Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-230072/20/Gf/Hm

Linz, 10.11.1992

VwSen-230072/20/Gf/Hm Linz, am 10. November 1992 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch seine Kammer unter dem Vorsitzenden Dr. Kurt Wegschaider sowie den Berichter Dr. Alfred Grof und Dr. Gustav Schön als Stimmführer über die Berufung der W, gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Linz vom 22. April 1992, Zl. St-10375/91-B, nach der am 9. November 1992 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird gemäß § 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG insoweit stattgegeben, als die verhängte Geldstrafe auf 22.000 S und die Ersatzfreiheitsstrafe auf 5 Tage herabgesetzt werden; im übrigen wird diese hingegen abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis mit der Maßgabe bestätigt, daß in dessen Spruch die Wortfolge "Aufund Abgehen, Ansprechen von männlichen Passanten und PKW-Lenkern, sowie" zu entfallen hat.

II. Gemäß § 64 Abs. 1 und 2 VStG hat die Berufungswerberin einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde in Höhe von 2.200 S binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu leisten.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e: / 1.1. Mit Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Linz vom 22. April 1992, Zl. St-10375/91-B, wurde über die Berufungswerberin eine Geldstrafe von 40.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe: 28 Tage) verhängt, weil sie sich am 27. September 1991 gegen 21.10 Uhr vor dem Hause Pfarrplatz Nr. 4 in Linz durch Auf- und Abgehen, Ansprechen von männlichen Passanten und PKW-Lenkern sowie durch die Vereinbarung eines entgeltlichen Geschlechtsverkehrs in einer solchen Weise verhalten habe, die auf die Anbahnung von Beziehungen zur sexuellen Befriedigung zu Erwerbszwecken abgezielt hätte; dadurch habe sie eine Übertretung des § 2 Abs. 3 lit. a des O.ö. Polizeistrafgesetzes, LGBl.Nr. 36/1979, zuletzt geändert durch LGBl.Nr. 94/1985 (im folgenden: OöPolStG), begangen, weshalb sie gemäß § 10 Abs. 1 lit. b OöPolStG zu bestrafen gewesen sei.

1.2. Gegen dieses der Berufungswerberin am 27. April 1992 zugestellte Straferkenntnis richtet sich die vorliegende, am 8. Mai 1992 - und damit rechtzeitig - zur Post gegebene Berufung.

2.1. Im angefochtenen Straferkenntnis führt die belangte Behörde begründend aus, daß es aufgrund der Aussagen der anzeigenden Sicherheitswachebeamten und des Kunden der Berufungswerberin einerseits als erwiesen anzusehen sei, daß sie durch Auf- und Abgehen, durch Ansprechen männlicher Passanten und PKW-Lenker sowie durch die Vereinbarung eines entgeltlichen Geschlechtsverkehrs zum Vorfallszeitpunkt die Prostitution anzubahnen gesucht hätte und daß es sich dabei andererseits zweifelsfrei um die amtsbekannte Berufungswerberin und nicht etwa um eine andere Prostituierte gehandelt hätte. Bei der Strafbemessung, bei der die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse der Berufungswerberin (kein Einkommen, kein Vermögen, keine Sorgepflichten) berücksichtigt worden seien, hätten mehrere einschlägige rechtskräftige Vorstrafen als erschwerend gewertet werden müssen, während mildernde Umstände nicht hervorgekommen wären.

2.2. Dagegen bringt die Berufungswerberin vor, daß nicht sie, sondern eine andere Person die ihr zur Last gelegte Verwaltungsübertretung begangen habe und sich der Schuldspruch der belangten Behörde lediglich auf Vermutungen stütze; im übrigen würde eine Strafbemessung in der von der belangten Behörde festgesetzten Höhe einer Aufforderung gleichkommen, das von ihr früher ausgeübte "Gewerbe" wieder aufzunehmen. + Aus allen diesen Gründen wird die Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnisses beantragt.

3. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt der Bundespolizeidirektion Linz zu Zl. III-St-10375/91-B sowie im Wege der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung, zu der als Parteien der Vertreter des Rechtsvertreters der Berufungswerberin, Dr. Johann R, sowie Dr. Johann B als Vertreter der belangten Behörde und die Zeugen RI Mario H und Rebecca B erschienen sind. Der Aufenthaltsort des Zeugen Mu, der dreimal zu laden versucht wurde, konnte letztlich nicht ausfindig gemacht werden, weshalb gemäß § 51g Abs. 3 Z. 1 VStG seine im Verfahren vor der belangten Behörde abgelegten Aussage zu verlesen war.

Im Zuge dieser Beweisaufnahme wurde folgender entscheidungswesentlicher Sachverhalt festgestellt:

Am 27. September 1992 hielt sich die Berufungswerberin gegen 21.00 Uhr gemeinsam mit der amtsbekannten Prostituierten Anna P vor dem Haus Pfarrplatz Nr. 4 in Linz auf. Gegen 21.00 Uhr versuchten beide, mit dem mit seinem PKW auf sie zugekommenen Zeugen M einen Geschlechtsverkehr gegen Entgelt zu vereinbaren. Da jedoch hinsichtlich der Höhe des Entgelts keine Einigung erzielt werden konnte, entfernten sich die beiden Damen wieder vom PKW und gingen in Richtung Rathausgasse weiter.

Diese Sachverhaltsfeststellungen gründen sich auf die im wesentlichen übereinstimmenden und jeweils glaubwürdigen sowie in sich schlüssigen Aussagen der Zeugen H und Y; soweit diesen die Berufungswerberin und die einvernommene Zeugin Bektas widersprechen, war ihnen schon deshalb nicht zu folgen, da zwischen der Berufungswerberin und der Zeugin aufgrund der im Akt erliegenden Photos keine Ähnlichkeit in deren Aussehen festgestellt werden konnte und daher auch kein Grund für die Annahme bestand, daß einerseits der Zeuge H die ihm bereits von mehreren früheren Amtshandlungen her bekannte Berufungswerberin mit der Zeugin B verwechselt haben könnte und dies andererseits gleichzeitig auch auf den Zeugen Y zutrifft.

4. In der Sache selbst hat der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erwogen:

4.1. Gemäß § 2 Abs. 3 lit. a i.V.m. § 10 Abs. 1 lit. b OöPolStG begeht derjenige eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu 200.000 S zu bestrafen, der sich an einem öffentlichen Ort in einer Weise verhält, die auf die Anbahnung der Prostitution abzielt.

Unter "Prostitution" ist nach § 2 Abs. 1 OöPolStG die Anbahnung oder Ausübung von Beziehungen zur sexuellen Befriedigung anderer Personen zu Erwerbszwecken zu verstehen.

4.2. Indem die Berufungswerberin - wie vom O.ö. Verwaltungssenat festgestellt werden konnte - vor dem Hause Pfarrplatz Nr. 4 in Linz versuchte, mit einem potentiellen Kunden einen entgeltlichen Geschlechtsverkehr zu vereinbaren, hat sie tatbestandsmäßig i.S.d. § 2 Abs. 3 lit. a OöPolStG gehandelt.

Für den Tatvorwurf, daß die Berufungswerberin auch durch das Auf- und Abgehen und das Ansprechen von Passanten sowie anderer PKW-Lenker als den Zeugen die Prostitution anzubahnen gesucht hätte, ergab sich hingegen weder aus dem von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakt, insbesondere nicht in der in diesem erliegenden Anzeige der einschreitenden Sicherheitswachebeamten, noch aus den Aussagen der Berufungswerberin und des einvernommenen Zeugen ein entsprechender Anhaltspunkt. Der diesbezügliche Tatvorwurf - wobei insoweit im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses überdies klarzustellen gewesen wäre, ob es sich hiebei um Unbeteiligte handelte oder nicht - konnte sohin nicht verifiziert werden.

4.3. Indem die Berufungswerberin dieses Verhalten an den Tag legte, obwohl sie um dessen Rechtswidrigkeit schon von früheren gegen sie geführten gleichartigen Verwaltungsstrafverfahren wissen mußte, hat sie vorsätzlich und damit auch schuldhaft gehandelt.

Die belangte Behörde ist daher im Ergebnis zu Recht von der Strafbarkeit der Berufungswerberin ausgegangen.

