Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-230215/6/Br/La

Linz, 08.06.1993

VwSen - 230215/6/Br/La Linz, am 8. Juni 1993 DVR.0690392 ^Abstand(2) ((S))1ERKENNTNIS((S))0 Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn Predrag M, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom 17. März 1993, Sich/871/1992/Wim, zu Recht erkannt: ^Abstand(1) I. Der Berufung wird Folge gegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird behoben und das Verwaltungsstraf- verfahren eingestellt.

Rechtsgrundlage:

§ 40 Abs.2 iVm § 22 Abs.3 Paßgesetz 1969, BGBl.Nr.422/1969, zuleletzt geändert durch BGBl.Nr. 190/1990 und § 83 Z 2 lit.a Fremdengesetz, BGBl.Nr. 838/1992; § 66 Abs. 4 Allgemeinenes Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 866/ 1992 iVm § 24, § 45 Abs.1 Z 1 , § 51 Abs.1 und § 51e Abs.2 Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG, BGBl. Nr. 52, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 867/1992.

II. Es entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.

Rechtsgrundlage:

§ 65 und § 66 VStG ^Abstand(2) Entscheidungsgründe:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Wels-Land hat mit dem Straferkenntnis vom 17. März 1993, Zl. Sich/871/1992/Wim wider den Berufungswerber wegen der Übertretung nach § 83 Z 2 lit. a FrG und § 40 Abs.2 iVm § 22 Abs.3 Paßgesetz, BGBl. Nr. 422/1969 idF BGBl.Nr. 190/1990 eine Strafe von 500 S und für den Fall der Nichteinbringlichkeit von 36 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe verhängt, weil er am 20. Oktober 1992 um 22.00 Uhr in Stadl-Paura, Gmundnerstr. 8, trotz Aufforderung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes diesem kein gültiges Reisedokument vorgewiesen bzw. ausgehändigt habe.

1.1. Begründend führt die Erstbehörde im wesentlichen aus, daß der Tatbestand insbesondere durch die Wahrnehmung des einschreitenden Gendarmeriebeamten, welcher auch als Zeuge vernommen worden ist, erwiesen sei. Der Berufungswerber habe den Beweis für das Nahverhältnis zu seinem Reisepaß nicht zu erbringen vermocht, indem er den Reisepaß seinem Versicherungsvertreter überlassen gehabt habe. Er habe es ferner auch unterlassen spätestens am nächsten Tag den Reisepaß der Gendarmerie vorzuweisen. Wäre der Reisepaß nach der schriftlichen Anzeigeerstattung vorgewiesen worden, wäre das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt worden.

2. Dagegen wendet sich die am 30. März 1993 fristgerecht durch den Rechtsvertreter des Berufungswerbers eingebrachte Berufung. Inhaltlich wird im wesentlichen ausgeführt, daß der Sachverhalt wohl nicht bestritten werde. Der Reisepaß sei am Tage der Kontrolle durch die Gendarmerie dem Versicherungsvertreter zwecks Fahrzeuganmeldung übergeben worden. Dies sei für die Anmeldung bei der Behörde erforderlich gewesen. Bereits eine Stunde nach der Übergabe des Reisepasses sei um 22.00 Uhr die zur Anzeige führende Kontrolle durchgeführt worden. Dem Gendarmeriebeamten sei der Verbleib des Reisepasses mitgeteilt worden, wobei eine Aufforderung den Reisepaß am nächsten Tag der Gendarmerie vorzuweisen nicht erfolgt sei. Auch habe der Berufungswerber nicht von der Möglichkeit den Reisepaß am nächsten Tag bei der Bezirkshauptmannschaft vorzuweisen Kenntnis erlangt. Die Erstbehörde habe es verabsäumt den Versicherungsvertreter Werner Treitinger als Zeugen zu vernehmen. Ferner sei die nachträgliche Vorlagepflicht von Dokumenten bei der Behörde gesetzlich nicht vorgesehen. Es habe für ihn daher nur die Verpflichtung bestanden sich über Aufforderung in Begleitung des Gendarmeriebeamten zum Versicherungsvertre- ter zu begeben. Erst diese Verweigerung wäre als Übertretung nach § 83 Z 2 lit b zu werten gewesen. Diese Aufforderung sei vom Gendarmeriebeamten nicht ausgesprochen worden. Durch den Hinweis über den Verbleib des Reisepasses sei daher das Nahverhältnis ausreichend nachgewiesen worde.

3. Da keine 10.000 S übersteigende Strafe verhängt worden ist hat der unabhängige Verwaltungssenat durch ein Einzelmitglied (das nach der Geschäftsverteilung zustän- dige Mitglied) zu entscheiden. Da eine volle Berufung erhoben wurde war gemäß § 51e Abs.1 VStG eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen gewesen.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis aufgenommen durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt der Bezirkshauptmannschaft Wels - Land, Zl. Sich/871/1992 und die Vernehmung des Zeugen Werner Treitinger, anläßlich der am 7. Juni 1993 im Amtsgebäude der Erstbehörde durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung.

5. Folgender Sacherverhalt ist erwiesen:

5.1. In der Unterkunft des Berufungswerber hat am 20. Oktober 1992 um 22.00 Uhr eine "Gastarbeiterkontrolle" stattgefunden, wobei der Berufungswerber seinen Reisepaß nicht vorzuweisen vermochte, nachdem er dieses Dokument eine Stunde vorher seinem Versicherungsvertreter, dem Zeugen T, zwecks Anmeldung seines Kraftfahrzeuges bei der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land am 21. Oktober 1992, übergeben hatte.

