Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-221406/2/Schi/Km

Linz, 27.12.1996

VwSen-221406/2/Schi/Km Linz, am 27. Dezember 1996 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Schieferer über die Berufung der L R, vertreten durch Rechtsanwälte Dr. P Z und Dr. H K, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 16.10.1996, Ge96-186-1996, wegen einer Beschlagnahme, zu Recht erkannt:

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Beschlagnahmebescheid bestätigt.

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl.Nr. 51/1991 idF BGBl.Nr. 471/1995 iVm §§ 24, 39, 51 Abs.1 und 51e Abs.2 Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG, BGBl.Nr. 52/1991 idF BGBl.Nr. 620/1995.

Entscheidungsgründe:

1.1. Die Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn hat mit dem angefochtenen Bescheid vom 16.10.1996, Ge96-186-1996, zur Sicherung der Strafe des Verfalles gemäß § 39 VStG iVm § 369 GewO 1994 folgende Gegenstände der Berufungswerberin (Bw) in Beschlag genommen:

1 Stk Heißluftgrill 4 Stk Spielzeuglokomotiven 3 Stk Messer-Set (Shogun) 1 Stk Photoapparat (Magic Shot) 1 Stk Porzellanpuppe 2 Stk Gourmand Party-Set 1 Stk Messer-Set (Ginsu 2000) 1 Stk Bratpfanne (Marke Been 24 cm Durchmesser) 1 Stk Bratpfanne (Marke Been 26 cm Durchmesser) 1 Stk Vakuummatratze (Marke Been 90x200) 1 Stk Küchenmaschine (Mixpress 1500) 6 Stk Whiskygläser (Bleikristall) 4 Stk Topf-Set 12teilig (Mega Kocher) 1 Stk Topf-Set 3teilig (Been Hilton) 1 Stk Profi-Kochtopf 18 l (Been Hotel) 1 Stk Walkjanker 7 Stk Bügelbrettauflage 30 Stk Wundernetz 10 Dosen Ringelblumenbalsam 5 Dosen Gelenkbalsam 15 Dosen Eisgel 4 Stk Stabtaschenlampen 3 Stk Minitaschenlampen 4 Stk Schreibtisch-Set (Marksman) 24 Stk Nagelzwicker 2 Stk Minialarmanlagen 38 Stk Verwandlungstaschen (in Einkaufstasche) 1 Stk Schale (Bleikristall) 1 Stk Eiswürfelbehälter (Bleikristall) 46 Stk Tapetenmesser 1 Pkg Besteckbänkchen 6 Stk Tischkartenhalter 1 Stk Photokoffer Metall (Komomatic mit Photoapparat, Blitzlicht und Stativ) 1 Stk Bett-Set (Unterbett, Kissen, Decke) samt Stofftasche 16 Pkg Taschentücher 49 Stk Batterien (Panasonic) 1 Stk Kabeltrommel 1 Stk Köcher (für Kellnerbrieftasche) 8 Stk Kellnerbrieftaschen 12 Stk Brillenetuis 2 Pkg Brillenbänder (Originalverpackung) 10 Stk Brillenbänder lose 43 Stk Lesebrillen 1,5 bis 4 Dioptrien in pyramidenförmigem Behälter 2 Stk Stoffkoffer (für Taschenlampen bzw. Cremes) 1.2. Gleichzeitig hat die belangte Behörde der Bw zur Last gelegt, sie habe 1.) am 12.09.1996 ab 19.30 Uhr im Gasthaus H in G, am 17.09.1996 ab 19.30 Uhr im Gasthaus B in P und am 16.09.1996 ab 19.30 Uhr im Gasthaus M in W, Lesebrillen (zu einem Preis von S 100,--/Stück), Töpfe (zu einem Preis von S 200,-- bis 300,--/Stück) verkauft.

