Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-221373/11/Le/La

Linz, 08.04.1997

VwSen-221373/11/Le/La               Linz, am 8. April 1997 DVR.0690392  

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Leitgeb über die Berufung der H K, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. H K, gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Steyr vom 23.5.1996, Zl. Ge-931/95, wegen Übertretung der Gewerbeordnung 1994 nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird, soweit sie sich gegen die Schuld richtet, keine Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis diesbezüglich mit der Maßgabe bestätigt, daß als Verwaltungsstrafnorm die Bestimmung des § 367 Einleitungssatz Gewerbeordnung 1994 idgF festgestellt wird. Der Berufung wird jedoch, soweit sie sich gegen die Strafe richtet, Folge gegeben; die verhängte Geldstrafe wird aufgehoben und stattdessen eine Ermahnung ausgesprochen.

II. Der Beitrag zu den Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens entfällt.

Rechtsgrundlage: Zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl.Nr. 51/1991, iVm §§ 24, 19, 21, 44a, 51 Abs.1, 51c und 51e Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG, BGBl.Nr. 52 idgF. zu II.: §§ 64 und 65 VStG.

Entscheidungsgründe:

Zu I.:

1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Steyr vom 23.5.1996 wurde über die nunmehrige Berufungswerberin (im folgenden kurz: Bw) wegen Übertretung des § 367 Z25 Gewerbeordnung 1994 (im folgenden kurz: GewO) eine Geldstrafe in Höhe von 7.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von  60 Stunden) verhängt; gleichzeitig wurde sie zum Ersatz der Verfahrenskosten in Höhe von 10% der verhängten Strafe verpflichtet.

Im einzelnen wurde ihr vorgeworfen, sie habe es als Gewerbeinhaberin der Imbißstube in S, P, zu vertreten, daßádiese am 7.9.1995 um 22.40 Uhr geöffnet war und Gästen die Konsumation von Getränken gestattet worden sei. Dies stelle eine Übertretung des Punktes I/1. des Bescheides des Magistrates vom 11.7.1994 dar, in welchem als Auflage vorgeschrieben worden sei, daß die Errichtung sowie der Betrieb der geplanten Imbißstube entsprechend den eingereichten Planunterlagen zu erfolgen habe. In diesen Planunterlagen wäre eine tägliche Betriebszeit von 8.00 Uhr bis 22.00 Uhr festgelegt worden.

In der Begründung dazu wurde im wesentlichen ausgeführt, daßáOrgane der Bundespolizeidirektion Steyr am 7.9.1995 um 22.40 Uhr festgestellt hätten, daß das Lokal noch geöffnet war und Gästen die Konsumation von Getränken gestattet worden sei. Der Beschuldigten sei eine mehr als zweiwöchige Frist zur Rechtfertigung eingeräumt worden, doch hätte sie diese Möglichkeit nicht wahrgenommen.

Nach einer Wiedergabe der maßgeblichen Rechtslage einschließlich der im Betriebsanlagengenehmigungsbescheid vom 11.7.1994 zitierten Auflage kam die Erstbehörde zum Ergebnis, daß die Nichteinhaltung derselben eine Übertretung nach § 367 Z25 GewO darstelle.

Hinsichtlich der Verantwortlichkeit ging die Erstbehörde davon aus, daß die Beschuldigte als Inhaberin der Gewerbeberechtigung für das gegenständliche Lokal auch für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften verantwortlich sei, zumal die Bestellung eines Geschäftsführers nicht angezeigt worden wäre. Hinsichtlich des Verschuldens wurde Fahrlässigkeit iSd § 5 Abs.1 VStG angenommen.

Bei der Strafbemessung wurde als straferschwerend der Umstand gewertet, daß im Bescheid des Magistrates vom 11.7.1994 ausdrücklich im Spruch festgehalten worden sei, daß die Auflagen selbigen Bescheides einzuhalten wären, weshalb der Beschuldigten die Rechtswidrigkeit der begangenen Verwaltungsübertretung bekannt gewesen sei. Weiters wurde als straferschwerend gewertet, daß bereits mehrere rechtskräftige einschlägige Verwaltungsstrafen verhängt worden seien. Bei der Bemessung der Einkommensverhältnisse ging die Erstbehörde von einem geschätzten Nettoeinkommen pro Monat in Höhe von 20.000 S aus.

