 m anstelle von 20 m zur Verfügung stand, vom Bw in keinster Weise bestritten und sogar von ihm selbst die Herstellung des gesetzlichen Zustandes zu einem späteren Zeitpunkt vorgebracht. Es wurden in der Berufung auch keine Behauptungen und dazugehörige Beweisanträge gestellt, sondern lediglich zur rechtlichen Beurteilung hinsichtlich eines vorgebrachten Irrtums bzw.

hinsichtlich des Verschuldens Behauptungen aufgestellt. Es konnte daher aus diesem Grund eine öffentliche mündliche Verhandlung gemäß § 51e Abs.2 VStG unterbleiben.

Aus dem Verfahrensakt der ersten Instanz, der ausführlichen Begründung im angefochtenen Straferkenntnis und den Berufungsausführungen geht daher einwandfrei als erwiesen hervor, daß zum Beanstandungszeitpunkt am 29.11.1993 im gegenständlichen Betrieb von den Behältern der Halle 1 aus dem Bereich der Abfüllanlage ein Fluchtweg von ca. 35 m vorhanden war.

5. Hierüber hat der O.ö. Verwaltungssenat erwogen:

5.1. Gemäß § 31 Abs.2 lit.p des Arbeitnehmerschutzgesetzes, BGBl.Nr. 234/1972 idF BGBl.Nr. 393/1986 (kurz: ASchG) (zum Tatzeitpunkt geltende Fassung), begehen Arbeitgeber und deren Bevollmächtigte, die den Vorschriften der aufgrund des § 24 dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen oder den aufgrund des § 27 dieses Bundesgesetzes vorgeschriebenen Bedingungen und Auflagen oder den erteilten Aufträgen zuwiderhandeln, eine Verwaltungsübertretung und sind, sofern die Tat nicht nach anderen Gesetzen strenger zu bestrafen ist, von der Bezirksverwaltungsbehörde mit Geldstrafe bis zu 50.000 S zu bestrafen.

5.2. Gemäß § 27 Abs.2 leg.cit. ist eine Bewilligung nach Abs.1 nicht erforderlich bei Betrieben, für die durch eine andere bundesgesetzliche Vorschrift eine Bewilligung vorgeschrieben ist, sowie bei sonstigen Betrieben, die unter die Bestimmungen der Gewerbeordnung fallen. In dem betreffenden Bewilligungsverfahren sind jedoch die Belange des Arbeitnehmerschutzes zu berücksichtigen und die zum Schutz des Lebens und der Gesundheit der Arbeitnehmer notwendigen Bedingungen und Auflagen vorzuschreiben.

Dementsprechend wurde mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadt Linz vom 16.3.1992, GZ 501/S-1117/89a, die gewerbebehördliche Betriebsanlagenänderungsgenehmigung für die Erweiterung durch Errichtung einer Abfüllerei für Lacke und Lösungsmittel und eines Leergebindelagers unter Vorschreibung von Auflagen erteilt, so ua:

"30. Hinsichtlich der Abfüll- und Verpackungsmaschinen sind die Vorschriften der Berufsgenossenschaft der chemischen Industrie, "Sicheres Arbeiten in der Lackindustrie", ZH 1/233, einzuhalten." Bei den genannten Vorschriften der Berufsgenossenschaft der chemischen Industrie handelt es sich um in Österreich nicht durch Gesetz oder Verordnung verbindlich erklärte deutsche Normen, welche aber in Deutschland verbindlich sind und in Gesetzeskraft stehen. Sie sind je nach Berufszweig in einem Kompendium zusammengefaßt und beschreiben Gefahrensituationen und geben Empfehlungen zur Vermeidung der Gefährdungen ab, wobei jede Vorschrift in mehrere Punkte und Unterpunkte untergliedert ist.

