Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-221244/2/Kl/Rd

Linz, 24.04.1996

VwSen-221244/2/Kl/Rd Linz, am 24. April 1996 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch das Mitglied Dr. Klempt über die Berufung des RGW, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Ried/Innkreis vom 12.5.1995, Ge96-25-1995, wegen einer Verwaltungsübertretung nach der Gewerbeordnung 1994 zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

II. Es entfällt jede Verpflichtung zur Leistung von Verfahrenskostenbeiträgen.

Rechtsgrundlagen:

zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 45 Abs.1 Z1 zweite Alternative und 51 VStG sowie § 366 Abs.1 Z1 GewO 1994.

zu II.: § 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Mit Straferkenntnis der BH Ried/Innkreis vom 12.5.1995, Ge96-25-1995, wurde über den Berufungswerber (Bw) eine Geldstrafe von 10.000 S, für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von drei Tagen, wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 366 Abs.1 Z1 iVm § 34 Abs.4 und § 124 Z11 GewO 1994 verhängt, weil er am 29.12.1994 im Namen der Fa. P, mit Herrn JV in A, ein Warenhandelsgeschäft auf fremde Rechnung dadurch abgeschlossen hat, daß er einen Auftrag über die Lieferung eines Fensterrolladens zum Preis von 3.164 S abgeschlossen hat und am 30.12.1994 ebenfalls im Namen der Fa. P, mit Herrn FG in G, ein Warenhandelsgeschäft auf fremde Rechnung dadurch abgeschlossen hat, daß er einen Auftrag über die Lieferung von 5 Wohnungsfenstern zum Gesamtpreis von 16.500 S abgeschlossen hat. Durch das Abschließen von Warenhandelsgeschäften im fremden Namen und für fremde Rechnung hat er, da er nicht im Dienstverhältnis zur Fa. P, A, gestanden ist, das Handelsgewerbe ausgeübt, ohne eine Gewerbeberechtigung hiefür erlangt zu haben.

2. Dagegen wurde fristgerecht Berufung eingebracht und in dieser ausgeführt, daß der Bw bei der Fa. P in A als Außenmitarbeiter beschäftigt war und auch alle Abgaben an Versicherungsgebühr ausgelegt hätte. Er sei nie gekündigt worden. Vielmehr sei es so, daß Monat für Monat kein Gehalt ausbezahlt worden sei. Der Bw könne nachweisen, daß die Fa.

P noch im Jahr 1995 Arbeiten und Lieferungen ausführte, welche der Bw für diese Firma im vorigen Jahr tätigte.

3. Die BH Ried/Innkreis als belangte Behörde legte die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt vor.

Weil schon aus der Aktenlage ersichtlich ist, daß der angefochtene Bescheid aufzuheben ist, war eine öffentliche mündliche Verhandlung nicht anzuberaumen (§ 51e Abs.1 VStG).

4. Der O.ö. Verwaltungssenat hat erwogen:

4.1. Gemäß § 366 Abs.1 Z1 Gewerbeordnung 1994 - GewO 1994, begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe bis zu 50.000 S zu bestrafen ist, wer ein Gewerbe ausübt, ohne die erforderliche Gewerbeberechtigung erlangt zu haben.

Gemäß § 1 Abs.2 GewO wird eine Tätigkeit gewerbsmäßig ausgeübt, wenn sie selbständig, regelmäßig und in der Absicht betrieben wird, einen Ertrag oder sonstigen wirtschaftlichen Vorteil zu erzielen, gleichgültig für welche Zwecke dieser bestimmt ist. Selbständigkeit iSd Bundesgesetzes liegt vor, wenn die Tätigkeit auf eigene Rechnung und Gefahr ausgeübt wird (§ 1 Abs.3 leg.cit.).

