Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
A-4012 Linz, Fabrikstraße 32 | Telefon (+43 732) 70 75-155 85 | Fax (+43 732) 70 75-21 80 18

VwSen-230031/2/Gf/<< Rd>> Linz, am 30.März 1992 VwSen 230031/2/Gf/<< Rd>>

Linz, 30.03.1992

VwSen 230031/2/Gf/<< Rd>> Linz, am 30.März 1992
VwSen - 230031/2/Gf/<< Rd>> Linz, am 30.März 1992 DVR.0690392 - &

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Alfred Grof über die Berufung des R, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Freistadt vom 15. Jänner 1992, Zl. Sich96/467/1991/Pil/Mo, zu Recht erkannt:

Der Berufung wird stattgegeben und das angefochtene Straferkenntnis gemäß § 51e Abs.1 VStG ersatzlos aufgehoben.

Entscheidungsgründe:

1. Der vorliegenden Beschwerde liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

1.1. Mit Anzeige des Gendarmeriepostens Pregarten vom 12. Oktober 1991, Zl. P 945/91, wurde dem am 2. Oktober 1991 im Anwesen N, bei der Ausführung von Maurerarbeiten betretenen Beschwerdeführer, einem Staatsbürger der CSFR, zur Last gelegt, in der Zeit vom 9. September 1991 bis 6. Oktober 1991 dadurch eine Verwaltungsübertretung begangen zu haben, daß er weder bei der Meldebehörde angemeldet war noch in seinem Reisepaß einen gültigen Sichtvermerk eingetragen hatte und auch keine Arbeitsgenehmigung vorweisen konnte. Zur Sicherung der Strafverfolgung wurde gemäß § 37a Abs. 2 Z. 2 VStG eine vorläufige Sicherheit in Höhe von 1.500 S eingehoben und dem Beschwerdeführer hierüber eine Bescheinigung ausgestellt.

1.2. Mit dem dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers am 14. November 1991 zugestellten Schriftsatz des Bezirkshauptmannes von Freistadt vom 8. November 1991, Zl. Sich96/467/1991/Pil/Mo, wurde der Beschwerdeführer aufgefordert, binnen 14 Tagen nach Zustellung bei der belangten Behörde zu erscheinen oder sich zum Vorwurf der Übertretung des Fremdenpolizeigesetzes, des Paßgesetzes und des Meldegesetzes schriftlich zu rechtfertigen. Diese Aufforderung enthielt auch die Androhung, daß das Strafverfahren ohne Anhörung des Beschwerdeführers durchgeführt wird, wenn dieser von der Möglichkeit, sich zu rechtfertigen, nicht Gebrauch macht.

1.3. Mit einem vom 16. Dezember 1991 datierten und am selben Tag zur Post gegebenen Schriftsatz hat der Beschwerdeführer eine schriftliche Stellungnahme zum Tatvorwurf abgegeben.

1.4. Mit Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Freistadt vom 15. Jänner 1992, Zl. Sich/467/1991/Pil/Mo, wurde über den Beschwerdeführer deshalb, weil er das Paßgesetz, das Fremdenpolizeigesetz und das Meldegesetz dadurch verletzt hat, daß er einerseits keine gültige Aufenthaltsbewilligung vorweisen konnte, obwohl er zum Zweck der Arbeitsaufnahme nach Österreich eingereist ist und er andererseits in der Zeit vom 6. bis 9. September 1991 in N wohnhaft bzw. aufhältig war, ohne eine polizeiliche Anmeldung durchgeführt zu haben, eine Geldstrafe in Höhe von je 450 S, also insgesamt in Höhe von 1.350 S (Ersatzfreiheitsstrafe: je 2 Tage, insgesamt 6 Tage), verhängt. Als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens wurden je 50 S, also insgesamt 150 S vorgeschrieben. Da die eingehobene Sicherheitsleistung den Strafsatz und den Kostenbeitrag zur Gänze deckt, wurde auch ausgesprochen, daß diese Strafsätze nicht zu entrichten sind.

1.5. Gegen dieses dem Beschwerdeführer am 21. Jänner 1992 zugestellte Straferkenntnis richtet sich die vorliegende, mit 25. Jänner 1992 datierte und am 29. Jänner 1992 bei der Bezirkshauptmannschaft Freistadt eingelangte - und daher offensichtlich rechtzeitige - Beschwerde.

2.1. Im angefochtenen Straferkenntnis führt die belangte Behörde begründend aus, daß tschechoslowakische Staatsangehörige zur Einreise und während eines anschließenden Inlandsaufenthaltes zu Erwerbszwecken eines gültigen Sichtvermerkes bedürften; da der bei der Ausführung von Baurbeiten angetroffene Beschwerdeführer über einen solchen nicht verfügte, sei die Übertretung des Paßgesetzes und des Fremdenpolizeigesetzes erwiesen. Weiters sei festgestellt worden, daß der Beschwerdeführer entgegen den Vorschriften des Meldegesetzes keine polizeiliche Anmeldung durchgeführt hat, obwohl er in der Zeit vom 9. September 1991 bis 6. Oktober 1991 an der Adresse Netzberg 2, 4230 Pregarten, aufhältig war. Da die Stellungnahme des Beschwerdeführers nicht innerhalb der gesetzten Frist zur Post gegeben wurde, sei das Strafverfahren ohne dessen Anhörung durchzuführen und demgemäß allein aufgrund der behördlichen Ermittlungen zu erkennen gewesen.

