Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-221340/3/Ki/Shn VwSen221361/3/Ki/Shn VwSen221371/2/Ki/Shn

Linz, 12.07.1996

VwSen-221340/3/Ki/Shn

VwSen-221361/3/Ki/Shn

VwSen-221371/2/Ki/Shn Linz, am 12. Juli 1996

DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch das Mitglied Mag. Alfred Kisch über die Berufungen des Franz L Nr.12, vom 15. Jänner 1996 gegen das Straferkenntnis der BH Rohrbach vom 4. Jänner 1996, Zl.Ge96-136-1995, vom 2. Mai 1996, gegen das Straferkenntnis der BH Rohrbach 17. April 1996, Zl.Ge96-22-1996 und vom 21. Juni 1996 gegen das Straferkenntnis der BH Rohrbach vom 4. Juni 1996, Zl.Ge96-44-1996, zu Recht erkannt:

I: Den Berufungen wird Folge gegeben. Die angefochtenen Straferkenntnisse werden behoben und die Verfahren eingestellt.

II: Es entfällt die Verpflichtung zur Leistung jeglicher Verfahrenskostenbeiträge.

Rechtsgrundlagen:

zu I: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 45 Abs.1 Z2 und 51 VStG zu II: § 66 Abs.1 VStG Entscheidungsgründe:

I.1. Die Bezirkshauptmannschaft Rohrbach hat mit Straferkenntnissen 1) vom 4. Jänner 1996, Ge96-136-1995, 2) vom 17. April 1996, Ge96-22-1996 und 3) vom 4. Juni 1996, Ge96-44-1996, über den Berufungswerber gemäß § 366 Abs.1 Z3 iVm § 81 Abs.1 GewO 1994 Geldstrafen in Höhe von 1) 5.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe 5 Tage), 2) 7.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe 5 Tage) und 3) 10.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe 7 Tage) verhängt, weil er 1) vom 3.7.1995 bis 10.11.1995, 2) vom 8.1.1996 bis 12.3.1996 und 3) vom 23.4.1996 bis 3.6.1996 am nordöstlichen Ortsende von A, an der Rohrbacher Bundesstraße, beidseitig des Güterweges E auf der Parz.Nr.257/2 und 255 KG A, einen Kfz-Abstellplatz betrieben hat. Durch den Betrieb des Kfz-Abstellplatzes würden Belästigungen der Nachbarn durch Lärm und Geruch hervorgerufen werden können bzw wären solche Einwirkungen nicht auszuschließen. Der Betrieb des gegenständlichen Kfz-Abstellplatzes stelle somit eine gewerbebehördlich genehmigungspflichtige Änderung der bestehenden und genehmigten Betriebsgaragen samt Nebenanlagen im Standort A Nr.12 dar. Die erforderliche Genehmigung liege jedoch nicht vor. Er habe dadurch § 366 Abs.1 Z3 iVm § 81 Abs.1 Gewerbeordnung 1994 - GewO 1994 idgF verletzt. Außerdem wurde er gemäß § 64 VStG zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens in Höhe von jeweils 10 % der verhängten Geldstrafe verpflichtet.

I.2. Der Berufungswerber hat gegen die einzelnen Straferkenntnisse jeweils rechtzeitig Berufung erhoben. Er hat den Tatvorwurf nicht bestritten, jedoch darauf hingewiesen, daß für den Abstellplatz mit Bescheid der belangten Behörde vom 21.6.1994 bereits die gewerbebehördliche Genehmigung erteilt wurde. Infolge einer Berufung eines Nachbarn sei dieser Bescheid jedoch nicht in Rechtskraft erwachsen. Er ersuche daher von einer Bestrafung abzusehen.

I.3. Die Erstbehörde hat die Berufungen samt der Verfahrensakte dem O.ö. Verwaltungssenat zur Entscheidung vorgelegt und damit dessen Zuständigkeit ausgelöst. Dieser hatte, da weder primäre Freiheitsstrafen noch 10.000 S übersteigende Geldstrafen verhängt wurden, durch ein Einzelmitglied zu entscheiden.