Weiters habe sie am 30.09.1996 durch das Postamt in Handenberg eine Postwurfsendung an alle Haushalte in S und H, mit der Produkte wie Eisgel (250 ml zu S 60,--), Thermo-Relax Massagekissen (S 890,--/Stück), 12-teiliges Edelstahlgarsystem (S 998,--/Stück), Ringelblumenbalsam (250 ml zu S 50,--), Fairwood Heißluftgrill (S 1.900/Stück), Mixpress Küchenmaschine mit Saftzentrifuge (S 3.500,--/Stück), sowie orthopädische Vakuummatratzen mit Wollauflage (S 2.500,--/Stück) einem größeren Kreis von Personen für den 2. Oktober 1996 im Gasthaus S, H, Gemeinde S, angeboten wurden, versendet. Sie haben dadurch das Handelsgewerbe ausgeübt, ohne eine entsprechende Gewerbebe rechtigung erlangt zu haben und 2.) habe sie am 12.09.1996 ab 19.30 Uhr im Gasthaus H in G, am 17.09.1996 ab 19.30 Uhr im Gasthaus B in P und am 16.09.1996 ab 19.30 Uhr im Gasthaus M in W, P , unzulässigerweise Bestellungen auf diverse Haushaltswaren (z.B. Matratzen) entgegengenommen, obwohl Bestellungen auf Waren von Privatpersonen nur entgegengenommen werden dürfen in der Betriebsstätte des Gewerbetreibenden oder der Wohnung des Gewerbetreibenden, auf Messen, messeähnlichen Veranstaltungen, Märkten und marktähnlichen Veranstaltungen, anläßlich des gemäß §§ 57 und 58 GewO zulässigen Sammelns und bei Vorführungen von Modewaren und Luxusartikeln; sie habe deshalb Verwaltungsübertretungen zu 1.) nach § 366 Abs.1 Z.1 iVm §§ 5 Abs.1 und Abs.2 Z.1, sowie § 124 Z.11 GewO 1994 und zu 2.) § 367 Z.20 iVm § 59 GewO 1994 begangen.

1.3. Begründend wurde nach Zitierung der § 39 Abs.1 VStG und § 369 GewO 1994 ausgeführt, daß die Bw am 12.9.1996 ab 19.30 Uhr im Gasthaus H in G, am 17.9.1996 ab 19.30 Uhr im Gasthaus B in P und am 16.9.1996 im Gasthaus M in W, Lesebrillen (zu einem Preis von S 100/Stk), Töpfe (zu einem Preis von S 200-300/Stk) verkauft habe und am 30.9.1996 im Wege des Postamtes H Postwurfsendungen an alle Haushalte in S in H verschickt wurden, mit welchen verschiedene Produkte angeboten worden sind, und weiters durch sie am 12.9.1996 im Gasthaus H in G, am 17.9.1996 ab 19.30 Uhr im Gasthaus B in P und am 16.9.1996 ab 19.30 Uhr im Gasthaus M in W, unzulässigerweise Bestellungen auf diverse Haushaltswaren (zB Matratzen) entgegengenommen wurden; es bestehe daher der Verdacht, daß sie Übertretungen der GewO gemäß § 366 Abs.1 und § 367 Z.20 durch die unbefugte Ausübung des Handelsgewerbes sowie die unzulässige Entgegennahme von Bestellungen auf Waren von Privatpersonen begangen habe.

Da die am 2.10.1996 von Beamten des GPK N aus eigener Macht vorläufig in Beschlag genommenen Waren somit im Zusammenhang mit Verwaltungsübertretungen gemäß § 366 und § 367 Z.20 GewO 1994 stünden und in diesen Fällen die Strafe des Verfalls gemäß § 369 GewO vorgesehen sei, sei die Beschlagnahme der im Spruch bezeichneten Gegenstände anzuordnen gewesen.

2. Dagegen hat die Bw mit Schriftsatz vom 30.10.1996 rechtzeitig Berufung erhoben und ausgeführt, daß zunächst auf die Stellungnahme vom 30.10. verwiesen werde. In dieser hat die Bw angeführt, es sei keinesfalls richtig, daß sie Verkäufe irgendwelcher Art vorgenommen habe, vielmehr habe sie lediglich Produktpräsentationen durchgeführt. In diesem Zusammenhang sei darauf hinzuweisen, daß es zu keinem einzigen Verkauf gekommen sei. Für die Durchführung von bloßen Produktpräsentationen benötige sie keinen Gewerbeschein. Dies sei ihr sogar von Herrn W der BH Braunau telefonisch am 2.10.1996 bestätigt worden.

