Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-230214/6/Br/ /1992

Linz, 11.06.1993

VwSen-230214/6/Br/ /1992 Linz, am 11. Juni 1993 DVR.069392 ((S))1ERKENNTNIS((S))0 ^Abstand(2) Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr.Bleier über die Berufung des Ahmed A, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau vom 10. März 1993, Sich96/1965/1993/B, nach der am 11. Juni 1993 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung, zu Recht erkannt: ^Abstand(1) I. Der Berufung wird mit der Maßgabe Folge gegeben, daß der Strafausspruch aufgehoben wird; im übrigen wird die Berufung jedoch abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis bestätigt.

Rechtsgrundlage:

§ 15 Abs.1 Z 2 iVm 82 Abs.1 Z 4 Fremdengesetz, BGBl.Nr. 838/1992 FrG; § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl.Nr. 51, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 866/1992 - AVG iVm § 21 Abs.1, § 24, § 51 Abs.1 und § 51e Abs.1 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991, BGBl.Nr. 52, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 867/1992 - VStG; II. Für das Berufungsverfahren werden keine Verfahrens- kosten auferlegt.

Rechtsgrundlage:

Zu II.: §§ 64, 65 VStG; ^Abstand(2) Entscheidungsgründe:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Braunau hat mit Straferkenntnis vom 10. März 1993 über den Berufungswerber wegen der Übertretung des § 5 iVm § 15 Abs. 3 Z 2 und § 82 Abs. 1 Z 4 Fremdengesetz 1992, BGBl.Nr. 838, eine Geldstrafe von 400,- S und für den Nichteinbringungsfall 24 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe verhängt, weil er sich als Fremder (syr.StA.) jedenfalls im Zeitraum vom 1.1.1993 bis 21.1.1993 unrechtmäßig im Bundesgebiet der Republik Österreich aufgehalten habe, da die Gültigkeit seines Sichtvermerkes am 31.12.1992 geendet hatte, sodaß daher der Aufenthalt im Bundesgebiet im angeführten Zeitraum nicht rechtmäßig gewesen sei.

1.1. Begründend führte die Erstbehörde zum Sachverhalt im wesentlichen aus, daß die Übertretung aufgrund der Anzeige der Gendarmeriepostenkommandos Friedburg-Lengau vom 21.1.1993 erwiesen sei. Der rechtmäßige Aufenthalt im Bundesgebiet der Republik Österreich eines Fremden richte sich gemäß § 15 Abs.3 Z 2 FrG ua. nach der Dauer des Sichtvermerkes. Der Umstand, daß dieser Sichtvermerk beim Berufungswerber mit 31.12.1992 abgelaufen gewesen sei, begründe daher diese Verwaltungsübertretung. Für die Einhaltung dieser Bestimmungen trage einzig und allein der in Österreich aufhältige Fremde die Verantwortung. Daher entbehre der Umstand, daß der alte Paß abgelaufen und ein Antrag auf Ausstellung eines neuen Paßes dem Konsulat übermittelt gewesen sei, jeglicher Relevanz. Die rechtzeitig Verlängerung wäre dem Berufungswerber ohne weiteres zumutbar gewesen.

2. Dagegen wendet der Bw in seiner rechtzeitig eingebrachten Berufung sinngemäß ein, daß er den Paß, welcher "vollgestempelt" war rechtzeitig zum Konulat geschickt habe um einen Neuen zu bekommen und darin seinen Sohn eintragen zu lassen. Als er den neuen Paß bekommen hatte, habe er dies der Behörde gemeldet.

3. Zumal eine 10.000,- S übersteigende Geldstrafe nicht verhängt worden ist, hat der unabhängige Verwaltungssenat durch eines seiner Mitglieder zu erkennen. Da diese Berufung auch gegen die Schuld gerichtet anzusehen ist, war eine öffentliche mündliche Verhandlung anzuberaumen gewesen (§ 51e Abs.1 VStG).

4. Aus der Aktenlage ergibt sich nachfolgender, für die Entscheidung relevanter Sachverhalt:

4.1. Der Berufungswerber hat bei der syrischen Botschaft in Budapest einen Reisepaß beantragt, nachdem das alte Dokument bereits vollgestempelt gewesen ist. Er hat das Dokument anfangs Dezember 1992 der Botschaft übermittelt. Gleichzeitig hat er über diesen Umstand einem Beamten der Fremdenabteilung bei der Bezirkshauptmannschaft Braunau Mitteilung gemacht. Eine derartige Mitteilung erging dann auch noch schriftlich an die Behörde. Aufgrund des Umstandes, daß bei einem syrischen Paß neben dem Paßfoto des Paßinhabers auch noch ein geeignetes Familienfoto zu besorgen war und der Berufungswerber mit der Besorgung dieses Fotos mehrere Fotogeschäfte aufzusuchen hatte, ist er letztlich erst anfangs März in den Besitz des neuen, am 28. Februar 1993 ausgestellten Reisepaßes und in der weiteren Folge zu dem mit 24. März 1993 erteilten Sichtvermerk gelangt. Der Berufungswerber ist bereits mehrere Jahre in Österreich. Er hatte jeweils im Dezember seinen Sichtvermerk für ein weiteres Jahr beantragt gehabt.

5. Dieses Beweisergebnis stützt sich auf die glaubwürdigen Angaben des Berufungswerbers und auf die Daten seines Reisepaßes. Der Berufungswerber vermochte glaubhaft und den Denkgesetzen entsprechend nachvollziebar darzulegen, daß er bislang in Paßangelegenheiten von der Botschaft schneller bedient worden ist. Aus diesem Grunde hat er es ausreichend empfunden den neuen Paß anfangs Dezember zu beantragen. Diese Frist hat bislang immer ausgereicht gehabt. Lediglich wegen des Zuwachses seiner Familie war die Beischaffung eines Familienfotos erforderlich geworden und sei es dadurch zur Verzögerung und der so späten Rückerstattung des Paßes gekommen. Aus diesem Grunde fühle er sich an der verspäteten Antragstellung hinsichtlich seines Sichtvermerkes nicht schuldig. Er habe diesen Umstand deshalb auch der Behörde mitgeteilt.

