Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-221418/2/Ga/La

Linz, 13.05.1997

VwSen-221418/2/Ga/La                 Linz, am 13. Mai 1997 DVR.0690392                                                          

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch das Mitglied Mag. Gallnbrunner über die Berufung des I B in P gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 4. November 1996, Zl. 502-32/Ki/We/98/96b, wegen Übertretungen der Gewerbeordnung 1994 - GewO 1994, zu Recht erkannt:

Der Berufung wird stattgegeben; in sämtlichen Spruchpunkten wird das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verfahren eingestellt.

Rechtsgrundlage: AVG: § 66 Abs.4. VStG: § 24; § 45 Abs.1, § 51 Abs.1, § 51c, § 51e Abs.1; §§ 64 ff.

Entscheidungsgründe:

1.  Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wird der Be rufungswerber als Inhaber und Betreiber des Cafehauses im Standort L, schuldig gesprochen, er habe in insgesamt 13 Fällen bestimmte, mit Betriebsanlagengenehmigungsbescheiden erteilte Auflagen nicht eingehalten und dadurch Verwaltungsübertretungen jeweils gemäß § 367 Z25 GewO 1994 iV mit den entsprechenden Auflagen der bezeichneten Genehmigungsbescheide begangen und seien deswegen über ihn Geldstrafen in der Höhe von je 1.000 S (Ersatzfreiheitsstrafen: je fünf Stunden) je kostenpflichtig zu verhängen gewesen.

2. Dagegen hat der Beschuldigte berufen. Er beantragt die Aufhebung des Straferkenntnisses mit der Begründung, daß die ihm vorgeworfenen Verfehlungen jeder Grundlage und Beweise entbehrten und dahinter nur eine "Bösartigkeit" stehe, die ihm die Hausgemeinschaft N entgegenbringe, weil es dieser bis heute nicht gelungen sei, ihn "aus dem Lokal zu bringen bzw dieses schließen zu lassen." 3. Die belangte Behörde hat zugleich mit der Berufung den Strafakt vorgelegt, keine Gegenäußerung und keine Anträge erstattet. Schon aus der Aktenlage ist ersichtlich, daß das ange fochtene Straferkenntnis aufzuheben ist; eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung war nicht durchzuführen.

Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

4.1.  Zu den Spruchpunkten I.A lit.a bis lit.j (Über tretungen der Auflage 5. des Bescheides des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 13.11.1990, GZ 501/S: "Die Lokaleingangstüre sowie die öffenbaren Oberlichtenfenster sind ab 20.00 Uhr dauernd geschlossen zu halten."):

Begründend verweist die belangte Behörde auf die beiden Anzeigen der "Hausgemeinschaft N" vom 11. April und vom 11. Mai 1996 und führt aus, daß der im Spruch dargestellte Sachverhalt auf Grund der Aktenlage sowie des Ergebnisses des durchgeführten Ermittlungsverfahrens erwiesen sei. Darauf allerdings, soweit ein Ermittlungsverfahren aus dem Strafakt überhaupt hervorgeht, läßt sich die von der belangten Behörde gesehene Beweislage hinsichtlich der Fakten lit.a bis lit.j gerade nicht stützen.

4.1.1. Grundlage für die erste Verfolgungshandlung in diesem Fall (Rechtshilfeersuchen vom 25. Juli 1996 an die Gemeinde Pasching) sind allein die beiden Privatanzeigen vom 11. April und vom 11. Mai 1996 (die im übrigen nur in Kopie vorgelegt wurden).

