Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-230270/2/Gf/La

Linz, 14.12.1993

VwSen-230270/2/Gf/La Linz, am 14. Dezember 1993 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der Oö. Verwaltungssenat hat durch sein Mitglied Dr. Grof über die Berufung des Rechtsanwaltes Dr. P B, M, S, vom 18. November 1993 gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Vöcklabruck vom 30. September 1993, Zl. Sich96/1011/1993, zu Recht erkannt:

I. Die Berufung wird abzugewiesen und das angefochtene Straferkenntnis bestätigt.

II. Der Berufungswerber hat einen Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Oö. Verwaltungssenat in Höhe von 100 S binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu leisten.

Rechtsgrundlage:

§ 24 VStG iVm § 66 Abs. 4 AVG; § 64 Abs. 1 und 2 VStG. Entscheidungsgründe:

1.1. Mit Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Vöcklabruck vom 30. September 1993, Zl. Sich96/1011/1993, wurde über den Rechtsmittelwerber eine Geldstrafe von 500 S (Ersatzfreiheitsstrafe: 24 Stunden) verhängt, weil er am 4.

Jänner 1993 um 00.10 Uhr auf einem Raststättenparkplatz der Westautobahn die kleine Notdurft verrichtet habe, ohne sich dabei von zwei diesen Vorfall beobachtenden Gendarmeriebeamten abzuwenden; dadurch habe er eine Übertretung des § 1 Abs. 1 des Oö. Polizeistrafgesetzes, LGBl.Nr. 36/1979 idF LGBl.Nr. 94/1985 (im folgenden: OöPolStG), begangen, weshalb er zu bestrafen gewesen sei.

1.2. Gegen dieses dem Rechtsmittelwerber am 12. November 1993 zugestellte Straferkenntnis richtet sich die vorliegende, am 18. November 1993 - und damit rechtzeitig - zur Post gegebene Berufung.

2.1. Im angefochtenen Straferkenntnis führt die belangte Behörde begründend aus, daß es aufgrund der Wahrnehmungen der einschreitenden Gendarmeriebeamten als erwiesen anzusehen sei, daß der Berufungswerber die kleine Notdurft an einem Ort verrichtet habe, an dem die Anstandsverletzung jederzeit von einem über die Beteiligten hinausgehenden Personenkreis hätte wahrgenommen werden können, und sich der Rechtsmittelwerber auch nicht abgewendet habe, als die beiden Beamten von vorne auf ihn zugekommen seien.

Bei der Strafbemessung seien weder erschwerende noch mildernde Umstände hervorgekommen.

2.2. Dagegen bringt der Berufungswerber vor, daß es ihm zeitlich nicht mehr möglich gewesen sei, die öffentliche WCAnlage aufzusuchen. Ein Abwenden von den Beamten sei schon deshalb nicht in Frage gekommen, weil er diese gar nicht habe wahrnehmen können, da sie sich nach deren eigenen Angaben zum Tatzeitpunkt noch in ihrem Dienstwagen befunden hätten.

Aus allen diesen Gründen wird die Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnisses und die Einstellung des Strafverfahrens beantragt.

3. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt der BH Vöcklabruck zu Zl. Sich/1011/1993; da aus diesem der Sachverhalt hinreichend geklärt erschien und mit der vorliegenden Berufung einerseits ein entsprechender Antrag nicht gestellt wurde und andererseits lediglich eine unrichtige rechtliche Beurteilung durch die Erstbehörde geltend gemacht wird, konnte im übrigen gemäß § 51e Abs. 2 VStG von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen werden.

4. In der Sache selbst hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

4.1. Gemäß § 1 iVm § 10 Abs. 1 lit. a OöPolStG begeht derjenige eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu 5.000 S zu bestrafen, der ein Verhalten in der Öffentlichkeit setzt, das einen groben Verstoß gegen die allgemein anerkannten Grundsätze der guten Sitte bildet.

4.2. Wie die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses bereits zutreffend dargelegt hat, genügt für die Erfüllung des Tatbildes des § 1 OöPolStG schon die Möglichkeit, daß die auch bloß von einem Zeugen wahrgenommene Handlung im Hinblick auf den mit ihr verbundenen Belästigungseffekt auch anderen Personen bekannt werden kann (sog. "Sukzessivöffentlichkeit"; vgl. zB VwSlg 11472 A/1984). Im übrigen bedarf es keiner weiteren Begründung - und wird dies auch vom Berufungswerber im Grunde nicht bestritten -, daß das Verrichten der kleinen Notdurft auf dem Parkplatz einer Autobahnraststätte zweifelsfrei eine Handlung darstellt, die als Anstandsverletzung iSd § 1 OöPolStG zu qualifizieren ist.