I.4. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch Einsichtnahme in die einzelnen Verfahrensakte Beweis erhoben. Eine öffentliche mündliche Verhandlung war nicht anzuberaumen, da sich bereits aus der Aktenlage eindeutige Anhaltspunkte für die spruchgemäße Entscheidung ergeben (§ 51e Abs.1 VStG).

I.5. Aus den vorliegenden Verfahrensakten ergibt sich nachstehender für die Entscheidung relevanter Sachverhalt:

Der konsenslose Betrieb des LKW-Abstellplatzes wurde der Gewerbebehörde erstmals aufgrund einer telefonischen Mitteilung eines Nachbarn vom 13. Februar 1990 bekannt. Von der Erstbehörde wurden daraufhin wiederholt Überprüfungen der gesamten Betriebsanlage des Berufungswerbers durchgeführt und Verwaltungsstrafverfahren eingeleitet bzw diese rechtskräftig abgeschlossen.

Weiters wurde ein Verfahren zur Setzung von Maßnahmen gemäß § 360 Abs.1 GewO 1994 eingeleitet und gegen den Berufungswerber eine entsprechende Verfahrensanordnung, sämtliche Betriebsfahrzeuge vom Kfz-Abstellplatz zu entfernen bzw den Kfz-Abstellplatz wirksam abzusperren, erlassen.

Bereits mit Straferkenntnis der BH Rohrbach vom 27. Juni 1995, Ge96-5-1994, welches durch das hiesige Erkenntnis vom 4. August 1995, VwSen-221256/3/Ki/Shn, dem Grunde nach bestätigt wurde, wurde der Berufungswerber bestraft, weil er am 9.1.1994 konsenslos den gegenständlichen Kfz-Abstellplatz betrieben hat.

Am 25. März 1994 beantragte der Berufungswerber bei der belangten Behörde als Gewerbebehörde die Erteilung der gewerberechtlichen Genehmigung zur Abstellung von Betriebsfahrzeugen auf den verfahrensgegenständlichen Grundstücksflächen. Aufgrund dieses Antrages wurde von der BH Rohrbach mit Bescheid vom 21. Juni 1994, Ge-0105-20-1988-La/Or, die gewerbebehördliche Genehmigung erteilt. Zufolge der Berufung eines Nachbarn gegen diese Genehmigung wurde jedoch durch den Landeshauptmann von mit Bescheid vom 16. Mai 1995, Ge-441407/6-1995/Bi/H, das gegenständliche Ansuchen abgewiesen. Gegen diese Entscheidung hat wiederum Herr L Berufung erhoben und es ist das Verfahren zur Zeit beim zuständigen Bundesminister anhängig.

Mit Schreiben vom 12. März 1996, Ge-0105/20/1988, hat die BH Rohrbach dem Amt der o.ö. Landesregierung (Abt.Gewerbe) mitgeteilt, daß, im Hinblick auf die Angaben des Herrn L, wonach diesem keine Möglichkeit bekannt sei, wohin er seine in A abgestellten Lastkraftwagen und Anhänger bringen könnte, zu befürchten sei, daß der zu erlassende gewerbepolizeiliche Bescheid von der BH Rohrbach zu vollstrecken sei und dabei Schwierigkeiten auftreten würden.

Es sei nämlich auch der BH Rohrbach keine ausreichende Abstellfläche bekannt, wo die Fahrzeuge längerfristig abgestellt werden könnten.

I.6. Unter Zugrundelegung des festgestellten Sachverhaltes hat der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich wie folgt erwogen:

Zunächst wird festgestellt, daß das Tatbild der vorgeworfenen Verwaltungsübertretungen in sämtlichen drei Strafverfahren erfüllt ist. Dieser Umstand wird vom Berufungswerber auch in keiner Weise bestritten. Im Hinblick auf die vorliegende Entscheidung ist jedoch auf diesen Umstand nicht mehr einzugehen.

Gemäß § 6 VStG ist eine Tat nicht strafbar, wenn sie durch Notstand entschuldigt oder, obgleich sie dem Tatbestand einer Verwaltungsübertretung entspricht, vom Gesetz geboten oder erlaubt ist.

Gemäß § 45 Abs.1 Z1 leg.cit. hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen hat oder Umstände, die die Strafbarkeit aufheben oder ausschließen, vorliegen.

