Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-222061/7/Kl/Pe

Linz, 12.07.2006

 

 

 

VwSen-222061/7/Kl/Pe Linz, am 12. Juli 2006

DVR.0690392

 

 

 

E R K E N N T N I S

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Klempt über die Berufung des JZ vertreten durch Rechtsanwälte Dr. Josef H, Mag. Dr. TH gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land vom 17.10.2005, Ge96-97-2005, Ge96-83-2005, Ge96-81-2005, Ge96-74-2005, Ge96-76-2005, und Ge96-77-2005, wegen Verwaltungsübertretungen nach der Gewerbeordnung 1994 (GewO 1994) nach öffentlicher mündlicher Verhandlung am 13.6.2006 zu Recht erkannt:

 

 

I. Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

II. Es entfallen jegliche Verfahrenskostenbeiträge.

 

 

Rechtsgrundlagen:

zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 44a, 45 Abs.1 Z3 und 51 VStG.

zu II.: § 66 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land vom 17.10.2005, Ge96-97-2005, Ge96-83-2005, Ge96-81-2005, Ge96-74-2005, Ge96-76-2005, und Ge96-77-2005, wurden über den Berufungswerber Geldstrafen von 1) 2.000 Euro, Ersatzfreiheitsstrafe 200 Stunden und 2) 1.500 Euro, Ersatzfreiheitsstrafe von 150 Stunden, wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß 1) § 366 Abs.1 Z3 und § 81 Abs.1 GewO 1994 und 2) § 367 Z25 GewO 1994 iVm Auflagenpunkt 2 des Bescheides vom 9.4.1996, Ge20-4123-1995, verhängt, weil er als gewerberechtlicher Geschäftsführer der Fam. Z GmbH & Co KG mit Sitz in A welche Inhaberin der Gewerbeberechtigung "Fleischer" ist, gemäß § 370 Abs.1 GewO 1994 zu verantworten hat, dass im mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land vom 5.2.1996, Ge20-4123-1995, genehmigten Schlachthof der Fam. Z GmbH & Co KG an der Adresse A

  1. am 11.1.2005 um 0.05 Uhr, am 13.1.2005 um 2.10 Uhr, am 1.2.2005 um 0.30 Uhr, am 16.2.2005 um 23.15 Uhr und am 11.3.2005 um 22.00 Uhr Schweinehälften verladen wurden.
  2. In der dem Bescheid vom 5.2.1996, Ge20-4123-1995, zugrunde liegenden Betriebsbeschreibung ist vorgesehen, dass zwischen 20.00 Uhr Abend und 5.00 Uhr Früh keine Verladung durchgeführt werden darf.

    Die oben angeführten Verladezeiten außerhalb der in den Projektsunterlagen hiefür vorgesehenen Betriebszeiten stellen eine Änderung der mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land vom 5.2.1996, Ge20-4123-1995, genehmigten Betriebsanlage (Schlachthof) dar. Aufgrund der durch die Verladezeiten und den damit verbundenen Lärm durch die rückwärtsfahrenden Lkw´s und der damit verbundenen Piepsgeräusche ist diese Änderung der Betriebsanlage grundsätzlich geeignet, die Nachbarn durch Geruch, Lärm und Erschütterung zu belästigen und bedarf daher gemäß § 81 Abs.1 GewO der gewerbebehördlichen Genehmigung. Es wurde somit eine genehmigte Betriebsanlage ohne die erforderliche Genehmigung geändert.

  3. Weiters wurden am 10.1.2005 um 3.15 Uhr 50 Schweine in den erwähnten Schlachthof angeliefert und in den Wartestall getrieben. Gemäß Auflagenpunkt 2 des Bescheides der Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land vom 9.4.1996, Ge20-4123-1995, darf der Wartestall in der Zeit zwischen 18.00 Uhr und 4.00 Uhr sowie an Sonn- und Feiertagen nicht belegt sein. Der Wartestall war am 10.1.2005 um 3.15 Uhr jedoch belegt, weshalb der gemäß der Bestimmung des § 79 Abs.1 GewO im Bescheid vom 9.4.1996, Ge20-4123-1995 vorgeschriebene Auflagepunkt 2 nicht eingehalten wurde.

 

2. Dagegen wurde fristgerecht Berufung eingebracht und das Straferkenntnisses zur Gänze angefochten und die Aufhebung des Straferkenntnisses sowie Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens, in eventu Herabsetzung der Strafe beantragt. Begründend wurde ausgeführt, dass in den Projektsunterlagen in der Betriebsbeschreibung in Punkt III Betriebszeiten angegeben sind, und zwar für Verladung 05.00 Uhr bis 20.00 Uhr und für Viehanlieferung 04.00 Uhr bis 20.00 Uhr. Eine Beschränkung auf bestimmte Wochentage ist bei der Verladung nicht erfolgt. Der Bescheid vom 5.2.1996, Ge20-4123-1995, enthält in Punkt II andere Auflagen als die zitierten.

