Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-230110/5/Gf/Hm

Linz, 01.09.1992

VwSen-230110/5/Gf/Hm Linz, am 1. September 1992 DVR.0069264

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch seine Kammer unter dem Vorsitz von Dr. Ilse Klempt sowie den Berichter Dr. Alfred Grof und Dr. Gustav Schön als Stimmführer über die Beschwerde der R, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Linz-Land vom 16. Juli 1992, Zl. Pol-96/261/1991-Fu, zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird gemäß § 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG insoweit stattgegeben, als die verhängte Geldstrafe auf 10.000 S und die Ersatzfreiheitsstrafe auf 50 Stunden herabgesetzt werden; im übrigen wird diese hingegen abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis bestätigt.

II. Gemäß § 64 Abs. 1 und 2 VStG hat die Beschwerdeführerin einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde in Höhe von 1.000 S binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu leisten.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:

1.1. Mit Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Linz-Land vom 16. Juli 1992, Zl. Pol-96/261/1991-Fu, wurde über die Beschwerdeführerin eine Geldstrafe von 27.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe: 16 Tage) verhängt, weil sie sich am 29. Juni 1991 durch das Führen von Gesprächen mit Passanten und anhaltenden KFZ-Lenkern sowie durch die konkrete Vereinbarung eines entgeltlichen Geschlechtsverkehrs in einer Weise verhalten habe, die auf die Anbahnung der Prostitution an einem öffentlichen Ort abzielt; dadurch habe sie die Bestimmung des § 2 Abs. 3 lit. a des O.ö. Polizeistrafgesetzes, LGBl.Nr. 36/1979, zuletzt geändert durch LGBl.Nr. 94/1985 (im folgenden: OöPolStG), verletzt, weshalb sie gemäß § 10 Abs. 1 lit. b OöPolStG zu bestrafen gewesen sei.

1.2. Gegen dieses der Beschwerdeführerin am 22. Juli 1992 zugestellte Straferkenntnis wendet sich die vorliegende, am 25. Juli 1992 - und damit rechtzeitig - zur Post gegebene und nur gegen die Höhe der verhängten Strafe gerichtete Beschwerde.

2.1. Die belangte Behörde führt im angefochtenen Straferkenntnis diesbezüglich begründend aus, daß das öffentliche Interesse an der Hintanhaltung der Belästigung von Unbeteiligten und der Störung des örtlichen Gemeinwesens durch das Verhalten der Beschwerdeführerin nicht unwesentlich geschädigt worden sei. Als straferschwerend seien sieben einschlägige Vorstrafen, als strafmildernd sei hingegen kein Umstand zu werten gewesen. Unter Berücksichtigung dieses nicht unbeträchtlichen Unrechtsgehaltes der Tat, des nicht geringfügigen Verschuldens sowie der Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse der Beschwerdeführerin erscheine die verhängte Geldstrafe sohin als tat- und schuldangemessen.

2.2. Dagegen bringt die Beschwerdeführerin vor, derzeit mit ihrer dreijährigen Tochter in einer 40m²-Wohnung zu leben und hiefür 4.200 S an monatlicher Miete entrichten zu müssen. An Sondernotstandshilfe habe sie bis zum 25. Juli 1992 pro Tag 216 S bezogen. Da sie ihre Tochter erst Anfang September 1992 in einen Kindergarten geben könne, könne sie erst ab diesem Zeitpunkt wieder zu arbeiten beginnen. Vom Vater ihrer Tochter erhalte sie eine monatliche Unterhaltszahlung von 1.500 S sowie Familienbeihilfe in Höhe von 1.400 S. Hieraus resultiere ein monatliches Einkommen von 9.380 S, dem in diesem Zeitraum jeweils Ausgaben zwischen 6.841,10 S und 7.541,10 S gegenüberstünden, sodaß ihr und ihrer Tochter nur etwa 2.500 S zum Leben verbleiben würden. Außerdem würden vier gerichtliche Exekutionsverfahren gegen sie laufen. Da sie sohin faktisch zahlungsunfähig sei, würde der damit drohende Vollzug der Ersatzfreiheitsstrafe notwendiger- weise dazu führen, daß sie ihre Tochter verliere, weil sie diese auch nicht zu deren Vater geben könnte. Schließlich sei die Beschwerdeführerin auch noch für ihren beiden Kinder aus erster Ehe sorgepflichtig, wofür sie jedoch aufgrund ihrer tristen finanziellen Lage beim besten Willen kein Geld aufbringen könne.