Daß die Zugehörigkeit der unterfertigten Privatanzeiger zu der "Hausgemeinschaft N" entweder notorisch ist oder überprüft worden wäre, geht aus dem Strafakt nicht hervor. Ist aber die belangte Behörde davon ausgegangen, daß mit diesen Privatanzeigen verwaltungsstrafrechtlich relevante Umstände mitgeteilt werden sollten, hätten zunächst jedenfalls, etwa durch die Kombination von Augenscheins- und Zeugenbeweis, die näheren Umstände, unter denen die Anzeiger ihre Beobachtungen gemacht haben, ergründet werden müssen. Durch nichts nämlich ist aus den Anzeigen selbst zu erkennen, ob überhaupt und auf Grund welcher örtlichen Gegebenheiten es faktisch möglich gewesen sein soll, daß mehrere Personen zur selben Zeit (von welchem - gemeinsamen oder je gesonderten - Beobachtungsstandort aus?) exakt dieselben Tatsachen wahrgenommen haben. Diese Fragwürdigkeit wird besonders deutlich, wenn ein "durchgehendes" Offenhalten der Oberlichte an zwei Tagen (20. und 21. April 1996) angegeben ist, hätte dies doch zur Voraussetzung, daß alle vier anzeigenden Personen gleichzeitig und ununterbrochen durch 48 Stunden hindurch dieselbe Beobachtung machten.

4.1.2. Diese unsichere Tatsachenlage wird durch das vage Ergebnis der Beschuldigtenvernehmung durch Organe der Gemeinde Pasching nicht gebessert. In der vorliegenden Qualität ist die Niederschrift vom 26. September 1996 für eine Bekräftigung der Angaben in den Anzeigen ungeeignet. Keinesfalls konnte dadurch die oben erwähnte Zeugenvernehmung oder der eigene Augenschein durch die belangte Behörde selbst entbehrlich werden. Auffällig ist auch, daß die Anzeige vom 11. Mai 1997 zu den angeführten Tagen (anders als die Anzeige vom 11. April 1997) jeweils nur eine einzige Uhrzeitangabe enthält, das angefochtene Straferkenntnis hingegen in den Fakten lit.e bis lit.j daraus einen nicht nachvollziehbaren, offensichtlich aktenwidrigen Zeitraum (jeweils: "von 20.00 Uhr bis ...") gemacht hat.

4.1.3. Insgesamt liegt ein schwerwiegender Feststellungsmangel darin, daß sich die belangte Behörde mit den unzureichenden Anzeigen (und der zu ihrer Bestätigung diesfalls nicht geeignet gewesenen Vernehmung des Beschuldigten durch die Gemeindebehörde) begnügte und kein eigenes, weiteres Ermittlungsverfahren durchführte, um so die zu Tatvorwürfen erhobenen Lebenssachverhalte in einer für das Verwaltungsstrafverfahren erforderlichen, rechtsstaatlichen Standards genügenden Qualität zu klären (vgl idS die Entscheidungsgründe im h Erk vom 10. März 1997, VwSen-221321/3/Ga/La, denselben Beschuldigten mit vergleichbarer Aktenlage betreffend).

4.2. Zu den Spruchpunkten I.B lit.a und lit.b (Über tretungen der Auflage 7. des vorzitierten BA-Genehmigungs bescheides: "Die Lokaleingangstüre darf nur bei unbedingt notwendigem Bedarf, wie z.B. Getränkeanlieferung, durch einen während der übrigen Zeit im Schankbereich verwahrten Holzkeil in offener Stellung fixiert werden."):

Die schon zu 4.1. aufgezeigten Feststellungsmängel liegen zu diesen Spruchpunkten in gleicher Weise vor. Davon abgesehen entspricht die spruchgemäße Zeitangabe "nachmittags" nicht den Anforderungen an die Tatindividuali sierung iS des Bestimmtheitsgebotes gemäß § 44a Z1 VStG. So kann nach der gesamten Aktenlage nicht mit Gewißheit herausgefunden werden, ob mit diesem Ausdruck gemeint ist 'irgendwann am Nachmittag' für einen kürzeren oder längeren Moment (wofür der Sprachgebrauch hinzudeuten scheint) oder 'den ganzen Nachmittag' durchgehend (wofür wiederum die Intention der Anzeige zu sprechen scheint). Abgesehen vom hier bewirkten Verteidigungserschwernis für den Beschuldigten hinge von einer genaueren Zeitangabe in diesen Fällen immerhin auch die Beurteilung der für die Strafbemessung in erster Linie maßgeblichen Unrechtsschwere der Taten ab.

