Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-230175/3/Schi/Ka

Linz, 02.07.1993

VwSen - 230175/3/Schi/Ka Linz, am 2.Juli 1993 DVR.0690392 - & E r k e n n t n i s :

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch die 5. Kammer (Vorsitzende: Dr. Klempt; Beisitzer: Dr. Fragner; Berichter: Dr. Schieferer) über die Berufung der Frau R gegen das Strafausmaß betreffend Faktum 2 des Straferkenntnisses der Bundespolizeidirektion Linz vom 30. November 1992, St.14.251/92-B, wegen Übertretung des Oö. Polizeistrafgesetzes, zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird insofern Folge gegeben, als die Geldstrafe auf 15.000 S, die Ersatzfreiheitsstrafe auf acht Tage herabgesetzt werden.

II. Der Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde ermäßigt sich hinsichtlich Faktum 2) auf 1.500 S, ein Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem unabhängigen Verwaltungssenat entfällt.

Rechtsgrundlage: Zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 16, 19, 51 Abs.1, 51c, 51e Abs.2 und 55 Abs.2 VStG. Zu II.: § 64 Abs.2 und § 65 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Die Bundespolizeidirektion Linz hat mit den eingangs bezeichneten Straferkenntnis im Faktum 2 über die Berufungswerberin wegen Übertretung nach § 2 Abs.3 lit.c Oö. PolStG gemäß § 10 Abs.1 lit.b Oö. Polizeistrafgesetz eine Geldstrafe in der Höhe von 25.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe: 14 Tage) verhängt, weil sie am 3. November 1992 von 16.00 Uhr bis 16.20 Uhr in Linz, H, die Prostitution ausgeübt hat, obwohl sich in diesem Gebäude mehr als eine Wohnung befinden und deshalb die Ausübung der Prostitution verboten ist. Gleichzeitig wurde die Berufungswerberin verpflichtet, hinsichtlich Faktum 2 des Straferkenntnisses einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens in der Höhe von 2.500 S zu leisten.

Dieses Straferkenntnis wurde im Anschluß an eine Strafverhandlung vor der Erstbehörde am 30. November 1992 gemäß § 62 AVG mündlich verkündet. Das Straferkenntnis enthielt auch eine dem Gesetz entsprechende Rechtsmittelbelehrung sowie eine Belehrung nach § 62 Abs.3 AVG, wonach eine schriftliche Ausfertigung des mündlich verkündeten Bescheides spätestens drei Tage nach der Verkündung verlangt werden kann. Da eine schriftliche Ausfertigung des Straferkenntnisses binnen der gesetzlichen Frist von drei Tagen nach Verkündung des Straferkenntnisses nicht verlangt wurde, begann die Berufungsfrist gemäß § 63 Abs.5 AVG mit mündlicher Verkündung des Straferkenntnisses am 30. November 1992.

2.1. Am 14. Dezember 1992 erschien der ausgewiesene Vertreter der Berufungswerberin bei der Erstbehörde und gab folgendes an:

"Gegen das Straferkenntnis unter obiger Zahl vom 30. November 1992 erhebe ich Berufung, weil ich mich aus folgenden Gründen nicht schuldig fühle:

Ich lege hiemit die erteilte Vollmacht vor und erhebe gegen das obgenannte Straferkenntnis Berufung. Angesichts der Tatsache, daß heute der letzte Tag der Rechtsmittelfrist ist und ich bisher noch keine Kenntnis vom Akteninhalt hatte, werde ich mir nunmehr eine Aktenablichtung anfertigen und ich werde die Begründung zu meiner jetzigen Berufung schriftlich nachreichen." 2.2. Mit Schriftsatz vom 19. Jänner 1993, eingelangt bei der Erstbehörde am 20. Jänner 1993, schränkt die Berufungswerberin ihre Berufung ausdrücklich auf die Höhe der verhängten Strafe ein; sie begründet dies mit ihrem vollen Geständnis und dem seitherigen Wohlverhalten und ihrer bisherigen Unbescholtenheit. Weiters verfügt sie über kein Einkommen und Vermögen; außerdem ist sie für zwei Kinder sorgepflichtig. Sie stellt daher den Antrag, die verhängte Geldstrafe herabzusetzen.

3. Die Strafbehörde hat keine Berufungsvorentscheidung erlassen, sondern - als nunmehr belangte Behörde - die Berufung samt Strafakt vorgelegt. Von einer Gegenäußerung zum Berufungsvorbringen hat die belangte Behörde abgesehen.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich ist in diesem Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 51 Abs.1 VStG als Berufungsbehörde zuständig und entscheidet gemäß § 51c VStG durch die nach der Geschäftsverteilung zuständige 5. Kammer; er hat über die - zulässige - Berufung, nach Beweisaufnahme durch Einsicht in den Strafakt der belangten Behörde zu Zl.III-St-14.251/92-B, erwogen:

4.1. Die Berufungswerberin bestreitet mit ihrem Vorbringen nicht die ihr angelastete Gesetzesübertretung; sie wendet sich allein gegen die Höhe der verhängten Geldstrafe. Weil die Berufung sich somit nur gegen die Strafhöhe richtet, ist das Straferkenntnis hinsichtlich des Schuldspruchs rechtskräftig geworden. Die gemäß § 66 Abs.4 AVG (iVm § 24 VStG) für den unabhängigen Verwaltungssenat zur Entscheidung vorliegende "Sache" ist nur die Höhe der verhängten Geldstrafe bzw ob die belangte Behörde bei der Bemessung der Strafe rechtmäßig vorgegangen ist. Die Berufung ist begründet.

4.2. Der Strafbehörde obliegt es, auf der Grundlage des § 19 Abs.1 VStG ihre Wertung der Tat innerhalb der Grenzen des gesetzlichen Strafrahmens darzutun. Dazu gehört stets die Beantwortung der rechtserheblichen Frage nach der Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient und der Umstand, ob und inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Neben diesen objektiven Kriterien des Unrechtsgehalts der Tat sind auch die subjektiven Kriterien des Schuldgehalts der Tat auf der Grundlage des § 19 Abs.2 VStG zu erörtern. Diese Vorschrift verlangt ausdrücklich die besondere Bedachtnahme auf das Ausmaß des Verschuldens. Überdies sind die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung selbst bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Zur Erleichterung dieses Vorganges ist die sinngemäße Anwendung der §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches (StGB) angeordnet. Und schließlich sind die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

4.2.1. Tatsächlich hat die belangte Behörde den Unrechtsgehalt der Tat nicht bewertet. Der unabhängige Verwaltungssenat geht davon aus, daß die hier anzuwendende Strafdrohung dem Schutz folgender Interessen dient: Schutz des öffentlichen Interesses an einer geordneten Ausübung der Prostitution, bzw Schutz der anderen Bewohner, insbesondere allfälliger Kinder, vor den mit der Ausübung der Prostitution verbundenen Umtrieben. Diese Interessen hält der unabhängige Verwaltungssenat im Berufungsfall für verletzt. Sonst nachteilige Folgen aus der Tat sind nicht bekannt geworden.

4.2.2. Hinsichtlich des der Berufungswerberin vorgeworfenen Ausmaßes ihres Verschuldens führt das bekämpfte Straferkenntnis lediglich an, daß sich die Berufungswerberin schuldhaft verhalten hat. Der unabhängige Verwaltungssenat nimmt aufgrund der Aktenlage an, daß sich die Berufungswerberin jedenfalls fahrlässig verhalten hat. Gemäß § 5 Abs.1 VStG genügt aber - wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nicht anderes bestimmt - zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten.

4.3. Es erweist sich die Geldstrafe in der verhängten Höhe als nicht gerechtfertigt. Die belangte Behörde hat nämlich ausdrücklich als erschwerend eine "fortgesetzte Begehungsweise" gewertet. Dazu ist folgendes festzustellen: Die belangte Behörde hat mit (einem weiteren) Straferkenntnis vom 30. November 1992, St-13.782/92-B, (prot. zu Zl.VwSen - 230174/3/Schi/Ka) über die Berufungswerberin eine Geldstrafe von 12.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe acht Tage) verhängt, weil sie am 31. Oktober 1992 zwischen 14.45 Uhr und 16.45 Uhr in Linz, Hofgasse Nr. 19/2/5, die Prostitution ausgeübt hat, obwohl sich in diesem Gebäude mehr als eine Wohnung befinden. Aufgrund der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes wäre hier für die beiden - in engem örtlichen und zeitlichen Zusammenhang stehenden Taten - nur eine einzige (allerdings strengere) Strafe zu verhängen gewesen, weil es sich um ein sog. "fortgesetztes Delikt" handelt. Da aber - wie oben unter Punkt 4.1. ausgeführt - das Straferkenntnis im Schuldspruch bereits rechtskräftig geworden ist, war es dem unabhängigen Verwaltungssenat verwehrt, diesen Fehler zu korrigieren; in materieller Hinsicht konnte aber die Auswirkung dieser unrichtigen rechtlichen Qualifikation durch die Erstbehörde entsprechend gemildert werden, indem die verhängte Strafe herabzusetzen war. Schließlich mußte bei richtiger Berücksichtigung der Vermögenslosigkeit der Berufungswerberin, ihrer Sorgepflicht für zwei Kinder und des Umstandes, daß sie über kein Einkommen verfügt, die Strafe weiters gemildert werden.

4.4. Zusammenfassend ergibt sich, daß die Berufungswerberin mit ihrem Einwand gegen die Höhe der verhängten Geldstrafe im Recht ist. Eine im Einklang mit den objektiven und subjektiven Kriterien des § 19 VStG stehende Strafbemessung rechtfertigt - wegen des Wegfalls des Erschwerungsgrundes - die Herabsetzung der Geldstrafe auf das im Spruch dieses Erkenntnisses festgesetzte Ausmaß.

5. Die nunmehr - ohne daß gemäß § 51e Abs.2 VStG eine öffentliche mündliche Verhandlung anzuberaumen gewesen wäre - verhängte Strafe erfüllt die Strafzwecke, wobei auch generalpräventive Gesichtspunkte nicht außer Acht gelassen werden dürfen.

Die Ersatzfreiheitsstrafe war deswegen herabzusetzen, um das Verhältnis zwischen ihr und der nun gemilderten Geldstrafe zu wahren.

6. Der Ausspruch über die Beiträge zu den Verfahrenskosten hat seinen Grund in den angeführten Gesetzesbestimmungen. Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist eine weitere Berufung unzulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden. Sie muß von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. K l e m p t 6

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