Aus allen diesen Gründen wird beantragt, die Höhe der verhängten Geldstrafe herabzusetzen.

3. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land zu Zl. Pol-96/261/1991-Fu; im übrigen konnte gemäß § 51e Abs. 2 VStG von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen werden.

4. In der Sache selbst hat der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erwogen:

4.1. Gemäß § 2 Abs. 3 lit. a i.V.m. § 10 Abs. 1 lit. b OöPolStG ist derjenige, der sich an einem öffentlichen Ort in einer Weise verhält, die auf die Anbahnung der Prostitution abzielt, mit Geldstrafe bis zu 200.000 S zu bestrafen.

Nach § 19 VStG bilden die Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, sowie der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Hiebei ist auf das Ausmaß des Verschuldens besonders Bedacht zu nehmen. Überdies sind die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe gegeneinander abzuwägen. Schließlich sind bei der Bemessung von Geldstrafen auch die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten zu berücksichtigen.

4.2. In der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses geht die belangte Behörde davon aus, daß die durch die Strafdrohung geschützten öffentlichen Interessen, nämlich die Hintanhaltung der Belästigung von Unbeteiligten sowie der Störung des örtlichen Gemeinwesens, durch die der Beschwerdeführerin zur Last gelegte Tat "nicht unwesentlich geschädigt" worden seien. Für den unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich ist nun weder nachvollziehbar, was mit der Formulierung "nicht unwesentlich" konkret gemeint ist, noch, als wie gravierend nun die Schädigung der rechtlich geschützten öffentlichen Interessen tatsächlich durch die belangte Behörde bewertet wurde. Gemäß § 19 VStG hat - weil es sich insoweit nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes um eine Ermessensentscheidung handelt (vgl. dazu die bei W. Hauer - O. Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 4. Auflage, Eisenstadt 1990, 788, angeführten Nachweise) - der Beschuldigte aber einen Anspruch darauf, daß die in dieser Bestimmung enthaltenen unbestimmten Gesetzesbegriffe durch eine in einer allgemein verständlichen Form vorgenommene und nachvollziehbare Auslegung sowie Subsumtion, die in der Begründung des Straferkenntnisses auch zum Ausdruck kommen muß, von der Behörde konkretisiert werden. Diesem Anspruch genügt die Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses jedenfalls insoweit nicht. Im übrigen ist auch in dem von der belangten Behörde durchgeführten Ermittlungsverfahren nicht hervorgekommen, daß - wie in der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses angeführt - durch die der Beschwerdeführerin konkret zur Last gelegte Tat, nämlich die Vereinbarung und beabsichtigte Ausübung eines Geschlechtsverkehrs im KFZ des potentiellen Kunden, unbeteiligte Personen belästigt oder gar das örtliche Gemeinwesen gestört worden wäre.

Wie die belangte Behörde zu dem Vorwurf kommt, daß der Beschwerdeführerin ein "nicht geringfügiges Verschulden" vorzuwerfen ist und was man darunter zu verstehen hat, ist anhand der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses zwar ebenfalls nicht nachzuvollziehen; aus dem von der belangten Behörde durchgeführten Ermittlungsverfahren ergibt sich jedoch, daß die Beschwerdeführerin die ihr zur Last gelegte Anbahnung der Prostitution vorsätzlich begangen hat, indem sie es durch ihr Verhalten bewußt darauf anlegte, mit einem Kunden einen entgeltlichen Geschlechtsverkehr zu vereinbaren. Der diesbezüglich von der belangten Behörde erhobene Vorwurf besteht sohin im Ergebnis zu Recht.

Was die von der belangten Behörde gegeneinander abgewogenen Erschwerungs- und Milderungsgründe betrifft, ergibt sich aus dem Verwaltungsakt, daß hinsichtlich der Beschwerdeführerin bis zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Straferkenntnisses nicht - wie von der belangten Behörde angenommen - sieben, sondern lediglich sechs rechtskräftige einschlägige Vormerkungen (mit einer Strafhöhe zwischen 10.000 S und 25.000 S) aufscheinen.

