Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-230197/5/Br/Gr

Linz, 08.06.1993

VwSen - 230197/5/Br/Gr Linz, am 8. Juni 1993 DVR.0690392 ^Abstand(2) ((S))1ERKENNTNIS((S))0 Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr.Bleier über die Berufung des Herrn Mn, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 16. März 1992, Zl.: Sich96/1783/1992/Schw, nach der am 21. Mai 1993 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung, zu Recht erkannt: ^Abstand(1) I. Die Berufung wird F o l g e gegeben. Das angefochtene Straferkenntnis wird behoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

Rechtsgrundlage:

§ 2 Abs.1 Z 1 und 2 iVm. § 14b Abs.1 Z 4 des Fremdenpolizeigesetzes, BGBl.Nr. 75/1954 idF. BGBl.Nr. 406/1991 FrPG; § 5 Abs.1 und 2 Asylgesetz, BGBl.Nr. 126/1968 idF BGBl.Nr. 1974/796 und 1990/190; § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, BGBl.Nr. 51/1991, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 866/1992 - AVG iVm § 24, § 45 Abs.1 Z 1, § 51 Abs.1 und § 51e Abs.1 Verwaltungsstrafgesetz, BGBl.Nr. 52/1991, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 867/1992 - VStG; II. Es entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.

Rechtsgrundlage:

§ 65 VStG; ^Abstand(2) Entscheidungsgründe:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn hat mit Straferkenntnis vom 16. März 1992 über den Berufungswerber wegen der Übertretung des § 2 Abs.2 Z 3 iVm. § 14b Abs.1 Z 4 des Fremdenpolizeigesetzes 1954, BGBl.Nr. 75 idF. BGBl.Nr. 406/1991 eine Geldstrafe von 2.000,- S und für den Nichteinbringungsfall 72 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe verhängt, weil er sich zumindest im Zeitraum vom 13. Mai bis 1. September 1992 unrechtmäßig im Bundesgebiet der Republik Österreich aufgehalten habe, zumal die ihm von der Bundespolizeidirektion Salzburg am 12. 2. 1992 bewilligte Aufenthaltsberechtigung für das österreichische Bundesgebiet bis 12. Mai 1992 befristet gewesen sei.

1.1. Begründend führte die Erstbehörde zum Sachverhalt im wesentlichen aus, daß gemäß § 2 Abs.2 Z 3 Fremdenpolizeigesetz 1954 die Dauer des rechtmäßigen Aufenthaltes eines Fremden im Bundesgebiet der Republik Österreich nach der Befristung einer mit Bescheid verlängerten Aufenthaltsberechtigung richte.

Diesbezüglich sei die von der Bundespolizeidirektion Salzburg dem Berufungswerber am 12. Februar 1992 ausgestellte Aufenthaltsberechtigung am 12. Mai 1992 abgelaufen gewesen. Für die Einhaltung der gesetzlich geregelten fremdenpolizeilichen Bestimmungen sei ausschließlich der Berufungswerber verantwortlich. Zumal es sich bei der zit. Aufenthaltsbewilligung um eine nach dem Fremdenpolizeigesetz gehandelt habe und diese nicht rechtzeitig verlängert wurde, was der Berufungswerber auch nie bestritten habe, läge daher eine Übertretung nach dem Fremdenpolizeigesetz vor.

2. Dagegen wendet sich der Berufungswerber in seiner rechtzeitig bei der Erstbehörde durch seinen ausgewiesenen Rechtsvertreter eingebrachten Berufung. Er führt darin sinngemäß aus, daß er am 7. April 1991 von der Türkei kommend in Österreich eingereist sei.

Am 14. April 1991 habe er durch seinen ausgewiesenen Vertreter binnen offener Frist einen Asylantrag eingebracht.

Gemäß § 7 Abs.1 Asylgesetz sei ein Asylwerber, der gemäß § 6 Asylgesetz 1991 (gemeint wohl § 5 leg.cit.) eingereist ist, ab dem Zeitpunkt, zu dem ein Asylantrag gestellt wurde, zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt, wenn der Asylantrag innerhalb von zwei Wochen ab dem Zeitpunkt der Einreise in das Bundesgebiet oder innerhalb von zwei Wochen ab dem Zeitpunkt gestellt wurde, in dem er im Bundesgebiet von der Gefahr einer Verfolgung Kenntnis erlangt habe. Gemäß § 5 Abs.3 leg. cit. komme dem Asylwerber ab dem Zeitpunkt die vorläufige Aufenthaltsberechtigung nicht mehr zu, wenn das Asylverfahren rechtskräftig abgeschlossen ist oder einem Rechtsmittel keine aufschiebende Wirkung zukommt.