5.1.1. Unbestritten ist, daß der Reisepaß am 20. Oktober 1992 um 22.00 Uhr vom Berufungswerber nicht vorgewiesen werden konnte. Der Zeuge Treitinger legt glaubwürdig dar, daß er sich über die Nachricht des Berufungswerbers am Anrufbeantworter noch um 21.00 Uhr des 20. Oktober zu diesem begeben hatte. Den Anrufbeantworter habe er um ca. 20.30 Uhr abgehört gehabt. Der Berufungswerber habe an ihn das Ersuchen um Anmeldung seines Fahrzeuges am 21. Oktober 1992 gestellt. Zu diesem Zweck habe er sich den Reisepaß des Berufungswerber ausfolgen lassen müßen. Am folgenden Tag habe er dann die Dokumente und das KFZ-Kennzeichen an den Berufungswerber zurückgestellt, wobei der Berufungswerber ihm erzählt habe, daß er den Reisepaß vorweisen hätte müßen und er, weil er den Paß nicht bei sich hatte eine Strafe zu zahlen gehabt habe. Aus diesem Grunde habe sich der Zeuge dem Predrag M gegenüber verantwortlich gefühlt und sei er bei Mag. P wegen dieser Strafe vorstellig geworden. Dieser habe ihm erklärt, daß ein Fremder seinen Reisepaß immer bei sich haben müße, sodaß ein Ausländer ein Auto aus diesem Grund selbst anmelden müße. Diese Angaben sind schlüßig und den Denkgesetzen entsprechend gut nachvollziehbar.

5.2. Rechtlich hat der unabhägige Verwaltungssenat daher wie folgt erwogen:

5.2.1. Wer sich als Fremder, ohne sich mit dem erforderlichen Dokument ausweisen zu können, im Bundesgebiet aufhält oder wer den Geltungsbereich eines Sichervermerkes (§ 26 Abs.2) überschreitet oder einer auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnung oder einer zwischenstaatlichen Vereinbarung über die Erleich- terung des Reiseverkehrs zuwiderhandelt, begeht eine Verwaltungsübertretung.......(§ 40 Abs. 2 PaßG). Im Sinne einer lebensnahen Gesetzesanwendung ist die Übergabe eines Reisedokumentes an eine namentlich bekannte Person nicht damit verbunden, daß das "Naheverhältnis" zum Dokument nicht mehr hergestellt wäre. Schon begrifflich liegt das "Naheverhältnis" in der Möglichkeit des Zugriffes im Bedarfsfall. Indem die Person welcher der Reisepaß überlassen worden war, sowohl namentlich als auch mit Adresse und Telefonnumer bekannt war, ist die Zugriffsmöglichkeit erhalten geblieben, sodaß auch für den Überprüfungszweck ein allenfalls nur unbedeutender Nachteil vorgelegen haben konnte. Es kann daher auch der nicht erbrachte Nachweis des "Nahverhältnisses" durch die Nichtvorlage des Reisedokumentes bei der Gendarmerie oder der fremdenpolizeilichen Abteilung der Bezirkshaupt- mannschaft mit keiner Rechtswidrigkeit behaftet sein. Indem das Nahverhältnis nicht aufgegeben worden war, brauchte dieses vom Berufungswerber nicht bewiesen werden. Das überprüfende Organ hätte - so über die Glaubwürdigkeit dieser Angabe Bedenken bestanden haben - dies nur unschwer überprüfen können.

Würde man andererseits doch die Ansicht vertreten, daß die Übergabe des Reisepasses an eine dritte Person zur Durchführung eines Amtsgeschäftes das gesetzlich erforderliche Nahverhältnis nicht mehr gewährleistet ist, so wäre dieser rechtswidrige Zustand (das Handeln des Berufungswerbers) jedoch als nicht schuldhaft herbeigeführt zu werten.

Zur Frage des Ausmaßes der objektiven Sorgfaltspflicht hat der VwGH bereits wiederholt ausgesprochen (s E Slg 9710 A und 28.10.1980, 2244/80), daß der hiefür geltende Maßstab ein objektiv-normativer ist. Maßfigur ist der einsichtige und besonnene Mensch, den man sich in die Lage des Täters versetzt zu denken hat. Objektiv sorgfaltswidrig hat der Täter folglich nur dann gehandelt, wenn sich ein einsichtiger und besonnener Mensch des Verkehrskreises, dem der Handelnde angehört, an seiner Stelle anders verhalten hätte (VwGH 12.6.1989, 88/10/0169). Ein solches anderes Verhalten wäre angesichts der in einem derartigen Fall auftretenden Pflichtenkollission (Vorlagepflicht des Reisepasses bei der Fahrzeuganmeldung) kaum zu erwarten.

Auch für das Verwaltungsstrafrecht gilt das Schuldprinzip, dh eine Bestrafung ist nur bei Vorliegen eines schuldhaften Verhaltens möglich (so auch VwGH 13.5.1987, 85/18/0067).

Die objektiven Sorgfaltspflichten legen immer nur das Mindestmaß der anzuwendenden Sorgfalt fest. In atypischen Situationen wird von einem einsichtigen und besonnenen Menschen in der Lage des Täters ein erhöhtes Maß an Sorgfalt verlangt. Anderseits muß man sich hüten, die Anforderungen an die objektive Sorgfaltspflicht zu überspannen. Nicht schon die Versäumung bloßer Sorgfaltsmöglichkeiten, sondern die Verletzung solcher Sorgfaltspflichten, die die Rechtsordnung nach den gesamten Umständen des Falles vernünftigerweise auferlegen darf, machen das Wesen der objektiven Sorgfaltswidrigkeit aus (vgl. abermals VwGH 12.6.1989, 88/10/0169).

Es war sohin spruchgemässs zu entscheiden. ^Abstand(1) Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist eine weitere Berufung unzulässig.

H i n w e i s:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden. Sie muß von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat Dr. B l e i e r 6

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum