Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-230123/8/Br/La

Linz, 05.10.1992

VwSen - 230123/8/Br/La Linz, am 5. Oktober 1992 DVR.0690392 - &

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn L, gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Linz vom 15.6.1992, St. 2.187/92-B, wegen Übertretung des Grenzkontrollgesetzes und des Paßgesetzes, zu Recht:

I. Der Berufung wird hinsichtlich des Faktums 1) keine Folge gegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird bestätigt.

Hinsichtlich des Faktums 2) wird der Berufung insofern Folge gegeben, als gemäß § 21 Abs. 1 VStG von der Verhängung einer Strafe abgesehen wird.

II. Gemäß § 64 VStG (Faktum 1.) werden zuzüglich zu den Verfahrenskosten für das erstinstanzliche Verfahren für das Berufungsverfahren 80 S (20% der verhängten Strafe) auferlegt. Gemäß § 65 VStG (Faktum 2.) entfallen sämtliche Kostenbeiträge.

Rechtsgrundlage: § 2 Abs.1 iVm. § 15 Abs.1 des Grenzkontrollgesetzes 1969, BGBl.Nr. 423/1969 - GrenzkontrollG., § 22 Abs.1 des Paßgesetzes 1969, BGBl.Nr.422/1969 zuletzt geändert BGBl.Nr. 190/1990 - Paßgesetz § 66 Abs. 4 des allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl.Nr. 51/1991 iVm. § 21 Abs.1, § 24, § 51 Abs.1 und § 51e Abs.1 und hinsichtlich der Verfahrenskosten §§ 64, 65 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 - VStG, BGBl. Nr. 52/1991.

Entscheidungsgründe:

1. Der vorliegenden Berufung liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

1.1. Mit dem Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Linz vom 15.6.1992 Zl.: St.2.187/92-B, wurde der Berufungswerber schuldig erkannt, er habe am 25.1.1992 gegen 14.00 Uhr 1) die österreichisch-tschechische Staatsgrenze im Zuständigkeitsbereich der Zollwacheabteilung Ulrichsberg außerhalb eines Grenzüberganges, nämlich in der Nähe des Grenzsteines I/16, und somit an verbotener Stelle überschritten und habe er 2) bei der Einreise nach Österreich an der unter Punkt 1) genannten Örtlichkeit kein gültiges Reisedokument mitgeführt. Wider ihn wurde je eine Strafe von 400 S im Nichteinbringungsfall je 1 Tag Ersatzarrest, sowie 80 S (10% der Strafe) als Kostenbeitrag verhängt.