Darüberhinaus verweise sie darauf, daß sie sehr wohl Inhaberin eines sogenannten Reisegewerbescheines sei, welcher ihr vom Landratsamt Berchtesgaden für die BRD ausgestellt worden sei. Diesen Reisegewerbeschein könne sie vorlegen. Ausdrücklich werde bestritten, daß sie Bestellungen auf diverse Haushaltswaren entgegengenommen habe. Festzuhalten sei, daß sie in Deutschland eine Einzelfirma habe und ihre Kunden direkt bei der Einzelfirma in Freilassing, Beethovenstraße 21, mittels Bestellkarte bestellen können. Zu Verkaufsabschlüssen könne es, wenn überhaupt, so nur in der BRD kommen. Es lägen daher keinerlei strafbare Tatbestände vor und daher sei auch die Beschlagnahme zur Sicherung der Strafe des Verfalles keinesfalls gerechtfertigt. Sie stelle daher den Antrag, die Beschlagnahme aufzuheben und ihr die beschlagnahmten Gegenstände unverzüglich auszufolgen.

3. Die Strafbehörde hat keine Berufungsvorentscheidung erlassen, sondern - als nunmehr belangte Behörde - die Berufung samt Strafakt vorgelegt. Von einer Gegenäußerung zum Berufungsvorbringen hat die belangte Behörde abgesehen.

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich ist in diesem Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 51 Abs.1 VStG als Berufungsbehörde zuständig.

Aus der Akteneinsicht hat der unabhängige Verwaltungssenat einen genügend geklärten Sachverhalt vorgefunden. Die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens sind in der Begründung des Straferkenntnisses vollständig und mit dem Akteninhalt übereinstimmend so dargestellt, daß sich der unabhängige Verwaltungssenat ein klares und abschließendes Bild über die maßgebenden Sachverhaltselemente machen kann. Weitere Beweise sind nicht mehr aufzunehmen.

Es konnte daher eine öffentliche mündliche Verhandlung unterbleiben, zumal es sich bei der bekämpften Anordnung nur um einen verfahrensrechtlichen Bescheid iSd § 51e Abs. 2 VStG handelt und auch keine der Parteien die Durchführung einer Verhandlung ausdrücklich verlangte.

4. Aufgrund des vorgelegten Verwaltungsaktes in Verbindung mit den Ausführungen in der Berufung, geht der O.ö.

Verwaltungssenat von folgendem entscheidungswesentlichen Sachverhalt aus:

4.1. Die Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn hat mit dem angefochtenen Bescheid vom 16.10.1996, Ge96-186-1996, zur Sicherung der Strafe des Verfalles gemäß § 39 VStG iVm § 369 GewO 1994 die oben unter Pkt. 1.1. angeführten Gegenstände der Berufungswerberin (Bw) in Beschlag genommen, weil zumindest der dringende Verdacht bestand, daß die Bw zu den oben in Pkt. 1.2. bzw. 1.3. angeführten Zeitpunkten und Orten Lesebrillen und Töpfe verkauft habe; weiters eine Postwurfsendung an alle Haushalte in S und H, mit der verschiedene Waren (vgl. oben Pkt. 1.2.) angeboten worden waren sowie schließlich Bestellungen auf div. Haushaltswaren entgegengenommen habe, obwohl sie hiezu nicht berechtigt war.

Dieser Verdacht war jedenfalls aufgrund der Anzeige der Frau E S und insbesondere durch die daraufhin erfolgenden Erhebungen von Organen des GP N ausreichend erhärtet.

5. In rechtlicher Hinsicht hat der O.ö. Verwaltungssenat erwogen:

5.1. Gemäß § 366 Abs.1 Z.1 GewO 1994 begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe bis zu 50.000 S zu bestrafen ist, wer ein Gewerbe ausübt, ohne die erforderliche Gewerbeberechtigung erlangt zu haben.

Gemäß § 367 Z.20 GewO 1994 begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe bis zu 30.000 S zu bestrafen ist, wer die Bestimmungen über das Sammeln und die Entgegennahme von Bestellungen (§§ 54-59, 61, 133, 156 Abs.3 und 4 und 207) oder die Bestimmungen der aufgrund der §§ 54 Abs.2 oder 57 Abs.2 erlassenen Verordnungen nicht einhält, wenn nicht der zweite oder dritte Tatbestand des § 368 Z.6 gegeben ist.