 

Eine Änderung der Betriebsanlage im Sinne der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sei nicht erfolgt

Wie sich aus der Schilderung des Zeugen JM ergebe, war es nicht vorhersehbar, dass der Zeuge nicht am Vorabend, sondern in der Nacht aufladen würde. Den Berufungswerber treffe weder ein Auswahl- noch ein Überwachungsverschulden. Die Frage einer wirksamen Kontrolle sei nicht überprüft worden.

 

Hinsichtlich der Strafhöhe wäre mildernd zu berücksichtigen gewesen, dass es sich um einen Ausnahmefall gehandelt habe. Auch seien die Kundeninteressen zu beachten. Auch liege ein Geständnis vor und die Zusicherung, künftig die Betriebszeiten genau einzuhalten.

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land als belangte Behörde hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt.

 

4. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme sowie durch Anberaumung und Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 13.6.2006, zu welcher der Berufungswerber und sein Rechtsvertreter geladen wurden und erschienen sind. Ein Vertreter der belangten Behörde hat sich entschuldigt.

 

Auch in der mündlichen Verhandlung wurde der Sachverhalt vom Berufungswerber nicht bestritten. Es wurde nochmals auf die Aussagen des Zeugen JZ hingewiesen. Zu den Einkommensverhältnissen wurde ein Einkommen von brutto 2.000 Euro pro Monat, Gesellschafter der Z GmbH & Co KG, aushaftende Schulden von 500.000 Euro, Verpachtung des Betriebes gegen einen Pachtzins von 1 Euro an die V und F N reg. GensmbH und Sorgepflicht für ein Kind angegeben.

 

5. Hierüber hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

5.1. Gemäß § 366 Abs.1 Z3 GewO 1994 begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe bis zu 3.600 Euro zu bestrafen ist, wer eine genehmigte Betriebsanlage ohne die erforderliche Genehmigung ändert oder nach der Änderung betreibt (§§ 81f).

Gemäß § 367 Z25 GewO 1994 begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe bis zu 2.180 Euro zu bestrafen ist, wer Gebote oder Verbote von gemäß §§ 82 Abs.1 oder 84d Abs.7 erlassenen Verordnungen nicht befolgt oder die gemäß den Bestimmungen der §§ 74 bis 83 und 359b in Bescheiden vorgeschriebenen Auflagen oder Aufträge nicht einhält.

 

Gemäß § 44a Z1 VStG hat der Spruch eines Straferkenntnisses, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten. Danach ist es rechtlich geboten, die Tat hinsichtlich des Täters und der Tatumstände so genau zu umschreiben, dass

1) die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale ermöglicht wird und

2) die Identität der Tat (zB nach Ort und Zeit) unverwechselbar feststeht. Was den vorstehenden Punkt 1) anlangt, sind entsprechende, dh, in Beziehung zum vorgeworfenen Straftatbestand stehende wörtliche Anführungen erforderlich, die nicht etwa durch bloße paragraphenmäßige Zitierung von Gebots- oder Verbotsnormen ersetzt werden können. Was den vorstehenden Punkt 2) anlangt (unverwechselbares Festhalten der Identität der Tat) muss im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat insoweit in konkretisierter Umschreibung zum Vorwurf gemacht werden, dass er in die Lage versetzt wird, im ordentlichen Verwaltungsstrafverfahren und gegebenenfalls im außerordentlichen Verfahren auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen, und es muss ferner der Spruch geeignet sein, den Beschuldigten rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden.

 

Gemäß § 31 Abs.1 und 2 VStG ist die Verfolgung einer Person unzulässig, wenn gegen sie binnen der Verjährungsfrist von sechs Monaten von der Behörde keine Verfolgungshandlung vorgenommen worden ist. Verfolgungshandlung iSd § 32 Abs.2 VStG ist jede von einer Behörde gegen eine bestimmte Person als Beschuldigten gerichtete Amtshandlung.

 

Es muss daher die Tat unter Anführung aller wesentlicher Tatbestandsmerkmale dem Beschuldigten innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist vorgeworfen werden. Eine Umschreibung der Tatbestandsmerkmale lediglich in der Bescheidbegründung reicht im Bereich des Verwaltungsstrafrechtes nicht aus (vgl. Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, Seite 937 ff).