Gemäß Abs.4 leg.cit. sei die vorläufige Aufenthaltsberechtigung von Amts wegen zu bescheinigen. Mit Bescheid werde entschieden, wenn die Aufenthalts- bewilligung auf Teile des Bundesgebietes eingeschränkt wird oder Teile des Bundesgebietes davon ausgenommen werden.

Nach diesen gesetzlichen Bestimmungen sei ihm eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung vom Einbringungsdatum des Asylantrages, nämlich vom 7. April 1991 bis zur Zurückziehung seiner Berufung am 2. Oktober 1992 zugekommen, worüber ihm die Asylbehörde eine Bescheinigung auszustellen gehabt hätte.

Die vorläufige Aufenthaltsberechtigung komme ihm ex lege, aufgrund des § 7 Asylgesetz 1991 zu.

Objektiv gesehen wäre es unrealistisch und völlig praxisfremd, von jemandem, der als Flüchtling nach Österreich einreist, zu verlangen, legal einzureisen, da zu befürchten wäre, daß er an der Grenze umgehend fremdenpolizeilichen Maßnahmen ausgesetzt würde.

Die Bestimmung des § 6 des Asylgesetzes 1991 erkenne diese Problematik und gestatte die formlose Einreise. Auf seine Person sei das Asylgesetz 1991 anzuwenden, welches als lex spezialis für Flüchtlinge gelte.

3. Zumal eine 10.000,- S übersteigende Geldstrafe nicht verhängt worden ist, hat der unabhängige Verwaltungssenat durch eines seiner Mitglieder zu erkennen. Zumal auch das Vorbringen hinsichtlich des Grundes unklar schien (§ 51e Abs.1 VStG), war zur Klärung des Sachverhaltes die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung erforderlich.

4. Aus der Aktenlage ergibt sich nachfolgender, für die Entscheidung relevanter Sachverhalt:

4.1. Der Berufungswerber ist türkischer Staatsbürger. Er kam im März 1991 mit einem türkischen Reisebus nach Jugoslawien. Am 7. April 1991 gelangte er dann, gemeinsam mit zwei weiteren Türken unter Mithilfe eines Fluchthelfers über die grüne Grenze nach Österreich. Über seinen ausgewiesenen Rechtsvertreter stellte der Berufungswerber am 14. April 1991 einen Asylantrag. Als Grund für die Flucht aus der Türkei wird vom Berufungswerber die, wegen der Zugehörigkeit seines Onkels zu einer kurdischen Partei erlittene Verfolgung und Folter, angeführt. Als Folge der erlittenen Folter leidet der Berufungswerber unter Schmerzen an seinen Beinen und der Wirbelsäule. Zu seiner Familie hat der Berufungswerber nur Briefkontakt. Der Berufungswerber ist gegenwärtig als Landarbeiter beschäftigt. Er verfügt über eine Arbeitsbewilligung.

Der Asylantrag des Berufungswerber wurde mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für Oö. vom 29.8.1991 abgewiesen. Der von der Bezirkshauptmannschaft Braunau erlassene Ausweisungsbescheid ist in Rechtskraft erwachsen, ist aber beim Höchstgericht angefochten. Die diesbezügliche Entscheidung steht noch aus. Die beim BMfI anhängig gemachte Berufung hinsichtlich des Antrages auf Gewährung von Asyl wurde vom Berufungswerber am 2. Oktober 1992 zurückgezogen.

4.2. Dieser Sachverhalt ergibt sich aus dem Akt der Erstbehörde. Anläßlich der in der öffentlichen mündlichen Verhandlung vorgenommene Erörterung des bisherigen Ganges des Verfahrens hat sich zur Aussage des Berfungswerbers keinerlei Widerspruch ergeben.

Die Angaben des Berufungswerbers waren durchaus glaubwürdig und standen auch mit seinem bisherigen Vorbringen in Einklang.

5. Rechtlich ist wie folgt zu erwägen:

5.1 Der rechtmäßige Aufenthalt eines Fremden im Bundesgebiet ist entweder im Sinne der einschlägigen Bestimmungen des Fremdenpolizeigesetzes zu beurteilen, oder der Aufenhalt erfährt seine (vorläufige) Legalität nach dem Asylgesetz.

Die wichtigste Wirkung des Asylantrages liegt in der vorläufigen Aufenthaltsberechtigung gemäß § 5 Abs 1 AsylG. Damit diese Wirkung entsteht, bedarf es einer Antragstellung innerhalb von zwei Wochen ab dem Zeitpunkt, in dem der Fremde in das Bundesgebiet eingereist ist oder zu dem ein schon im Inland befindlicher Fremder von der Gefahr einer Verfolgung aus einem der in der Konvention genannten Gründe Kenntnis erlangt hat. Die rechtzeitige und wirksame Antragstellung wirkt hinsichtlich der vorläufigen Aufenthaltsberechtigung konstitutiv (Steiner, Österreichisches Asylrecht, Wien 1990, Seite 14, samt der dort zitierten Judikatur). Ein rechtzeitig gestellter Ansylantrag liegt gegenständlichem Verfahren zugrunde.