Gemäß § 59 GewO 1994 dürfen Bestellungen auf Waren von Privatpersonen nur entgegengenommen werden, 1. in den Betriebsstätten oder der Wohnung des Gewerbetreibenden, 2.

auf Messen, messeähnlichen Veranstaltungen, Märkten und marktähnlichen Veranstaltungen, 3. anläßlich des gemäß §§ 57 und 58 zulässigen Sammelns von Bestellungen und 4. bei Vorführungen von Modewaren (Modellen) oder Luxusartikeln vor einem geladenen Publikum, soweit es sich um solche Waren handelt (Abs.1). In allen anderen als den in Abs.1 genannten Fällen, insbesondere auf der Straße, ist die Entgegennahme von Bestellungen auf Waren von Privatpersonen unzulässig.

Eine unzulässige Entgegenahme von Bestellungen liegt auch vor, wenn die während einer Werbeveranstaltung von den Veranstaltungsbesuchern ausgefüllten Bestellscheine von einem Dritten zur Weiterleitung an die Gewerbetreibenden übernommen werden (Abs.2).

Gemäß § 124 Z.11 GewO 1994 handelt es sich beim Handelsgewerbe (§ 157) mit Ausnahme der bewilligungspflichtigen gebundenen Handelsgewerbe, des Betriebes von Tankstellen (Z.21) sowie der gemäß § 158 ausgenommenen Handelsgewerbe um ein nicht bewilligungspflichtiges gebundenes Gewerbe.

Gemäß § 157 GewO 1994 sind Gewerbetreibende, die zur Ausübung eines Handelsgewerbe (§ 124 Z.11) berechtigt sind, auch zum Betrieb von Tankstellen und zur Ausübung eines freien Handelsgewerbes gemäß § 158 berechtigt, sofern ihre Gewerbeberechtigung nicht eine Einschränkung aufweist, die die Ausübung des Betreffenden in Z.1 oder 2 genannten Handelsgewerbes ausschließt.

Gemäß § 1 GewO 1994 gilt dieses Bundesgesetz, soweit nicht die §§ 2 bis 4 anderes bestimmen, für alle gewerbsmäßig ausgeübten und nicht gesetzlich verbotenen Tätigkeiten (Abs.1).

Eine Tätigkeit wird gewerbsmäßig ausgeübt, wenn sie selbständig, regelmäßig und in der Absicht betrieben wird, einen Ertrag oder sonstigen wirtschaftlichen Vorteil zu erzielen, gleichgültig für welche Zwecke dieser bestimmt ist; hiebei macht es keinen Unterschied, ob der durch die Tätigkeit beabsichtigte Ertrag oder sonstige wirtschaftliche Vorteil im Zusammenhang mit einer in den Anwendungsbereich dieses Bundesgesetzes fallenden Tätigkeit oder im Zusammenhang mit einer nicht diesem Bundesgesetz unterliegenden Tätigkeit erzielt werden soll (Abs.2). Selbständigkeit im Sinne des Bundesgesetzes liegt vor, wenn die Tätigkeit auf eigene Rechnung und Gefahr ausgeübt wird (Abs.3). Auch eine einmalige Handlung gilt als regelmäßige Tätigkeit, wenn nach den Umständen des Falles auf die Absicht der Wiederholung geschlossen werden kann oder wenn sie längere Zeit erfordert.

Das Anbieten einer den Gegenstand eines Gewerbes bildenden Tätigkeit an einen größeren Kreis von Personen oder bei Ausschreibungen wird der Ausübung des Gewerbes gleichgehalten (Abs.4).

5.2. Mit dem Spruchteil des genannten, auf § 39 Abs.1 VStG gestützten Bescheides wurde über die darin angeführten und nach Art und Anzahl näher beschriebenen Waren, die sämtliche zuvor am 2. Okt. 1996 ein Organ des GPK N gemäß § 39 Abs.2 VStG vorläufig beschlagnahmt hatte (Bestätigung Nr.