2.2. Demgegenüber bringt der Beschwerdeführer vor, daß ihm nicht erklärlich sei, weshalb die belangte Behörde davon ausgehe, daß ihm die Aufforderung zur Rechtfertigung am 13. November 1991 zugestellt worden sein soll. Seine schriftliche Stellungnahme sei jedenfalls in offener Frist abgegeben worden und hätte von der belangten Behörde selbst dann berücksichtigt werden müssen, wenn diese verspätet gewesen wäre, weil sie tatsächlich noch lange vor der Erlassung des Straferkenntnisses bei dieser eingelangt ist. In der Sache selbst wird unter Bezugnahme auf diese Stellungnahme vorgebracht, daß es weder den Gegebenheiten entspreche, daß sich der Beschwerdeführer vom 9. September 1991 bis 6. Oktober 1991 in N, aufgehalten noch daß er dort für den Hauseigentümer Bau- und Maurerarbeiten durchgeführt hat; richtig sei lediglich, daß er am 2. Oktober 1991 an diesem Ort einer ihm unbekannten Person bei Bauarbeiten behilflich gewesen sei; die Zeit davor habe er zum Teil bei einem Bekannten in Linz verbracht und im übrigen sei er durch Österreich gereist.

Aus diesen Gründen wird die Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnisses beantragt.

3. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt der Bezirkshauptmannschaft Freistadt zu Zl. Sich 96/467/1991; da aus diesem der entscheidungsrelevante Sachverhalt hinreichend geklärt erschien und demnach bereits ersichtlich war, daß das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben ist, konnte gemäß § 51e Abs. 1 VStG die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung unterbleiben.

Im Zuge dieser Beweisaufnahme wurde der oben unter 1. dargestellte Sachverhalt als erwiesen festgestellt.

4. In der Sache selbst hat der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erwogen:

4.1. Gemäß § 23 Abs. 2 i.V.m. § 40 Abs. 1 des Paßgesetzes, BGBl.Nr. 422/1969, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 190/1990, i.V.m. Art. 1 Abs. 2 des Abkommens zwischen der Österreichischen Bundesregierung und der Regierung der Tschechslowakischen Sozialistischen Republik über die Aufhebung der Sichtvermerkspflicht, BGBl.Nr. 47/1990, begeht derjenige eine Verwaltungsübertretung und ist hiefür mit einer Geldstrafe bis zu 30.000 S oder mit einer Freiheitsstrafe bis zu sechs Wochen zu bestrafen, der ohne gültigen Sichtvermerk zu Erwerbszwecken in Österreich einreist.

Gemäß § 2 Abs. 1 Z. 1 i.V.m. § 14b Abs. 1 Z. 4 des Fremdenpolizeigesetzes, BGBl.Nr. 75/1954, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 406/1991, begeht derjenige eine Verwaltungsübertretung und ist hiefür mit einer Geldstrafe bis zu 10.000 S zu bestrafen, der nicht unter Einhaltung der Bestimmungen des Paßgesetzes in das Bundesgebiet eingereist ist und sich daher nicht rechtmäßig in diesem aufhält.

Gemäß § 16 Z. 1 i.V.m. § 1 Abs. 1 und § 3 Abs. 1 des Meldegesetzes 1972, BGBl.Nr. 30/1973, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 427/1985, begeht derjenige eine Verwaltungsübertretung und ist hiefür mit einer Geldstrafe bis zu 3.000 S zu bestrafen, der die Pflicht, sich im Falle der Unterkunftnahme in einer Wohnung innerhalb von drei Tagen bei der Meldebehörde anzumelden, nicht oder nicht fristgerecht erfüllt. Gemäß § 22 Abs. 1 Z. 1 i.V.m. § 6 des Meldegesetzes 1991, BGBl.Nr. 9/1992 (im folgenden: MeldeG) begeht jener Fremde, der im Bundesgebiet einer Erwerbstätigkeit, deren Ausübung an eine behördliche Erlaubnis gebunden ist, nachgeht, eine Verwaltungsübertretung und ist hiefür mit einer Geldstrafe bis zu 10.000 S zu bestrafen, der die Pflicht, sich im Falle einer Unterkunftnahme in einer Wohnung oder in einem Beherbergungsbetrieb innerhalb von drei Tagen danach bei der Meldebehörde anzumelden, nicht erfüllt. Die für den vorliegenden Fall maßgeblichen Bestimmungen des MeldeG sind dessen § 23 Abs. 2 zufolge am 1. März 1992 in Kraft getreten; sie sind jedoch als die im Hinblick auf die Strafdrohung für den Beschwerdeführer ungünstigeren Rechtsvorschriften gemäß § 1 Abs. 2 VStG im gegenständlichen Fall jedenfalls noch nicht anzuwenden.