Der vorläufigen Aufenthaltsberechtigung steht demnach sogar ein nach den Bestimmungen des Fremdenpolizeigesetzes erlassenes Aufenthaltsverbot oder eine vom Gericht ausgesprochene Landesverweisung oder Abschaffung nicht entgegen (§ 5 Abs.2 AsylG). Sie ersetzt auch eine Bewilligung gemäß § 6 FrPolG. Sie stellt sohin für den Asylwerber einen besseren Schutz dar als § 13a FrPolG für einen anerkannten Flüchtling (Steiner, Österr. Asylrecht, Seite 14 u. 15 ff, samt dortigen Verweisungen auf die Gesetzesmaterialien). Zumal innerhalb des in diesem Verfahren zur Last gelegten Übertretungszeitraumes das Verfahren hinsichtlich des Asylantrages noch anhängig war, ist nach dem vorhin Gesagten der Aufenthalt nicht nach dem Fremdenpolizeigesetz sondern nach dem Asylgesetz zu beurteilen gewesen. Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, daß dem Berufungswerber eine Aufenthaltsberechtigung nach dem Fremdenpolizeigesetz eingeräumt worden war, die - aus welchen Gründen immer - letztlich nicht verlängert worden ist. Dem Berufungswerber bzw. damaligen Asylwerber wäre über die vorläufige Aufenthaltsberechtigung von der zuständigen Behörde (Bezirksverwaltungsbehörde bzw Bundespolizeibehörde) eine Bescheinigung auszustellen gewesen, welche deklarativen Charakter hat (VwGH 13.3.1985, 84/01/0011 ua.). Diesbezüglich war dem Vorbringen des Berufungswerbers zu Folgen, wenngleich die vom Rechtsvertreter des Berufungswerber mitunter, vermutlich irrtümlich zitierten Gesetzesbestimmungen, das Asylgesetz 1992 (in Kraft ab 1.6.1992) betrafen. Von einer Zuwiderhandlung gegen das Fremdenpolizeigesetz, nämlich die den Aufenthalt eines Fremden regelnde Bestimmungen, kann daher nicht ausgegangen werden (siehe auch U. Davy, Asylverfahren u. Schubhaft, Journal für Rechtspolitik 1993, Heft 1, Seite 41 ff).

5.1.3. Ebenfalls ist es als nicht zutreffend zu erachten, daß der Berufungswerber vor seiner Einreise in das Bundesgebiet bereits in einem Drittland (Jugoslawien) gefunden gehabt hat und ihm daher eine Aufenhaltsberechtigung nach § 5 Abs.3 AsylG nicht zugekommen ist.

Der Berufungswerber ist in Jugoslawien lediglich durchgereist, wobei die dortigen Behörden von seiner Existenz offenbar keine Kenntnis erlangt hatten. Begrifflich setzt "Schutz finden" voraus, daß von der (einer) Behörde dieses Staates der Aufenthalt des Asylwerbers wenigstens geduldet wurde, d.h. andererseits zur Kenntnis gelangt ist (VwGH 22.5.1985, 84/01/0255). Dahingestellt kann bleiben, ob von Jugoslawien aus für den Berufungswerber nicht zu befürchten gewesen wäre in die Türkei zurückgeschoben zu werden (VwGH 16.9.1992, 92/01/0522).

Die Bestimmung des § 5 Abs.1 AsylG steht zur Bestimmung des § 2 des Fremdenpolizeigesetzes im Verhältnis der lex spezialis zur lex generalis. Ein Fremder, der innerhalb der vorgesehenen Frist einen Antrag auf Ausylgewährung einbringt, kann bis zum Abschluß (hier bis zur Zurückziehung der Berufung mit 2. Oktober 1992). des Feststellungsverfahrens nicht wegen unerlaubten Aufenthaltes bestraft werden. Die Verfolgung des allenfalls vor dem Eintritt der vorläufigen Aufenthaltsberechtigung gemäß § 14b Abs.1 Z4 des Fremdenpolizeigesetzes gesetzten Tatbestandes des unerlaubten Aufenthaltes wird während der Geltungsdauer der vorläufigen Aufenthaltsberechtigung gehemmt (ebenfalls Steiner, Österreichisches Asylrecht, Seite 15 und 16 unter Hinweis auf die dort zit. Gesetzesmaterialien).

5.2. Zumal der gesamte vorgeworfene Tatzeitraum von der Zeit der Anhängigkeit des Asylverfahrens umfaßt gewesen ist, war die Entscheidung der Erstbehörde zu beheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen. ^Abstand(1) Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist eine weitere Berufung unzulässig.

H i n w e i s:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof oder an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden. Sie muß von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.Ö.Verwaltungssenat Dr.Bleier

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