2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig eingebrachte Berufung vom 12.6.1996, mit der beantragt wird, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das eingeleitete Verwaltungsstrafverfahren nach Verfahrensergänzung einzustellen.

Im einzelnen führte die Bw aus, daß am 7.9.1995 das Lokal von Ü K um 22.00 Uhr geschlossen worden sei und sich zu diesem Zeitpunkt lediglich noch zwei Personen des Personals sowie drei Freunde von Ü K im Lokal befunden hätten. Diese drei Personen hätten auch nach 22.00 Uhr keine Getränke mehr bestellt oder erhalten, sondern hätten lediglich die bereits vorher bestellten und bezahlten Getränke noch ausgetrunken. Als der Meldungsleger erschienen sei, wäre ihm das Lokal geöffnet worden und wäre ihm von Herrn K erklärt worden, daßádiese Personen nur auf ihn warten würden. Anderen Personen wäre der Zutritt durch das Versperren des Lokals ab 22.00 Uhr nicht mehr möglich gewesen. Es hätte daher nach 22.00 Uhr kein Betrieb des Lokales mehr stattgefunden.

3. Der Bürgermeister der Stadt Steyr hat die Berufung und den zugrundeliegenden Verwaltungsakt dem unabhängigen Verwaltungssenat zur Entscheidung vorgelegt; eine Berufungsvorentscheidung wurde nicht erlassen.

3.1. Zur vollständigen Klärung der Sach- und Rechtslage wurde am 8. April 1997 eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt, an der die Bw nicht teilnahm, sondern sich von ihrem Rechtsanwalt Dr. K vertreten ließ. Weiters wurde Herr Ü K als Zeuge gehört. Die Erstbehörde war durch zwei Behördenorgane vertreten.

3.2. Eingangs der mündlichen Berufungsverhandlung verwies der Rechtsvertreter der Bw darauf, daß 2 bis 3 m neben der gegenständlichen Imbißstube eine idente Imbißstube sei, die trotz identer Voraussetzungen eine bewilligte Betriebszeit bis 24.00 Uhr gehabt hätte. Die Bw hätte daraufhin auch um die Verlängerung der Betriebszeit angesucht, doch wäre dies ohne ihr Verschulden erst etwa eineinhalb Jahre später bewilligt worden.

Herr Ü K gab als Zeuge an, daß er der Bruder der Bw sei und für sie das Lokal führe, gemeinsam mit seiner Gattin und seinen beiden Kindern.

Zum Vorfall gab er an, daß an diesem Tage zwei Freunde von ihm, und zwar einer aus Linz und einer aus Ottensheim bei ihm im Lokal gewartet hätten, bis er mit dem Putzen fertig sei. Über Vorhalt, daß noch drei Gäste Getränke vor sich stehen hatten, gab er an, daß dies seine privaten Gäste gewesen wären und es bei ihnen üblich sei, daß diese Gäste auch entsprechend bewirtet werden und etwas zu Essen und zu Trinken bekommen. Bezahlen müßten diese nie etwas. Außerdem hätte er das Lokal schon zugesperrt gehabt; er hätte für die Polizeibeamten extra öffnen müssen.

Zum Einkommen seiner Schwester, der Bw, gab er an, daß diese derzeit in Ausbildung (zur Krankenschwester) stehe und daher nur über ein monatliches Nettoeinkommen von 5.000 S verfüge; außerdem habe sie einen "Haufen Schulden", was daraus resultiere, daß das Lokal schon etwa eineinhalb Jahre fertig war, bis es endlich eröffnet werden durfte. In dieser Zeit war jedoch Miete zu bezahlen und die Zinsen für die Investitionskosten. Die Bw habe keine Sorgepflichten. 4. Hierüber hat der O.ö. Verwaltungssenat erwogen:

4.1. Im Verwaltungsstrafverfahren steht den Parteien gemäß᧠51 Abs.1 VStG das Recht der Berufung an den unabhängigen Verwaltungssenat jenes Landes zu, in dem die Behörde, die den Bescheid erlassen hat, ihren Sitz hat. Daraus ergibt sich die Zuständigkeit des O.ö. Verwaltungssenates.

