Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-221240/3/Kl/Ka

Linz, 24.04.1996

VwSen-221240/3/Kl/Ka Linz, am 24. April 1996 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch das Mitglied Dr. Klempt über die Berufung des EZ, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Rohrbach vom 12.5.1995, Zl. Ge96-173-1994, wegen einer Verwaltungsübertretung nach der Gewerbeordnung zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

II. Es entfällt jede Verpflichtung zur Leistung von Verfahrenskostenbeiträgen.

Rechtsgrundlagen:

zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 44a Z1, 45 Abs.1 Z3 und 51 VStG.

zu II.: § 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Rohrbach vom 12.5.1995, Zl.Ge96-173-1994, wurde über den Berufungswerber (Bw) eine Geldstrafe von 3.000 S, für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 2 Tagen, wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 366 Abs.1 Z3 iVm § 81 Abs.1 Gewerbeordnung 1994 verhängt, weil er die genehmigte Sägewerksbetriebsanlage im Standort H, Gemeinde L, zu folgenden Zeiten betrieben hat, nachdem diese ohne die erforderliche gewerbebehördliche Genehmigung wie folgt geändert wurde:

1. seit Herbst 1990 bis 4.1.1995 - Anbau an die bestehende Sägehalle auf Parz.Nr. KG. L in nördlicher Richtung 2. seit Herbst 1992 bis 4.1.1995 - Errichtung einer Schnittholzüberdachung auf Parz.Nr. KG. L.

3. seit 1984 bis 4.1.1995 - Errichtung einer Schnittholzüberdachung auf Parz.Nr. KG. L Die gewerbebehördliche Genehmigung ist insbesondere auch aus dem Grund erforderlich, da durch den Betrieb der geänderten Anlage die Nachbarn durch Lärm belästigt werden können.

2. Dagegen wurde fristgerecht Berufung eingebracht und diese damit begründet, daß mittlerweile um eine Gesamtgenehmigung der Anlage angesucht worden sei, aber hinsichtlich der Projektsunterlagen noch Ergänzungen erforderlich seien. Weil der Bw im übrigen sich noch nie strafbar gemacht habe, werde ersucht, von einer Bestrafung Abstand zu nehmen. Im übrigen sei der Bw bemüht, die erforderlichen, korrigierten und ergänzten Unterlagen sobald wie möglich vorzulegen, damit die erforderliche Bewilligung erteilt werden könne.

3. Die Bezirkshauptmannschaft Rohrbach als belangte Behörde hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt. Nachträglich wurde noch die Nachreichung von Projektsergänzungen mitgeteilt.

4. Weil bereits aus der Aktenlage ersichtlich ist, daß der angefochtene Bescheid aufzuheben ist, und im übrigen im bekämpften Bescheid eine 3.000 S nicht übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, war eine öffentliche mündliche Verhandlung nicht anzuberaumen (§ 51e Abs.1 und Abs.2 VStG).

5. Der O.ö. Verwaltungssenat hat erwogen:

5.1. Vorauszuschicken ist, daß gemäß § 1 Abs.1 VStG als Verwaltungsübertretung eine Tat nur bestraft werden kann, wenn sie vor ihrer Begehung mit Strafe bedroht war. Der darin enthaltene Grundsatz "nullum crimen sine lege" bringt zum Ausdruck, daß maßgebliche Rechtslage jene im Zeitpunkt der Begehung der Tat ist. Dieser Grundsatz erfährt nur dann keine Anwendung, wenn zwischen Tatbegehung und Bestrafung eine Änderung der Rechtslage für den Täter günstiger ist, dh eine nach Art oder Maß mildere Strafdrohung vorsieht.

Es wäre daher angesichts des Tatzeitraumes 1984 bzw Herbst 1990 bzw Herbst 1992 bis jeweils 4.1.1995 eine Trennung des Spruches dahingehend vorzunehmen gewesen, daß die jeweils geltende Rechtslage der Gewerbeordnung (GewO 1973 in der Fassung vor der Gewerberechtsnovelle 1992, nach der Gewerberechtsnovelle 1992 und Gewerbeordnung 1994) anzuwenden wäre.