Wenn auch im nunmehr angefochtenen Straferkenntnis dem Bw neben der Nichteinhaltung des Punktes des obzitierten Bescheides auch der nichteingehaltene Passus der Vorschriften der Berufsgenossenschaft der chemischen Industrie, ZH 1/233, vorgehalten wurde, so ermangelt diesem Vorwurf aber trotzdem die Strafbarkeit. Es wurde nämlich in den Punkt 30.

des Genehmigungsbescheides nicht aufgenommen, welche Untergliederung dieser Vorschrift ZH 1/233 einzuhalten wäre bzw.

welche Maßnahmen zur Einhaltung dieser Vorschrift zu treffen sind.

Nach der ständigen Judikatur des VwGH, zuletzt im Erkenntnis vom 23.5.1995, 95/04/0035, wird dadurch, daß beim Straftatbestand auf die in den Genehmigungsbescheiden vorgeschriebenen Auflagen und Aufträge verwiesen wird, das jeweilige, in einem solchen Bescheid enthaltene Gebot oder Verbot Teil des Straftatbestandes, was voraussetzt, daß derartige Auflagen so klar gefaßt sein müssen, daß sie dem Verpflichteten jederzeit die Grenzen seines Verhaltens und damit die Einhaltung der Auflagen zweifelsfrei erkennen lassen.

Diesen Erfordernissen entspricht die im Strafbescheid angeführte Auflage schon deshalb nicht, weil hiedurch einerseits Vorschriften als bekannt vorausgesetzt werden, welche in Österreich keine Rechtsverbindlichkeit aufweisen, und aber davon abgesehen, andererseits dem Konkretisierungserfordernis nicht Rechnung getragen wurde. Wie nämlich der Bw zutreffend rügt, widerspricht es dem Erfordernis der Bestimmtheit der Auflagen, wenn dem Konsenswerber aufgetragen wird, ein Kompendium einer deutschen Norm einzuhalten, ohne die entsprechende Untergliederung anzugeben oder die konkreten zur Erzielung des Arbeitnehmerschutzes geforderten Maßnahmen vorzuschreiben. Es bleibt sohin dem Konsenswerber überlassen, welche Maßnahmen er im einzelnen für geeignet hält und ergreift. Nach der ständigen Judikatur des VwGH muß ein Bescheidspruch, durch den eine Verpflichtung auferlegt wird, so bestimmt gefaßt sein, daß eine Durchsetzung im Wege des VVG möglich ist (VwGH vom 18.9.1984, Slg. 11518A). Im übrigen erfordert bereits das Bestimmtheitsgebot nach § 59 Abs.1 AVG jene Bestimmtheit und nicht bloß Bestimmbarkeit, daß aufgrund des Bescheides ohne Dazwischentreten eines weiteren Ermittlungsverfahrens und einer neuerlicher Entscheidung eine Vollstreckungsverfügung ergehen kann (vgl. Hauer-Leukauf, Handbuch des österr.

Verwaltungsverfahrens, Seite 436 f mN). Es müssen daher bescheidmäßige Gebote oder Verbote so klar gefaßt sein, daß sie zweifelsfrei die Grenzen des erlaubten Verhaltens und damit dem Unrechtsgehalt der Zuwiderhandlung erkennen lassen (VwGH 25.2.1993, 92/04/0164).

Weil durch die gegenständliche Bescheidauflage im Genehmigungsbescheid aber konkrete Maßnahmen nicht vorgeschrieben wurden und im übrigen auch nicht genau abgegrenzt wurde, welcher Teil der Bestimmungen einzuhalten ist, entbehrte daher schon das dem Strafvorwurf zugrundeliegende einzuhaltende Gebot der erforderlichen Bestimmtheit, weshalb die Nichteinhaltung dieser Auflage nicht zum Vorwurf gemacht werden kann und keine Strafbarkeit abgeleitet werden kann.