4.2. Im Betriebsanlagengenehmigungsbescheid vom 11.7.1994, Ge-1008/93, wurde unter der Auflage I/1. vorgeschrieben, daßádie Errichtung sowie der Betrieb der geplanten Imbißstube entsprechend den eingereichten Planunterlagen zu erfolgen habe. Im Ansuchen um die gewerbebehördliche Betriebsanlagengenehmigung vom 19.8.1993 findet sich in der Rubrik "tägliche Betriebszeiten der Anlage" die Zeitangabe "von 8.00 Uhr bis 22.00 Uhr". Demgemäß wurde für die Anlagenbetreiberin diese Betriebszeit verbindlich; ein Überschreiten dieser Betriebszeit stellt sohin einen Verstoß gegen die Betriebsanlagengenehmigung dar, was aber wiederum eine Verwaltungsübertretung iSd § 367 Z25 GewO darstellt.

Zum "Betreiben" eines Gastgewerbelokales: Nach Eintritt der Sperrstunde genügt es, wenn den Gästen das weitere Verweilen im Lokal gestattet wird; es ist nicht erforderlich, daß diesen nach Eintritt der Sperrstunde weitere Getränke serviert werden. Im gegenständlichen Fall wurde von den einschreitenden Polizeibeamten laut Anzeige (die anläßlich der mündlichen Verhandlung vollinhaltlich verlesen wurde) festgestellt, daßáum 22.40 Uhr des Tattages das Lokal noch offen war und zwei Gäste vollgefüllte Gläser (Wein gespritzt) und ein Gast eine halbvolle Bierflasche vor sich stehen hatten. Es ist daher nach allgemeiner Lebenserfahrung davon auszugehen, daß nach Eintritt der Sperrstunde um 22.00 Uhr den Gästen nicht nur der weitere Aufenthalt gestattet, sondern ihnen auch noch Getränke ausgeschenkt worden sind, weil es ansonsten nicht erklärbar wäre, wenn um 22.40 Uhr zwei Gläser noch vollgefüllt waren.

Der Zeuge Ü K hatte anläßlich der mündlichen Verhandlung zunächst angegeben, daß er sich an den Vorfallstag nicht mehr erinnern könne. Nach vollständiger Verlesung der Anzeige glaubte er jedoch, sich doch daran erinnern zu können und gab auch Details an, nämlich daß es sich bei zwei Gästen um Freunde von ihm gehandelt hätte, und zwar um einen aus Linz und einen aus Ottensheim. Die dritte Person bezeichnete er im Zuge der weiteren Aussage pauschal mit den beiden anderen als "Freund". Diese Freunde hätten ihn privat besucht und wollten im Lokal auf ihn warten, bis er mit den Aufräumarbeiten fertig sei.

Dagegen spricht die Anzeige der beiden Polizeibeamten, in der ausdrücklich davon die Rede war, daß das Lokal offen war und daß der Lokalbetreiber Ü K sowie ein Gast lautstark gegen die Aufforderung, das Lokal zu schließen, protestiert hätten.

Es ist dem Zeugen zuzugestehen, daß er sich nach fast zwei Jahren nicht mehr an Details erinnert (was er zunächst auch selbst eingeräumt hatte). Im Rahmen der Beweiswürdigung wird daher hinsichtlich der Frage, ob das Lokal offen war oder schon versperrt war, von der Richtigkeit der Angaben in der Anzeige ausgegangen, zumal die Anzeige zwei Tage nach der Überprüfung verfaßt wurde und der einschreitende Polizeibeamte auf Grund seines Diensteides zur wahrheitsgetreuen Darstellung der Tat verpflichtet ist. Auch hinsichtlich der von Herrn Ü K als "Freunde" bezeichneten Personen wird von der Richtigkeit der Anzeige ausgegangen, wo diese Personen als "Gäste" bezeichnet wurden. Es entspricht der allgemeinen Lebenserfahrung, daß im türkischen Kulturkreis, dem auch der Zeuge Ü K angehört, die Bezeichnung "Freunde" eine etwas andere Bedeutung hat als in Österreich.

