Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-221665/9/Kl/Km

Linz, 20.02.2001

VwSen-221665/9/Kl/Km Linz, am 20. Februar 2001

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch das Mitglied Dr. Klempt über die Berufung des Herrn W, vertreten durch Rechtsanwalt, gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Linz vom 16.11.1999, GZ: 502-32/Str/We/232/97f, wegen einer Verwaltungsübertretung nach der GewO 1994 nach öffentlicher mündlicher Verhandlung am 23.1.2001 zu Recht erkannt:

  1. Der Berufung wird hinsichtlich der Schuld keine Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis bestätigt. Hinsichtlich des Strafausmaßes wird der Berufung Folge gegeben und die verhängte Geldstrafe auf 5.000 S (entspricht  363,36 Euro), die Ersatzfreiheitsstrafe auf zwei Tage herabgesetzt.
  2. Der Verfahrenskostenbeitrag erster Instanz ermäßigt sich auf 500 S (entspricht  36,34 Euro), zum Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat ist kein Kostenbeitrag zu leisten.

Rechtsgrundlagen:

zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 19 und 51 VStG.

zu II.: §§ 64 und 65 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Mit Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Linz vom 16.11.1999, GZ: 502-32/Str/We/232/97f, wurde über den Bw eine Geldstrafe von 10.000 S, Ersatzfreiheitsstrafe von fünf Tagen, wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 367 Z.25 iVm § 82a Abs.1 GewO 1994 und § 12 Abs.2 Störfallverordnung, BGBl. Nr. 553/1991, verhängt, weil er als gewerberechtlicher Geschäftsführer der L, und somit als gemäß § 370 Abs.2 GewO 1994 gewerberechtlich Verantwortlicher zu vertreten hat, dass von o.a. Gesellschaft, welche im Standort Linz, eine gefahrengeneigte Anlage, nämlich eine Betriebsanlage (Betriebsanlagengenehmigungsbescheide vom 16.1.1962, GZ Ge-1339/8-1961-En; 9.5.1963, GZ 671/R-S; 1.4.1967, GZ 671/R-S; 16.6.1986 und 18.9.1986, GZ 501/S-343/81; 22.9.1986, GZ 501/S-670/86; 27.2.1989, GZ 501/S-653/88; 16.3.1992, GZ 501/S-1117/89a; 12.6.1992, GZ 501/S-594/91c; 28.7.1992, GZ 501/S-848/91b; 10.12.1993, GZ 501/S-724/92k), in welcher Farben und Lacke erzeugt und in welcher mit Farben, Lacken, Malerzubehör und Chemikalien gehandelt wird, betreibt (die Gefahrengeneigtheit ergibt sich daraus, dass sich in der Betriebsanlage im bestimmungsgemäßen Betrieb unter anderem insgesamt 302.450 kg entzündliche Flüssigkeiten im Produktionsvorgang befinden und insgesamt 1.133.000 kg entzündliche Flüssigkeiten oberirdisch gelagert werden können und daher die in der Anlage 1 der Störfallverordnung unter Z.43.1 und Z.45 angeführten Mengenschwellen von 300.000 kg und 600.000 kg überschritten wurden), in der Zeit von 2.12.1995 bis 10.6.1999 der Behörde weder die in § 8 StörfallVO vorgeschriebene Sicherheitsanalyse noch der in § 9 leg.cit. vorgeschriebenen Maßnahmenplan vorgelegt wurde, obwohl § 12 Abs.2 StörfallVO vorschreibt, dass der Inhaber einer vor dem Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Verordnung genehmigten gefahrengeeigneten Anlage die Sicherheitsanalyse und den Maßnahmenplan spätestens 4 Jahre nach Inkrafttreten der Verordnung der Behörde zu übermitteln hat.

