Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-230294/14/Kei/Shn

Linz, 18.04.1995

VwSen-230294/14/Kei/Shn Linz, am 18. April 1995 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch seine 1. Kammer unter dem Vorsitz von Dr. Guschlbauer, dem Beisitzer Dr. Wegschaider und dem Berichter Dr. Keinberger über die Berufung der W S, vertreten durch den Rechtsanwalt Dr. J R, gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Linz vom 21. März 1994, Zl.St.13-632/93-B, (Übertretungen des OÖ. Polizeistrafgesetzes - OÖ. PolStG), nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 28. März 1995, zu Recht:

I: Der Berufung wird im Hinblick auf die Spruchpunkte 1 und 3 stattgegeben; diesbezüglich wird das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verfahren eingestellt.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes (AVG) iVm § 24 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG), § 45 Abs.1 Z1 und § 51 VStG.

II: Es entfällt im Hinblick auf die Spruchpunkte 1 und 3 die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde sowie zu den Kosten des Verfahrens vor dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Mit dem in der Präambel angeführten Straferkenntnis wurden über die Berufungswerberin Strafen von (ua) 1) 25.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe 8 Tagen) und 3) 12.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe 5 Tagen) verhängt, weil sie "1) am 4.10.1993 um 21.20 Uhr in Linz, Pfarrplatz vor dem Hause Nr.4 durch Auf- und Abgehen, Ansprechen von männlichenn Passanten und Pkw-Lenkern, sowie die Vereinbarung eines entgeltlichen GV mit einem Kunden sich in einer solchen Weise verhalten" habe, "die auf die Anbahnung von Beziehungen zur sexuellen Befriedigung zu Erwerbszwecken abzielte" und (ua) "3) am 4.10.1993 in der Zeit von ca 21.30 bis 21.35 Uhr in Linz, Sintstr.37 die Prostitution ausgeübt" habe, "obwohl sich in diesem Gebäude mehr als eine Wohnung befindet und deshalb dort die Ausübung der Prostitution verboten ist".

Dadurch habe sie eine Übertretung zu 1) des § 2 Abs.3 lit.a OÖ. PolStG und zu 3) des § 2 Abs.3 lit.c OÖ. PolStG begangen, weshalb sie jeweils nach § 10 Abs.1 lit.b OÖ.

PolStG zu bestrafen gewesen sei.

2. Gegen dieses der Berufungswerberin am 25. März 1994 zugestellte Straferkenntnis richtet sich die Berufung, die am 7. April 1994 bei der belangten Behörde eingelangt ist und fristgerecht erhoben wurde.

Die Berufungswerberin bringt im wesentlichen vor:

Am 4. Oktober 1993 sei sie den ganzen Abend über zu Hause gewesen. Dies könne ihr Lebensgefährte H S S bekunden. Es sei die in der Anzeige aufscheinende Darstellung, wonach die einschreitenden Erhebungsbeamten aus einer Position außerhalb der Wohnung der Berufungswerberin festgestellt hätten, daß in dieser Licht gebrannt hätte und man einen "liegenden, sich rhytmisch auf und ab bewegenden Schatten eines Körpers erkennen" hätte können, mysteriös und unverständlich bzw mit den Gründsätzen einer Logik nicht in Einklang zu bringen. Weiters wird ausgeführt, daß in bezug auf die Spruchpunkte 1 und 3 eine Tateinheit vorliege.

3. Da im angefochtenen Bescheid jeweils 10.000 S übersteigende Geldstrafen verhängt wurden, hatte der unabhängige Verwaltungssenat durch die nach der Geschäftsverteilung zuständige Kammer zu entscheiden (§ 51c VStG), wobei bezüglich des Faktums 2 nach der Geschäftsverteilung wegen der Materie Gesundheitswesen eine andere Kammer des unabhängigen Verwaltungssenates zur Entscheidung berufen ist.

