Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-221543/2/Le/Km

Linz, 14.09.1998

VwSen-221543/2/Le/Km Linz, am 14. September 1998 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Leitgeb über die Berufung des Ing. H K, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. J P, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 13.2.1998, Ge96-7-1998, wegen Übertretung der Gewerbeordnung 1994, zu Recht erkannt:

Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

Es entfällt die Verpflichtung zur Leistung jeglicher Verfahrenskostenbeiträge.

Rechtsgrundlage: Zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl.Nr. 51/1991 idgF, iVm §§ 24, 44a, 45 Abs.1 Z1, 51 Abs.1, 51c und 51e Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG, BGBl.Nr. 52 idgF. Zu II.: § 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

Zu I.:

1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 13.2.1998 wurde über den nunmehrigen Berufungswerber wegen Übertretung des § 367 Z25 Gewerbeordnung 1994 (im folgenden kurz: GewO) in Verbindung mit dem Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Braunau vom 3.10.1996, Ge20-183-1996 Auflage Punkt 5, eine Geldstrafe in Höhe von 2.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 22 Stunden) verhängt; gleichzeitig wurde er zum Ersatz der Verfahrenskosten in Höhe von 10 % der verhängten Strafe verpflichtet.

Im einzelnen wurde ihm vorgeworfen, als Betreiber der Schlossereibetriebsanlage in W, der bescheidmäßigen Verpflichtung zur Einhaltung der im Bescheid vom 3.10.1996 vorgeschriebenen Auflage Punkt 5. (Betriebszeiten) nicht nachgekommen zu sein, da er diese Betriebsanlage am Samstag, dem 26.11.1997 (gemeint wohl: 29.11.1997) von 14.00 Uhr bis 19.00 Uhr und am Sonntag, dem 30.11.1997, von ca. 7.30 Uhr bis 13.00 Uhr betrieben habe.

In der Begründung dazu wurde im wesentlichen ausgeführt, daß der Behörde am "8.1.1997" von Frau J A der Behörde angezeigt worden wäre, daß die Schlossereibetriebsanlage im Standort W, am Samstag, dem 29.11.1997, von ca. 7.00 Uhr bis 19.00 Uhr und am Sonntag, dem 30.11.1997, von 7.30 Uhr bis 13.00 Uhr betrieben worden sei. (Aus dem Aktenvermerk vom 1.12.1997, Blattzahl 3 des vorgelegten Verwaltungsaktes, ergibt sich, daß dieser Anruf tatsächlich am 1.12.1997 erfolgt ist). Zur nachfolgenden Aufforderung zur Rechtfertigung vom 14.1.1998 hätte der Beschuldigte keine Stellungnahme abgegeben. Sodann wurden die Erwägungen der Behörde sowie die rechtliche Beurteilung dargelegt. 2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig eingebrachte Berufung vom 3.3.1998, mit der beantragt wird, das angefochtene Straferkenntnis zu beheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen. In der Begründung dazu wies der Berufungswerber darauf hin, daß er vom Tatvorwurf erstmals mit der Zustellung des Straferkenntnisses Kenntnis erlangt habe, weil er die Aufforderung zur Rechtfertigung nicht erhalten hätte. Nach Auffassung des Berufungswerbers hätte die Erstbehörde nicht lediglich aufgrund eines Telefonates, worüber lediglich ein Aktenvermerk angefertigt wurde, eine Bestrafung aussprechen dürfen. Die Anzeigerin hätte als Zeugin zur Frage der Richtigkeit ihres gegen ihn erhobenen Vorwurfes einvernommen werden müssen, weil ja schließlich völlig ungeklärt blieb, welche Tätigkeit die Anzeigerin behauptet, welche sie als Betreiben seiner Betriebsanlage verstehe. Tatsächlich sei der gegenständliche Tatvorwurf nicht gerechtfertigt, weil er seine Betriebsanlage außerhalb der bescheidmäßig festgelegten Betriebszeiten nicht betrieben habe.

3. Die Bezirkshauptmannschaft Braunau hat die Berufung und den zugrundeliegenden Verwaltungsakt dem unabhängigen Verwaltungssenat zur Entscheidung vorgelegt; eine Berufungsvorentscheidung wurde nicht erlassen. Da bereits aus dem vorgelegten Verwaltungsakt ein für die spruchgemäße Entscheidung ausreichend ermittelter Sachverhalt hervorgeht, konnte von einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen werden.