2. Dagegen wurde fristgerecht Berufung eingebracht und darin die ersatzlose Aufhebung des Bescheides und Einstellung des Strafverfahrens, in eventu die Herabsetzung der Strafe auf das gesetzliche Mindestmaß beantragt. In der Begründung wurde ausgeführt, dass die Behörde von einem Gutachten über vorhandene Mengen laut dem Jahr 1993 ausgeht, den Tatzeitraum bis 10.6.1999 angenommen hat, sodass mit Einleitung des Strafverfahrens am 10.6.1999 seit der Gutachtenserstellung sechs Jahre verstrichen seien. Bei den Mengen handle es sich um willkürlich festgesetzte Mengen, die nicht mit der Realität übereinstimmen. In rechtlicher Hinsicht gehe die Behörde beim bestimmungsgemäßen Betrieb fälschlich davon aus, dass nur der Genehmigungsumfang laut Bescheid relevant sei. Wesentlich seien aber vier Tatbestandsmerkmale, nämlich wofür die Anlage bestimmt und ausgelegt war und ob sie sich für eine Gefahrengeneigtheit eignet. Hinsichtlich der Schuld des Berufungswerbers wird darauf hingewiesen, dass einvernehmlich Ende 1998 Anfang 1999 die Feststellung getroffen wurde, dass die Anlage nicht der Störfallverordnung unterliege, sodass der Berufungswerber ein berechtigtes Vertrauen gehabt habe. Die Schreiben der Behörde vom 25.1. und 7.5.1999 können nicht schuldbegründend sein, wenn vorher mit der selben Behörde festgelegt wurde, dass gesetzliche Verpflichtungen für den Berufungswerber nicht bestehen. Ein Sachbearbeiterwechsel könne nicht zu Lasten des Berufungswerbers gehen. Es ist daher auch das Tatzeitraumende im Straferkenntnis falsch angenommen. Im Übrigen sei die Strafe zu hoch bemessen. Schließlich werde auf den Anwendungsvorrang der Seveso II Richtlinie hingewiesen, wonach die Mengenschwellen wesentlich höher als in der Störfallverordnung liegen, sodass der Betrieb des Berufungswerbers nach der Richtlinie nicht als gefahrengeneigt eingestuft werden könne.

3. Der Magistrat der Stadt Linz hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt.

4. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt sowie durch Anberaumung und Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 23.1.2001. An der Verhandlung hat der Vertreter des Berufungswerbers sowie ein Beistand und ein Vertreter der belangten Behörde teilgenommen. Weiters wurde Dipl.-Ing. P vom Amt für Technik beim Magistrat der Stadt Linz als Zeuge geladen und einvernommen.

Als entscheidungswesentlicher Sachverhalt steht fest, dass mit den im Spruch des Straferkenntnisses näher angeführten Betriebsanlagengenehmigungsbescheiden die gegenständlich bezeichnete Betriebsanlage genehmigt wurde. Im Grunde dieser Betriebsanlagengenehmigungsbescheide und der planlichen Unterlagen der Betriebsanlage wurde am 21.4.1993 durch den Amtssachverständigen der belangten Behörde am Standort in Linz eine Mengenerhebung (wie viel Menge an entzündlichen und leicht entzündlichen Flüssigkeiten nach Genehmigungsbescheid gelagert werden können) getrennt nach den verschiedenen Bereichen (Hoflager, Produktion, Mischlackbereich, Tönerei, Abfüllerei, Fertigwaren) durchgeführt. Im Gutachten wurde festgestellt, dass die Mengenschwellen für leicht entzündliche Flüssigkeiten von 150 Tonnen sowie für entzündliche Flüssigkeiten von 300 Tonnen überschritten werden und daher die Gefahrengeneigtheit der Anlage gegeben ist. Es wurde auf § 12 der Störfallverordnung hingewiesen. Diese Erhebungen wurden der gewerbebehördlichen Überprüfungsverhandlung vom 28.10.1993 zugrunde gelegt und entsprechend in der Einteilung in Produktions- und Lagerbereiche eine Aufstellung der leicht entzündlichen und entzündlichen Flüssigkeiten erstellt, wobei eine Überschreitung der Mengenschwellen für entzündliche Flüssigkeiten nach Anlage 1 der Störfallverordnung getrennt nach Produktion und Lagerung jeweils festgestellt wurde. Auch bei dieser Aufstellung wurde darauf hingewiesen, dass "ausschließlich auf bescheidmäßige Grundlagen (konsensgemäßer Zustand) zurückgegriffen" wurde. Es wurde daher im Ergebnis die Gefahrengeneigtheit der Betriebsanlage nach Störfallverordnung festgestellt.