4.2. Ein Eintreten in die Behandlung dieser materiellen Rechtsfragen kommt jedoch im gegenständlichen Fall aus folgenden Gründen nicht in Betracht:

§ 40 Abs. 2 i.V.m. § 42 VStG berechtigt die Behörde, den Beschuldigten dazu aufzufordern, nach dessen Wahl zum Zweck seiner Rechtfertigung entweder zu einem bestimmten Zeitpunkt zur Vernehmung zu erscheinen oder sich bis zu diesem Zeitpunkt schriftlich zu rechtfertigen. Eine derartige Aufforderung hat die Androhung, daß im Weigerungsfall das Strafverfahren ohne Anhörung des Beschuldigten durchgeführt wird, zu enthalten und ist diesem zu eigenen Handen zuzustellen. Da die belangte Behörde im gegenständlichen Fall diese Vorschriften beachtet hat, war sie an sich berechtigt, das Strafverfahren ohne Anhörung des Beschwerdeführers durchzuführen. Der Beschwerdeführer hat jedoch nach Ablauf der mit der oben unter 1.2. angeführten Aufforderung gesetzten Vierzehntagesfrist (d.i., da diese Aufforderung lt. dem im Akt erliegenden Rückschein vom Rechtsvertreter des Beschwerdeführers am 14. November 1991 übernommen wurde, gemäß § 32 Abs. 1 AVG der 28. November 1991), nämlich am 16. Dezember 1991 - und damit noch vor der Abfertigung des nunmehr angefochtenen Straferkenntnisses vom 15. Jänner 1992 - eine schriftliche Stellungnahme abgegeben. Da nun dem VStG eine Präklusion grundsätzlich fremd ist (vgl. zB VwGH v. 18.10.1985, 85/18/0054; v. 23.10.1986, 86/02/0078); s.a. W. Hauer - O. Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 4. Auflage, Eisenstadt 1990, 928), hätte die belangte Behörde aber die - wenngleich verspätet eingebrachte Stellungnahme des Beschwerdeführers zu berücksichtigen gehabt; der in § 40 Abs. 2 i.V.m. § 42 Abs. 1 Z. 2 VStG vorgesehenen Fristsetzung kommt somit offenkundig nur die Bedeutung zu, das Zeitrisiko auf den Beschuldigten zu verlagern, d.h. der Behörde die Erlassung des Straferkenntnisses solange ohne Anhörung des Beschuldigten zu ermöglichen, als dieser nicht in der Folge noch - und zwar nach der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes spätestens bis zum Tag der Erlassung des Straferkenntnisses - entweder eine mündliche oder eine schriftliche Rechtfertigung nachreicht.

Demnach hätte sich die belangte Behörde im vorliegenden Fall bei der Durchführung des ordentlichen Ermittlungsverfahrens jedenfalls zu den vom Beschwerdeführer in seiner Stellungnahme angebotenen Beweismitteln äußern und zu dessen Vorbringen, er habe sich lediglich am Tag seiner Betretung durch die Gendarmerieorgane im Hause N, aufgehalten und dort einer ihm unbekannten Person bei Bauarbeiten geholfen, sei im übrigen aber bei einem Bekannten in Linz gewesen bzw. durch Österreich gereist, Stellung nehmen müssen. Hingegen sieht sich der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zufolge seiner verfassungsrechtlichen Funktion als in erster Linie ein Organ der Rechtmäßigkeitskontrolle nach ständiger Rechtsprechung (vgl. z.B. zuletzt VwSen-240023 vom 25.2. 1992) nicht dazu veranlaßt, ein solcherart fehlendes Ermittlungsverfahren der belangten Behörde zu substituieren.

4.3. Wurde der Beschwerdeführer aber aus den genannten Gründen in seinem Recht auf rechtliches Gehör, durch das materielle Übergehen der I. Instanz darüber hinaus aber auch in seinem Recht auf den gesetzlichen Richter (vgl. in diesem Sinne zuletzt VfGH v. 1.10.1991, B 976/90) verletzt, war das angefochtene Straferkenntnis gemäß § 51e Abs. 1 VStG aufzuheben. Ob und inwieweit die belangte Behörde das Strafverfahren weiterzuführen oder im Hinblick auf eine allenfalls zwischenzeitlich eingetretene Verjährung einzustellen hat, hat diese aus eigenem zu beurteilen.

5. Bei diesem Verfahrensergebnis war dem Beschwerdeführer gemäß den §§ 65 und 66 VStG weder ein Beitrag zu den Kosten des erstbehördlichen Verfahrens noch zu den Kosten des Verfahrens vor dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorzuschreiben. Auf die Vorschrift des § 37a Abs. 5 VStG, wonach die vorläufige Sicherheit frei wird, wenn nicht binnen drei Monaten gemäß § 37 Abs. 5 VStG deren Verfall ausgesprochen wird, wird die belangte Behörde hingewiesen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

H i n w e i s :

Gegen diesen Bescheid kann von den Parteien des Verfahrens (§ 51d VStG) innerhalb von sechs Wochen ab Zustellung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. G r o f