Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-230195/2/Br/La

Linz, 01.04.1993

VwSen - 230195/2/Br/La Linz, am 1. April 1993 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn E gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung vom 9. März 1993, Zl. 15.1 1992/1858, zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird keine Folge gegeben; das angefochtene Straferkenntniss wird vollinhaltlich bestätigt.

Rechtsgrundlage:

§ 40 Abs.1 iVm § 3 Abs.1 Paßgesetz 1969, BGBl.Nr.422/1969, zuleletzt geändert durch BGBl.Nr. 190/1990; § 66 Abs. 4 Allgemeinenes Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 866/ 1992 iVm § 24, § 51 Abs.1 und § 51e Abs.2 Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG, BGBl. Nr. 52, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 867/1992.

II. Zuzüglich zu den Verfahrenskosten für das erst- instanzliche Verfahren werden für das Berufungsver- fahren 60 S (20% der verhängten Strafe) auferlegt.

Rechtsgrundlage:

§ 64 VStG Entscheidungsgründe:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung hat mit dem Straferkenntnis vom 9. März 1993, Zl. 15.1 1992/1858 wider den Berufungswerber wegen der Übertretung nach § 40 Abs.1 iVm § 3 Abs.1 Paßgesetz, BGBl. Nr. 422/1969 idF BGBl.Nr. 190/1990 eine Strafe von 300 S und für den Fall der Nichteinbringlichkeit von 15 Stunden Ersatzfreiheits- strafe verhängt, weil er am 17. Jänner 1992 um ca. 19.00 Uhr beim Grenzübergang Suben, Bezirk Schärding eingereist sei (gemeint in das Bundesgebiet der Republik Österreich) und bei der Grenzkontrollstelle kein Reisedokument vorweisen habe können.

1.1. Begründend führt die Erstbehörde aus, daß der Tatbestand durch das durchgeführte Ermittlungsverfahren, die Wahrnehmung des Zollbeamten und des Geständnisses des Bw erwiesen sei. Es würde nicht bestritten, daß der Bw ohne Reisedokument die Staatsgrenze überschritten habe. Bei der Strafzumessung sei mildernd die bisherige Unbescholtenheit, erschwerend die Uneinsichtigkeit des Bw zu werten gewesen. Das Ausmaß der verhängten Strafe sei daher sowohl den objektiven Kriterien des § 19 Abs.1 VStG als den subjektiven Merkmalen des Abs.2 leg.cit. angepaßt. Die Strafe entspreche dem gesetzten Verschulden.

2. Dagegen wendet sich die am 23. März 1993 fristgerecht per FAX, wohl irrtümlich als Einspruch bezeichnete, bei der Erstbehörde eingelangte Berufung. Inhaltlich führt der Berufungswerber (folglich kurz genannt: Bw) darin sinngemäß aus, daß er, wie bereits im Einspruch vom 29.5.1993 (gemeint wohl 29.5.1992) gegen die Ermahnung angeführt, er ja nicht versucht habe illegal nach Österreich einzureisen, sondern dem österreichischen Zöllner sofort mitgeteilt habe, daß er seinen Reisepaß nicht finden könne. Dieser habe ihn nach Feststellung seiner Identität ungehindert einreisen lassen, obwohl es diesem auch freigestanden wäre ihm die Einreise zu verweigern. Auch habe es nichts mit der Uneinsichtigkeit zu tun, wenn er als Staatsbürger gegen eine unbegründete Strafverfügung Einspruch erhoben habe.

3. Da keine 10.000 S übersteigende Strafe verhängt worden ist hat der unabhängige Verwaltungssenat durch ein Einzelmitglied (das nach der Geschäftsverteilung zustän- dige Mitglied) zu entscheiden. Da lediglich eine unrichtige rechtliche Beurteilung behauptet wird und eine öffentliche mündliche Verhandlung vom Bw nicht gesondert beantragt wurde, war gemäß § 51e Abs.2 VStG war eine solche auch nicht durchzuführen gewesen.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis aufgenommen durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt der Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung, Zl. 15.1 1992/1858. Diesem Akt angeschlossen ist der per FAX übermittelte Einspruch und ebenfalls die auf diesem Weg übermittelte Berufung, sowie eine vom Bw an die Erstbehörde gerichtete Urgenz der Sachentscheidung.

5. Folgender Sacherverhalt ist erwiesen:

5.1. Der Bw ist am 17. Jänner 1992 um ca. 19.00 Uhr bei der Grenzkontrollstelle Suben in das Bundesgebiet ein. Dabei vermochte er kein Reisedokument vorzuweisen. Aus dem Akt bzw. dem Vorbringen des Bw ergeben sich keinerlei Hinweise, daß an der zur Last liegenden Verhaltensweise Umstände vorlägen, welche nicht in der Sphäre des Bw zu vertreten wären.

5.1.1. Dieses Faktum gelangte mit Meldung des Zollamtes Suben (537) Grenzkontrollstelle A-4975 Suben 25 an die Bezirkshauptmannschaft Schärding zur Anzeige. Am 24. Jänner 1992 wurde das Verfahren gemäß § 29a VStG an die Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung abgetreten. Mit der Strafverfügung vom 12.5.1992 wurde wider den Bw gemäß § 21 VStG wegen dieser Verwaltungsübertretung eine Ermahnung ausgesprochen. In der Strafverfügung wird offenbar irrtümlich die Tatzeit "17.1.1991" genannt. Gegen diese Ermahnung erhob der fristgerecht Einspruch. Inhaltlich führt er darin schon wie später in der Berufung (siehe Punkt 2.) aus. Die Erstbehörde hat mit Schreiben vom 4.6.1992 dem Bw eine Aufforderung zur Rechtfertigung übermittelt. Damit wurde eine im Sinne des § 44a VStG alle Tatbestandselemente umfassende, die Verfolgungsverjährung hemmende, Verfolgungshandlung gesetzt.

Diese wurde dem Bw am 11.6.1992 durch eigenhändige Übernahme zugestellt. Der Bw rechtfertigte sich per FAX vom 22.6.1992 an die Erstbehörde dahingehend, daß er auf seine Einspruchsangaben verwies. Ergänzend merkte der Bw darin an, daß der Grenzübergang nicht "Stuben" (wie in der Aufforderung genannt) sondern Suben heißt. Mit Bericht des Gendarmeriepostenkommandos Unterpremstätten vom 7.7.1992 wurden die persönlichen Verhältnisse des Bw erhoben. Mit FAX vom 3.3.1993 erkundigt sich der Bw nach der noch ausstehenden Sachentscheidung, welche schließlich mit dem nunmehr angefochtenen Straferkenntnis vom 9.3.1993 ergeht. Der Bw bestreitet das ihm zur Last gelegte Verhalten nicht.

5.2. Rechtlich hat der unabhägige Verwaltungssenat daher wie folgt erwogen:

5.2.1. Gemäß § 3 Abs.1 PaßG darf der Grenzübertritt nur mittels eines gültigen Reisedokumentes erfolgen. Einem österreichischen Staatsbürger, der über kein gültiges Reisedokument verfügt, jedoch seine Staatsbürgerschaft und seine Identität glaubhaft machen kann, (dies konnte der Bw im konkreten Fall), darf, unbeschadet seiner Verantwortlichkeit nach § 40 Abs.1 leg.cit., die Einreise nicht versagt werden (§ 3 Abs.1 letzter Satz).

Der objektive Unwertgehalt einer diesbezüglichen Zuwiderhandlung ist entgegen der Ansicht des Bw sehr wohl strafwürdig. Es stellt ein nicht unbedeutendes öffentliches Interesse dar, daß österreichische Staatsbürger bei der Aus-(Ein)reise aus dem (in das) Bundesgebiet nur im Sinne dieser gesetzlichen Bestimmungen tätigen. Durch das Verhalten des Bw wurden nicht bloß innerstaatliche, sondern auch völkerrechtliche Interessen berührt (siehe hiezu zB Universelles Völkerrecht - Theorie und Praxis, Alfred Verdross - Bruno Simma; Verlag Duncker & Humbold, Berlin). Aus dieser Sicht liegt in dieser Gesetzesbestimmung ein wohl bedeutendes Rechtsgut, welches insbesondere auch neben dem Gedanken der Spezialprävention, auch den gereralpräventiven Strafzweck zur Bedeutung kommen läßt.

Für die Strafbarkeit genügt alleine schon fahrlässiges Verhalten. Von diesem Schuldelement ist daher auszugehen. Der § 5 Abs.1 VStG besagt, daß wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nicht anderes bestimmt, genügt zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, daß ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft. Dies hat der Bw jedoch nicht getan. Er versuchte lediglich zum Ausdruck zu bringen, daß sein Verhalten nicht rechtswidrig/strafbar wäre, indem er schon die Strafverfügung als unbegründet erachtet hatte. Auch wenn der Bw nur "unbewußt fahrlässig" gehandelt hat, ist darin ein Schuldausschließungsgrund nicht zu erblicken.Im Falle der unbewußten Fahrlässigkeit verkennt der Täter zufolge Außerachtlassung der gebotenen Sorgfalt, daß er einen tatbildmäßigen Erfolg verwirklichen könnte. Aber auch Unkenntnis der Verwaltungsvorschrift, der der Täter zuwiderhandelt hat, entschuldigt nur dann, wenn sie erwiesernermaßen unverschuldet ist und der Täter das Unerlaubte seines Verhaltens ohne Kenntnis der Verwaltungsvorschrift nicht einsehen konnte (§ 5 Abs.2 VStG). An der Kenntnis der Verpflichtung, beim Grenzübertritt eines Reisedokumentes zu bedürfen, kann beim Bw, welcher Geschäftsmann ist, kein Zweifel gehegt werden.

Zur Frage des Ausmaßes der objektiven Sorgfaltspflicht hat der VwGH bereits wiederholt ausgesprochen (s E Slg 9710 A und 28.10.1980, 2244/80), daß der hiefür geltende Maßstab ein objektiv-normativer ist. Maßfigur ist der einsichtige und besonnene Mensch, den man sich in die Lage des Täters versetzt zu denken hat. Objektiv sorgfaltswidrig hat der Täter folglich nur dann gehandelt, wenn sich ein einsichtiger und besonnener Mensch des Verkehrskreises, dem der handelnde angehört, an seiner Stelle anders verhalten hätte (VwGH 12.6.1989, 88/10/0169). Dieses Maßes an Sorgfalt hat sich der Bw durch das Nichtvorweisen(können) des Reisepasses jedenfalls nicht bedient.

6. Grundsätzlich ist gemäß § 19 VStG Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, sowie der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Überdies sind die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungsund Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist Bedacht zu nehmenb.

+6.1. Konkret ist zur Strafzumessung ist auszuführen, daß die von der Erstbehörde verhängte Strafe durchaus angemessen ist. Die vom Berufungswerber begangene Übertretung läuft, wie schon oben dargelegt, öffentlichen Interessen in nicht unerheblichem Ausmaß zuwider. Der Milderungsgrund der verwaltungsstrafrechtlichen Unbeschol- tenheit wurde von der Erstbehörde zutreffend zuerkannt. Als erschwerend vermag jedoch die "vom Bw signalisierte Uneinsichtigkeit" nicht erachtet zu werden. Es handelt sich offenbar um die Verteidigung eines unhaltbaren Rechtsstandpunktes. Trotzdem ist die Verhängung einer Strafe in Höhe von 300 S keineswegs überhöht. Sie ist dem Unrechtsgehalt der Tathandlung und dem subjektiven Verschulden angemessen. Das Einkommen des Bw ist als mindestens durchschnittlich zu schätzen (der Bw verweist nur auf Steuerbescheid ohne sein Einkommen zu nennen).

Es war sohin spruchgemässs zu entscheiden.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist eine weitere Berufung unzulässig.

H i n w e i s:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden. Sie muß von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat Dr. B l e i e r

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