Auch der bei der mündlichen Verhandlung einvernommene Zeuge stützt sich auf diese Aufstellung, die sich auf Genehmigungsbescheide und Pläne stützt, und an deren Richtigkeit und Nachvollziehbarkeit für ihn keine Zweifel bestanden.

Mit Eingabe vom 6.4.1994 wurde durch die Firma L Ges.m.H. beim Landeshauptmann der Antrag gestellt, gemäß § 358 Abs.3 GewO festzustellen, dass die gewerbliche Betriebsanlage gemäß § 82a Abs.1 GewO der Störfallverordnung nicht unterliegt. Mit Bescheid des Landeshauptmannes vom 3.8.1995, Ge-441222/5-1995/Re/Th, wurde festgestellt, dass auf die genannte Betriebsanlage die Bestimmungen der Störfallverordnung anzuwenden sind. In der Begründung wurde auf die ermittelten Lagermengen hingewiesen. Zur eingewendeten Unterscheidung von Stoffen und Zubereitungen wurde in der Bescheidbegründung ausgeführt, dass im gegenständlichen Fall die Ziffer 43 dieser Stoffliste zur Anwendung kommt und daher sehr wohl etwa "anderes" angegeben ist, nämlich der Klammerausdruck "(insgesamt)". "Ist aber bei einer Stoffgruppe dieser Zusatz "(insgesamt)" enthalten, so wird die Mengenschwelle dann überschritten, wenn die Menge der unter diese Stoffgruppe fallenden Stoffe inklusive der entsprechenden Zubereitungen höher ist als die Mengenschwelle." Aufgrund einer dagegen beim Bundesministerium für wirtschaftliche Angelegenheiten eingebrachten Berufung, im Zuge deren der verfahrenseinleitende Antrag zurückgezogen wurde, wurde der angefochtene Bescheid wegen Zurückziehung des verfahrensbegründenden Antrages ersatzlos behoben. Die belangte Behörde ging daher auch weiterhin von der Gefahrengeneigtheit der Anlage aus und forderte daher am 1.7.1997 zur Vorlage einer Sicherheitsanalyse und eines Maßnahmenplanes auf. Es wurde daher erstmals mit Aufforderung zur Rechtfertigung vom 24.11.1997 vorgeworfen, dass seit 2.12.1995 der von der Störfallverordnung geforderte Sicherheitsmaßnahmenplan für gefahrengeneigte Anlagen nicht vorgelegt wurde.

Mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadt Linz als Gewerbebehörde erster Instanz vom 26.11.1997, GZ 501/G970017c, wurde der Antrag der Firma L G.m.b.H. auf bescheidmäßige Einschränkung der Lagermengen in Form einer Auflage nach § 77 GewO zur bestehenden Betriebsanlagengenehmigung abgewiesen. Die dagegen eingebrachte Berufung wurde mit Bescheid des Landeshauptmannes vom 30.1.1998, Ge-442269/1-1998/Ha/Sta, abgewiesen, weil die Behörde Auflagen nach § 77 GewO nur im Rahmen von Betriebsanlagen (änderungs)genehmigungsverfahren und nur unter den dort genannten weiteren Voraussetzungen vorzuschreiben hat. Diese Voraussetzungen treffen nicht zu.