044512/113), "zur Sicherung des Verfalls" die Beschlagnahme angeordnet.

Am 18.10.1996 wurde dieser Beschlagnahmebescheid der Berufungswerberin zH ihrer Rechtsvertreter zugestellt.

5.3. Die Beschlagnahme nach § 39 Abs.1 VStG setzt neben den beiden Tatbildmerkmalen des Verdachtes einer Verwaltungsübertretung und des für dieses Delikt als Strafe angedrohten Verfalls als weiteres rechtserhebliches Merkmal voraus, daß eine Sicherung des Verfalls überhaupt geboten ist (vgl VwGH 25.5.1983, 83/01/0103).

Diese Merkmale liegen hier vor; die Berufungswerberin konnte dies dem angefochtenen Bescheid unzweifelhaft entnehmen (vgl. oben Pkt 1.2. u. 1.3.

So ist ausreichend - und zutreffend - dargetan, daß sie im Verdacht der entsprechenden Verwaltungsübertretungen stehe, weil sie unbefugterweise das Handelsgewerbe gemäß § 124 Z11 iVm § 366 Abs.1 Z1 der Gewerbeordnung 1994 ausgeübt habe und weiters unzulässigerweise Bestellungen von Privatpersonen auf Waren entgegengenommen habe.

Auch daß die Gewerbeordnung 1994 für diese (zumindest im Verdacht vorliegenden) Verwaltungsübertretungen das Strafmittel des Verfalls von solchen Gegenständen, die mit der berechtigungslosen Gewerbeausübung in Zusammenhang stehen, vorsieht (§ 369 leg.cit.), ist zutreffend dargestellt.

Und schließlich kann der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden, wenn sie - zwar nicht ausdrücklich, so doch offensichtlich konkludent - davon ausgegangen ist, daß die Anordnung zur Sicherung des Verfalls deswegen geboten war, weil anders die Begehung weiterer solcher strafbarer Handlungen (unter Verwendung der beschlagnahmten Gegenstände) nicht hätte verhindert werden können.

5.4. Der angefochtene Beschlagnahmebescheid wäre auf Grund der Berufung einer Aufhebung (nur) dann zugänglich, wenn der unabhängige Verwaltungssenat zum Ergebnis zu kommen hätte, daß die Bestrafung der Berufungswerberin wegen der ihr (als Verdacht) angelasteten Verwaltungsübertretungen ausgeschlossen sei. Aus der Aktenlage waren aber keine Gründe zu entnehmen, die die Strafverfolgung der Berufungswerberin wegen unbefugter, dh voraussetzungsloser Ausübung des Handelsgewerbes ausgeschlossen erscheinen lassen.

Auch kann der unabhängige Verwaltungssenat nicht finden, daß der schließliche Verfall der beschlagnahmten Waren ausgeschlossen wäre. So ist der beschlagnehmenden Behörde nicht entgegenzutreten, wenn sie zugrundegelegt hat, daß die beschlagnahmten Waren der Berufungswerberin gehörten bzw in ihrer Verfügungsmacht standen.

5.5. Da bereits der bloße Verdacht genügt, war ihr Einwand, mit dem sie ihre diesbezüglichen Tätigkeiten als bloße Produktpräsentationen bezeichnet, als unbeachtlich zurückzuweisen. Wenn sie in diesem Zusammenhang weiters ausführt, daß ihr am 2.10.1996 von einem gewissen Herrn Wöhrer der BH Braunau telefonisch bestätigt worden sei, daß sie für die Durchführung von bloßen Produktpräsentationen keinen Gewerbeschein benötige, so ist ihr zu erwidern, daß sich einerseits die meisten für die Beschlagnahme relevanten Sachverhalte vor dem 2.10.1996 abgespielt haben und andererseits diese Behauptung unglaubwürdig erscheint, zumal das Einschreiten der Gendarmerie auch aufgrund eines tel.

Auftrages der gleichen Behörde erfolgte; im übrigen ist auch nicht bekannt, wie die Bw dem Herrn W ihre "Produktpräsentationen" beschrieben hat, sodaß sie zu der angeblichen Auskunft gekommen ist.