4.2. ISd Bestimmungen ist es nach der ständigen Judikatur des VwGH erforderlich, daß die Behörde die von ihr als einem Handelsgewerbe unterliegend gewertete Tätigkeit des Bw im Spruch unter Beachtung der hiefür maßgeblichen Tatbestandsmerkmale näher zu beschreiben hat, da der spruchgemäße Vorwurf der bezeichneten, dem Handelsgewerbe zugerechneten Arbeiten allein noch nicht die Erfüllung der angeführten Tatbestandsmerkmale einer gewerblichen Tätigkeit iSd § 366 Abs.1 Z1 GewO indiziert (vgl. VwGH vom 10.9.1991, 91/04/0098 sowie vom 24.11.1992, 92/04/0156). Dementsprechend hat zwar die belangte Behörde im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses dahingehend konkretisiert, daß der Bw das besagte Warenhandelsgeschäft "im fremden Namen und für fremde Rechnung" abgeschlossen hat. Gerade diese Umschreibung jedoch widerspricht den gesetzlichen Erfordernissen der Gewerbsmäßigkeit bzw. der Selbständigkeit gemäß § 1 Abs.3 GewO. Es muß - wie die Behörde richtig erkannt hat - die Tätigkeit, um gewerbsmäßig zu sein, nicht "im eigenen Namen" ausgeübt werden (siehe Kobzina-Hrdlicka, Gewerbeordnung 1994, Seite 573 E3 mwN). Eine gewerbliche Tätigkeit ist nämlich jener Person zuzurechnen, auf deren Rechnung und unternehmerisches Risiko diese entfaltet wird (vgl. Kobzina, Seite 573 E2 mN). Die Frage, auf wessen Rechnung und Gefahr die Tätigkeit entfaltet wird, wer also das mit der Ausübung der Tätigkeit verbundene Unternehmerrisiko trägt, ist nach dem Gesamtbild der wirtschaftlichen Momente und nicht allein nach den äußeren rechtlichen Formen zu beurteilen, in denen sich diese Tätigkeit abspielt (Hrdlicka, S. 54 E2 mN).

ISd Judikatur ist daher wesentlich für die Selbständigkeit und daher für die Gewerbsmäßigkeit - und daher auch für die Strafbarkeit gemäß § 366 Abs.1 Z1 GewO -, daß die gewerbliche Tätigkeit auf eigene Rechnung und Gefahr ausgeübt wird. Wenn dagegen - wie im angefochtenen Straferkenntnis dem Bw zum Vorwurf gemacht wurde, "auf fremde Rechnung" tätig geworden zu sein, so wurde ihm hiemit ein Verhalten zur Last gelegt, das nicht dem § 1 Abs.3 iVm § 366 Abs.1 Z1 GewO zuwiderläuft, weshalb dieses Verhalten auch keine Verwaltungsübertretung bildet. Aus diesem Grund war daher das gegenständliche Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs.1 Z1 zweite Alternative VStG einzustellen.

4.3. Hingegen ist der aktenkundige Umstand, daß der Bw nicht krankenversichert ist, noch kein Beweis dafür, daß ein Dienstverhältnis nicht vorgelegen ist (siehe Kobzina, Seite 57 E19 mN). Schließlich weist auch eine leitende Tätigkeit iVm einer 90%igen Gewinn- und Verlustbeteiligung auch dann nicht das Merkmal der Unselbständigkeit aus, wenn eine Anmeldung zur Sozialversicherung erfolgte. Auch aus dieser Judikatur ist ersichtlich, daß es nicht nur allein auf den Abschluß eines Dienstverhältnisses ankommt, sondern vielmehr auf das unternehmerische Risiko, wobei dieses Risiko hauptsächlich den die Tätigkeit Ausübenden, also den Beschuldigten treffen muß. Es ist daher auch idS der Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses nicht richtig bzw. nicht ausreichend.

5. Bei diesem Verfahrensergebnis waren keine Kostenbeiträge zum Verwaltungsstrafverfahren vorzuschreiben (§ 66 Abs.1 VStG).

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. K l e m p t