4.3. Es bleibt aber zu prüfen, ob der Rechtsmittelwerber im gegenständlichen Fall auch schuldhaft gehandelt hat. Dies ist im Ergebnis zu bejahen.

Denn zum einen kann sich (abgesehen davon, daß im gegenständlichen Fall schon kein notstandsfähiges Rechtsgut iSd ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes [dazu zählen nur Leben, Freiheit und Vermögen; vgl. zB VwGH v. 19.

Dezember 1973, Zl. 319/73; v. 27. Mai 1987, Zl. 87/03/0112] vorliegt) auf einen Notstand iSd § 6 VStG nicht berufen, wer sich selbst in eine Zwangslage gebracht hat (vgl. zB VwGH v.

8. September 1969, Zl. 1708/68; v. 22. April 1976, Zl.

1705/75; v. 15. April 1983, Zl. 82/04/0169; v. 25. November 1986, zl. 86/04/0116). Es wäre somit am (erwachsenen) Berufungswerber gelegen, seine kleine Notdurft bereits zu einem früheren Zeitpunkt - Parkplätze und Autobahnraststätten befinden sich entlang der Westautobahn in ausreichender Zahl - zu verrichten.

Zum anderen mußte der Berufungswerber - selbst wenn er die in seiner unmittelbaren Nähe im Fahrzeug sitzenden anderen Personen tatsächlich nicht wahrgenommen hat - aber jedenfalls damit rechnen, daß sich in diesen Fahrzeugen Personen befinden bzw. daß - was auf dem Gelände einer Autobahnraststätte selbst zu Mitternacht durchaus nicht ungewöhnlich ist - während der Dauer des Verrichtens der kleinen Notdurft weitere Fahrzeuge diesen Raststättenparkplatz aufsuchen und somit jedenfalls die Möglichkeit gegeben war, daß zusätzliche Personen die Tathandlung wahrnehmen konnten.

Indem der Rechtsmittelwerber diesen Umständen jedoch offensichtlich keine Beachtung schenkte, hat er sich auch nicht so verhalten, wie dies von einem einsichtigen und besonnenen Menschen in seiner Lage zu erwarten gewesen wäre; er hat sohin bewußt fahrlässig - was eine Heranziehung des § 21 Abs. 1 VStG ausschließt, weil dies nicht bloß als ein geringfügiges Verschulden zu qualifizieren ist - gehandelt.

Die Strafbarkeit des Berufungswerbers ist daher gegeben.

4.4. Strafaufhebungsgründe sind nicht hervorgekommen. Der vom Berufungswerber vorgebrachte Einstellungsgrund des Verfahrens wegen mangelnder Strafwürdigkeit der Tat (vgl. zB § 90 StPO) ist dem Verwaltungsstrafverfahren fremd und kann somit im gegenständlichen Fall von vornherein nicht zur Anwendung kommen.

4.5. Daß die belangte Behörde im Zuge der Strafbemessung das ihr gemäß § 19 VStG eingeräumte Ermessen nicht im Sinne des Gesetzes ausgeübt hat, wenn sie den Strafrahmen ohnehin bloß zu einem Zehntel ausgeschöpft hat (eine Anwendbarkeit des außerordentlichen Milderungsrechtes nach § 20 VStG kam mangels Festlegung einer Mindeststrafe in § 10 Abs. 1 lit. a OöPolStG von vornherein nich tin Betracht), wird weder mit der vorliegenden Berufung behauptet noch haben sich hiefür Anzeichen aus dem von der Behörde vorgelegten Verwaltungsakt ergeben.

4.6. Aus diesen Gründen war daher die vorliegende Berufung gemäß § 24 VStG iVm § 66 Abs. 4 AVG abzuweisen und das angefochtene Straferkenntnis zu bestätigen.

5. Bei diesem Verfahrensergebnis war dem Berufungswerber gemäß § 64 Abs. 1 und 2 VStG ein Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Oö. Verwaltungssenat in Höhe von 100 S vorzuschreiben.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für den Oö. Verwaltungssenat:

Dr. G r o f

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum