Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-221835/2/Li/Pr

Linz, 29.04.2002

VwSen-221835/2/Li/Pr Linz, am 29. April 2002

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Hans Linkesch über die Berufung des Herrn A. M., vertreten durch die Rechtsanwälte Dr. R. G., Dr. J. K. und Mag. H. P., gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 20.12.2001, GZ. 100-1/16-330138594, wegen Übertretung der Gewerbeordnung 1994 zu Recht erkannt:

Der Berufung wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz behoben.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG iVm § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG, §§ 49 Abs.1, 51 Abs.1, 51e Abs.3 Z4 VStG; § 7 Zustellgesetz.

Entscheidungsgründe:

1. Der Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz hat mit Bescheid vom 20.12.2001, GZ. 100-1/16-330138594, den mit Fax-Schreiben vom 30.11.2001 erhobenen Einspruch gegen die Strafverfügung des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 12.4.2001, GZ. 100-1/16-330127108, gemäß § 49 Abs.3 VStG als verspätet eingebracht zurückgewiesen.

2. Dagegen hat der Rechtsmittelwerber innerhalb offener Frist Berufung eingebracht. Diese wurde seitens der Erstinstanz dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich samt dem gegenständlichen Verfahrensakt vorgelegt. Damit wurde die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates ausgelöst, der durch ein Einzelmitglied zu entscheiden hat (§ 51c VStG). Die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung konnte entfallen, weil sich die Berufung gegen einen verfahrensrechtlichen Bescheid richtet und keine Partei die Durchführung einer Verhandlung beantragt hat (§ 51e Abs.3 Z4 VStG).

3. Der Rechtsmittelwerber machte in seiner Berufung geltend, die am 11.5.2001 beim Postamt 4020 Linz erfolgte Hinterlegung sei rechtswidrig gewesen. Es habe sich an der Zustelladresse weder seine Wohnung, eine sonstige Unterkunft, noch sein Arbeitsplatz befunden. Er sei für ein englisches Unternehmen tätig gewesen und er habe in Österreich keinen Wohnsitz gehabt, vielmehr sei sein Wohnsitz in England. An der angegebenen Adresse habe lediglich bis zum Frühjahr 2001 ein Schauraum bestanden, der behördlich geschlossen worden sei und daher nicht mehr genutzt werden konnte. Ungeachtet dessen sei an einer bekanntermaßen untauglichen Abgabestelle eine Bescheidzustellung erfolgt.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat dazu Folgendes erwogen:

Aus dem Akteninhalt geht hervor, dass die Strafverfügung vom 12.4.2001 an den Rechtsmittelwerber p.A. Fa. F. House Ltd., L., adressiert war. Das RSa-Schriftstück wurde nach zwei erfolglosen Zustellversuchen am 11.5.2001 beim Postamt 4020 hinterlegt und am 28.5.2001 als nicht behoben an den Absender zurückgeschickt. Am 16.11.2001 konnte die bezeichnete Strafverfügung dem Rechtsmittelwerber schließlich persönlich ausgehändigt werden. Bei der Erstinstanz langte der mittels Telefax eingebrachte und mit 30.11.2001 datierte Einspruch des Rechtsmittelwerbers am selben Tag ein, wobei der Rechtsmittelwerber als Beruf Angestellter angab und seine Anschrift, C. Road, GB, S., anführte. Im Berufungsschriftsatz gegen den nunmehr angefochtenen Zurückweisungsbescheid ist als Adresse des Rechtsmittelwerbers M. House, S., angeführt, als Beruf Kaufmann.

In rechtlicher Hinsicht ist auszuführen, dass eine Zustellung durch Hinterlegung eines Schriftstückes grundsätzlich eine Abgabestelle voraussetzt, wobei unter Abgabestelle gemäß § 4 Zustellgesetz die Wohnung, sonstige Unterkunft, Betriebsstätte, Sitz, Geschäftsraum, Kanzlei oder der Arbeitsplatz des Empfängers zu verstehen ist.

Wie eine im Akt befindliche Meldeabfrage vom 11.4.2001 zeigt, hatte der Rechtsmittelwerber A. M., geb., zum Abfragezeitpunkt weder einen Haupt- noch einen Nebenwohnsitz in L., Dem Akt ist zu entnehmen, dass er britischer Staatsangehöriger ist. Es ist somit nach dem Akteninhalt auszuschließen, dass sich an der genannten Adresse die Wohnung des Empfängers befand. Vielmehr ging auch die belangte Behörde offensichtlich davon aus, dass es sich bei der angeführten Adresse um die Firmenadresse der Firma F. House Ltd., deren Geschäftsführer der Rechtsmittelwerber ist, handelt. Als Firmenadresse der unter der Firmennummer .... in England eingetragenen Firma F. House Ltd. lässt sich dem Akt zweifelsfrei die Adresse 6, M. , bzw. nunmehr M. House, S., entnehmen.

Es könnte daher in dem von der Firma F. House Ltd. im Standort Linz, unterhaltenen "Schauraum" allenfalls ein Geschäftsraum oder der Arbeitsplatz des Empfängers - und somit eine Abgabestelle im Sinne des § 4 Zustellgesetz - zu sehen sein.

Unter "Geschäftsraum" ist jene Raumeinheit zu verstehen, in der der Empfänger sein "Geschäft" führt. Dieser Raum muss ein gewisser "örtlicher Mittelpunkt" der geschäftlichen Tätigkeit sein. Mit Arbeitsplatz ist die feste Arbeitsstätte eines Erwerbstätigen gemeint, dessen örtlicher Mittelpunkt seiner Tätigkeit weder als "Betriebsstätte" noch als "Geschäftsraum" oder "Kanzlei" aufgefasst werden kann. (vgl. Walter-Mayer, Zustellrecht, S. 34, Anm.10 und 12 zu § 4).

Demnach sind die maßgeblichen Kriterien - unabhängig davon, ob von einem Geschäftsraum oder von einem Arbeitsplatz auszugehen ist - eine feste räumliche Einheit sowie der örtliche Mittelpunkt der geschäftlichen Tätigkeit des Erwerbstätigen. Als solche Raumeinheit könnte der "Schauraum" im Standort Linz, unter Umständen gesehen werden, aber als örtlicher Mittelpunkt der geschäftlichen Tätigkeit des Rechtsmittelwerbers scheidet die genannte Adresse schon allein deshalb aus, weil mit Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 10.4.2001, GZ. 100-1-330126267, eine Schließung des Betriebes der F. House Ltd. im Standort Linz, vorgenommen wurde und somit nicht davon auszugehen ist, dass sich Herr A. M. regelmäßig dort aufhielt. Vielmehr nahm er seine Angestellten- bzw. Kaufmannstätigkeit offenkundig in der Form wahr, dass er als "Vertreter" die Kunden unmittelbar aufsuchte. In dieses Tätigkeitsbild passt auch die Tatsache, dass ihm von einem Beamten des Magistrates der Landeshauptstadt Linz am 16.11.2001 die gegenständliche Strafverfügung - neben einer hier nicht verfahrensgegenständlichen Vollstreckungsverfügung - bei der Messe "Haus und Wohnen" im Design Center Linz persönlich ausgehändigt werden konnte.

Bei Anwendung der genannten Kriterien ist der "Schauraum" im Standort Linz, nicht als Abgabestelle im Sinne des § 4 Zustellgesetz anzusehen, an der dem Rechtsmittelwerber die Strafverfügung rechtswirksam zugestellt werden konnte. Aus diesem Grund war auch die vorgenommene Hinterlegung gemäß § 17 Zustellgesetz nicht zulässig, es ist aber die Heilung nach § 7 Zustellgesetz bei Nennung einer falschen Abgabestelle möglich (vgl. Feil, Zustellwesen, S. 36).

Gemäß § 7 Zustellgesetz gilt, wenn bei der Zustellung Mängel unterlaufen, diese als in dem Zeitpunkt vollzogen, in dem das Schriftstück der Person, für die es bestimmt ist, tatsächlich zugekommen ist.

Indem die Sendung am 16.11.2001 dem Empfänger A. M. persönlich ausgehändigt wurde, was dieser auch durch seine Unterschrift auf dem RSb-Rückschein zu diesem Schriftstück bestätigte, wurde der Zustellmangel geheilt. Die Zustellung der Strafverfügung vom 12.4.2001 an Herrn A. M. gilt somit als an diesem Tag bewirkt.

Gemäß § 49 Abs.1 VStG kann der Beschuldigte gegen die Strafverfügung binnen zwei Wochen nach deren Zustellung Einspruch erheben und dabei die seiner Verteidigung dienlichen Beweismittel vorbringen. Der Einspruch kann auch mündlich erhoben werden. Er ist bei der Behörde einzubringen, die die Strafverfügung erlassen hat.

Gemäß § 49 Abs.2 VStG ist, wenn der Einspruch rechtzeitig eingebracht wird, das ordentliche Verfahren einzuleiten. Der Einspruch gilt als Rechtfertigung im Sinne des § 40. Wenn im Einspruch ausdrücklich nur das Ausmaß der verhängten Strafe oder die Entscheidung über die Kosten angefochten wird, dann hat die Behörde, die die Strafverfügung erlassen hat, darüber zu entscheiden. In allen anderen Fällen tritt durch den Einspruch die gesamte Strafverfügung außer Kraft.

Im Sinne der obigen Ausführungen begann am 16.11.2001 die zweiwöchige Einspruchsfrist zu laufen. Der letzte Tag der Einspruchsfrist war demnach der 30.11.2001. Der mit diesem Tag datierte und an diesem Tag an die belangte Behörde gefaxte Einspruch gegen die oben angeführte Strafverfügung wurde somit (gerade noch) rechtzeitig bei der belangten Behörde eingebracht.

Der Berufung war somit gemäß § 66 Abs.4 AVG iVm § 24 VStG stattzugeben.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

Dr. L i n k e s c h

Beschlagwortung: Abgabestelle, Schauraum, ausländischer Wohnsitz

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