 

Diesen Anforderungen wird das gegenständlich durchgeführte Verwaltungsstrafverfahren sowohl hinsichtlich Faktum 1 als auch hinsichtlich Faktum 2 nicht gerecht, zumal innerhalb der sechsmonatigen Verfolgungsverjährungsfrist - diese endete zum Faktum 1 jedenfalls am 11.9.2005 und zum Faktum 2 am 10.7.2005 - ein Tatort nicht vorgeworfen wurde. Sämtliche von der belangten Behörde durchgeführten Aufforderungen zur Rechtfertigung als einzige und rechtzeitige Verfolgungshandlungen führen weder den Sitz der Familie Z GmbH & Co KG noch den Standort der Gewerbeberechtigung noch die Anschrift der Betriebsanlage (des Schlachtbetriebes) an. Es wird darauf hingewiesen, dass bei beiden vorgeworfenen Verwaltungsübertretungen der Tatort der Standort der Betriebsanlage ist (vgl. VwGH 14.11.1989, 89/04/0107 sowie 22.11.1988, 88/04/0121). Auch wurden keine weiteren Verfolgungshandlungen bis zur Erlassung des Straferkenntnisses durchgeführt. Insbesondere enthalten die Zeugenvernehmungen keinen Tatvorwurf und wird bei der Beschuldigtenvernehmung ebenfalls ohne einen gesonderten Tatvorwurf auf die jeweilige Aufforderung zur Rechtfertigung verwiesen. Schließlich ist noch anzumerken, dass zum Tatzeitpunkt 16.2.2005 (Ge96-81-2005) die Aufforderung zur Rechtfertigung an den Sohn des Beschuldigten erging und daher eine Verfolgungshandlung gegen den Berufungswerber innerhalb der sechsmonatigen Verfolgungsverjährungsfrist überhaupt fehlt, und zum Tatzeitpunkt 1.2.2005 (Ge96-83-2005) eine Aufforderung zur Rechtfertigung an den Beschuldigten nicht erging, sohin eine Verfolgungshandlung innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist an den Beschuldigten nicht erging, sondern ein Tatvorwurf anlässlich der Niederschrift mit dem Sohn des Beschuldigten am 3.3.2005 erfolgte und diesem die Tat vorgeworfen wurde.

 

Darüber hinaus ist nach der Judiaktur des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 25.2.1993, 91/04/0248) dem Konkretisierungsgebot des § 44a Z1 VStG iVm § 366 Abs.1 Z3 GewO durch einen Hinweis auf den konkreten Genehmigungsbescheid betreffend die geänderte Betriebsanlage zu entsprechen. Auch diesem Erfordernis ist die Tatanlastung innerhalb der sechsmonatigen Verfolgungsverjährungsfrist nicht nachgekommen, zumal lediglich aus der Angabe eines Datums noch kein konkreter Bescheid hinsichtlich Genehmigung der Betriebsanlage ersichtlich ist.

 

Schließlich ist noch anzuführen, dass der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung ausgesprochen hat, dass nach § 367 Z25 GewO die Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist (§ 44a Z2 VStG), aus der Strafbestimmung des § 367 Z25 GewO in Verbindung mit der konkret bezeichneten Untergliederung jenes Bescheides, in dem die betreffende Auflage vorgeschrieben wurde, besteht (VwGH 25.2.1992, 91/04/0294). Weiters führt er aus, dass ein Bescheid, der hinsichtlich der einen Teil des Straftatbestandes bildenden Auflage des Betriebsanlagengenehmigungsbescheides keine wörtliche Anführung enthält, durch die schon aus dem Spruch die Zuordnung des Tatverhaltens zu der Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, hinsichtlich aller Tatbestandsmerkmale ermöglicht wird, nicht dem Sprucherfordernis des § 44a Z1 VStG entspricht. Der bloße Hinweis auf ziffernmäßig bezeichnete Auflagen des Betriebsanlagengenehmigungsbescheides ist nicht als ausreichend anzusehen (VwGH 19.6.1990, 89/04/0249). Auch diese Judikatur wurde im Hinblick auf das Faktum 2 nicht eingehalten, zumal in der Aufforderung zur Rechtfertigung vom 20.1.2005 als einziger Verfolgungshandlung innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist dem Beschuldigten die Änderung einer genehmigten Betriebsanlage vorgeworfen wurde. In diesem Zusammenhang wurde zwar angemerkt, dass aufgrund der Auflage des Bescheides vom 9.4.1996 der Wartestall zwischen 18.00 Uhr und 4.00 Uhr nicht belegt werden bzw. belegt sein darf, allerdings wurde die ziffernmäßige Untergliederung nicht vorgehalten und auch kein Vorhalt getätigt, dass eine Auflage nicht erfüllt sei.

 

Das Straferkenntnis vom 17.10.2005, welches zwar diesen Anforderungen nunmehr entspricht, ist nach der sechsmonatigen Verfolgungsverjährungsfrist ergangen und kann daher eine rechtzeitige Verfolgung des Beschuldigten nicht mehr ersetzen. Es musste daher das Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren wegen eingetretener Verfolgungsverjährung gemäß § 45 Abs.1 Z3 VStG eingestellt werden.

 

6. Weil die Berufung Erfolg hatte, entfallen jegliche Verfahrenskostenbeiträge gemäß § 66 Abs.1 VStG.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs-gerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

 

Dr. Klempt

Beschlagwortung:

Tatort, Tatkonkretisierung

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