4. Hierüber hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

4.1. Im Verwaltungsstrafverfahren steht den Parteien gemäß § 51 Abs.1 VStG das Recht der Berufung an den unabhängigen Verwaltungssenat jenes Landes zu, in dem die Behörde, die den Bescheid erlassen hat, ihren Sitz hat. Daraus ergibt sich die Zuständigkeit des Oö. Verwaltungssenates.

Die unabhängigen Verwaltungssenate entscheiden gemäß § 51c VStG über Berufungen durch Kammern, die aus drei Mitgliedern bestehen, wenn aber im angefochtenen Bescheid weder eine primäre Freiheitsstrafe noch eine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch eines ihrer Mitglieder. Da im vorliegenden Verfahren der Berufungswerber mit einer Geldstrafe in Höhe von 2.000 S bestraft wurde, war zur Durchführung des Verfahrens das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied berufen.

4.2. Der Berufungswerber ist bereits mit seinem Vorbringen, daß die Erstbehörde kein Ermittlungsverfahren durchgeführt hat und demgemäß eine Bestrafung nicht erfolgen durfte, im Recht:

§ 56 AVG ordnet an, daß der Erlassung eines Bescheides (Entscheidung oder Verfügung), wenn es sich nicht um eine Ladung (§ 19) oder einen Bescheid nach § 57 handelt, die Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes, soweit er nicht von vornherein klar gegeben ist, nach den Vorschriften der §§ 37 und 39 voranzugehen hat. § 37 Abs.2 AVG legt den Zweck des Ermittlungsverfahrens fest: Es hat demnach den Zweck, den für die Erledigung einer Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalt festzustellen und den Parteien Gelegenheit zur Geltendmachung ihrer Rechte und rechtlichen Interessen zu geben. Aus diesen Bestimmungen geht hervor, daß der Erlassung eines Bescheides regelmäßig ein Ermittlungsverfahren voranzugehen hat. Für dieses gelten die Grundsätze der Amtswegigkeit (Offizialmaxime), der Erforschung der materiellen Wahrheit, der freien Beweiswürdigung, des Parteiengehörs und der Verwaltungsökonomie (siehe Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 5. Auflage, Seite 220).

In § 45 Abs.2 AVG stellt der Gesetzgeber allgemeine Grundsätze über den Beweis auf: Demgemäß hat die Behörde unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht.

Wegen der ausdrücklichen Anordnung in § 24 VStG gelten diese Bestimmungen des AVG auch für das Verwaltungsstrafverfahren.

Das hat zur Folge, daß der Erlassung eines Straferkenntnisses zwingend ein Ermittlungsverfahren im Sinne der obigen Bestimmungen voranzugehen hat. Lediglich aufgrund der speziellen Anordnung in § 47 Abs.1 VStG kann die Behörde ohne weiteres Verfahren durch Strafverfügung eine Geldstrafe bis zu 3.000 S festsetzen. Voraussetzung einer solchen Strafverfügung ist jedoch, daß die Verwaltungsübertretung von einem Gericht, einer Verwaltungsbehörde, einem Organ der öffentlichen Aufsicht oder einer Militärwache aufgrund eigener dienstlicher Wahrnehmung oder eines vor ihr abgelegten Geständnisses angezeigt oder wenn das strafbare Verhalten aufgrund automatischer Überwachung festgestellt wurde.

Das bedeutet, daß der Gesetzgeber die Anzeige einer Privatperson allein nicht als ausreichend für die Erlassung einer Strafverfügung angesehen hat. Wenn aber aufgrund einer privaten Anzeige nicht einmal eine Strafverfügung erlassen werden dürfte, so kann umsoweniger ein Straferkenntnis erlassen werden, welches seiner Konstruktion nach bereits ein Ermittlungsverfahren zwingend voraussetzt. Damit aber wurde der Berufungswerber durch Verletzung zwingender Verfahrensvorschriften in seinen Rechten verletzt, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.

Zu II.: Wird ein Strafverfahren eingestellt, so sind gemäß § 66 Abs.1 VStG die Kosten des Verfahrens von der Behörde zu tragen. Damit war der Verfahrenskostenausspruch der belangten Behörde aufzuheben. Die Kosten des Berufungsverfahrens sind gemäß § 65 VStG dem Bw nicht aufzuerlegen, wenn der Berufung auch nur teilweise Folge gegeben wurde.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S zu entrichten.

Dr. L e i t g e b Beschlagwortung: Telefonische Anzeige ist für sich allein keine taugliche Grundlage für Straferkenntnis; Ermittlungsverfahren

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