6. Rechtlich ist folgendes zu erwägen:

6.1. Für den rechtmäßigen Aufenthalt eines Fremden im Bundesgebiet bedarf es entweder einer Bewilligung im Sinne des § 1 Aufenthaltsgesetz oder eines von der Sicherheitsbehörde erteilten Sichtvermerkes (§ 15 Abs.1 Z 2 FrG (Fremdengesetz). Im Sinne der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hätte der Berufugngswerber vor dem Ablauf seines Sichtvermerkes die Erteilung des Sichtvermerkes erwirken müßen ((F))9(VwGH 28. 1. 1991, 90/19/0114).((F))0 Diese Verpflichtung kann sinnvoller Weise nur so verstanden werden, daß mit dem Ablauf des alten Sichtvermerkes bereits der Neue erteilt sein muß ((F))9(VwGH 23.4.1990, 90/19/0155).((F))0 6.1.1. Zur Verschuldensfrage ergibt sich, daß lediglich von einem minderen Grad eines solchen ausgegangen werden kann. Der Berufungswerber hat, vertrauend auf seine bisherige Erfahrung, anfangs Dezember dem Konsulat seinen Antrag auf Ausstellung eines neuen Reisepaßes übermittelt. Die in der weiteren Folge eingetretene Verzögerung lag nicht mehr in seiner Sphäre und kann diese ihm nicht als schuldhaft vorgeworfen werden. Der Schuldvorwurf reduziert sich demzufolge auf die doch etwas späte Antragstellung. Bei realistischer Beurteilung des Post- und Amtsweges hätte der Berufungswerber damit zu rechnen gehabt, daß er den Paß nicht bis zum Jahresende zurückerhalten werde.

6.1.2. Abstrakt ist die Frage zu stellen (zu prüfen), ob dem Berufungswerber "die Einhaltung des gebotenen Maßes an Vorsicht nach seinen persönlichen und nach den Umständen des Falles zuzumuten war." Im Rahmen der subjektiven Sorgfaltswidrigkeit wird gefragt, ob der Handelnde zu einem objektiv sorgfaltsgemäßen Verhalten überhaupt fähig war; das Erfordernis der Zumutbarkeit soll dagegen sicherstellen, daß Fahrlässigkeitsschuld auch dann entfällt, wenn dem Täter die Erfüllung der objektiven Sorgfaltspflicht zwar an sich möglich gewesen wäre, aber infolge der besonderen Tatumstände an ihn derart hohe Anforderungen gestellt hätte, daß das Recht ihre Verfehlung nicht mehr vorwirft. Das bedeutet, daß in Verallgemeinerung des Grundgedankens von § 10 StGB zu fragen ist, ob von einem mit den rechtlich geschützten Werten verbundenen, der mit den konkreten körperlichen und geistigen Ausstattungen des Täters zu denken ist, in der speziellen Situation die Einhaltung der objektiven Sorgfaltspflichten realistischerweise zu erwarten war. Für eine entsprechende Auslegung des Schuldelementes der Zumutbarkeit an objektiven Sorgfaltspflichten ist die Grundlage aus dem "neuen" StGB durchaus Raum. Von dieser Möglichkeit sollte Gebrauch gemacht werden ((F))9(Burgstaller, Fahrlässigkeit im Strafrecht, Wien 1974, Seite 200 ff).((F))0 In diesem Sinn wäre es dem Berufungswerber grundsätzlich wohl zuzumuten gewesen seinen Antrag früher zu stellen. Durch diese Unterlassung, bzw. die Fehleinschätzung des Post- und Amtsweges hat er jenes Ausmaß an Sorgfaltspflicht außer acht gelassen, welches ihm einzuhalten gerade noch zumutbar gewesen wäre. Die objektiven Sorgfaltspflichten legen immer nur das Mindestmaß der anzuwendenden Sorgfalt fest. In atypischen Situationen wird von einem einsichtigen und besonnenen Menschen in der Lage des Täters ein erhöhtes Maß an Sorgfalt verlangt. Anderseits muß man sich hüten, die Anforderungen an die objektive Sorgfaltspflicht zu überspannen. Nicht schon die Versäumung bloßer Sorgfaltsmöglichkeiten, sondern die Verletzung solcher Sorgfaltspflichten, die die Rechtsordnung nach den gesamten Umständen des Falles vernünftigerweise auferlegen darf, machen das Wesen der objektiven Sorgfaltswidrigkeit aus ((F))9(vgl. abermals VwGH 12.6.1989, 88/10/0169).((F))0 Abschließend wird daher festgestellt, daß das Verschulden des Berufungswerbers als sehr gering anzusehen ist. Ebenfalls waren auch die Folgen der Übertretung insbesondere dadurch unbedeutend, weil der Berufungswerber die Behörde von Gründen seiner Säumigkeit verständigt hatte. Daher konnte von der Verhängung einer Strafe abgesehen werden. Es war auch nicht erforderlich den Berufungswerber zu ermahnen um ihn von weiteren derartigen Übertretungen abzuhalten (VwGH 5.9.1986, 86/18/0167). ^Abstand(1) Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist eine weitere Berufung unzulässig.

H i n w e i s:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof oder an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden. Sie muß von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Beilagen:

Für den O.Ö.Verwaltungssenat Dr.Bleier ((F))9((F))0 6

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