Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-230053/4/Bi/Fb

Linz, 08.07.1993

VwSen - 230053/4/Bi/Fb Linz, am 8. Juli 1993 DVR.0690392 - &

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufung der Anita E, vom 21. April 1992 gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Linz vom 6. April 1992, St.10.907/91-B, zu Recht:

I. Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren diesbezüglich eingestellt.

II. Es entfällt die Verpflichtung zur Leistung jeglicher Verfahrenskostenbeiträge.

Rechtsgrundlage: zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 45 Abs.1 Z.1 und 51 VStG, Art.IX Abs.1 Z.1 iVm Art.IX Abs.1 EGVG.

zu II.: § 66 VStG.

Entscheidungsgründe:

zu I.: 1. Die Bundespolizeidirektion Linz hat mit Straferkenntnis vom 6. April 1992, St.10.907/91-B, über Frau Anita E wegen der Verwaltungsübertretung gemäß Art.IX Abs.1 Z.1 iVm Art.IX Abs.1 EGVG eine Geldstrafe von 400 S und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 36 Stunden verhängt, weil sie am 4. Oktober 1991 von 9.50 Uhr bis 10.03 Uhr in Linz, Promenade, sogenannte Landhauszufahrt, durch ein Verhalten, welches objektiv geeignet ist, Ärgernis zu erregen, die Ordnung an einem öffentlichen Ort gestört und bei Personen Unmut hervorgerufen hat, indem sie im Verlauf einer Wahlveranstaltung zusammen mit H Thomas, Mag. K Sibille, J Martina und O Stefan diverse Veranstaltungsteilnehmer wider deren Willen und trotz deren abwehrender Haltung fortgesetzt fotografiert hat.

Gleichzeitig wurde sie zur Leistung eines Verfahrenskostenbeitrages von 40 S verpflichtet.

2. Dagegen hat die Rechtsmittelwerberin rechtzeitig Berufung erhoben, die seitens der Erstinstanz dem unabhängigen Verwaltungssenat ohne Berufungsvorentscheidung vorgelegt wurde. Damit wurde die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates ausgelöst, der, da keine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch ein Einzelmitglied zu entscheiden hat (§ 51c VStG). Die Durchführung einer öffentlichen mündichen Berufungsverhandlung erwies sich als nicht notwendig, da aus der Aktenlage ersichtlich ist, daß der angefochtene Bescheid aufzuheben ist (§ 51e Abs.1 VStG).

3. Die Rechtsmittelwerberin macht im wesentlichen geltend, nicht ihr Verhalten sei geeignet gewesen, die Ordnung an einem öffentlichen Ort zu stören, sondern vielmehr das Verhalten einiger Versammlungsteilnehmer, die erst die Störung der Veranstaltung verursachten. Fotografieren im öffentlichen Raum ohne die Absicht, die Fotos zu anderen als privaten Zwecken zu gebrauchen, würde von der Rechtsordnung gebilligt. Sie sei jedoch von Versammlungsteilnehmern aufs Gröbste beschimpft und beleidigt und von einer Teilnehmerin sogar tätlich angegriffen sowie von anderen Teilnehmern an den Haaren gerissen worden. Sie habe das als Angriff auf ihre Person und nicht als gegenteilige Willensäußerung und in einem Rechtsstaat zulässige abwehrende Handlungen verstanden. Die Zeugin Isolde P sei auf sie zugerannt, habe ihr mit der Hand die Kamera mit Wucht gegen die Nase geschleudert, wovon sie eine nicht unerhebliche Prellung des Nasenbeins erlitt, habe sich dann aber bei ihr entschuldigt und diese Handlung mit einer heftigen Gemütsbewegung zu erklären versucht, sodaß sie schließlich von einer Anzeige wegen Körperverletzung abgesehen habe. Zur Richtigkeit ihrer Angaben beantragt die Rechtsmittelwerberin die Einvernahme von insgesamt sechs Zeugen, sowie Gegenüberstellung mit den Zeugen K und R sowie Einstellung des Verfahrens, bei dem sie aus ihrer Sicht Opfer und nicht Täter sei.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den erstinstanzlichen Verfahrensakt St.10.907/91-B der Bundespolizeidirektion Linz.

4.1. Zusammenfassend ist von folgendem Sachverhalt auszugehen: Am 4. Oktober 1991 fand anläßlich der oberösterreichischen Landtags- und Gemeinderatswahlen auf der Landhauszufahrt vor der Promenade eine Wahlveranstaltung der FPÖ statt. Vor dem Landhaustor befand sich eine Rednertribüne, vor der etwa 300 bis 400 Zuhörer versammelt waren. Kurz nach Beginn der Veranstaltung begannen laut Anzeige 5 Personen, darunter die Rechtsmittelwerberin, die den Rednern zuhörenden Personen aus einer Entfernung von etwa 1 m bis 2 m im Profil zu fotografieren, wobei Personen, die nicht fotografiert werden wollten und die Hand vor das Kameraobjektiv oder sich zB einen Werbeprospekt vor das Gesicht hielten, von einem anderen Fotografen aufgenommen wurden. Schließlich forderten mehrere Zuhörer die anwesenden Polizeibeamten, insbesondere den Meldungsleger Oberst Alfred P, auf, die Belästigungen abzustellen.

Im Rahmen des vor der Bundespolizeidirektion Linz durchgeführten Verfahrens wegen Übertretung des Art.IX Abs.1 Z.1 EGVG wurden mehrere Personen, offensichtlich Zuhörer der Veranstaltung, zeugenschaftlich einvernommen, die im wesentlichen die Schilderungen in der Anzeige bestätigten, ohne konkret die Rechtsmittelwerberin oder eine der sonst angezeigten Personen beim Namen zu nennen. Die Zeugin Isolde P bestätigte, daß eine Frau sie aus der Nähe fotografieren wollte, weshalb sie ihr die Kamera mit der Hand zur Seite geschoben habe. Die Frau habe mächtig aufgeschrien und einem anderen Fotografen zugerufen, er solle das fotografieren. Die Frau habe behauptet, sie hätte sie verletzt, habe es dann aber gegenüber dem Polizeibeamten abgelehnt, zum Amtsarzt zu gehen.

Aus der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses geht hervor, die Behörde habe keine Veranlassung, an den klaren Aussagen der Zeugen P, K und R zu zweifeln, zumal diese als Zeugen an die Wahrheitspflicht gebunden seien. Die Aussagen seien schlüssig, widerspruchsfrei und übereinstimmend zu den Feststellungen der einschreitenden Sicherheitswachebeamten. Das Verhalten der Rechtsmittelwerberin sei zweifelsfrei geeignet gewesen, bei Veranstaltungsteilnehmern Ärgernis hervorzurufen, und habe auch tatsächlich Unruhe unter den Veranstaltungsgästen verursacht und eine Beeinträchtigung des normalen Veranstaltungsablaufes zufolge gehabt. Die Einvernahme weiterer Zeugen sei aufgrund des ausreichend geklärten Sachverhaltes nicht zweckmäßig, sondern würde lediglich der Verfahrensverschleppung dienen.

4.2. Vonseiten des unabhängigen Verwaltungssenates ist dazu folgendes auszuführen:

Gemäß Art.IX Abs.1 Z.1 EGVG begeht eine Verwaltungsübertretung, wer durch ein Verhalten, das Ärgernis zu erregen geeignet ist, die Ordnung an öffentlichen Orten stört.

Nach der Aktenlage bestand das zu beurteilende Verhalten der Rechtsmittelwerberin darin, daß sie während einer Wahlrede im Rahmen einer Parteiveranstaltung mit einem Fotoapparat in der Hand zwischen den Zuhörern herumging und einige Personen aus einer geringen Entfernung fotografiert hat, obwohl manche Personen versucht haben, dies durch Vorhalten von zB Prospekten oder Verdecken der Linse zu verhindern.

Grundsätzlich ist dazu auszuführen, daß im Fotografieren von Personen, die einer Rede lauschen, für sich allein noch nicht eine Handlung zu erblicken ist, die bei unbefangenen Menschen "die lebhafte Empfindung des Unerlaubten und Schändlichen hervorzurufen geeignet ist". Im europäischen Kulturkreis - ein anderer war nicht betroffen - ist es durchaus üblich, Personen zB im Zuge einer Besichtigung oder eines besonderen Ereignisses auch aus der Nähe zu fotografieren, ohne diese vorher zu fragen; es aber auch zu unterlassen, wenn diese Personen ihr Nicht-Einverständnis kundtun. Dabei handelt es sich nach Auffassung des unabhängigen Verwaltungssenates jedoch um einen reinen Akt der Höflichkeit; ein Verbot des Fotografierens schlechthin läßt sich aus gesetzlichen Bestimmungen nicht ableiten. Auch § 78 des Urheberrechtsgesetzes betrifft lediglich den Mißbrauch des (bereits existenten) Bildnisses, mit dem Zweck, die Bloßstellung einer Person, die Preisgabe ihres Privatlebens bzw. eine Benützung des Bildnisses, die entwürdigend oder herabsetzend wirkt, zu verhindern. Daß die Rechtsmittelwerberin überhaupt ein Foto angefertigt hat bzw. was sie mit den Fotos ihr offensichtlich persönlich unbekannter Passanten tatsächlich beabsichtigt hat, geht aus dem Akteninhalt nicht hervor und ist auch nicht hier zu erörtern.

Auch wenn - was die Rechtsmittelwerberin nicht bestreitet - sie durch das Fotografieren die Reaktion der Veranstaltungsteilnehmer ausgelöst hat, nämlich, daß diese versuchten, die Kamera mit der Hand wegzuschieben oder sich Gegenstände vor das Gesicht zu halten, kann darin ein die öffentliche Ordnung störendes Verhalten nicht erblickt werden. Die Überreaktion der Zeugin P, die offensichtlich durch ihre Abwehrbewegung die Rechtsmittelwerberin im Gesicht verletzt hat, ist nicht der Rechtsmittelwerberin sondern der Zeugin zuzurechnen. Daß die Rechtsmittelwerberin "mächtig aufgeschrien" und einem danebenstehenden Fotografen zugerufen hat, er müsse das festhalten, kann ihr wohl nicht zum Vorwurf gemacht werden.

Zusammenfassend ist auszuführen, daß das Verhalten der Rechtsmittelwerberin nach der Aktenlage bewirkt hat, daß die Aufmerksamkeit der Zuhörer von den Wahlrednern kurzzeitig abgelenkt wurde; die Schaffung eines geordneten Verhältnissen an einem öffentlichen Ort widersprechenden Zustandes kann ihr aber nicht zur Last gelegt werden. Möglicherweise wurden durch ihr Verhalten die fotografierten Personen - wie im Fall der Zeugin P zu einer "Überreaktion" im Sinne einer überschreitenden Abwehrhaltung provoziert; sollte sich die Reaktion der Veranstaltungsteilnehmer tatsächlich, so wie im Rechtsmittel geschildert, abgespielt haben, erübrigte es sich, auf den Begriff "öffentliche Ordnung" einzugehen.

Aus dem erstinstanzlichen Verfahrensakt ergibt sich, daß die Zeugenprotokolle R, K, P und Ö offensichtlich in zwei weiteren Verwaltungsstrafverfahren gegen ebenfalls in diesem Zusammenhang angezeigte Personen verwendet wurden, wobei die jeweiligen Zeugenaussagen sehr pauschal gehalten sind und im wesentlichen den Ablauf der Veranstaltung wiedergeben, ohne konkrete Namen zu nennen. Insbesondere ist nur von den "Fotografen" und einer "Frau" die Rede; ob es sich dabei um die Rechtsmittelwerberin oder um die ebenfalls angezeigte Mag. Sibille K gehandelt hat, geht aus dem Protokoll nicht hervor.

Auf der Grundlage der oben angestellten Überlegungen war spruchgemäß zu entscheiden.

zu II.: Der Entfall der Verfahrenskosten stützt sich auf die zitierte Gesetzesbestimmung.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist eine weitere Berufung unzulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden. Sie muß von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Beilagen Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Mag. Bissenberger 6

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