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (siehe etwa VwGH vom 26.6.1984, 84/04/0052) sind unter "Gästen" nicht schlechthin "betriebsfremde Personen", sondern solche Personen zu verstehen, die den Gastgewerbebetrieb zum Zwecke der Inanspruchnahme von Leistungen desselben aufsuchen.

Die Konsumation der beschriebenen alkoholischen Getränke durch die drei in der Anzeige genannten und dort als "Gäste" bezeichneten Personen stellt damit ein Indiz dafür dar, daßásich diese in der Imbißstube zum Zwecke der Inanspruchnahme gastgewerblicher Leistungen dort aufgehalten haben. Dem steht es nicht entgegen, wenn diese Personen den Wirt mehr oder weniger gut gekannt haben, zumal es oft vorkommt, daßásich Wirte und Gäste näher kennen und Gäste auch lieber zu einem Wirt gehen, den sie besser kennen. Dies bedeutet aber nicht, daß sie ihre Konsumation nicht bezahlen würden. Dafür, daß es sich bei den anwesenden Personen zumindest teilweise um zahlende Gäste handelt, spricht auch, daß der Zeuge Ü K zunächst nur von zwei Freunden (einen aus Linz und einen aus Ottensheim) gesprochen hat und später dann alle drei anwesenden Personen erst als "Freunde" bezeichnet hatte. Dafür spricht weiters auch der vom einschreitenden Polizeibeamten in der Anzeige beschriebene lautstarke Protest des Wirtes sowie eines Gastes gegen die vom Polizeibeamten verlangte Schließung des Lokales. Wenn die anwesenden Personen tatsächlich nur mehr darauf gewartet hätten, daß Herr K mit den Aufräumarbeiten fertig wird, hätten sie wohl nichts dagegen gehabt, wenn das Lokal geschlossen wird, weil dann Herr Karaca wohl früher mit den Aufräumarbeiten fertig geworden wäre.

4.3. Wenngleich auch ein ausländischer Staatsangehöriger, der in Österreich ein Gewerbe ausübt und ein Gastgewerbelokal betreibt, selbstverständlich an die österreichischen Rechtsvorschriften gebunden ist, so mag im Bereich des Verschuldens darauf Bedacht genommen werden, daß hier offensichtlich kein Unrechtsbewußtsein vorlag. Es kann daher unter Anwendung des § 21 Abs.1 VStG von einem geringfügigen Verschulden ausgegangen werden; da auch keine bedeutenden Folgen der Übertretung aufgetaucht sind, konnte für diese eine Verwaltungsübertretung noch mit einer Ermahnung das Auslangen gefunden werden, wobei jedoch darauf hingewiesen wird, daß bei weiteren Übertretungen der Sperrstunde davon ausgegangen werden muß, daß der Bw nunmehr die Vorschriften bekannt sind, sodaß in allenfalls künftigen Fällen mit einer Ermahnung sicherlich nicht mehr das Auslangen gefunden werden könnte.

Zu II.:

Gemäß § 64 Abs.1 VStG ist in jedem Straferkenntnis auszusprechen, daß der Bestrafte einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens zu leisten hat. Dieser Beitrag ist nach § 64 Abs.2 VStG mit 10% der verhängten Strafe zu bemessen. Da durch die gegenständliche Berufungsentscheidung die Strafe aufgehoben und stattdessen eine Ermahnung ausgesprochen wurde, entfiel ein Kostenbeitrag zum Strafverfahren der ersten Instanz.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungs gerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Dr. L e i t g e b

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