Es war daher das diesbezügliche Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

5.3. Gemäß § 21 Abs.1 der Allgemeinen Arbeitnehmerschutzverordnung, AAV, BGBl.Nr. 218/1983 idF BGBl.Nr. 220/1993 (zum Tatzeitpunkt geltende Fassung), müssen Ausgänge aus Räumen so angelegt sein, daß der zurückzulegende Weg zu einem Stiegenhaus, zu einem unmittelbar ins Freie führenden Ausgang (Endausgang) oder zu einem brandbeständig ausgeführten Gang, der ein Entfernen aus dem Gefahrenbereich leicht ermöglicht, von jedem Punkt der Baulichkeit nicht mehr als 40 m beträgt; bei brandgefährdeten Räumen ohne selbsttätig wirkende Feuerlöschanlagen darf diese Entfernung nicht mehr als 30 m und bei explosionsgefährdeten Räumen nicht mehr als 20 m betragen.

Gemäß § 100 AAV sind Übertretungen dieser Verordnung nach Maßgabe des § 31 des ASchG zu ahnden.

Nach den Ergebnissen des Verfahrens erster Instanz, den Ausführungen in der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses und der Nichtbestreitung in der Berufung geht als erwiesen hervor, daß der Fluchtweg von den Behältern der Halle 1 aus dem Bereich der Abfüllanlage ca. 35 m zum Tatzeitpunkt betrug. Dabei handelt es sich um einen explosionsgefährdeten Raum. Dazu gibt der Bw im Zuge seiner Rechtfertigungen im Verwaltungsstrafverfahren vor der Strafbehörde selbst an, daß der Fluchtweg von den Behältern der Halle 1 im Dezember 1993 errichtet wurde.

Da es sich bei § 21 Abs.1 AAV um eine gesetzliche Vorschrift handelt, die jederzeit bei entsprechenden Arbeiten einzuhalten ist, war eine entsprechende Vorschreibung nicht erforderlich. Es hätte daher der Bw als Arbeitgeber für die Einhaltung des gesetzlichen Arbeitnehmerschutzes Sorge tragen müssen. Es hat daher der Bw den diesbezüglichen Tatbestand objektiv erfüllt. Seine Verantwortung dahingehend, daß er durch Umbauarbeiten die Verkürzung des Fluchtweges nicht sofort nach der Beanstandung durchführen konnte, gehen hingegen ins Leere, weil der Bw ohnehin von Anfang an vor Durchführung der Arbeiten für einen entsprechenden Arbeitnehmerschutz zu sorgen hat. Allein der Umstand, daß dem AI der zu lange Fluchtweg bekannt war, berechtigt den Bw nicht, Arbeiten unter Mißachtung des gesetzlichen Arbeitnehmerschutzes durchführen zu lassen. Von einem behördlichen Konsens hingegen konnte aber insofern nicht ausgegangen werden, da eine bescheidmäßige Genehmigung nicht vorliegt und auch vom Bw nicht behauptet wird.

In gleicher Weise konnte sich der Bw auch nicht auf einen Irrtum berufen, weil von einem Arbeitgeber verlangt werden kann, daß er insbesondere die dem Arbeitnehmerschutz dienenden Vorschriften vor Aufnahme des Betriebes kennt bzw.

daß er sich davon bei der zuständigen Behörde Kenntnis verschafft. Es kann daher eine diesbezügliche Rechtsunkenntnis ein Verschulden des Bw nicht ausschließen.

Im übrigen wurde aber vom zuständigen AI der zu lange Fluchtweg auch beanstandet, sodaß auch diesbezüglich dem Bw die Unrechtmäßigkeit geäußert und bewußt wurde.

Im übrigen genügt gemäß § 5 Abs.1 VStG zur Strafbarkeit bereits fahrlässiges Verhalten, wobei Fahrlässigkeit bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen ist, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, daß ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

Auch die gegenständliche Verwaltungsübertretung ist ein Ungehorsamsdelikt, dh, daß iSd obigen Bestimmung Fahrlässigkeit ohne weiteres anzunehmen ist. Im übrigen kann einem Gewerbetreibenden und Arbeitgeber, wie es der Bw ist, zugemutet werden, daß er die für die Ausübung des Gewerbes und die für den Betrieb maßgeblichen Arbeitnehmerschutzvorschriften kennt oder sich zumindest Kenntnis darüber verschafft. Es liegt daher jedenfalls eine Sorgfaltsverletzung des Bw als Arbeitgeber vor. Weil auch - wie schon in der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses dargelegt wurde - dem Bw anläßlich der Genehmigung der Umbauten der zu lange Fluchtweg mitgeteilt und eine Verkürzung mit der Behörde besprochen wurde, eine Ausnahme von dem gesetzlich vorgeschriebenen Fluchtweg aber nicht erteilt wurde, konnte sich der Bw mit seinem Vorbringen nicht entlasten bzw. keinen Entlastungsnachweis erbringen.

Die vom Bw ins Treffen geführte Bestellung des Sicherheitsbeauftragten Ing. H kann den Bw im gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahren ebenfalls nicht entlasten. Gemäß § 21 ASchG ist nämlich in jedem Betrieb, in dem regelmäßig mehr als 250 Arbeitnehmer beschäftigt sind, oder wo aufgrund ihrer Eigenart für die Arbeitnehmer eine besondere Gefährdung besteht, durch bescheidmäßige Anordnung ein sicherheitstechnischer Dienst einzurichten. Dieser hat den Arbeitgeber und die Arbeitnehmer bei der Durchführung des Arbeitnehmerschutzes im Betrieb zu unterstützen und zu beraten. Der Leiter des sicherheitstechnischen Dienstes ist unmittelbar dem Arbeitgeber oder dessen Bevollmächtigten zu unterstellen. Der vorhin Genannte wurde über bescheidmäßige Anordnung vom 17.6.1986 zum Sicherheitstechniker bestellt und der Behörde und dem AI namhaft gemacht. Da dieser aber nur unterstützende und beratende Funktion hat, kommt ihm eine Verantwortung zur Durchsetzung des Arbeitnehmerschutzes - wie den Arbeitgeber und dessen Bevollmächtigten trifft nicht zu. Daß der namhaft gemachte Sicherheitstechniker aber zum Bevollmächtigten mit der entsprechenden Anordnungs- und Entscheidungsbefugnis bestellt worden ist und dieser Bestellung auch zugestimmt hat, wurde in der Berufung nicht einmal behauptet. Es kommt daher dem Sicherheitstechniker keine Bevollmächtigtenstellung iSd ASchG zu. Im übrigen sei aber auch angemerkt, daß die Bestellung eines Bevollmächtigten nach dem ASchG die Verantwortung des Bw als Arbeitgeber nicht aufhebt, sondern dieser neben dem Bevollmächtigten strafbar bleibt, wenn die Übertretung mit seinem Wissen begangen wurde oder wenn er es bei der nach den Verhältnissen möglichen Beaufsichtigung des Betriebes oder bei der Auswahl oder bei der Beaufsichtigung des Bevollmächtigten an der erforderlichen Sorgfalt fehlen läßt.

Daß er aber den Sicherheitsbeauftragten entsprechend kontrolliert hätte, wurde ebenfalls nicht in der Berufung behauptet.

Schließlich wurde vom Bw auch nicht behauptet, daß er einen verantwortlichen Beauftragten gemäß § 9 Abs.2 und 4 VStG bestellt hat. Dabei ist aber anzumerken, daß die Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten initiativ vom verwaltungsstrafrechtlich Verantwortlichen geltend zu machen und auch unter Beweis zu stellen ist (vgl. Hauer-Leukauf, Seite 770 ff mN).

Weil aber gerade einem geschäftsführenden Gesellschafter und nach außen vertretungsbefugten Betreiber eines Unternehmens die Kenntnis der für den Betrieb maßgeblichen Rechtsvorschriften zugemutet werden muß, kann daher der weiters vorgebrachte Irrtum über die Bestellung des Sicherheitsbeauftragten bzw. eines Bevollmächtigten nicht als unverschuldet und daher als nicht schuldausschließender Irrtum gewertet werden. Gerade weil der Bw angibt, daß er "sich nicht zu jeder Zeit und überall in seinem Betrieb Gewißheit verschaffen kann, daß die angeordneten Maßnahmen des Arbeitnehmerschutzes auch eingehalten werden", wäre es aus der Sicht eines verantwortungsvollen Arbeitgebers erforderlich gewesen, einen verantwortlichen Beauftragten oder zumindest einen Bevollmächtigten zu bestellen und diesen in einem ausreichenden Ausmaß zu kontrollieren, wobei aber stichprobenartige Kontrollen, wie sie vom Bw eingewendet werden, nicht genügen. Angesichts des mangelhaften bzw.

nicht in Richtung eines Bevollmächtigungsverhältnisses geführten Vorbringens war der angebotene Beweis nicht aufzunehmen.