Auch mit Schreiben vom 25.1.1999 hat die belangte Behörde zur Vorlage der Sicherheitsanalyse und des Maßnahmenplanes aufgefordert. Es wurde am 29.4.1999 durch den Amtssachverständigen festgehalten, dass das vorgelegte Störfallinformations-Konzept die Anforderungen an Sicherheitsanalyse und Maßnahmenplan nicht erfüllt.

Aus einem Aktenvermerk vom 18.5.1999 geht hervor, dass im Herbst 1998 bzw. Frühling 1999 von einem Vertreter der Gewerbebehörde der gegenständlichen Firma gegenüber das Nichtvorliegen einer störfallgeneigten Anlage vertreten wurde, aber die Vorlage einer Sicherheitsanalyse bzw. Störfallinformation auf freiwilliger Basis vereinbart wurde. Es wurde dann rechtlich ausgeführt, dass es hinsichtlich der Gefahrengeneigtheit der Anlage nicht auf tatsächlich vorhandene Mengen, sondern auf Mengen, die im bestimmungsgemäßen Betrieb vorhanden sein können, ankommt. Dies wurde mit Vertretern der gegenständlichen Firma am 21.5.1999 besprochen und in einem Aktenvermerk festgehalten. Auch wurde anlässlich dieser Besprechung die Verkleinerung bzw. Abänderung der Betriebsanlage durch die Firmenvertreter abgelehnt.

Es wurde daher mit Aufforderung zur Rechtfertigung vom 10.6.1999 der nunmehr im Straferkenntnis erhobene Tatvorwurf, auch hinsichtlich der Gefahrengeneigtheit der Anlage konkretisiert vorgeworfen.

Festgestellt wird weiters, dass auch in der öffentlichen mündlichen Verhandlung dem Ergebnis der Mengenerhebung aus dem Jahr 1993 kein konkretisiertes Vorbringen im Hinblick auf andere Mengen aus den Bescheidunterlagen entgegengehalten wurde und auch diesbezüglich keine Beweise genannt wurden.

5. Der Oö. Verwaltungssenat hat erwogen:

5.1. Gemäß § 367 Z.25 GewO 1994 begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe bis zu 30.000 S zu bestrafen ist, wer Gebote oder Verbote von gemäß § 82 Abs.1 oder § 82a Abs.1 erlassenen Verordnungen nicht befolgt oder ...

Im Grunde des § 82a Abs.1 GewO wurde die Störfallverordnung, BGBl. Nr. 593/1991, erlassen, wobei gemäß § 1 diese Verordnung für gefahrengeneigte Anlagen (§ 2 Z.1) gilt.

Gemäß § 2 der Störfallverordnung sind im Sinne dieser Verordnung

  1. gefahrengeneigte Anlagen genehmigungspflichtige und nach Maßgabe des § 12 bereits genehmigte gewerbliche Betriebsanlagen, a) in denen in der Anlage 1 zu dieser Verordnung angeführte Stoffe in einem die dort angegebene Mengenschwelle übersteigenden Ausmaß im bestimmungsgemäßen Betrieb (Z.2) vorhanden sein können oder b) die in § 29 Abs.1 des Abfallwirtschaftsgesetzes, BGBl. Nr. 325/1990, angeführt sind,
  2. ist der bestimmungsgemäße Betrieb jener Betrieb, für den eine Betriebsanlage nach ihrem technischen Zweck bestimmt, ausgelegt und geeignet ist und der dem Genehmigungsbescheid und den sonst für die Betriebsanlage geltenden gewerberechtlichen Vorschriften entspricht.

Gemäß § 12 Abs.2 Störfallverordnung - diese Verordnung gilt nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen auch für bereits genehmigte gefahrengeneigte Anlagen - hat der Inhaber einer vor dem Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Verordnung genehmigten gefahrengeneigten Anlage die nach § 7 oder § 8 anzufertigende Sicherheitsanalyse und den Maßnahmenplan (Abs.3) unverzüglich, spätestens jedoch vier Jahre nach Inkrafttreten dieser Verordnung, zu erstellen und der zur Genehmigung der Betriebsanlage zuständigen Behörde zu übermitteln.

