Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-222014/19/Bm/Sta

Linz, 29.09.2005

 

 

 

VwSen-222014/19/Bm/Sta Linz, am 29. September 2005

DVR.0690392

 

 

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Michaela Bismaier über die Berufung des Herrn J L, S, M, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. W M, K, L, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom 22.4.2004 (richtig 2005), Zl. Ge96-119-2004, wegen Übertretung des Öffnungszeitengesetzes 2003, zu Recht erkannt:

 

  1. Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.
  2. Es entfallen jegliche Verfahrenskostenbeiträge.

 

Rechtsgrundlage:

Zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 45 Abs.1 Z2 und 51 VStG.

Zu II.: § 66 Abs.1 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom 22.4.2004 (richtig wohl: 2005), Ge96-119-2004, wurde über den Berufungswerber eine Geldstrafe von 1.090 Euro, Ersatzfreiheitsstrafe von 14 Tagen, wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß §§ 368, 376 Z39 GewO 1994, BGBl. Nr. 194/1994 idgF iVm § 11 Satz 1 Öffnungszeitengesetz, BGBl. Nr. 48/2003 idgF verhängt. Dem Schuldspruch liegt folgender Tatvorwurf zu Grunde:

"Sie haben als seit 09.11.2000 bis dato (Zentrales Gewerberegister vom 14.01.2005, G, Reg:, Reg.Nr. ) bestellter gewerberechtlicher Geschäftsführer der Firma S Ö Warenhandels-Aktiengesellschaft mit Standort in M, W, nunmehr S und somit für die Einhaltung der Vorschriften der GewO 1994 idgF gemäß § 39 Abs.1 i.V.m. § 370 GewO Verantwortlicher zu verantworten, dass in der weiteren Betriebsstätte in L, B- (Gew.Reg.Nr.: des Magistrates Linz; seit 19.11.2004), genehmigt seit 06.02.2004 durch Feststellungsbescheid (Spezialgenehmigung) nach § 359b Abs.1 Z2 GewO des Magistrates der Landeshauptstadt Linz, Bauamt als Gewerbebehörde I. Instanz, GZ: 501/W031061f, unter Bezugnahme auf die Generalgenehmigung für die Geschäftspassage vom 01.07.2002, GZ: 501/W021014h, und de facto seit 3. Dezember 2004 und in Folge an den unten bezeichneten Tagen in der als Lebensmittelmarkt in der Geschäftspassage des H L, B, (B) geführten weiteren Betriebsstätte folgende Verwaltungsübertretungen des Öffnungszeitengesetzes 2003 in Verbindung mit der Gewerbeordnung 1994 idgF. begangen wurden:

 

Die oben bezeichnete Betriebsstätte (S-Lebensmittelmarkt in der Geschäftspassage des H L) war an folgenden Tagen entgegen den Bestimmungen des Öffnungszeitengesetzes 2003 geöffnet:

  1. Sonntag, 05.12.2004, in der Zeit von 06.00 Uhr bis 21.00 Uhr,
  2. Sonntag, 12.12.2004, in der Zeit von 06.00 Uhr bis 21.00 Uhr,
  3. Sonntag, 19.12.2004, in der Zeit von 06.00 Uhr bis 21.00 Uhr.

 

Diese Angaben sind auch der Internetseite der Firma S Ö. W AG und der Beschilderung im Eingangsbereich der genannten weitern Betriebsstätte zu entnehmen.

 

Durch Erhebung des Bezirksverwaltungsamtes (Magistrates Linz) am 06.12.2004 und am 13.12.2004, GZ: 0064789/2004, wurde festgestellt, dass die S-Filiale in der B auch an den Samstagen, 04.12.2004 und 11.12.2004 länger als bis 18.00 Uhr ohne gesonderte Verordnung geöffnet war.

 

Es liegen somit folgende Übertretungen vor;

  1. Verstoß gegen das Gebot, die Verkaufsstellen an Samstagen nach 18 Uhr und an Sonntagen geschlossen zu halten;
  2. Verstoß gegen das Gebot, die Verkaufsstellen an Werktagen - außer samstags - außerhalb der Sommerzeit nach 19.30 Uhr geschlossen zu halten;
  3. Nichteinhaltung der maximalen Gesamtoffenhaltezeit im Rahmen der allgemeinen Offenhaltezeiten von 66 Stunden, indem pro Woche in der Zeit von Mo.-Fr. 6.00 bis 19.30 Uhr und am Sa. 6.00 bis 17.00 Uhr jeweils 78 1/2 Stunden lang geöffnet war.

 

An allen, den oben bezeichneten Tagen und tatsächlichen Öffnungszeiten von 78 1/2 Stunden somit mehr als den gesetzlich zulässigen 66 Stunden pro Woche wurde somit

  1. durch Anbieten und Verkauf des umfassenden Sortiments (unter minimaler Einschränkung des Warenangebots (kein Verkauf von Hundefutter, Putz- und Reinigungsmitteln) der Ö W AG und nicht der zugelassenen, eingeschränkten Verkaufsartikel (siehe Kopien der Belege, welche der Anzeige beigefügt sind) und
  2. durch Überschreiten der gemäß § 7 Ziff. 1 Öffnungszeitengesetz höchst zulässigen Verkaufsfläche von max. 80 Quadratmetern um mehr als 1.000 Prozent (Betriebsfläche: 927,57 m2 laut Bescheid des Magistrates Linz, Bauamt, vom 06.02.2004, GZ-501/W031061f) - laut Erhebung des Magistrates Linz, Bezirksverwaltungsamt, wurde jedoch an den genannten Tagen eine Reduktion der Verkaufsfläche auf 558 m2 vorgenommen - gegen folgende Bestimmungen verstoßen:

 

  1. § 3 Öffnungszeitengesetz 2003;
  2. § 4 Abs.2 Öffnungszeitengesetz 2003 in Verbindung mit § 2 Abs.1 Z1 Oö. Öffnungszeitenverordnung 2003;
  3. § 4 Abs.4 Öffnungszeitengesetz 2003.

 

Dies stellt eine Übertretung der Bestimmung des § 11 Öffnungszeitengesetz 2003 idgF dar.

 

Dies gilt auch für die kalendermäßig feststehenden weiteren Sonntage im Dezember 2004 und im Jänner 2005 bis dato."