2. Gegen dieses Straferkenntnis wurde binnen offener Frist Berufung erhoben und führt der Berufungswerber diesbezüglich im wesentlichen aus; er sei der Meinung, er habe die Tat nicht so, wie in der Anzeige dargelegt, begangen. Er stelle daher den Antrag, der unabhängige Verwaltungssenat Oberösterreich möge den Bescheid wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufheben. Falls die Oberbehörde diesem Antrag keine Folge geben würde, stelle er in eventu den Antrag, die Oberbehörde möge den angefochtenen Bescheid dahingehend abändern, daß die Oberbehörde gemäß § 21 VStG von der Strafe absieht und eine Ermahnung mittels Bescheid ausspricht. Seinen Antrag begründe er damit, daß er grundsätzlich auf seine Angaben im Einspruch verweise. Diese erhalte er vollinhaltlich aufrecht. Gemäß § 15 Abs.1 des GrenzkontrollG. könne nur derjenige nach § 2 Abs.1 dieses Gesetzes bestraft werden, der die Tat vorsätzlich begehe. Der Nachweis des Vorsatzes obliege der Behörde und sei dies daher auf Grund eines ordentlichen Ermittlungsverfahrens zu beweisen. Der Zweck dieses Verfahrens sei die amtswegige Ermittlung des maßgebenden, relevanten Sachverhaltes. Die belangte Behörde habe offensichtlich zur Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes nur die Ausführungen des Herrn sowie einige Lichtbilder herangezogen. Seinen Ausführungen sei nicht geglaubt worden. Ein grober Verfahrensfehler sei vor allem in der Unterlassung der Vernehmung des Herrn T gelegen. Obwohl diese Vernehmung von ihm im Einspruch beantragt worden sei und seine Angaben von diesem Zeugen bestätigt werden könnten, sei diese nicht erfolgt und stelle dies eine grobe Verletzung der Objektivität dar. Anhand der ihm vorgezeigten Lichtbilder habe er nicht die Stelle des Grenzübertrittes erkennen können, noch seien diese Fotos mit einem Datum versehen gewesen. Falls diese Fotos zu einem späteren Zeitpunkt gemacht worden seien, seien sie als Beweismittel ungeeignet. Die Schneesituation war im Jänner jedenfalls anders als im April gewesen. Der Zaun sei an besagter Stelle offen gewesen. Falls ihm die Behörde vorwerfe, nicht die gehörige Aufmerksamkeit walten haben zu lassen, so könne ihm die Behörde nur Fahrlässigkeit nicht jedoch Vorsatz vorwerfen. Dies könne vielleicht auch dadurch erklärt werden, daß er nie die Absicht gehabt habe, irgendwelche Grenzverletzungen zu begehen. Er habe lediglich an der Stelle die Aussicht genießen wollen, wo sich bereits während des Tages immer wieder Schifahrer aufgehalten hätten und wohin schon mehrere Schispuren über eine offene Stelle eines Zaunes geführt hätten. Der Zaun habe jedenfalls nicht, wie die Behörde in der Begründung schreibe, daß ein Zaun (im Sinne eines Hindernisses) überwunden werden hätte müßen. Es sei wohl ein Zaun ersichtlich gewesen, dieser sei jedoch an besagter Stelle offen gewesen. Hinsichtlich des Paßgesetzes erwähne er, daß allein aus der Tatsache heraus, nicht die Absicht gehabt zu haben eine Staatsgrenze zu überqueren, er es nicht für notwendig erachtet hatte einen Paß mitzuführen. Es könne ihm diesbezüglich kein Schuldvorwurf gemacht werden. Aus diesem Grunde sei der Bescheid aufzuheben, in eventu gemäß § 21 VStG von einer Bestrafung abzusehen und eine Ermahnung mittels Bescheid auszusprechen.

3. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis aufgenommen durch Einsichtnahme in den Verwaltungsstrafakt der Bundespolizeidirektion Linz, Zl.: III-St.-2.187/92-B, die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung vor Ort, bei gleichzeitig erfolgter zeugenschaftlicher Vernehmung des Anzeigelegers, Insp.G und des L sowie die Vernehmung des Berufungswerbers als Verfahrenspartei.

4. Der in der öffentlich mündlichen Verhandlung erörterte, bisherige Gang des Verfahrens - die erstinstanzliche Entscheidungsgrundlage - , aber auch der ergänzend ermittelte Sachverhalt, lassen die Begehung der zur Last gelegten Verhaltensweise als erwiesen erscheinen.