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat in den Verwaltungsakt der Bundespolizeidirektion Linz vom 12. April 1994, Zl.III-St.-13.632/93-B, Einsicht genommen und am 28. März 1995 eine öffentliche mündliche Verhandlung gemäß § 51e VStG durchgeführt.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

4.1. Gemäß § 2 Abs.3 lit.a OÖ. PolStG begeht eine Verwaltungsübertretung, wer sich an einem öffentlichen Ort in einer Weise verhält, die auf die Anbahnung der Prostitution abzielt. Als öffentlicher Ort hat ein solcher zu gelten, der jederzeit von einem nicht von vornherein beschränkten Kreis von Personen betreten werden kann oder im Rahmen seiner Zweckbestimmung allgemein zugänglich ist. Dem Verhalten an einem öffentlichen Ort ist ein Verhalten gleichgestellt, das zwar nicht an einem öffentlichen Ort gesetzt wird, das aber von dort aus wahrgenommen werden kann. Gemäß § 2 Abs.3 lit.c OÖ. PolStG begeht eine Verwaltungsübertretung, wer in Gebäuden mit mehr als einer Wohnung oder in Gebäuden, in denen ein Gastgewerbe oder die Privatzimmervermietung ausgeübt wird, eine Wohnung, Teile einer Wohnung oder sonstige Räumlichkeiten oder wer einen Wohnwagen oder andere Bauten auf Rädern oder Wasserfahrzeuge und dgl für Zwecke der Anbahnung oder Ausübung der Prostitution nutzt oder zur Verfügung stellt oder als Verfügungsberechtigter diese Verwendung gestattet oder duldet. Eine Verwaltungsübertretung liegt nicht vor, wenn und solange die Prostitution in Gebäuden ausgeübt oder angebahnt wird, die ausschließlich von Personen bewohnt oder benützt werden, die die Prostitution ausüben.

Gemäß § 10 Abs.1 OÖ. PolStG sind Verwaltungsübertretungen gemäß § 1, § 2 Abs.3 und § 3 von der Bezirksverwaltungsbehörde, im Wirkungsbereich einer Bundespolizeidirektion von dieser, bei Übertretungen nach (lit.b) § 2 Abs.3 mit Geldstrafe bis S 200.000, im Falle der Uneinbringlichkeit mit Arrest bis zu sechs Wochen, zu bestrafen.

4.2. Der Zeuge J W hat im Verfahren vor dem O.ö. Verwaltungssenat - vor dem Hintergrund der Bestimmung des § 49 Abs.1 Z1 AVG iVm § 24 VStG - die Aussage mit der Begründung verweigert, daß die Beantwortung der an ihn gerichteten Fragen ihm zur Schande gereichen würde. Auch im Verfahren vor der belangten Behörde wurde dieser Zeuge nicht einvernommen. Es wurde lediglich eine angeblich von diesem Zeugen gemachte Aussage von einem Polizeibeamten zitiert.

Die beiden Polizeibeamten, die am 4. Oktober 1993 Steifendienst hatten und auf deren Initiative die Anzeige vom 15. Oktober 1993 zurückgeht, konnten sich in der öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem O.ö.

Verwaltungssenat nicht an den gegenständlichen Vorfall erinnern. Auch der bei einem Teil der öffentlichen mündlichen Verhandlung anwesende Zeuge J W, der sich der Aussage entschlagen hat, kam den beiden Polizeibeamten nicht bekannt vor.

Die Berufungswerberin selbst hat in der öffentlichen mündlichen Verhandlung bestritten, daß sie die in Punkt 1 und 3 des Spruches des angefochtenen Straferkenntnisses angeführten Übertretungen begangen hat.

Aus diesen angeführten Gründen ist für den O.ö.

Verwaltungssenat der im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses - in bezug auf die Spruchpunkte 1 und 3 angeführte Sachverhalt nicht erwiesen. Daher war nach dem Grundsatz in dubio pro reo (s. hiezu Art.6 Abs.2 EMRK) vorzugehen, der vorliegenden Berufung gemäß § 24 VStG iVm § 66 Abs.4 AVG stattzugeben, das angefochtene Straferkenntnis betreffend die Spruchpunkte 1 und 3 aufzuheben und das Strafverfahren diesbezüglich gemäß § 45 Abs.1 Z1 VStG einzustellen.

5. Bei diesem Verfahrensergebnis war der Berufungswerberin gemäß § 66 Abs.1 VStG weder ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch ein Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem O.ö. Verwaltungssenat vorzuschreiben.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. Guschlbauer

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