Die belangte Behörde begründet ihren Schuld- und Strafausspruch im Wesentlichen damit, dass der Tatvorwurf in den dargestellten Fakten nicht bestritten werde. Durch Erhebungen des Bezirksverwaltungsamtes (Magistrat Linz) am 6.12.2004 und 13.12.2004 sei festgestellt worden, dass die S in der B auch an den Samstagen, 4.12.2004 und 11.12.2004 länger als bis 18.00 Uhr ohne gesonderte Verordnung geöffnet gewesen sei. Diese Angaben seien auch der Internetseite der Firma S Ö W AG und der Beschilderung im Eingangsbereich der genannten weiteren Betriebsstätte zu entnehmen.

Die dargestellte Weisungsgebundenheit des beschuldigten gewerberechtlichen Geschäftsführers J L sei deswegen nicht von Relevanz, da dieser entsprechend den Gewerberegisterdaten für den Gewerbeausübungsstandort M, S, verantwortlich sei; somit auch für die weitere Betriebsstätte am B in L. Die allenfalls in diesem Zusammenhang bestehende Verantwortlichkeit des weisungsberechtigten Vorstandes der Firma S Ö W AG mit Sitz in S, sei nicht Thema des gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahrens.

Die Argumentation des verschuldensausschließenden Rechtsirrtums treffe deswegen nicht zu, da wenn überhaupt, lediglich ein direkter Rechtsirrtum die zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nur dann exkulpieren könne, wenn es für den Beschuldigten überhaupt nicht möglich gewesen wäre, sich über die einschlägige Rechtslage zu informieren. Nach der Aktenlage sei jedoch von einem vorwerfbaren Rechtsirrtum im Sinne des § 5 Abs.2 VStG des Beschuldigten zu sprechen, da es ihm - in Ausübung seiner gewerberechtlichen Verantwortlichkeit - ohne weiteres zuzumuten gewesen wäre, sich nach den einschlägigen Verwaltungsvorschriften zu erkundigen; insbesondere nach den Bestimmungen des Öffnungszeitengesetzes, sowie der darauf basierenden Verordnung für Oberösterreich. Die behauptete Verpflichtung zur Weisungsbefolgung nach arbeitnehmerrechtlichen Vorschriften sei vor dem rechtlichen Hintergrund des § 370 Abs.1 GewO 1994 nicht bedeutsam, da diese Bestimmung eine lex specialis hinsichtlich der verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortung für die Erfüllung der Rechtspflichten, die als solche nicht ihn ad personam, sondern den Gewerbeinhaber treffen, darstelle. Die gesetzliche Prolongation dieser besonderen gewerberechtlichen Verantwortlichkeit des Gewerbeinhabers an den gewerberechtlichen Geschäftsführer einer juristischen Person stehe mit der Stellungnahme des Beschuldigten vom 15.3.2005 dahingehend, als die Entscheidung des Offenhaltens der S-Filiale am H in L von der Gewerbeinhaberin selbst und von dieser nach inneren Organisationsvorschriften bzw. nach aktienrechtlichen Bestimmungen konkret dargestellt im Firmenbuch, vom intern zuständigen Vorstandsmitglied Mag. F P getroffen worden sei, nicht im Widerspruch. Zudem kenne die Gewerbeordnung das Rechtsinstitut des angestellten Geschäftsführers (siehe § 39 Abs. 2 Z2 GewO 1994).

Sohin habe die Weisungsbefugnis nach arbeitnehmerrechtlichen Bestimmungen mit der besonderen und somit auf den gewerberechtlichen Geschäftsführer übertragenen verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortlichkeit, eben weil gesetzlich übertragbar und gegenständlich auch rechtlich übertragen, nichts zu tun.

Die in der Stellungnahme des Beschuldigten vom 15.3.2005 dargelegten Rechtsgutachten seien gegenständlich deswegen nicht von Bedeutung, da es einerseits auf Grund der allgemeinen verwaltungsstrafrechtlichen Grundsätze immer der Einzelfallbeurteilung bedürfe und andererseits wiederum auf die Verfahrensbestimmungen des VStG zu verweisen sei. Gemäß § 1 Abs.2 VStG sei das zur Zeit der Tat geltende Recht anwendbar. § 12 Abs.3 Öffnungszeitengesetz privilegiere nach klarem Gesetzesausspruch lediglich bestehende Verkaufsstellen.

Vom Normzweck betrachtet könnten dies aber nur jene sein, die in natura faktisch bestehen und betrieben sowie über Rechtskonformität im Sinne der anlagenrechtlichen Bestimmungen verfügen würden.

Die S-Filiale am H L sei hingegen erst am 5.12.2004 erstmals an einem Sonntag eröffnet worden. Darüber hinaus sei die gewerberechtliche Betriebsanlagengenehmigung des Magistrates Linz als Bezirksverwaltungsbehörde am 6.2.2004 und sohin erst nach Inkrafttreten des Öffnungszeitengesetzes 2003 erteilt worden.

Hinsichtlich der Strafbemessung führte die belangte Behörde aus, dass diese unter Berücksichtigung der Bestimmungen des § 19 VStG erfolgt sei. Grundlage für die Bemessung der Strafe sei stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung diene, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen habe. Auf Grund des langen Deliktzeitraumes und der besonderen Vorsatzform sei im Rahmen der Strafbemessung aus Gründen der General- und Spezialprävention die Höchststrafe zu verhängen gewesen.

 

 

2. Gegen dieses Straferkenntnis hat der Berufungswerber fristgerecht Berufung eingebracht und diese Berufung im Wesentlichen damit begründet, dass es vom Amt der Oö. Landesregierung bereits mit E-Mail vom 27.12.2004 eine Weisung an die Bezirkshauptmannschaft Wels-Land gebe, den Berufungswerber wegen Verstößen nach dem ÖZG 2003 zu bestrafen. Erst am 24.1.2005 sei eine Aufforderung zur Rechtfertigung an den Berufungswerber abgesandt worden, wobei aus Anlass der Akteneinsicht am 16.2.2005 eine Stellungnahmefrist bis 15.3.2005 gewährt worden sei. Schon am 15.3.2005, an welchem eine Stellungnahme bei der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land eingebracht worden sei, habe der zuständige Mitarbeiter der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land gegenüber Medien verkündet, es wäre keine Rechtfertigung eingebracht worden. Mit Schreiben vom 4.4.2005 sei der Berufungswerber zu einer weiteren Stellungnahme eingeladen worden, wobei am 14.4.2005 eine Akteneinsicht bei der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land durchgeführt und dort mit dem zuständigen Sachbearbeiter vereinbart worden sei, dass die noch fehlenden Kopien des Aktes an den Rechtsvertreter zur weiteren Stellungnahmemöglichkeit binnen 14 Tagen nach Zustellung der Kopien übersandt werde. Obwohl diese Unterlagen erst am 21.4.2005 beim Rechtsvertreter eingelangt seien, weshalb die 14-tägige Stellungnahmefrist erst am 6.5.2005 geendet hätte, habe die Bezirkshauptmannschaft Wels-Land am 22.4.2005 das beim Rechtsvertreter am 25.4.2005 eingelangte Straferkenntnis verfasst. Möglicher Grund für diese Verkürzung der bereits eingeräumten Frist könne sein, dass durch die Verordnung vom 25.4.2005 das auf Seite 2 des Straferkenntnisses unter den Punkten 2 und 3 angeführte Verhalten nicht mehr strafbar sei und daher gemäß § 1 Abs.2 VStG wegen dieses Verhaltens kein Straferkenntnis mehr hätte gefällt werden dürfen, wenn nicht am Tag der Kundmachung der Verordnung vom 25.4.2005 das Straferkenntnis bei meinem Vertreter eingelangt wäre. Trotz der Verpflichtung zur Amtsverschwiegenheit habe die Erstbehörde mehrfach, zuletzt vor der Veröffentlichung im Neuen Volksblatt vom 4.5.2005 über das laufende Verwaltungsstrafverfahren an Journalisten Auskunft erteilt.

 

Die S Ö W AG ist eine zu FN des Landesgerichtes Salzburg registrierte Kapitalgesellschaft. Diese Kapitalgesellschaft verfüge über einige Zweigniederlassungen, unter anderem unter der Geschäftsanschrift S, M. Vom Vorstand der S Ö Warenhandels AG sei auf Grund der vorliegenden Rechtsgutachten und Auskünfte des Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit beschlossen worden, die Filiale im L H unter Berufung auf die Übergangsbestimmung des § 12 Abs.3 letzter Satz ÖZG 2003 täglich von 6.00 bis 21.00 Uhr zu betreiben. Dem Berufungswerber sei daher auch die Weisung erteilt worden, den Betrieb des S-Marktes im L H in diesem Sinn zu organisieren und auch diese Öffnungszeiten einzuhalten. An diese Weisung des Arbeitgebers sei der Berufungswerber gebunden und hätte die Weigerung umzusetzen, den Entlassungstatbestand des § 27 Z4 3. Fall Angestelltengesetz erfüllt.

Die örtliche Zuständigkeit für ein Verwaltungsstrafverfahren sei in § 27 Abs.1 VStG dahingehend geregelt, dass jene Behörde örtlich zuständig sei, in deren Sprengel die Verwaltungsübertretung begangen worden sei, auch wenn der zum Tatbestand gehörende Erfolg in einem anderen Sprengel eingetreten sei. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, komme es bei Unternehmen grundsätzlich auf den Sitz des Unternehmens an, wobei maßgeblich jener Ort sei, an dem die Unternehmensleitung tatsächlich ausgeübt werde. Da die tatsächliche Entscheidung, die Filiale im L H während der gesamten Woche von 6.00 bis 21.00 Uhr offen zu halten, am Sitz der S Ö W AG durch den Vorstand in S getroffen worden sei und der Berufungswerber diese Entscheidung lediglich in Oberösterreich faktisch zu vollziehen habe (kein eigener Entscheidungsspielraum) sei ausschließlich der Magistrat Salzburg für das Verwaltungsstrafverfahren zuständig. Dies wird neben der Strafanzeige der Gewerkschaft vom 20.12.2004 auch dadurch bestätigt, dass tatsächlich gegen das Vorstandsmitglied der S Ö W AG, Mag. F P ein Verwaltungsstrafverfahren beim Magistrat Salzburg anhängig sei. Die Bezirkshauptmannschaft Wels-Land sei daher für das gegenständliche Verwaltungsstrafverfahren örtlich unzuständig und schon aus diesem Grund das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben.

 

Die Erstbehörde vertrete - unter völligem Ignorieren der gegenteiligen Rechtsauffassung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit als oberste zuständige Behörde - die Rechtsansicht, dass § 12 Abs.3 ÖZG nur auf im Zeitpunkt 1.8.2003 bereits faktisch bestehende Verkaufsstellen anwendbar sei. Dagegen hätten drei renommierte Verfassungsrechtler als auch das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit die Rechtsansicht vertreten, dass für die Anwendbarkeit der Übergangsbestimmungen es ausreichend sei, dass die rechtlichen Voraussetzungen für den Betrieb gegeben wären, es sei entgegen dem scheinbar eindeutigen Gesetzeswortlaut aus Gründen der verfassungskonformen Interpretation nicht erforderlich, dass der faktische Betrieb der Filiale bereits am 1.8.2003 aufgenommen war. Verfassungsrechtliche Überlegungen seien in das erstbehördliche Straferkenntnis nicht einmal andeutungsweise eingeflossen.

 

Soweit die Erstbehörde darauf verweise, dass die gewerberechtliche Betriebsanlagengenehmigung erst am 6.2.2004 erteilt worden sei, sei festzuhalten, dass es sich bei diesem Bescheid lediglich um einen Feststellungsbescheid über die Zulässigkeit des Betriebes handle und die im Bescheid vom 6.2.2004 enthaltenen Aufträge bereits im eisenbahnrechtlichen Genehmigungsbescheid vom 27.9.2002 bzw. im gewerbebehördlichen Generalgenehmigungsbescheid vom 1.7.2003 gleichlautend enthalten seien, weshalb der Feststellungsbescheid keine Absprache über gemäß § 74 Abs.2 GewO relevanten neue Schutzinteressen beinhalte, wobei festzuhalten sei, dass auch das Gutachten von Univ.-Prof. Dr. B-C F bestätige, dass es auf das Vorliegen des Feststellungsbescheides im Sinne des § 359b GewO nicht mehr ankomme. Festzuhalten sei, dass auch bei dem Lebensmittelmarkt M am H I der Bescheid gemäß § 359b GewO erst nach dem 1.8.2003 erlassen worden sei, also auch insofern eine idente Rechtslage gegeben sei.

 

Zusammenfassend sei daher festzuhalten, dass jedenfalls bis zum 25.4.2005 der Betrieb des S-Marktes am L H an jedem Tag von 6.00 bis 21.00 Uhr auf Grund der Bestimmung des § 12 Abs.3 letzter Satz ÖZG 2003 zulässig gewesen sei und es daher dem dem Berufungswerber zur Last gelegten Verhalten schon an der objektiven Rechtswidrigkeit mangle.

 

Die Erstbehörde ignoriere die gesetzliche Bestimmung des § 370 Abs.2 GewO, wenn sie auf Seite 6 des angefochtenen Straferkenntnisses die Auffassung vertrete, dass die Weisungsbefugnis nach arbeitnehmerrechtlichen Bestimmungen mit der verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortlichkeit nichts zu tun habe. Die Erstbehörde unternehme dabei nicht einmal den Versuch, die Bestimmung des § 370 Abs.2 GewO einer Rechtsauslegung zu unterziehen. Schon ein Nachlesen in der einschlägigen Kommentarliteratur hätte wohl auch die Erstbehörde zur Erkenntnis gebracht, dass auf Grund der genannten Vorschrift eine Strafbarkeit nicht gegeben sei. Es liege im konkreten Fall eine konkrete Weisung des Vorstandes der S Ö W AG an den Berufungswerber vor, die Filiale im L H täglich von 6.00 bis 21.00 Uhr offen zu halten. Die Weigerung der Umsetzung dieser Weisung hätte für den Berufungswerber zur Folge, dass er als Leiter der Zweigniederlassung M von der Firma S berechtigterweise entlassen würde und sei angesichts dieser möglichen arbeitsrechtlichen Sanktion, die naturgemäß massive finanzielle Auswirkungen auf den Berufungswerber haben würde, es dem Berufungswerber unzumutbar, sich der Weisung des Vorstandes zu widersetzen. Die Unzumutbarkeit sich der Weisung des Vorstandes zu widersetzen, ergeben sich auch daraus, dass die bereits oben dargestellten Rechtsgutachten und auch die Stellungnahme des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit die Rechtmäßigkeit der Weisung des Vorstandes bestätigen würden.

 

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei es für die Beurteilung der Schuldfrage von Bedeutung, ob das Verhalten auf Grund einer allenfalls unrichtigen Auskunft von einem Organ der zuständigen Behörde beruhe.

Im gegenständlichen Fall sei das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit das für die Vollziehung des ÖZG zuständige Bundesministerium und auch gegenüber der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land und dem Landeshauptmann von Oberösterreich weisungsbefugt. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit habe sowohl gegenüber der S Ö W AG als auch gegenüber anfragenden Journalisten mehrfach erklärt, dass der Betrieb der S-Filiale im L H auch am Sonntag rechtlich zulässig sei, weil die Übergangsbestimmung des § 12 Abs.3 letzter Satz ÖZG 2003 auch auf diese Filiale anwendbar sei. Wenn daher der Berufungswerber im Vertrauen auf diese Stellungnahme des zuständigen Bundesministeriums (auch der zuständige Bundesminister selbst habe diese Rechtsansicht persönlich vertreten) davon ausgegangen sei, dass der Betrieb des S-Marktes im L H ohne die im § 7 Z1 ÖZG 2003 vorgesehenen flächenmäßigen Beschränkungen zulässig sei, könne das dem Berufungswerber nicht als Verschulden angelastet werden. Geradezu absurd sei die Auffassung der Erstbehörde, es sei von der Vorsatzform des rechtswidrigen Handelns auszugehen. Sowohl die S Ö W AG als auch der Berufungswerber würden immer darauf hingewiesen haben, dass im Vertrauen auf die vorliegenden Rechtsgutachten den Betrieb der Filiale am L H für zulässig hielten, sodass der Standpunkt der Erstbehörde, eine allfällige Verwaltungsübertretung wäre vorsätzlich erfolgt, geradezu abwegig sei.

 

Die Erstbehörde habe im gegenständlichen Fall die Auffassung vertreten, dass aus Gründen der General- und Spezialprävention die Höchststrafe zu verhängen sei. Angesichts dieser Rechtsansicht stelle sich die Frage, warum die Erstbehörde mit Schreiben vom 4.4.2005 um Bekanntgabe der Einkommens-, Familien- und Vermögensverhältnisse ersucht habe, wenn dann offenbar diese der Behörde nach wie vor nicht bekannten Umstände nichts daran ändern, dass die Höchststrafe verhängt werde. Es sei unverständlich, warum die Erstbehörde nicht einmal einen Versuch unternommen habe, für die Strafzumessung die durch das Gesetz vorgegebenen Regeln zu beachten, insbesondere auch im Sinne des § 19 Abs.2 VStG die in Betracht kommenden Milderungsgründe zu berücksichtigen. Als solche Milderungsgründe wären insbesondere der bisher ordentliche Lebenswandel des Beschuldigten, die vorliegende Weisung des Vorstandes, das Vorliegen eines Rechtsirrtums, das Ausbleiben eines Schaden, das Tatsachenzugeständnis zu berücksichtigen gewesen. Bei richtiger Wertung der gesetzlichen Strafzumessungsgründe hätte die Behörde sich auf die Verhängung einer Geldstrafe von max. 100 Euro beschränken müssen.

 

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft Wels-Land als belangte Behörde hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt.

 

4. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme sowie durch Anberaumung und Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 9.9.2005, bei der der Berufungswerber und sein anwaltlicher Vertreter gehört und der Zeuge Mag. F P unter Hinweis auf die Wahrheitspflicht einvernommen wurden.

 

 

Folgender Sachverhalt ist entscheidungswesentlich:

Die S Ö W AG mit Sitz in S besitzt die Gewerbeberechtigung für das Handelsgewerbe unter anderem für den Standort S, M und ist für diese Zweigniederlassung der Berufungswerber gewerberechtlicher Geschäftsführer und in dieser Eigenschaft auch für die Filiale L, B, welche sich in der Geschäftspassage des Hauptbahnhofes L befindet, zuständig.

Im Zuge des Umbaues des H L, welcher mit Bescheid des Bundesministeriums für Verkehr, Innovation und Technologie vom 27.9.2002 rechtskräftig genehmigt wurde, erfolgte auch die Errichtung einer Geschäftspassage mit Detailverkaufsgeschäften und Gastronomie, für welche mit Bescheid vom 1.7.2002 des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz die Generalgenehmigung gemäß § 356e GewO 1994 erteilt wurde. Die Spezialgenehmigung erfolgte mit Bescheid vom 6.2.2004. Die S Ö W AG hat mit Pachtvertrag vom 3.9.2003 mit den Ö B eine Verkaufsfläche von ca. 600 m2 für den Betrieb eines Lebensmittelmarktes in Bestand genommen.

In diesem Pachtvertrag hat sich die S Ö W AG zur ordnungsgemäßen Betriebsführung innerhalb der von den Ö festgelegten Geschäftszeiten, welche mit Montag bis Sonntag von 7.00 bis 20.00 Uhr festgelegt wurden, unter Berücksichtigung der gesetzlichen Bestimmungen, verpflichtet, wobei der Ö S W AG das Recht eingeräumt ist, auch außerhalb dieser Geschäftszeit im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen ihren Betrieb offen zu halten.

Der S Lebensmittelmarkt am Standort H L wurde am 1.12.2004 eröffnet.

 

Auf Grund der beabsichtigten Öffnungszeiten Montag bis Sonntag 6.00 bis 21.00 Uhr und des Inkrafttretens des Öffnungszeitengesetzes 2003 wurden von der Ö S W AG, die von Univ. Prof. Dr. K W (7.2.2004) und von Herrn Univ. Prof. Dr. H M (20.7.2004) erstellten Gutachten, welche von der Firma M im Zuge der Errichtung des Lebensmittelmarktes am I H (einem gleichgelagerten Fall), zu der Frage der Auslegung der Bestimmung des § 12 Abs.3 letzter Satz ÖZG 2003 eingeholt wurden, beigeschafft.

Die vorgenannten Rechtsgutachten kommen im Wesentlichen zum Ergebnis, dass eine strikt am Wortlaut des § 12 Abs.3 letzter Satz ÖZG 2003 orientierte Auslegung dieser Bestimmung diese in mehrfacher Hinsicht als gleichheitswidrig erscheinen lässt. Aus den Gesetzesmaterialien lassen sich keine Anhaltspunkte dafür gewinnen, dass dieses verfassungswidrige Ergebnis vom Gesetzgeber beabsichtigt war. Es scheint vielmehr so zu sein, dass die Formulierung dieser Bestimmung ohne Bedachtnahme auf die tatsächlichen bestehenden Verhältnisse erfolgt ist; der Gesetzgeber dürfte den Fall des H I offenbar nicht in seinen Überlegungen aufgenommen haben. Folgt man der dargestellten Judikatur des Verfassungsgerichtshofes, so liegt hier ein Fall vor, indem eine verfassungskonforme Interpretation nicht nur zulässig, sondern geboten ist und eine ausschließlich am Wortlaut orientierte Auslegung Willkür wäre. Die Übergangsregel muss jedenfalls die Fälle erfassen, in denen im Vertrauen auf die geltende Rechtslage jahrelang Planungs- und Errichtungsaufwendungen getätigt wurden und für die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Öffnungszeitengesetzes die erforderlichen Bewilligungen für den Betrieb aufweisen.

Gleichzeitig beigeschafft wurde die zur gleichen Frage ergangene Rechtsauskunft des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit vom 22.9.2004, nach der dem Rechtsgutachten von Univ. Prof. Dr. M insofern beigepflichtet wird, als ein Ausschluss jener Verkaufsstellen, für die am 1.8.2003 zwar alle rechtlichen Voraussetzungen vorhanden waren, die aber - aus welchen Gründen und Zufällen auch immer - ihren Betrieb noch nicht aufgenommen hatten, unsachlich und daher gleichheitswidrig ist. Vom Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit wurde weiters ausgeführt, dass die Verkaufsstelle des M-Marktes am I H am 1.8.2003 alle rechtlichen Voraussetzungen für den Betrieb vorhanden waren. Für diesen Verkaufsmarkt wurde die gewerberechtliche Generalgenehmigung gemäß § 356e Abs.1 GewO 1994 mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadt I vom 21.2.2003 und die Spezialgenehmigung gemäß § 359b Abs.1 GewO 1994 mit Bescheid vom 20.11.2003, also nach Inkrafttreten des ÖZG 2003, erteilt.

 

In weiterer Folge wurde ein Rechtsgutachten des Univ. Prof. Dr. B C F (September 2004) eingeholt, welches ebenso von einer erweiterten Auslegung des Tatbestandes der bestehenden Verkaufsstellen nach § 12 Abs.3 ÖZG ausgeht, weil bei einer Einschränkung der Übergangsregelung auf faktisch bestehende Verkaufsstellen eine Benachteiligung jener Betreiber von Verkaufsstellen entstünde, die zum Stichtag zwar noch nicht in Betrieb gestanden sind, für die es aber zu diesem Zeitpunkt bereits behördliche Bewilligungen als Voraussetzungen für eine Inbetriebnahme gegeben hat. Für solche Fälle würde eine einschränkende Auslegung der Übergangsregelung zu einer sachlich nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung führen; die davon Betroffenen wären durch das Zusammentreffen zweier Ereignisse benachteiligt, die außerhalb ihrer planerisch - dispositiven Reichweite liegen bzw. lagen: die Erlassung eines neuen Gesetzes einerseits und die noch ausstehende Fertigstellung ihrer Projekte andererseits. Die Konsequenz wäre ein verfassungsrechtlich bedenklicher Eingriff des Gesetzes in grundrechtlich geschützte Güter, namentlich den Schutz des Vertrauens, das Eigentumsrecht und die Freiheit der Erwerbstätigkeit. Zur Vermeidung von verfassungswidrigen Konsequenzen der Gesetzesauslegung ist eine teleologisch systematische Erweiterung der Übergangsbestimmung in § 12 Abs.3 ÖZG 2003 zu vertreten, die rechtlich bestehende den faktisch bestehenden Verkaufstellen gleichstellt und beide in gleicher Weise begünstigt. Dieses eingeholte Rechtsgutachten führt auch weiters aus, dass das Vorliegen der Generalgenehmigung ausreicht, da sowohl im eisenbahnrechtlichen Genehmigungsbescheid als auch im gewerbebehördlichen Generalgenehmigungsbescheid vom 1.7.2002 sämtliche Aufträge zum Schutz der in gemäß § 74 Abs.2 GewO 1994 bestehenden Interessen enthalten sind.

In weiterer Folge wurde von der S W AG zu dieser Frage eine Rechtsauskunft vom Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit, den S Markt am H L konkret betreffend, eingeholt. Nach dieser Rechtsauskunft vom 7.10.2004 ist es geboten, auch im Hinblick auf die einschlägige Judikatur des VfGH, bei der Auslegung der Vorschrift des § 12 Abs.3 ÖZG 2003 nicht auf dem Verständnis zu verharren, das sich aus dem Wortlaut dieser Bestimmung ergibt, sondern sofern dies zur Vermeidung eines verfassungswidrigen Ergebnisses notwendig ist, Auslegungsvarianten neben dem Gesetzeswortlaut zu prüfen. Ein Ausschluss jener Verkaufsstellen, für die am 1.8.2003 die rechtlichen Voraussetzungen für den Betrieb bereits erfüllt waren, die aber - aus welchen Gründen auch immer - ihren Betrieb noch nicht aufgenommen hatten, erscheint sachlich und daher gleichheitswidrig und würde den verfassungsrechtlich garantierten Vertrauensschutz verletzen. Es wird daher vom Bundesministerium die Auffassung vertreten, dass auch diese Verkaufsstellen zu den bestehenden Verkaufsstellen im Sinne des § 12 Abs.3 ÖZG 2003 zu zählen sind.

Diese Rechtsauffassung wurde vom Wirtschaftsministerium auch öffentlich bestätigt (dokumentiert durch verschiedenste Medienberichte) und ausgeführt, dass die S W AG berechtigt ist, am Sonntag offen zu halten. Weiters wurde diese Rechtsansicht auch vom Bundesminister Dr. B persönlich der S W AG gegenüber ausgedrückt.

Mit Schreiben der Abteilung Gewerbe, Amt der Oö. Landesregierung, vom 16.12.2004 wurde dem Berufungswerber mitgeteilt, dass der Verfassungsdienst des Amtes der Oö. Landesregierung, der Frage nachgegangen ist, ob der Anfang Dezember 2004 in Betrieb genommene S Supermarkt im L H der Übergangsregelung des § 12 Abs.3 letzter Satz ÖZG 2003 zu unterstellen ist und dabei zum Ergebnis kommt, dass seit Inkrafttreten des Öffnungszeitengesetzes 2003 Verkaufsstellen in Bahnhöfen für den Verkauf von Lebensmitteln nach Maßgabe der Verkehrszeiten offen gehalten werden dürfen, wobei die den Verkauf dieser Waren gewidmete Fläche pro Verkaufsstelle 80 m2 nicht übersteigen darf. Die Übergangsbestimmung des § 12 Abs.3 letzter Satz ÖZG 2003 kann wohl nur jene Fälle erfassen, in denen auf den Weiterbestand der geltenden Rechtslage vertraut werden konnte. Dazu ist zu berücksichtigen, dass die Verkaufsstelle tatsächlich erst 19 Monate nach dem Begutachtungsverfahren für das Öffnungszeitengesetz 2003 in Betrieb genommen wurde, die Investitionen für die Verkaufsstelle nicht abgeschrieben werden müssen, weil ein Offenhalten während der allgemeinen Offenhaltezeiten zulässig ist und für die Verkaufsstelle im Zeitpunkt des Inkrafttretens des ÖZG 2003 noch nicht sämtliche rechtlichen Voraussetzungen erfüllt waren. Die Anwendung der Übergangsbestimmung des ÖZG 2003 auf den gegenständlichen Supermarkt im L H sei daher zur Erzielung eines verfassungskonformen Interpretationsergebnisses nicht erforderlich.

 

Der gegenständliche S Markt am L H L wurde am 1.12.2004 eröffnet und ist unbestritten, dass der Lebensmittelmarkt zu den im angefochtenen Straferkenntnis angeführten Zeitpunkten geöffnet war.

 

In der mündlichen Verhandlung wurde sowohl vom Berufungswerber als auch vom Zeugen Mag. P ausgesagt, dass der endgültige Entschluss, den S Markt am B L an Samstagen nach 18.00 Uhr und an Sonntagen offen zu halten, nach Vorliegen der auf Grund der unklaren Rechtssituation eingeholten Rechtsgutachten und der Rechtsauskunft des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit sowie der vom Bundesminister Dr. B getroffenen Aussagen, dokumentiert durch Medienberichte, zur Zulässigkeit dieses Offenhaltens gefällt wurde und im Hinblick auf die darin vertretene einhellige Rechtsmeinung auch keine Zweifel über die Rechtsmäßigkeit dieses Offenhaltens bestanden haben.

 

 

5. Hierüber hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

Gemäß § 27 VStG ist örtlich zuständig die Behörde, in deren Sprengel die Verwaltungsübertretung begangen worden ist, auch wenn der zum Tatbestand gehörende Erfolg in einem anderen Sprengel eingetreten ist.

 

Gemäß § 3 ÖZG 2003 regeln die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes das Offenhalten der Verkaufsstellen (§ 1). An Samstagen nach 18.00 Uhr, an Sonntagen, an Feiertagen (§ 7 Abs.2 des Arbeitsruhegesetzes) und an Montagen bis 5.00 Uhr sind die Verkaufsstellen, soweit sie sich nicht nach den folgenden Bestimmungen anderes ergibt, geschlossen zu halten.

 

Gemäß § 4 Abs.1 leg.cit. dürfen die Verkaufsstellen (§ 1), soweit sich nicht nach den folgenden Bestimmungen anderes ergibt, von Montag 5.00 Uhr bis Samstag 18.00 Uhr offen gehalten werden.

 

Nach Abs.4 dieser Bestimmung dürfen im Rahmen der durch Abs.1 vorgegebenen Offenhaltezeit die Verkaufsstellen pro Woche 66 Stunden offen gehalten werden.

 

Gemäß § 7 ÖZG 2003 dürfen abweichend von den Regelungen gemäß den §§ 4 bis 6 offen gehalten werden:

  1. Verkaufsstellen in Bahnhöfen und Autobusbahnhöfen, auf Flughäfen und Schiffslandeplätzen für den Verkauf von Lebensmitteln, Reiseandenken und notwendigen Reisebedarf (Reiselektüre, Schreibmaterialen, Blumen, Reise- und Toiletteartikeln, Filme udgl.) und Artikeln des Trafiksortiments nach Maßgabe der Verkehrszeiten; die dem Verkauf dieser Waren gewidmete Fläche darf pro Verkaufsstelle 80 m2 nicht übersteigen. Soweit es die Einkaufsbedürfnisse der Reisenden für bestimmte Verkehrseinrichtungen erforderlich machen, kann der Landeshauptmann durch Verordnung die zulässige Fläche von Verkehrsstellen in einem größeren Ausmaß als 80 m2 festlegen. Als Verkaufsstelle im Sinne dieser Bestimmung ist eine Verkaufsstelle nur dann anzusehen, wenn sie ausschließlich durch die betreffende Verkehrseinrichtung zugänglich ist.

 

Gemäß § 11 ÖZG 2003 ist, wer entgegen den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes seine Verkaufsstelle nicht geschlossen hält, Waren verkauft, Bestellungen entgegennimmt oder die für seine Verkaufsstelle geltenden Ladenöffnungszeiten nicht kundmacht, nach den Bestimmungen der Gewerbeordnung 1994 zu bestrafen.

 

Gemäß § 12 Abs.3 letzter Satz leg.cit. dürfen bis zum Inkrafttreten der Verordnung gemäß § 7 Z1 die im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bestehenden Verkaufsstellen im Sinne des § 7 Z1 mit einer größeren Verkaufsfläche als 80 m2 weiter betrieben werden.

Gemäß § 376 Z39 GewO 1994 sind, wenn Rechtsvorschriften auf die Strafbestimmung der Gewerbeordnung verweisen, für Übertretungen dieser Rechtsvorschriften, sofern keine Übertretung gemäß §§ 366 bis 368 dieses Bundesgesetzes vorliegt, die in § 368 (Z14) vorgesehenen Strafen zu verhängen.

 

Gemäß § 368 GewO 1994 begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit einer Geldstrafe bis zu 1.090 Euro zu bestrafen ist, wer andere als in den §§ 366 und 367 genannte Gebote oder Verbote dieses Bundesgesetzes oder der auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen oder der Bescheide, die auf Grund der Bestimmungen dieses Bundesgesetzes oder auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen ergangen sind, nicht einhält.

 

Zur vom Berufungswerber behaupteten Unzuständigkeit der Erstbehörde ist auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 21.12.1998, 98/17/0092, zu verweisen, in dem der Verwaltungsgerichtshof die Auffassung vertritt, dass die Bestellung eines gewerberechtlichen Geschäftsführers keinen signifikanten Unterschied zu den sonstigen Fällen einer verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortlichkeit für die Einhaltung von Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen konstituiere. Entsprechend den vom Verwaltungsgerichtshof entwickelten Grundsätzen liegt der Tatort dort, wo die Dispositionen und Anweisungen zur Vermeidung der Verstöße gegen Verwaltungsvorschriften hätten gesetzt werden müssen. Daraus kann abgeleitet werden, dass der Unternehmenssitz in der Regel dann als Tatort zu werten ist, wenn die zur Vertretung des Unternehmens nach außen Berufenen verwaltungsstrafrechtlich verantwortlich sind. Sind jedoch auf Grund besonderer Verwaltungsvorschriften andere Personen strafrechtlich verantwortlich, wird nicht zwangsläufig der Unternehmenssitz als jener Ort gelten können, wo Dispositionen oder Anweisungen entweder fehlten oder als allenfalls die Begehung von Verwaltungsübertretungen direkt angeordnet haben. Bei einer Verantwortlichkeit des gewerberechtlichen Geschäftsführers wird der Tatort des Unternehmensstandortes, also jener Ort sein, auf den die Gewerbeberechtigung lautet und für den der gewerberechtliche Geschäftsführer bestellt ist. Der Berufungswerber ist gewerberechtlicher Geschäftsführer der Zweigniederlassung in M und trifft der Berufungswerber in dieser Eigenschaft nach eigener Aussage in der mündlichen Verhandlung Anordnungen betreffend Öffnungszeiten für sämtliche Filialen in Oberösterreich, so auch für die Filiale am H L, wenngleich auch in Absprache mit dem Vorstand. Es bestehen somit keine Zweifel, dass Tatort für die Übertretungen des Öffnungszeitengesetzes in der S Filiale im L H der Betriebsstandort in M ist. Diesbezüglich kann den Ausführungen des Berufungswerbers in der Berufungsschrift nicht gefolgt werden.

 

Unbestritten ist, dass der S-Lebensmittelmarkt mit einer Verkaufsfläche von ca. 600 m2 in der Geschäftspassage des H L zu den im Straferkenntnis angeführten Zeitpunkten geöffnet war. Ebenso unstrittig ist, dass die Spezialgenehmigung nach § 359b GewO 1994 erst nach Inkrafttreten des ÖZG 2003 erteilt worden ist.

Fraglich ist, ob der Berufungswerber damit - unter Beachtung und verfassungskonformer Auslegung der Übergangsbestimmung des § 12 Abs.3 letzter Satz ÖZG 2003 - den objektiven Tatbestand der ihm zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen erfüllt hat.

Auch wenn man diese Frage mit der Begründung bejaht, dass der aus § 12 Abs.3 ÖZG 2003 ableitbare Vertrauensschutz nur das berechtigte Vertrauen auf die geltende Rechtslage (sohin auf § 5 lit. a) ÖZG 1991, wonach "Verkaufstellen in Bahnhöfen .... für den Verkauf von Reiseproviant.... nach Maßgabe der Verkehrszeiten" abweichend von den allgemeinen Regeln offen gehalten werden durften) umfasst, und zudem - selbst wenn man der Rechtsansicht folgt, dass die Übergangsbestimmung des § 12 Abs.3 letzter Satz ÖZG 2003 auch jene Verkaufsstellen erfasst, die zwar faktisch zum Inkrafttretenszeitpunkt des ÖZG 2003 noch nicht bestanden haben, für die aber zu diesem Stichtag alle rechtlichen Voraussetzungen vorlagen, eben diese rechtlichen Voraussetzungen auf Grund des Fehlens der Spezialgenehmigung am 1.8.2003 nicht erfüllt waren, ist dem Berufungswerber jedoch nach Ansicht des Oö. Verwaltungssenates insofern beizupflichten, als vom Vorliegen des Schuldausschließungsgrundes des § 5 Abs.2 VStG und somit vom mangelnden Verschulden des Berufungswerbers auszugehen ist.

 

Gemäß § 5 Abs.2 VStG entschuldigt Unkenntnis der Verwaltungsvorschrift, der der Täter zuwidergehandelt hat, nur dann, wenn sie erwiesenermaßen unverschuldet ist und der Täter das Unerlaubte seines Verhaltens ohne Kenntnis der Verwaltungsvorschrift nicht einsehen konnte.

 

Hat der Beschuldigte zwar objektiv rechtswidrig, jedoch auf Grund einer vertretbaren Auslegung gehandelt, hat die Behörde Ermittlungen darüber anzustellen, ob sich der Beschuldigte entsprechend der ihm obliegenden Sorgfaltspflicht ausreichend und nachweislich über die Richtigkeit seiner Rechtsansicht unterrichtet hat, wobei Erkundigungen nicht nur bei der zuständigen Behörde in Betracht kommen, sondern auch die Befassung einer zur berufsmäßigen Parteienvertretung berechtigten Person oder für derartige Auskünfte eingerichteten Stelle etwa im Rahmen der beruflichen Selbstverwaltung.

Im Falle der Erteilung einer unrichtigen Auskunft der zuständigen Behörde könnten im Vertrauen auf die Auskunft erfolgte Gesetzesverstöße nicht als Verschulden angerechnet werden (vgl. hiezu VwGH 30.11.1981, 81/17/0126, 20.5.1998, 97/09/0241, 20.11.2001, 2001/09/0196).

 

Im gegenständlichen Fall ist auf Grund der Aktenlage und der in der mündlichen Verhandlung am 9.9.2005 vor dem Oö. Verwaltungssenat getätigten Aussagen des Berufungswerbers und des Zeugen Mag. P als erwiesen anzusehen, dass von der S W AG bereits vor Eröffnung des S Marktes und vor der Entscheidung über die beabsichtigten Öffnungszeiten auf Grund bestehender Zweifel die im Zusammenhang mit der Errichtung eines Lebensmittelmarktes am I H aufgetreten sind, entsprechende Erkundigungen über die Rechtmäßigkeit dieses Offenhaltens an Samstagen und Sonntagen eingeholt wurden, dies jeweils in Absprache mit dem Berufungswerber, der nach eigenen Aussagen grundsätzlich für Anordnungen betreffend Öffnungszeiten für die Filialen in O, sohin auch für den S Markt am H L zuständig ist.

So wurden die Rechtsgutachten Univ. Prof. Dr. K W und Univ. Prof. Dr. H M beigeschafft, die sich mit der Frage beschäftigten, ob zwar faktisch noch nicht bestehende jedoch im Vertrauen auf die geltende Rechtslage bereits geplante und die rechtlichen Voraussetzungen erfüllende Verkaufsstellen in Bahnhöfen, konkret der Lebensmittelmarkt M am I H, in die Übergangsbestimmung des § 12 Abs.3 letzter Satz ÖZG 2003 fällt und diese Frage unter ausführlicher Begründung bejahten. Gleichzeitig ist der S W AG und dem Berufungswerber die Rechtsauskunft des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit vom 22.9.2004 als für die Vollziehung des ÖZG zuständigen Behörde vorgelegen, die die vorliegenden Rechtsgutachten bestätigte und ebenfalls davon ausging, dass der M-Markt am I B, obwohl noch nicht errichtet, als bestehende Verkaufsstelle iSd § 12 Abs.3 letzter Satz ÖZG 2003 qualifiziert werden kann, da ein Ausschluss jener Verkaufsstellen, für die am 1.8.2003 zwar alle rechtlichen Voraussetzungen vorhanden waren, die aber - aus welchen Gründen und Zufällen auch immer - ihren Betrieb noch nicht aufgenommen hatten, unsachlich und daher gleichheitswidrig ist. Überdies wurde in dieser Rechtsauskunft davon ausgegangen, dass für diesen Lebensmittelmarkt alle rechtlichen Voraussetzungen für den Betrieb vorhanden sind, gleich wohl die Generalgenehmigung gemäß § 356e GewO 1994, nicht jedoch die Spezialgenehmigung nach § 359b vorlag.

Im September 2004 wurde von der S W AG ein weiteres Gutachten von Univ. Prof. Dr. B C F zur Frage der Auslegung der Übergangsbestimmung des § 12 Abs.3 letzter Satz ÖZG 2003 eingeholt und weiters eine Anfrage an das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit, konkret bezogen auf den S L am H L, gestellt. Dieses Rechtsgutachten und die Rechtsauskunft des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit brachten eine Bestätigung der vorangegangenen Rechtsgutachten und der bereits vorliegenden Rechtsauskunft des Bundesministeriums. Diese Rechtsauskunft wurde darüber hinaus auch vom Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit in einer APA-Aussendung vom 6.12.2004 wiedergegeben und darin zitiert, dass S berechtigt sei, am Sonntag Arbeitnehmer zu beschäftigen. Das Arbeitsinspektorat Linz hat dazu auch öffentlich mitgeteilt, beim S am Bf L nicht tätig zu werden, da das Wirtschaftsministerium die Ansicht vertrete, dass ein Offenhalten des S M rechtmäßig sei.

 

Nach Ansicht des Oö. Verwaltungssenates hat sich der Berufungswerber entsprechend der ihm obliegenden Sorgfaltspflicht ausreichend über die bei Ausübung des Gewerbes zu beachtenden Vorschriften informiert und kann ihm nicht vorgeworfen werden, dass er im Vertrauen insbesondere auf die Rechtsauskünfte des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit und die eingeholten Rechtsgutachten, die doch von namhaften Verfassungsrechtsexperten stammen, von der Rechtmäßigkeit des Offenhaltens des Lebensmittelmarktes zu den im Straferkenntnis angeführten Zeitpunkten ausgegangen ist. Auch wenn die Rechtsauskunft des Bundesministeriums zum S M am H L nicht näher auf das Fehlen der Spezialgenehmigung zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des ÖZG 2003 eingeht, so hat der Berufungswerber glaubhaft dargelegt, dass diese Frage mit der Rechtsauskunft zum M-Markt am I H ausreichend geklärt war, da auch in diesem Fall die Spezialgenehmigung noch nicht vorlag, das Ministerium jedoch mitteilte, dass für den Lebensmittelmarkt alle rechtlichen Voraussetzungen erfüllt sind. Darüber hinaus wurde vom Bundesministerium die Rechtmäßigkeit des Offenhaltens des S-M am H L in der Öffentlichkeit bestätigt.

 

Der Berufungswerber konnte zu Recht erwarten, dass sich das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit als für die Vollziehung des ÖZG zuständigen Behörde mit einer Rechtsanfrage, die allgemein von Bedeutung ist und zudem öffentlich bekräftigt wird, entsprechend fundiert auseinandersetzt.

Auch musste der Berufungswerber davon ausgehen, dass die Rechtsgutachter den Sachverhalt sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher Hinsicht umfassend prüfen und rechtsrichtig beurteilen, zumal inhaltliche Übereinstimmung der Gutachten vorgelegen ist.

Ein Inzweifelziehen dieser übereinstimmenden gutachtlichen Äußerungen, vor allem in Zusammenhalt mit den Rechtsauskünften des Bundesministeriums, ist für den Berufungswerber weder naheliegend noch zumutbar gewesen.

 

Es kann somit für den Berufungswerber nicht von einem, für einen Schuldausspruch im Verwaltungsstrafverfahren ausreichenden Verschuldensausmaß ausgegangen werden; es war daher das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das diesbezügliche Verwaltungsstrafverfahren einzustellen, ohne auf das weitere Vorbringen des Berufungswerbers einzugehen.

 

Weil die Berufung Erfolg hatte, war ein Verfahrenskostenbeitrag nicht zu leisten (§ 66 Abs.1 VStG).

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

 

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

Mag. B i s m a i e r

 

 

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