Zudem hat die belangte Behörde in diesem Zusammenhang über- sehen, daß die Beschwerdeführerin die Tat von Anfang an (siehe deren Rechtfertigung in der Anzeige des Wachzimmers Polizeidirektion vom 1. Juli 1991 sowie deren schriftliche Stellungnahme zur Aufforderung zur Rechtfertigung vom 5. November 1991) nicht bestritten hat, obwohl diese - insbesondere im Hinblick auf den tatbestandsmäßig geforderten Erwerbszweck - erst durch ihre Aus- sage (und die eines weiteren Zeugen, nicht aber allein durch die Angaben der Erhebungsbeamten) als erwiesen angesehen werden konnte; ein derartiges Geständnis ist aber nach dem gemäß § 19 Abs. 2 VStG sinngemäß anzuwendenden § 34 Z. 17 StGB als strafmil- dernd zu berücksichtigen.

Schließlich hat die Beschwerdeführerin anhand entsprechender Ausführungen und Unterlagen - die von der belangten Behörde in ihrer Gegenschrift jeweils unbestritten blieben - ihre derzeit tristen Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse dargetan (s.o., 2.2.).

Wie sich die belangte Behörde, die zwar richtig erkannt hat, daß die Möglichkeit der Erlassung einer Berufungsvorentscheidung gemäß § 51b VStG für sie keine Rechtspflicht begründet, sondern in ihrem Ermessen steht, anhand der vorangeführten Fakten dennoch "nicht veranlaßt" sehen konnte, "ihre Entscheidung abzuändern", bleibt dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich ebenso unverständlich wie der Umstand, daß sie eine Geldstrafe gerade in einer Höhe von 27.000 S verhängt hat. Diesbezüglich liegt die Vermutung nahe, daß mit einer Straffestsetzung in dieser Höhe in erster Linie die höchste der bisher einschlägigen Vormerkungen noch übertroffen werden sollte, nicht jedoch, daß - wie dies aber § 19 VStG, dem eine derartige Überbe- tonung des spezialpräventiven Aspektes nicht entnommen werden kann, fordert - bei der Strafbemessung dessen Kriterien auch tatsächlich (und nur) auf die der Beschwerdeführerin konkret zur Last gelegte Tat angewendet wurden.

4.3. Aus allen diesen vorangeführten Gründen erachtet der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich daher im Ergebnis vielmehr die Verhängung einer Geldstrafe von 10.000 S in gleicher Weise als tat- und schuldangemessen. In diesem Umfang war sohin der vorliegenden Beschwerde gemäß § 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG stattzugeben, wobei die Ersatzfreiheitsstrafe gemäß der durch § 10 Abs. 1 lit. b OöPolStG i.V.m. § 16 Abs. 2 VStG vorgegebenen Relation mit 50 Stunden festzusetzen war.

Die Bezahlung dieser Geldstrafe kann der Beschwerdeführerin - jedenfalls (auf ihren Antrag hin) im Ratenwege (vgl. § 54b Abs. 3 VStG) - nach Ansicht des O.ö. Verwaltungssenates auch zugemutet werden; auf die Bestimmung des § 14 Abs. 1 VStG, wonach Geldstrafen nur insoweit zwangsweise eingebracht werden dürfen, als dadurch weder der notwendige Unterhalt der Bestraften selbst noch solcher Personen, zu deren Unterhalt diese gesetzlich verpflichtet ist, gefährdet wird, wird hingewiesen.

5. Bei diesem Verfahrensergebnis war der Beschwerdeführerin gemäß § 64 Abs. 1 und 2 VStG ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde in Höhe von 10% der verhängten Geldstrafe, d.s. 1.000 S, vorzuschreiben; die Vorschreibung eines Kostenbeitrages zum Verfahren vor dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hatte hingegen gemäß § 65 VStG zu unterbleiben.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

H i n w e i s:

Gegen diesen Bescheid kann von den Parteien des Verfahrens (§ 51d VStG) innerhalb von sechs Wochen ab Zustellung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. Klempt 6

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