Schließlich ist darauf hinzuweisen, daß diese angebliche Auskunft allenfalls (wenn überhaupt) bei der Beurteilung des schuldhaften Verhaltens im Verwaltungsstrafverfahren von Relevanz sein könnte, jedoch nicht im Beschlagnahmeverfahren.

6. Da sich aus dem gegenständlichen Akt ergibt, daß die Bw zwar österreichische Staatsbürgerin ist, jedoch eine Reisegewerbeerlaubnis gemäß § 55 der deutschen Gewerbeordnung vom Landratsamt Berchtesgadener Land in Bad Reichenhall (ausgestellt am 22.2.1994) innehat, war noch darauf einzugehen, ob ihr nicht etwa im Wege europäischer Rechtsnormen eine gleichartige Berechtigung für Österreich zukam.

6.1. Der Inhaber der ggst. Reisegewerbekarte ist im Geltungsbereich der (deutschen) Gewerbeordnung befugt zum Feilbieten von Haushaltswaren, Textilien, Körperpflegeprodukten, Bettenausstattungen, Modeschmuck, Computerhoroskopen, Büchern und Tonträgern, weiters zum Anbieten von bzw. Aufsuchen von Bestellungen auf Erstellung von Computerhoroskopen.

Der unabhängige Verwaltungssenat hatte daher - zwar ohne daß die Bw derartiges ausdrücklich vorgebracht hätte - aufgrund seiner umfassenden Prüfungskompetenz zu untersuchen, ob der Bw als Inhaberin einer deutschen Reisegewerbeerlaubnis allenfalls im Wege europarechtlicher Normen eine gleiche Berechtigung in Österreich zukam, zumal die Republik Österreich mit 1.1.1995 der Europäischen Union beigetreten ist (EU-Beitrittsvertrag BGBl.Nr. 45/1995; BVG über den Beitritt Österreichs zur Europäischen Union, BGBl.Nr.

744/1994), während die Bundesrepublik Deutschland Gründungsmitglied der EU (Früher: EWG bzw. EG) ist.

6.2. Mit 1.1.1994 (bereits) ist Österreich dem Europäischen Wirtschaftsraum beigetreten (EWR-Abkommen BGBl. 909/1993; dieses EWR-Abkommen behandelt im Teil III, Kapitel 2 das Niederlassungsrecht und in Kapitel 3 die Dienstleistungen analog zum EGV).

6.3. Im gegenständlichen Fall ist die gewerbliche Tätigkeit der Bw nicht unter Niederlassungsfreiheit (hier hätte sie in Österreich einen Firmensitz begründen müssen) sondern unter Dienstleistung im Sinne des EGV einzureihen.

Gemäß Art.60 III EGV umfaßt die Freiheit des Dienstleistungsverkehrs die Freiheit des Leistenden, seine Tätigkeit nach dem Grundsatz der Inländergleichbehandlung vorübergehend in dem Staat auszuüben, in dem die Leistung erbracht wird (der Begriff der Dienstleistung im EGV deckt sich sohin nicht mit dem üblichen volkswirtschaftlichen Begriff, da eine Dienstleistung im Sinn des Art.60 EGV zwar eine Leistung, die in der Regel gegen Entgelt erbracht wird, sich insbesondere aber dadurch auszeichnet, daß Leistender und Leistungsempfänger in verschiedenen Mitgliedstaaten ansässig sind (hier: die Bw in der BRD; die Leistungsempfänger in Österreich).

Unter die gemeinschaftliche Dienstleistungsfreiheit fallen also zeitlich begrenzte (arg.: vorübergehend), in grenzüberschreitender Weise, gegen Entgelt erbrachte Leistungen. Auch dies liegt eindeutig vor; vgl. dazu die Preise für die angebotenen Waren.

6.4. Gemäß Art.59 EGV werden die Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs innerhalb der Gemeinschaft für Angehörige der Mitgliedstaaten, die in einem anderen Staat der Gemeinschaft als demjenigen des Leistungsempfängers ansässig sind, während der Übergangszeit nach Maßgabe der folgenden Bestimmung schrittweise aufgehoben.