Die Störfallverordnung trat mit 1. Dezember 1991 in Kraft, sodass der Auftrag gemäß § 12 Abs.2 der Störfallverordnung jedenfalls bis 1. Dezember 1995 zu erfüllen war.

Durch das Verwaltungsverfahren sowie durch den Berufungswerber selbst bestätigt, wurde bis zum 10.6.1999 eine Sicherheitsanalyse und ein Maßnahmenplan gemäß der Störfallverordnung nicht vorgelegt.

5.2. Zum Tatbestandsmerkmal der gefahrengeneigten Anlage stützt sich die belangte Behörde mit dem angefochtenen Straferkenntnis zu Recht auf die Definition des § 2 Störfallverordnung. Danach wurden durch einen Amtssachverständigen im April 1993 die Mengen der entzündlichen Flüssigkeiten gemäß Anlage 1 der Störfallverordnung und der darin vorgesehenen Unterscheidung nach Produktion und Lagerung erhoben und zwar jene Mengen, die im bestimmungsgemäßen Betrieb vorhanden sein können. Schon aus diesem Wortlaut ist ersichtlich, dass es nicht auf die zu einem bestimmten Zeitpunkt tatsächlich vorhandenen Mengen ankommt. Der bestimmungsgemäße Betrieb ist im § 2 Z.2 Störfallverordnung umschrieben als jener Betrieb, für den eine Betriebsanlage nach ihrem technischen Zweck bestimmt, ausgelegt und geeignet ist und der dem Genehmigungsbescheid und den sonst für die Betriebsanlage geltenden gewerberechtlichen Vorschriften entspricht. Danach richtet sich der technische Zweck insbesondere an den für den Gewerbestandort erteilten Gewerbeberechtigungen, also gegenständlich die Erzeugung von Farben und Lacken sowie der Handel mit Farben, Lacken, Malerzubehör und Chemikalien. Diese Gewerbeausübung darf aber nur im Rahmen des für die Betriebsanlage erteilten Genehmigungsbescheides ausgeübt werden. Insbesondere aus den Betriebsanlagengenehmigungsbescheiden geht aber der Umfang sowie auch die Zweckbestimmung hervor. Es ist daher die belangte Behörde im Recht, wenn sie bei der möglichen Mengenerhebung im Rahmen des technischen Zweckes vom abgesteckten Umfang des Genehmigungsbescheides ausgeht. Danach hat die Behörde bei ihrer Erhebung am 21.4.1993 sowie den Schlussfolgerungen anlässlich der mündlichen Verhandlung am 28.10.1993 nach dem Zweck und Umfang der Genehmigungsbescheide getrennt nach Produktions- und Lagerbereiche die Mengen der entzündlichen Flüssigkeiten aufgegliedert und für die Produktion insgesamt eine mögliche Menge von 302,45 Tonnen entzündlicher Flüssigkeiten und für den Lagerbereich insgesamt 1.133 Tonnen entzündlicher Flüssigkeit ermittelt. Es wäre daher die in Anlage 1 Z.43.1 angeführte Mengenschwelle für den Produktionsvorgang von 300 Tonnen sowie von Anlage 1 Z.45 für den oberirdischen Lagerbereich angeführte Mengenschwelle von 600 Tonnen bei bestimmungsgemäßem Betrieb durch die gegenständliche Betriebsanlage überschritten. Es ist daher die belangte Behörde zu Recht von einer gefahrengeneigten Anlage ausgegangen. Dies war im Übrigen auch Ergebnis eines gemäß § 358 Abs.3 GewO angestrengten Feststellungsverfahrens.