5.4. Das festgesetzte Strafausmaß wurde hingegen vom Bw nicht angefochten.

Gemäß § 19 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat (Abs.1).

Im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen.

Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des StGB sinngemäß anzuwenden.

Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

Laut ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist die Strafzumessung innerhalb eines gesetzlichen Strafrahmens eine Ermessensentscheidung. Gemäß Art.130 Abs.2 B-VG liegt im Bereich des verwaltungsbehördlichen Ermessens Rechtswidrigkeit dann nicht vor, wenn die Behörde von diesem im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht hat. Demgemäß obliegt es der Behörde, in Befolgung der Anordnung des § 60 AVG (dieser ist gemäß § 24 VStG auch im Verwaltungsstrafverfahren anzuwenden) in der Begründung ihres Bescheides die für die Ermessensübung maßgebenden Umstände und Erwägungen insoweit aufzuzeigen, als dies für die Rechtsverfolgung durch die Parteien des Verwaltungsverfahrens und für die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes in Richtung auf seine Übereinstimmung mit dem Sinn des Gesetzes erforderlich ist.

Im Sinne dieser Ausführungen hat bereits die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses auf sämtliche objektiven und subjektiven Strafbemessungsgründe Bedacht genommen und diese ihrer Entscheidung zugrundegelegt. Diese Ausführungen werden auch der nunmehrigen Entscheidung zugrundegelegt. Ergänzend wird noch berücksichtigt, daß gerade durch die entsprechenden Arbeitnehmerschutzbestimmungen eine Gesundheitsbeeinträchtigung bzw. -gefährdung der Arbeitnehmer hintangehalten werden soll. Auch sollen die Interessen eines geordneten Arbeitsmarktes mit geordneten Wettbewerbsverhältnissen geschützt werden. Gerade gegen diese Interessen wurde aber zuwidergehandelt und es war dies im verletzten Unrechtsgehalt der Tat zu berücksichtigen. Hingegen war auf den Umstand, daß noch keine nachteiligen Folgen durch die gegenständliche Tat aufgetreten sind, Bedacht zu nehmen. Weiters mußte auch noch berücksichtigt werden, daß - wenn auch nach dem Tatzeitpunkt - der Fluchtweg ordnungsgemäß mit Dezember 1993 hergestellt wurde und somit der gesetzmäßige Zustand (nach Tatbegehung) hergestellt wurde. Die festgelegte Strafhöhe ist dem Unrechts- und Schuldgehalt der Tat angepaßt und auch den persönlichen Verhältnissen angemessen. Sie liegt im unteren Bereich des Strafrahmens (nämlich ein Zehntel der vorgesehenen Höchststrafe) und ist daher nicht als überhöht anzusehen. Vielmehr ist sie nunmehr aus spezialpräventiven Gründen geeignet, den Bw von einer weiteren Tatbegehung abzuhalten, was auch durch die nachträgliche Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes (dies nach langjährigen Aufforderungen durch das AI) geschehen ist.

6. Da hinsichtlich des Faktums b) der Berufung im Ergebnis kein Erfolg zukam, war spruchgemäß für das Verfahren vor dem O.ö. Verwaltungssenat ein Kostenbeitrag in der Höhe von 20 % der verhängten Strafe festzusetzen. Die Verfahrenskosten vor der Strafbehörde betrugen 10 % der verhängten Strafe, nämlich 500 S. Hinsichtlich des Faktums a) kam der Berufung Erfolg zu, weshalb keine Kostenbeiträge diesbezüglich zu leisten waren.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. K l e m p t

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