4.3. Zum Spruchpunkt II. (Übertretung der Auflage 1. des Bescheides des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 23.11.1989, GZ 501/S: "Das Ende der Betriebszeit wird mit täglich 22.00 Uhr festgesetzt. Nach der Sperrstunde sind jegliche Manipulations- und Aufräumarbeiten in der Betriebsanlage untersagt."):

4.3.1. Auch zu diesem Faktum kann aus dem vorgelegten Strafakt nicht nachvollzogen werden, wie sämtliche anzeigenden Personen, gemeinsam oder jede örtlich gesondert für sich, jedenfalls aber gleichzeitig den "Beginn der Putzarbeiten um 5.30 Uhr" beobachtet hatten, zumal wenn es sich, was vorliegend nur vermutet werden kann, um Putz arbeiten im Lokal gehandelt haben dürfte. Wie schon zu 4.1. und 4.2. wäre auch hier dem Wahrheits gehalt des angezeigten Umstandes durch eigene Ermittlungen der belangten Behörde auf den Grund zu gehen gewesen und durfte ohne bestätigendes Ermittlungsergebnis die Verfolgungshandlung auf den erst aufklärungsbedürftigen Inhalt der Anzeige allein nicht gestützt werden.

4.3.2. Angesichts des nach den Umständen dieses Falles zur Aufhebung führenden Feststellungsmangels (unten 5.) kann auf sich beruhen, daß es der in Rede stehenden Auflage aus dem Blickwinkel der Tatbestandsmäßigkeit möglicherweise an den Erfordernissen der Bestimmtheit und auch der Geeignetheit mangelt, ist doch offenbar ein und derselbe Zeitpunkt sowohl als 'Ende der Betriebszeit' als auch als 'Sperrstunde' bezeichnet. Abgesehen vom je unterschiedlichen öffentlichen Interesse hinter diesen Begriffen, dürfte sich jedoch die Anordnug des zweiten Satzes dieser Auflage als - unbestimmte - Verkürzung der Betriebszeit auswirken, weil die zwingende Verrichtung von Manipulationsarbeiten (was fällt noch, was fällt nicht mehr darunter?) und jedenfalls aber von Aufräumarbeiten ausschließlich in Zeiten der Anwesenheit von Gästen faktisch kaum möglich bzw zumutbar scheint (zu den Anforderungen an Auflagen vgl STOLZLECHNER/WENDL/ZITTA [Hrsg], Gewerbliche Betriebsanlage 2.A [1991] Rz 271 ff).

5. Wie der unabhängige Verwaltungssenat schon wiederholt aussprach (vgl h Erk vom 10.2.1995, VwSen-220859/2/Wei/Bk; mit Vorjudikatur), kann es nicht seine Aufgabe als eines verfassungsrechtlich eingerichteten Organs der Rechts- und Tatsachenkontrolle sein, substantielle Versäumnisse der Strafbehörde auszugleichen und an ihrer Stelle den subsumtionsrelevanten Sachverhalt erstmals zu ermitteln; dies erschiene auch mit Art.6 EMRK nicht vereinbar, zumal mit der Verlagerung der strafbehördlichen Ermittlungspflicht auf das kontrollierende Tribunal eine Verkürzung der Rechtsschutz möglichkeiten des Beschuldigten einherginge. Aus allen diesen Gründen war das angefochtene Strafer kenntnis daher hinsichtlich sämtlicher Fakten aufzuheben und im Grunde des § 45 Abs.1 Z1 VStG die Einstellung des Ver fahrens zu verfügen.

6. Mit dieser Entscheidung entfällt die Kostenpflicht des Berufungswerbers (die Aufhebung bewirkt zugleich auch den Wegfall des strafbehördlichen Kostenausspruchs; Beiträge zu den Kosten des Berufungsverfahrens waren nicht aufzuerlegen).

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichts hof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Mag. Gallnbrunner

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