Anzumerken ist, daß die Strafdrohung für das gegenständliche Delikt gleichgeblieben ist, sodaß hinsichtlich der Strafnorm im Sinn des § 44a Z3 VStG die Zitierung der Gewerbeordnung 1994 genügt.

5.2. Gemäß § 44a Z1 VStG hat der Spruch eines Straferkenntnisses, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten. Danach ist es rechtlich geboten, die Tat hinsichtlich des Täters und der Tatumstände so genau zu umschreiben, daß 1) die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale ermöglicht wird und 2) die Identität der Tat (zB nach Ort und Zeit) unverwechselbar feststeht.

Es muß daher die Tat unter Anführung aller wesentlicher Tatbestandsmerkmale dem Beschuldigten innerhalb der gemäß § 31 VStG festgelegten Verfolgungsverjährungsfrist vorgeworfen werden.

5.3. Gemäß § 366 Abs.1 Z3 Gewerbeordnung 1994 (vormals § 366 Abs.1 Z4 GewO 1973) begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe bis zu 50.000 S zu bestrafen ist, wer eine genehmigte Betriebsanlage ohne die erforderliche Genehmigung ändert oder nach Änderung betreibt (§ 81).

Gemäß § 81 Abs.1 leg.cit. bedarf auch die Änderung einer genehmigten Betriebsanlage einer Genehmigung iSd vorstehenden Bestimmungen, wenn es zur Wahrung der in § 74 Abs.2 umschriebenen Interessen erforderlich ist.

5.3.1. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist dem Konkretisierungsgebot des § 44a Z1 VStG iVm § 366 Abs.1 Z3 GewO im Regelfall durch einen Hinweis auf den konkreten Genehmigungsbescheid betreffend die geänderte Betriebsanlage zu entsprechen (VwGH vom 20.2.1993, 91/04/0248).

Ein Hinweis auf den konkreten Genehmigungsbescheid fehlt dem im angefochtenen Straferkenntnis enthaltenen Spruch und es ist daher der genehmigte Umfang der Betriebsanlage aus dem Spruch nicht konkretisiert ersichtlich. Darüber hinaus bedarf nach dem Wortlaut des § 81 Abs.3 GewO nicht jede Änderung einer genehmigten Betriebsanlage eine Genehmigung, sondern nur eine solche, die geeignet ist, die im § 74 Abs.2 leg.cit.

umschriebenen Interessen zu beeinträchtigen. Es hat daher der Schuldspruch auch jene Tatumstände zu enthalten, die eine Beurteilung dahin zulassen, ob die vorgenommene Änderung der Betriebsanlage die im § 74 Abs.2 GewO 1973 genannten Interessen zu beeinträchtigen geeignet ist.

Im übrigen enthält § 366 Abs.1 Z3 GewO - wie sich aus dem Wortlaut ergibt - zwei - alternative - Straftatbestände. Im Hinblick auf die beiden Alternativen ist es daher erforderlich, den Spruch dahingehend eindeutig zu umschreiben, ob nun dem Bw die Änderung (Tathandlung mit Tatzeit) oder das Betreiben nach Änderung (mit einem entsprechenden Tatzeitpunkt bzw Tatzeitraum) vorgeworfen wird. Im Gesamtzusammenhang mit dem gegenständlichen Verwaltungsstrafakt ist zu erkennen, daß die belangte Behörde darauf abstellt, daß die verfahrensgegenständliche Betriebsanlage nach Änderung (wobei sie die Änderung in drei Punkten angibt) "betrieben wurde", sie verabsäumte aber jedoch im Sinne der weiteren Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, darzulegen, worin das Betreiben nach der Änderung gelegen sein soll. Es wurde damit verabsäumt, das Tatverhalten hinlänglich - im Sinne des § 44a Z1 VStG - darzustellen (vgl. VwGH-Erkenntnis vom 26.4.1994, Zl.93/04/0243).

5.3.2. Weil aber im Sinne der obigen Ausführungen eine Spruchkorrektur durch den O.ö. Verwaltungssenat wegen Verstreichens der Verfolgungsverjährungsfrist nicht mehr möglich ist, war das gegenständliche Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

6. Bei diesem Verfahrensergebnis waren keine Verfahrenskostenbeiträge vorzuschreiben (§ 66 Abs.1 VStG).

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. K l e m p t