Gemäß Art.60 EGV sind Dienstleistungen im Sinne dieses Vertrages Leistungen, die in der Regel gegen Entgelt erbracht werden, soweit sie nicht den Vorschriften über den freien Waren- und Kapitalverkehr und über die Freizügigkeit der Personen unterliegen.

Als Dienstleistungen gelten insbesondere:

a) gewerbliche Tätigkeiten, b) kaufmännische Tätigkeiten, c) handwerkliche Tätigkeiten, d) freiberufliche Tätigkeiten.

Unbeschadet des Kapitels über die Niederlassungsfreiheit kann der Leistende zwecks Erbringung seiner Leistungen seine Tätigkeit vorübergehend in dem Staat ausüben, in dem die Leistung erbracht wird, und zwar unter den Voraussetzungen, welche dieser Staat für seine eigenen Angehörigen vorschreibt.

6.5. Nun ist zunächst im EGV immer die Rede davon, daß Personen das Recht haben, in einem anderen Mitgliedsstaat als ihrem Heimatstaat eine dauernde selbständige Tätigkeit zu den gleichen Bedingungen wie Inländer auszuüben. Bei der Berufungswerberin handelt es sich aber um eine österr.

Staatsbürgerin, die in der BRD einen Firmenstandort samt dt.

Reisegewerbeerlaubnis hat und die in Österreich eine gewerbliche Tätigkeit (Handelsgewerbe usw) ausgeübt hat.

Es fehlt sohin der Auslandsbezug bzw handelt es sich hier um einen an sich internen Sachverhalt. Derartige Sachverhalte werden im EG-Recht (in Rechtsprechung und Lehre) mit dem Schlagwort der (an sich zulässigen) Inländerdiskriminierung bezeichnet (vgl. zB. Rs. C 132, Sten). Auch hat der Gerichtshof der europäischen Gemeinschaften (im folgenden:

EuGH) in der Rechtssache 20/87, Gauchard, Urteil vom 8.12.1987, Slg.1987, S 4879, ausgesprochen, daß weder Art.52 EGV noch die zu seiner Durchführung erlassenen Richtlinien für Sachverhalte gelten, die sich ausschließlich innerhalb eines Mitgliedsstaats abspielen, wie etwa der Fall eines Angehörigen eines Mitgliedsstaates, der niemals in einem anderen Mitgliedsstaat gewohnt oder gearbeitet hat.

6.6. Im gegenständlichen Fall hat allerdings die Bw - wie oben erwähnt - eine deutsche Gewerbeberechtigung (Reisegewerbeerlaubnis) des Landratsamtes Berchtesgadener Land, Bad Reichenhall, Nr. 8/94, vom 22.2.1994.

Es ist daher auf die Rechtssache 115/78, Knoors, vom 7.2.1979, Slg.1979, S.399, zu verweisen. Hier hat der EuGH ausgesprochen, daß die Vertragsbestimmungen über die Niederlassung und den Dienstleistungsverkehr zwar nicht auf rein interne Verhältnisse eines Mitgliedsstaats anwendbar sind, doch kann die in Art.52 EGV enthaltene Bezugnahme auf die "Staatsangehörigen eines Mitgliedsstaats", die sich "im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedsstaats" niederlassen wollen, nicht dahin ausgelegt werden, daß die "eigenen Staatsangehörigen" eines bestimmten Mitgliedsstaats von der Anwendung des Gemeinschaftsrechts ausgeschlossen wären, wenn sie sich aufgrund der Tatsache, daß sie rechtmäßig im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedsstaats ansässig waren, gegenüber ihrem Herkunftsland in einer Lage befinden, die mit derjenigen aller anderen Personen, die in den Genuß der durch den Vertrag garantierten Rechte und Freiheiten kommen, vergleichbar ist.

6.7. Wenn man daher die Bw, obzwar Österreicherin und sohin als Inländerin, die in einem anderen Mitgliedsstaat der EU (BRD) ihren Wohn- und Geschäftssitz hat, aufgrund ihrer deutschen Gewerbeerlaubnis anderen Unionsbürgern (zB einem deutschen Staatsbürger mit gleicher Reisegewerbeerlaubnis) als gleichgestellt (und somit in keiner Weise diskriminiert) ansieht, ist daraus für sie dennoch nichts zu gewinnen.

Denn bereits mit der Gewerberechtsnovelle 1992, BGBl.Nr.

29/1993, wurden im Hinblick auf das EWR-Abkommen entsprechende EWR-Anpassungsbestimmungen (V.a. Hauptstück) in die GewO aufgenommen, die gleichzeitig mit dem EWR-Abkommen in Kraft getreten sind.

6.8. Danach bestimmt § 373c Abs.1 GewO, daß die Nachsicht vom vorgeschriebenen Befähigungsnachweis einem Staatsangehörigen einer EWR-Vertragspartei auch zu erteilen ist, wenn dieser die in einer Verordnung gemäß Abs.4 bis 6 festgelegten Nachsichtsvoraussetzungen erfüllt und keine Ausschlußgründe gemäß § 13 vorliegen.

Zufolge Abs.2 dieses Paragraphen werden durch die Verordnungen gemäß Abs.4 bis 6 die Anerkennungsregelungen der auf Grund des EWR-Abkommens geltenden Richtlinien des Rates der europäischen Wirtschaftsgemeinschaft über die Verwirklichung der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs in der durch das EWR-Abkommen rezipierten Fassung, soweit von diesen in diesem Bundesgesetz geregelte Tätigkeiten erfaßt sind, umgesetzt.

Weiters bestimmt Abs.3 dieses Paragraphen, daß das Vorliegen der Nachsichtsvoraussetzungen nach Maßgabe der Anerkennungsregelungen der im Abs.2 genannten Richtlinien durch entsprechende Zeugnisse einer einschlägigen fachlichen selbständigen Tätigkeit etc. nachzuweisen ist.

6.9. Geht man im gegenständlichen Fall nun davon aus, daß die Berufungswerberin als Inländerin nicht schlechter gestellt werden soll als ein (nicht-österreichischer) EWR(EU)-Bürger und somit für sie die gleichen Regelungen gelten müssen, so ist wiederum darauf zu verweisen, daß die Berufungswerberin nach der Aktenlage nie eine Nachsicht von einem Befähigungsnachweis beantragt hat. Auch hat sie derartiges nicht einmal behauptet.

6.10. Schließlich bestimmt § 373d GewO, daß, soweit nicht § 373c anzuwenden ist, der Landeshauptmann auf Antrag binnen vier Monaten im Einzelfall auszusprechen hat, ob und inwieweit über eine von einem Staatsangehörigen einer EWR-Vertragspartei in einem EWR-Vertragsstaat erworbene Ausbildung oder Befähigung im Hinblick auf die durch die betreffende Ausbildung oder Befähigung vermittelten und bescheinigten Fähigkeiten und Kenntnisse den für die Erlangung eines inländischen gewerblichen Befähigungsnachweises vorgeschriebenen Zeugnissen gleichzuhalten ist; (im weiteren wird noch bestimmt, daß bei nicht vorhandener Gleichwertigkeit ein Anpassungslehrgang oder die Ablegung einer Eignungsprüfung vorzuschreiben ist).

Auch hier gilt wiederum das bereits oben Gesagte; daß nämlich die Berufungswerberin auch einen derartigen Antrag aufgrund ihrer deutschen Reisegewerbeerlaubnis niemals in Österreich gestellt hat. Eine "Automatik" in dem Sinne aber, daß die Bw unmittelbar aufgrund ihrer dt. Reisegewerbeerlaubnis zu entsprechenden Tätigkeiten in Österreich berechtigt wäre, kennt weder der EGV noch die auf seiner Grundlage ergangenen Rechtsakte (Verordnungen, Richtlinien); auch der Jud. des EuGH ist derartiges nicht zu entnehmen.

7. Es ergibt sich daher insgesamt, daß die Bw zu der angeführten Tätigkeit in Österreich nicht berechtigt war, weshalb die belangte Behörde zu Recht aufgrund des begründeten Verdachtes von Verwaltungsübertretungen die Beschlagnahme mit dem angefochtenen Bescheid verfügt hat.

8. Aus allen diesen Gründen war die Berufung abzuweisen und der Beschlagnahmeausspruch zu bestätigen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Dr. S c h i e f e r e r

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