4.1. Dies ergibt sich aus der Tatsache, daß es sich bei dem die Staatsgrenze markierenden Zaun um eine "unübersehbare Barriere" handelt. Schon alleine auf Grund der Tatsache, daß der Berufungswerber sich bereits mehrfach an dieser Örtlichkeit aufgehalten hatte und ihm grundsätzlich die Grenznähe bekannt gewesen ist, konnte ihm auch die Bedeutung des Zaunes als Staatsgrenze nicht verborgen geblieben sein. Bei diesem Zaun handelt es sich, wie auch im Verfahrensakt mit der Realität übereinstimmend dargelegt, um eine sich über ca. 150 Meter erstreckende, ca. 15 Meter hinter der Liftanlage verlaufende Markierung. Diese besteht in Form von ca. 3 Meter hohen, ca. 10 cm dicken, rot-weiß-rot gefärbten Holzstangen, welche mit 2 bzw. teilweise 3 kunststoffüberzogenen Drahtseilen verspannt sind. An diesem Zaun sind drei gut sichtbare Tafeln mit dem Hinweis "Staatsgrenze" angebracht. Selbst wenn dem Berufungswerber im Sinne seiner Verantwortung gefolgt würde, nämlich, daß ihm diese "Anlage" nicht als Markierung der Staatsgrenze bewußt geworden sei und er über den genauen Grenzverlauf nicht Kenntnis gehabt hätte, so ist dem entgegenzuhalten, daß er durch das Überschreiten dieses Zaunes den Grenzübertritt in Kauf genommen hat, indem wenigstens mit der Möglichkeit des Verlaufes der Staatsgrenze unmittelbar hinter dem Zaun zu rechnen gewesen ist und dem Berufungswerber die Grenznähe gemäß seiner eigenen Verantwortung auch bekannt war. Das Motiv des Überschreitens des Zaunes lag in der Absicht die Aussicht auf den Moldaustausee genießen zu wollen. Beim Entschluß, an die diesen Ausblick ermöglichende Stelle zu gelangen, mußte der Berufungswerber die Verwirklichung des zur Last liegenden Verhaltens - den Grenzübertritt wenigstens als ernsthaft möglich gehalten haben und dabei dieser in Kauf genommen worden sein. Der Berufungswerber war sich einerseits der Grenznähe bewußt, andererseits wurde der Zaun ganz bewußt überwunden. Dem Berufungswerber kann daher in seiner Verantwortung nicht gefolgt werden, wenn er meint, er habe diesen Zaun nicht mit der Staatsgrenze in Verbindung gebracht. Dem Zaun kann von seiner Beschaffenheit keine andere Funktion zugeordnet werden. Eine weitere Bestätigung erfährt diese Würdigung der Beweislage durch die Angaben des Zeugen, Insp. Dieser Zeuge vermochte anläßlich seiner Vernehmung den Eindruck zu vermitteln, daß er den von ihm angezeigten Vorfall noch lebhaft in Erinnerung hat. Der Berufungswerber habe ua. ihm gegenüber erklärt "es wären ja auch andere Leute schon drüben gewesen und ich solle doch nicht so kleinlich sein." Diese Aussage, an deren Richtigkeit kein Zweifel gehegt werden kann, belegt, daß der Berufungswerber sich des ihm zur Last gelegten Faktums sofort bewußt gewesen sein mußte. Ebenfalls vermochte die Aussage des Zeugen T zu keiner anderen Betrachtung führen, wenn dieser Zeuge ua. vermeint "ich dachte mir, es dürfte eine Absperrung (der Zaun) sein. Ich sah jedoch keine große Hemmschwelle darüber zu gehen, weil ja Spuren auf die gegenüberliegende Seite geführt haben." Dieser Zeuge erklärte, er habe wohl die rot-weiß-roten Stöcke gesehen.

Zumal jedoch vom Berufungswerber ganz konkret dargelegt wurde, er habe den Ausblick auf den Moldaustausee genießen wollen, ist auch darin ein Beweisindiz gelegen, daß der Berufungswerber sich hinsichtlich der Örtlichkeit dieses "Aussichtspunktes" - auf dem Gebiet der CSFR - voll bewußt war. Es ist nämlich nicht davon auszugehen, daß sich jemand überhaupt nicht informiert, bevor er geneigt ist, sich in Grenznähe zu begeben. Der Verantwortung des Berufungswerbers konnte daher diesbezüglich nicht gefolgt werden.

5. Rechtlich hat der unabhängige Verwaltungssenat wie folgt erwogen:

5.1. Gemäß § 2 Abs.1 des GrenzkontrollG. darf der Grenzübertritt nur über einen Grenzübergang erfolgen. Der vorsätzliche Verstoß gegen diese Vorschrift ist gemäß § 15 Abs.1 lit.a strafbar (Kurzkommentar "Österr.Recht 1.12.1970, III. Innere Verwaltung, g) Polizei-Verwaltungsrecht). Vorsätzlich handelt, wer einen Sachverhalt verwirklichen will, der einem gesetzlichen Tatbild entspricht; dazu genügt es, daß der Täter diese Verwirklichung ernstlich für möglich hält und sich mit ihr abfindet (§ 5 Abs.1 StGB) bzw. der Täter bezweckt wohl den tatbildmäßigen Erfolg nicht, er sieht seinen Eintritt auch nicht als gewiß voraus, er hält ihn aber für möglich und findet sich damit ab (Hauer-Leukauf, 4. Auflage 1990, Seite 705).

5.2. Zur (Wieder-)Einreise nach Österreich ohne gültiges Reisedokument ist anzumerken, daß dieses Verhalten, realistisch beurteilt, wohl unvermeidbar gewesen ist. Der unabhängige Verwaltungssenat übersieht dabei nicht, daß die Bestimmung des § 6 VStG (Notstand) nicht zur Anwendung gelangen kann, weil der Berufungswerber sich schuldhaft in die Lage versetzte (durch den Grenzübertritt), sodaß er nun wohl gezwungen war wieder auf österreichisches Staatsgebiet (ohne Reisedokument) zurückzukehren und somit eine weitere Übertretung - jedenfalls objektiv tatseitig zu begehen. Selbstverschuldete Zwangslage ist kein Schuldausschließungsgrund (VwGH 8.9.1969, 1708/68; 22.4.1976. 1705/75; 15.4.1983, 82/04/0169).

5.2.1. Gemäß § 21 Abs.1 VStG kann die Behörde (ohne weiteres Verfahren) von einer Strafe absehen, wenn das Verschulden geringfügig und die Folgen der Übertretung unbedeutend sind. Beide Voraussetzungen treffen hinsichtlich des Punktes 2. des angefochtenen Bescheides zu. Primär hatte sich subjektiv tatseitig die Schuld auf den illegalen Grenzübertritt bezogen dh. sie war auf diesen zu reduzieren. Der Wiedereinreise wäre ein zumutbares Alternativverhalten nicht gegenüber zu stellen. Mit der Wiedereinreise waren aber auch keine wie immer geartete negativen Folgen verbunden. Es war daher in diesem Punkt von einer Bestrafung abzusehen und der Spruch der Erstbehörde diesbezüglich abzuändern. Im Hinblick auf das gemäß § 22 VStG normierte Kummulierungsprinzip, sind mehrere Übertretungen, auch wenn sie in einer Tathandlung begangen worden sind, nebeneinander zu bestrafen (zB. VwGH 25.5.1966, Slg. 6932A).

Der Schuldgehalt zu Punkt 1. ist im Gegensatz hiezu jedoch sehr wohl strafwürdig. Die Staaten sind nicht nur verpflichtet selbst die Gebietshoheit der anderen Staaten zu achten, sie sind auch gehalten, dafür zu sorgen, daß von ihrem Gebiet aus kein Einbruch in einen fremden Hoheitsbereich durch Privatpersonen (Inländer oder Ausländer) erfolgt (Universelles Völkerrecht - Theorie und Praxis, Alfred Verdross - Bruno Simma; Verlag Duncker & Humbold, Berlin). Aus dieser Sicht liegt in dieser Gesetzesbestimmung ein wohl bedeutendes Rechtsgut, welches insbesonders auch neben dem Gedanken der Spezialprävention, auch den gereralpräventiven Strafzweck zur Bedeutung kommen läßt.

6. Im übrigen ist bei der Strafzumessung gemäß § 19 VStG Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, sowie der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Überdies sind die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 - 35 StGB (Strafgesetzbuch) sinngemäß anzuwenden. Selbst unter Berücksichtigung des Milderungsgrundes der Unbescholtenheit war die zu 1) verhängte Strafe als angemessen zu erachten.

Es war sohin spruchgemäß zu entscheiden.

7. Die Kostenentscheidung gründet in § 64 und § 65 VStG.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist eine weitere Berufung unzulässig.

H i n w e i s:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden. Sie muß von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö.Verwaltungssenat:

Dr. B l e i e r 6

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