Laut ständiger Judikatur des VwGH kann unter Notstand iSd § 6 VStG nur ein Fall der Kollision von Pflichten und Rechten verstanden werden, indem jemand sich oder einen anderen aus schwerer unmittelbarer Gefahr einzig und allein dadurch retten kann, daß er eine im allgemeinen strafbare Handlung begeht (vgl VwGH vom 27.5.1987, 87/03/0112 ua).

Allerdings wird der Begriff des Notstandes im verwaltungsstrafrechtlichen Sinne einer äußerst restrektiven Betrachtungsweise zu unterziehen sein. So betrachtet der VwGH einen Notstand nicht als gegeben, wenn damit nur eine wirtschaftliche Not oder die Möglichkeit einer wirtschaftlichen Schädigung abgewendet werden soll (vgl VwGH 10.11.1988, 88/08/0056 ua). Wirtschaftliche Nachteile können sohin nur dann Notstand begründen, wenn sie die Lebensmöglichkeit selbst unmittelbar bedrohen (VwGH 26.5.1987, 86/17/0016).

Konkret hat jedoch der VwGH im Zusammenhang mit einem wasserpolizeilichen Auftrag akzeptiert, daß es, wenn etwa der vom Einstellungsauftrag betroffene Zustand offensichtlich schon einige Jahre währt, nach den Umständen des konkreten Falles in Abwägung der berührten Interessen vertretbar ist, diesen Zustand ungeachtet seiner Unerquicklichkeit auch für die Dauer des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens noch weiter bestehen zu lassen (VwGH 11.5.1992, AW 92/07/0013).

Im vorliegenden Fall war der konsenslose Zustand bereits seit Februar 1990 bekannt und es wurde gegen den Berufungswerber diesbezüglich ein Verwaltungsstrafverfahren durchgeführt und auch rechtskräftig abgeschlossen. Offensichtlich zufolge dieses Strafverfahrens hat der Berufungswerber einen Antrag um gewerbebehördliche Genehmigung gestellt, dieses Verfahren ist zur Zeit noch nicht abgeschlossen.

Schon aus diesem Grunde erscheint es, obgleich der Berufungswerber die von ihm geschaffene Situation natürlich selbst zu vertreten hat, iSd obzitierten Erkenntnisses des VwGH vom 11. Mai 1992 unbillig, den Berufungswerber während des laufenden Administrativverfahrens hinsichtlich Genehmigung der Betriebsanlage nochmals zu bestrafen, obgleich zugestanden wird, daß dieser Umstand für sich noch keinen Notstand iSd § 6 VStG begründen würde.

Dazu kommt jedoch, daß, von der Erstbehörde offensichtlich zur Kenntnis genommen, dem Berufungswerber keine Möglichkeit bekannt ist, wohin er seine in Arnreit abgestellten Lastkraftwagen und Anhänger bringen könnte und auch der BH Rohrbach als Vollstreckungsbehörde selbst keine ausreichende Abstellfläche bekannt ist, wo die Fahrzeuge längerfristig abgestellt werden könnten.

Wenn auch im angesprochenen Erkenntnis des VwGH vom 11. Mai 1992 lediglich ein Administrativverfahren (wasserpolizeilicher Auftrag) angesprochen ist, so ist doch daraus abzuleiten, daß, wenn schon ein möglicherweise rechtswidriger Zustand für die Dauer des Verfahrens akzeptiert wird, dieser Umstand sich auch in verwaltungsstrafrechtlicher Hinsicht auswirken muß, nämlich daß für die Zeit der akzeptierten Belassung dieses Zustandes auch die verwaltungsstrafrechtlichen Folgen ausgeschlossen sind, dh, daß letztlich eine Notstandssituation gegeben ist.

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vertritt daher die Auffassung, daß unter den dargelegten Umständen es für den Berufungswerber bis zum Abschluß des gewerbebehördlichen Verfahrens über seinen Antrag um Genehmigung der Betriebsanlage nicht zumutbar wäre, den Intentionen der Gewerbebehörde entsprechend den Kfz-Abstellplatz unter den vorliegenden Bedingungen aufzugeben. Demnach liegen Umstände vor, die die Strafbarkeit des Berufungswerbers ausschließen und es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Mag. K i s c h

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