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VwSen-230247/2/Gf/La

Linz, 13.12.1993

VwSen-230247/2/Gf/La Linz, am 13. Dezember 1993 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der Oö. Verwaltungssenat hat durch sein Mitglied Dr. Grof über die Berufung des E F, vom 8. September 1993 gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Perg vom 17. August 1993, Zl.

Pol-96/52/1993, zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Strafverfahren eingestellt.

II. Der Berufungswerber hat weder einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch einen Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Oö. Verwaltungssenat zu leisten.

Rechtsgrundlage:

§ 24 VStG iVm § 66 Abs. 4 AVG; § 45 Abs. 1 Z. 1 VStG; § 66 Abs. 1 VStG. Entscheidungsgründe:

1.1. Mit Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Perg vom 17. August 1993, Zl. Pol-96/52/1993, wurde über den Berufungswerber eine Geldstrafe von 500 S (Ersatzfreiheitsstrafe: 48 Stunden) verhängt, weil er am 6. Mai 1993 um 16.30 Uhr in seiner Wohnung in alkoholisiertem Zustand durch Randalieren sowie Beschimpfen und Bedrohen seiner Lebensgefährtin ungebührlicherweise störenden Lärm erregt habe; dadurch habe er eine Übertretung des § 3 Abs. 1 des Oö. Polizeistrafgesetzes, LGBl.Nr. 36/1979 idF LGBl.Nr. 94/1985 (im folgenden: OöPolStG), begangen, weshalb er gemäß § 10 Abs. 1 OöPolStG zu bestrafen gewesen sei.

1.2. Gegen dieses dem Rechtsmittelwerber am 25. August 1993 zugestellte Straferkenntnis richtet sich die vorliegende, am 8. September 1993 - und damit rechtzeitig - zur Post gegebene Berufung.

2.1. Im angefochtenen Straferkenntnis führt die belangte Behörde begründend aus, daß die dem Rechtsmittelwerber zur Last gelegte Tat infolge entsprechender Angaben der Lebensgefährtin des Berufungswerbers und Erhebungen von Beamten des Gendarmeriepostens St. Georgen an der Gusen als erwiesen anzusehen sei.

Bei der Strafbemessung seien weder erschwerende noch mildernde Umstände hervorgekommen.

2.2. Dagegen bringt der Berufungswerber vor, zum Zeitpunkt der Meinungsverschiedenheit nicht alkoholisiert gewesen zu sein; die Anzeige wegen Lärmerregung müsse sich vielmehr auf einen Racheakt seines Nachbarn zurückführen lassen.

Aus diesen Gründen wird - erschließbar - die Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnisses beantragt.

3. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt der BH Perg zu Zl. Pol96/52/1993; da bereits aus diesem hervorging, daß das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben ist, konnte im übrigen gemäß § 51e Abs. 1 VStG von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen werden.

4. In der Sache selbst hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

4.1. Gemäß § 10 Abs. 1 lit. a iVm § 3 Abs. 1 OöPolStG begeht derjenige eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu 5.000 S zu bestrafen, der ungebührlicherweise störenden Lärm erregt.

4.2. Anders als es nach der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses den Anschein hat, ist schon in der Strafanzeige (des Gendarmeriepostens St. Georgen/Gusen an die Staatsanwaltschaft Linz vom 18. Juni 1993, Zl. P-640/93-La) selbst keine Rede davon, daß der Berufungswerber im Zuge der Auseinandersetzung mit seiner Lebensgefährtin "derart lautstark geschrien hätte, sodaß auch andere im Haus wohnende Parteien damit gestört wurden"; derartiges wurde auch in den Aussagen der von der Gendarmerie unmittelbar nach der Tat einvernommenen Personen - ie der Berufungswerber, dessen Lebensgefährtin und ein Nachbarn - nicht behauptet. Erstmals - und nur - im Schreiben des Gendarmeriepostens St. Georgen/Gusen vom 18. Juni 1993, Zl. P-640/93-La, an die Bezirkshauptmannschaft Perg findet sich der Hinweis, daß der Berufungswerber "lautstark schrie und ..... auch im Hause wohnende Parteien störte".

Gezielt darauf gerichtete Ermittlungshandlungen - wie eine entsprechende zeugenschaftliche Einvernahme eines betroffe nen Nachbarn - durch die belangte Behörde oder deren Hilfsorgane, wie diese jedoch schon im Hinblick auf die Abgrenzung zwischen den Deliktstypen nach § 1 Abs. 1 OöPolStG (Anstandsverletzung) einerseits und § 3 Abs. 1 OöPolStG (Lärmerregung) andererseits unerläßlich gewesen wären, lassen sich dem vorgelegten Verwaltungsakt jedoch nicht entnehmen.

Der Oö. Verwaltungssenat, dem schon von Verfassungs wegen (vgl. Art. 129 B-VG), aber auch nach dem VStG nicht die Funktion einer Ermittlungs- oder Anklagebehörde zukommt, sondern der als eine gerichtsförmige unabhängige Institution iSd Art. 6 MRK eingerichtet wurde, sieht es nicht als seine Aufgabe an, substantielle Versäumnisse des Strafverfahrens vor der belangten Behörde im Berufungsverfahren, wo es in erster Linie um die Kontrolle der Rechtmäßigkeit des behördlichen Handelns geht, - noch dazu nach Ablauf der Verjährungsfrist des § 31 Abs.2 VStG - nachzuholen. Dies würde nämlich nicht nur einen Verstoß gegen das Anklageprinzip des Art. 90 B-VG bedeuten, sondern der Betroffene würde so auch faktisch eine erkennende Tatsacheninstanz verlieren, also in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf den gesetzlichen Richter beeinträchtigt werden.

Bei der gegebenen Sachlage war somit in Ermangelung entsprechender Beweise zugunsten des Berufungswerbers davon auszugehen, daß er nicht tatbestandsmäßig iSd § 3 Abs. 1 OöPolStG gehandelt hat, seine Strafbarkeit also von vornherein nicht gegeben ist (vgl. Art. 6 Abs. 2 MRK).

4.3. Aus diesen Gründen war daher der vorliegenden Berufung gemäß § 24 VStG iVm § 66 Abs. 4 AVG stattzugeben, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Strafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z. 1 VStG einzustellen.

5. Bei diesem Verfahrensergebnis war dem Berufungswerber gemäß § 66 Abs. 1 VStG weder ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch ein Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Oö. Verwaltungssenat vorzuschreiben.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für den Oö. Verwaltungssenat:

Dr. G r o f

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