4.4.1. Hinsichtlich der Strafbemessung führt die belangte Behörde zunächst im Hinblick auf die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse der Berufungswerberin aus, diese ihren Angaben gemäß - nämlich: kein Einkommen, kein Vermögen, keine Sorgepflichten - berücksichtigt zu haben. Eine derart triste finanzielle Lage der Berufungswerberin würde damit aber von vornherein die Verhängung einer nur geringen Strafe bedingen. Davon kann aber offensichtlich nicht die Rede sein, wenn die belangte Behörde den gesetzlichen Strafrahmen zu einem Fünftel ausgeschöpft und eine Geldstrafe von 40.000 S verhängt hat. Vielmehr bedürfte es schon des Vorliegens besonderer Umstände, die die Verhängung einer derart gravierenden Strafe zu rechtfertigen vermögen.

4.4.2. Der O.ö. Verwaltungssenat verkennt dabei keineswegs das Bemühen der belangten Behörde, die Verunzierung des Zentrums des Linzer Stadtgebietes durch das Animationsgehabe von Prostituierten zu unterbinden, und ist mit dieser weiters einer Meinung, daß - (u.a.) auch eine rigorose Anwendung des Verwaltungsstrafrechts ein diesbezüglich zielführendes Mittel darstellen kann. Gleichwohl darf hiebei nicht übersehen werden, daß sich die praktische Umsetzung dieser generellen rechtspolitischen Zielvorgabe im jeweiligen Einzelfall stets nur innerhalb der rechtlich vorgegebenen Grenzen bewegen darf.

4.4.2.1. Eine derartige Beschränkung verkörpert insbesondere die Anordnung des § 19 Abs. 1 VStG, wonach das Ausmaß der Schädigung der durch die Strafdrohung geschützen öffentlichen Interessen die Grundlage der Strafbemessung bildet, sowie § 19 Abs. 2 zweiter Satz VStG, wonach bei dieser auf das Ausmaß des Verschuldens besonders Bedacht zu nehmen ist. Durch dieses die speziellen Umstände des Einzelfalles als stets besonders berücksichtigungswürdig anzusehende Gebot im Zuge der Festsetzung der Strafhöhe ist sohin die generelle rechtspolitische Intention der Behörde der Bekämpfung des Prostitutionsunwesens mittels rigoroser Handhabung der vom Verwaltungsstrafrecht gebotenen Möglichkeiten schon von vornherein gesetzlich beschränkt.

Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, daß die Berufungswerberin zwar - wie oben unter 4.3. festgestellt - vorsätzlich gehandelt hat und ihr somit eine gesteigerte Schuldform vorzuwerfen ist; der O.ö. Verwaltungssenat vermag jedoch die Meinung der belangten Behörde, daß es sich bei der der Berufungswerberin konkret zur Last gelegten Tat - nämlich der Vereinbarung eines entgeltlichen Geschlechtsverkehrs mit einem PKW-Len ker - um eine "schwere" Verwaltungsübertretung handelt, nicht zu teilen: Zum einen ereignete sich der Vorfall zu spätabendlicher Stunde, sodaß er - nur für eine sehr eingeschränkte Öffentlichkeit wahrzunehmen war; zum anderen ist - auch - der Zeuge in der vorgefaßten Absicht, mit ihr einen entgeltlichen Geschlechtsverkehr zu vereinbaren, auf die Berufungswerberin zugekommen, sodaß durch deren Verhalten tatsächlich nicht - wie es aber dem Schutzzweck des § 2 Abs. 3 OöPolStG entsprechen würde ein Unbeteiligter belästigt, gestört, etc. wurde.

Als erschwerend waren überdies nicht - wie die belangte Behörde in der Begründung ihres Straferkenntnisses anführt - "mehrfache", sondern lediglich zwei einschlägige, zudem bereits vier Jahre zurückliegende Vormerkungen zu werten.

4.4.2.2. Eine weitere Schranke ergibt sich daraus, daß § 10 Abs. 1 lit. b OöPolStG für die vorliegende Tat als Strafdrohung eine Geldstrafe bis 200.000 S und lediglich im Falle ihrer Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe bis zu sechs Wochen, also keine primäre Freiheitsstrafe vorsieht. Damit ist unter Einbeziehung des § 16 Abs. 2 VStG - wonach die Ersatzfreiheitsstrafe ohne Bedachtnahme auf die in § 12 VStG aufgestellten Kriterien stets nach den allgemeinen Kriterien der Strafbemessung festzusetzen ist - der gesetzgeberische Wille, daß die Behörde für dieses Delikt einerseits zwar eine hohe Geldstrafe verhängen, andererseits aber im Falle einer Zahlungsunfähigkeit den Täter nicht unverhältnismäßig i.S.

des Art. 1 Abs. 3 des Bundesverfassungsgesetzes über den Schutz der persönlichen Freiheit, BGBl.Nr. 684/1988 (im folgenden: PersFrG), belasten können soll, offenkundig: Die durch den Gesetzgeber im Wege des Art. 2 Abs. 1 Z. 1 PersFrG i.V.m. § 10 Abs. 1 lit. b OöPolStG prinzipiell eröffnete Möglichkeit des Eingriffes in die persönliche Freiheit - eines der höchsten verfassungsmäßig geschützten Rechtsgüter des einzelnen (vgl. auch VwSlg 10.801 A/1982, wonach die Geldstrafe im Verhältnis zur Freiheitsstrafe für den Beschuldigten von vornherein als die jedenfalls günstigere Strafart anzusehen ist) - ist sohin für die Behörde gleichzeitig mit der Bedingung verbunden, die Ersatzfreiheitsstrafe im konkreten Fall jeweils jener Relation entsprechend festzusetzen, die durch das Verhältnis der höchstmöglichen Geldstrafe zur höchstmöglichen Ersatzfreiheitsstrafe vorgegeben ist. Daraus folgt aber, daß es der belangten Behörde selbst in jenen Fällen, in denen nach ihrer Meinung ein Mißverhältnis in der Relation zwischen Geld- und Ersatzfreiheitsstrafe besteht und die Zahlungsunfähigkeit des Täters von vornherein offensichtlich ist, von Gesetzes wegen dennoch nicht zukommt, eine - relativ besehen: zu - hohe Ersatzfreiheitsstrafe festzulegen, um auf diese Weise denselben spezialpräventiven Effekt wie im Normalfall durch die Verhängung einer hohen Geldstrafe sicherzustellen.

4.4.3. Aus allen diesen Gründen erachtet der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich daher vielmehr die Verhängung einer Geldstrafe von 22.000 S in gleicher Weise als tat- und schuldangemessen (vgl. hiezu auch VwSen-230095 v. 1.9.1992 und VwSen-230037 v. 9.11.1992).

Die Bezahlung dieser Geldstrafe kann der Berufungswerberin - jedenfalls (auf ihren Antrag hin) im Ratenwege (vgl. § 54b Abs. 3 VStG) - nach Ansicht des O.ö. Verwaltungssenates auch zugemutet werden; auf die Bestimmung des § 14 Abs. 1 VStG, wonach Geldstrafen nur insoweit zwangsweise eingebracht werden dürfen, als dadurch der notwendige Unterhalt der Bestraften nicht gefährdet wird, wird hingewiesen.

4.5. Der vorliegenden Berufung war somit im Ergebnis gemäß § 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG insoweit stattzugeben, als die verhängte Geldstrafe mit 22.000 S und die Ersatzfreiheitsstrafe gemäß der durch § 10 Abs. 1 lit. b OöPolStG i.V.m. § 16 Abs. 2 VStG vorgegebenen Relation mit 5 Tagen festgesetzt wird; im übrigen war diese hingegen abzuweisen und das angefochtene Straferkenntnis mit der Maßgabe zu bestätigen, daß in dessen Spruch die Wortfolge "Auf- und Abgehen, Ansprechen von männlichen Passanten und PKW-Lenkern, sowie" zu entfallen hat.

5. Bei diesem Verfahrensergebnis war der Berufungswerberin gemäß § 64 Abs. 1 und 2 VStG ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde in Höhe von 10% der verhängten Geldstrafe, d.s. 2.200 S, vorzuschreiben; die Vorschreibung eines Kostenbeitrages zum Berufungsverfahren vor dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hatte hingegen gemäß § 65 VStG zu unterbleiben.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

H i n w e i s:

Gegen diesen Bescheid kann von den Parteien des Verfahrens (§ 51d VStG) innerhalb von sechs Wochen ab Zustellung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden; diese muß von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. Wegschaider 6

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