5.3. Wenn hingegen der Berufungswerber in seinen Ausführungen die angegebenen Mengen bestreitet, so ist ihm die ständige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes entgegenzuhalten, dass Bestreitungen allein nicht genügen, sondern die Behauptungen durch ein konkretisiertes Vorbringen und konkret dazu angebotene Beweise zu untermauern sind. Erkundungsbeweise sind von der Behörde nicht aufzunehmen. Hingegen ist zum gerügten Parteiengehör auszuführen, dass bei den jeweiligen Erhebungen Vertreter des Unternehmens anwesend waren und mitgewirkt haben und dass die entsprechenden Angaben auch zur Stellungnahme übermittelt wurden. Im Übrigen ist aber nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes durch die Berufungserhebung Heilung des mangelnden Parteiengehörs eingetreten. Zur eingewendeten Verjährung ist entgegenzuhalten, dass es sich beim gegenständlichen Delikt um ein Unterlassungsdelikt in Form eines Dauerdeliktes handelt, sodass erst mit der Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes bzw. Beendigung des strafbaren Verhaltens die Verjährungsfrist (für Verfolgungs- und Strafbarkeitsverjährung) zu laufen beginnt. Verjährung ist daher nicht eingetreten.

5.4. Den weiteren Einwendungen des Berufungswerbers, dass eine Strafbarkeit nicht gegeben sei, weil nach der Seveso II Richtlinie 96/82/EG, welche nicht fristgerecht durch den österreichischen Gesetzgeber umgesetzt worden sei und daher unmittelbar anwendbar sei, wesentlich höhere Mengenschwellen festgesetzt seien, sodass der gegenständliche Betrieb nicht in den Anwendungsbereich falle, kann nicht gefolgt werden. Die Richtlinie 96/82/EG des Rates vom 9. Dezember 1996 zur Beherrschung der Gefahren bei schweren Unfällen mit gefährlichen Stoffen ist am 3.2.1997 in Kraft getreten und war gemäß deren Art.24 spätestens 24 Monate nach ihrem Inkrafttreten durch die Mitgliedstaaten ins nationale Recht umzusetzen. Es ist zwar richtig, dass der österreichische Gesetzgeber erst mit der Änderung der Gewerbeordnung 1994, BGBl. I Nr. 88/2000 - in Kraft getreten am 1. September 2000 - dieser Anordnung nachgekommen ist, es war aber entgegen den Berufungsbehauptungen die Seveso II Richtlinie bis zum 3.2.1999 nicht und ab dem 3.2.1999 nicht unmittelbar anwendbar. Es ist nämlich im Art.26 dieser Richtlinie ausdrücklich geregelt, dass diese Richtlinie an die Mitgliedstaaten gerichtet ist. Darüber hinaus regelt Art.24 Abs.1 über den Beginn der Anwendung, dass die Mitgliedstaaten die erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften erlassen. Es ist daher schon aus diesem Grunde klar ersichtlich, dass allein aus der Richtlinie dem Individuum keine Pflichten und keine Rechte erwachsen. Auch die übrigen Bestimmungen dieser Richtlinie drücken unmissverständlich aus, dass sie sich nur an die Mitgliedstaaten richtet, welchen Sorgfaltspflichten auferlegt werden (arg. "Die Mitgliedstaaten sorgen dafür "). Begünstigungen werden dem Einzelnen durch die Richtlinie nicht zugestanden. Darüber hinaus ist auch anzumerken, dass sich der Berufungswerber in Anbetracht des langen Tatzeitraumes nur für die Frist vom 3.2.1999 bis 10.6.1999 (Tatzeitende) auf die Seveso Richtlinie stützen könnte.

Aber auch auf die Änderung der Gewerbeordnung 1994, BGBl. I Nr. 88/2000, kann sich der Berufungswerber nicht stützen, zumal die entsprechenden Bestimmungen erst mit 1. September 2000 in Kraft getreten sind. Danach steht zwar einwandfrei fest, dass nach dem Abschnitt 8a betreffend die Beherrschung der Gefahr bei schweren Unfällen bzw. der dazu ergangenen Anlage 5 durch den verfahrensgegenständlichen Betrieb die entsprechenden Mengenschwellen weit unterschritten werden, sodass eine weitere Anwendung der Bestimmungen über gefahrengeneigte Anlagen nicht mehr gegeben ist. Erst mit 1. September 2000 wurde der bis dahin (mit niedrigeren Mengenschwellen) geltenden Störfallverordnung durch Außerkraftsetzung der gesetzlichen Grundlage des § 82a GewO die gesetzliche Grundlage entzogen. Da aber sowohl das im Tatvorwurf festgesetzte Tatzeitende als auch die Erlassung des Straferkenntnisses erster Instanz vor diesem Zeitpunkt (vor 1. September 2000) gelegen sind, war gemäß der Bestimmung des § 1 VStG das zum Tatzeitpunkt geltende Recht, also die Störfallverordnung, anzuwenden.

5.5. Gemäß § 19 Abs.1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.

Gemäß § 19 Abs.2 leg.cit. sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

Die belangte Behörde hat zu Recht in der Begründung des Straferkenntnisses auf den Unrechtsgehalt der Tat Bedacht genommen. Hinsichtlich des Verschuldens musste aber berücksichtigt werden, dass ein Organ der zuständigen Behörde Verunsicherung in der Auslegung des Begriffes einer gefahrengeneigten Anlage beim Berufungswerber hervorrufen konnte. Das Organ hat längere Zeit hindurch Ermittlungen über tatsächlich vorhandene Mengen im Betrieb durchgeführt, wobei aber es - wie schon oben ausgeführt - lediglich auf die Möglichkeit des Vorhandenseins ankommt. Es war daher für den Berufungswerber ein Umstand der Rechtsunsicherheit und daher ein Umstand, der einem Entschuldigungsgrund gleichkommt, vorhanden. Ein Entschuldigungsgrund war insofern nicht anzunehmen, als - wie die belangte Behörde zu Recht ausführt - der Landeshauptmann mit Bescheid festgestellt hat, dass die Bestimmungen der Störfallverordnung anzuwenden sind. Es handelt sich dabei um die der belangten Behörde übergeordnete (vorgesetzte) Behörde, deren Rechtsmeinung daher grundsätzlich zu folgen ist. Im Hinblick auf die Strafbarkeit wirkt aber die entgegengesetzte Auskunft der belangten Behörde als schuldmildernd. Da aber vor und nach dieser Auskunft jeweils Mahnschreiben durch die belangte Behörde ergangen sind, eine entsprechende Sicherheitsanalyse und einen Maßnahmenplan vorzulegen, konnte ein Schuldausschließungsgrund nicht anerkannt werden. Das geringere Verschulden hat daher die Herabsetzung der Strafe zur Folge. Den durch die belangte Behörde zugrunde gelegten persönlichen Verhältnissen hat der Beschuldigte kein Vorbringen entgegen gesetzt, sodass von der Richtigkeit ausgegangen werden kann. Es war daher die tatsächlich nunmehr verhängte Geldstrafe tat- und schuldangemessen und auch den persönlichen Verhältnissen des Berufungswerbers angepasst. Im Hinblick auf den gesetzlichen Strafrahmen beträgt sie lediglich ein Sechstel, sodass sie nicht überhöht ist.

6. Weil die Berufung teilweise Erfolg hatte, war ein Verfahrenskostenbeitrag zum Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat nicht vorzuschreiben (§ 65 VStG). Der Kostenbeitrag zum Verfahren erster Instanz ermäßigt sich auf 10 % der verhängten Strafe (§ 64 VStG).

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S (entspricht 181,68 €) zu entrichten.

Dr. Klempt

Beschlagwortung:

Eignung, Gefahrengeneigtheit, keine unmittelbare Anwendung der Seveso II - Richtlinie.

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