Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-230341/3/Wei/Bk VwSen230342/3/Wei/Bk

Linz, 04.07.1995

VwSen-230341/3/Wei/Bk VwSen-230342/3/Wei/Bk Linz, am 4. Juli 1995 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch seine dritte Kammer (Vorsitzender Dr. Fragner, Berichter Dr. Weiß, Beisitzerin Mag. Bissenberger) über die Berufungen der Ehegatten E (geb.) und H (geb.) H, je vom 4. August 1994, vertreten durch Dr. W M, Rechtsanwalt in M, gegen die Straferkenntnisse der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen je vom 19. Juli 1994, Zlen. Pol 96-28-1994-Vo, Pol 96-29-1994-Vo, wegen Verwaltungsübertretungen nach dem § 2 Abs 1 iVm § 2 Abs 3 lit d) O.ö. Polizeistrafgesetz O.ö. PolStG (LGBl Nr. 36/1979 idF LGBl Nr. 94/1985) zu Recht erkannt:

I. Den Berufungen wird Folge gegeben, die angefochtenen Straferkenntnisse werden aufgehoben und die Strafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG eingestellt.

II. Die Berufungswerber haben keine Beiträge zu den Kosten des Strafverfahrens zu leisten.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs 4 AVG 1991 iVm § 24 VStG 1991, § 66 Abs 1 VStG 1991.

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit den oben bezeichneten inhaltlich gleichlautenden Straferkenntnissen je vom 19. Juli 1994 hat die belangte Behörde die Berufungswerber wie folgt schuldig erkannt und bestraft:

"Sie haben gemeinsam mit Ihrer Gattin H (bzw mit Ihrem Gatten E) am 1.1.1994 das Einfamilienhaus in S in der Absicht angemietet, die Kellerräume nach entsprechender Adaptierung für Zwecke der Anbahnung und Ausübung von Beziehungen zur sexuellen Befriedigung anderer Personen zu Erwerbszwecken zu benützen, zumal insbesondere in der Nacht vom 4.2.1994 zum 5.2.1994 von Frau K G in den Kellerräumen des genannten Gebäudes nicht nur die Prostitution angebahnt sondern auch ausgeübt wurde, es jedoch unterlassen, der Gemeinde St.

Agatha mindestens zwei Monate vor Aufnahme der Prostitution dies anzuzeigen, obwohl derjenige, der beabsichtigt, für Zwecke der Anbahnung oder Ausübung von Beziehungen zur sexuellen Befriedigung anderer Personen zu Erwerbszwecken von Gebäuden oder einzelnen Räumlichkeiten zu nützen, dies der Gemeinde mindestens zwei Monate vor Aufnahme der Prostitution anzuzeigen hat." Durch die so umschriebene Tatanlastung erachtete die belangte Behörde § 2 Abs 1 iVm § 2 Abs 3 lit d) O.ö. PolStG als verletzte Rechtsvorschriften und verhängte nach dem Strafrahmen des § 10 Abs 1 lit b) O.ö.PolStG je eine Geldstrafe von S 20.000,-- und für den Fall der Uneinbringlichkeit je eine Ersatzfreiheitsstrafe von 6 Tagen. Beiträge zu den Kosten der Strafverfahren wurden in Höhe von je S 2.000.-- vorgeschrieben.

1.2. Gegen diese Straferkenntnisse, die den Berufungswerbern am 21. Juli 1994 zugestellt wurden, haben diese durch ihren Rechtsvertreter die gleichlautenden Berufungen vom 4. August 1994, die noch am gleichen Tag - und damit rechtzeitig - zur Post gegeben worden sind, bei der belangten Behörde eingebracht. In den Berufungen wird die Aufhebung der Straferkenntnisse und die Einstellung der Strafverfahren angestrebt.

2.1. Den angefochtenen Straferkenntnissen lag folgender S a c h v e r h a l t zugrunde:

Die Berufungswerber haben mit Mietvertrag vom 7. Dezember 1993 das Einfamilienhaus in S, S, von Herrn P - nach ihren Angaben für Wohnzwecke - um einen monatlichen Betrag von S 9.800,-- ab 1. Jänner 1994 gemietet. Die Kellerräume wurden in der Weise ausgestattet, um einen sogenannten Freizeitclub betreiben zu können. Vor allem wurde ein Barbetrieb eingerichtet. Anläßlich der gewerbebehördlichen Schließung des Gastgewerbebetriebs durch die belangte Behörde am 10. Februar 1994 gemäß § 360 Abs 1 GewO 1973 wies E H eine vereinsbehördliche Bewilligung des Vereins "O" vor (vgl Niederschrift vom 10.02.1994).

In der Nacht von 4. auf den 5. Februar 1994 besuchten F G und F A den Club E, einen sogenannten Freizeitclub, der von den Ehegatten E und H H in den Kellerräumen des angemieteten Einfamilienhauses in der S in S eingerichtet worden ist. Da die Eingangstür versperrt war, läutete F A, worauf ihnen Frau C G öffnete und die beiden in die Kellerräume führte. Eine Ausweis- oder Personenkontrolle fand nicht statt. Nach den Statuten des Clubs ist von jedem Benutzer des Clubraums ein Eintrittspreis von S 100,-- zu leisten, wofür ein Getränk bereitgestellt wird. Auch eine Mitgliedschaft beim Freizeitclub ist nicht erforderlich gewesen. Vielmehr konnte jedermann den Clubraum betreten und sich unterhalten. Die Anbahnung oder Ausübung der Prostitution sei allerdings nach den - nicht aktenkundigen - Statuten verboten gewesen (vgl dazu die niederschriftlichen Angaben der Ehegatten E und H H vom 15.04.1994).

Die genannten Gäste bestellten je ein Bier für den Eintritt.

Danach wurde Frau C G zunächst von G auf ein Bier eingeladen. Sie unterhielt sich mit ihm auf dem Sofa und bot ihm einen Geschlechtsverkehr in einem Nebenzimmer um S 2.800,-- pro Stunde an. Er war einverstanden und sie begaben sich in den Nebenraum, wo sie ihm ein Präservativ über das Glied stülpte. Dabei brachte sie ihn bereits mit der Hand in solche Erregung, daß er einen Samenerguß hatte, ohne daß ein Geschlechtsverkehr stattfand. Danach zogen sie sich an und gingen zurück in den Clubraum. G zahlte C G noch ein Bier und verließ später um ca. 01.00 Uhr den Club.

Kurze Zeit darauf kam Frau C G zum Zeugen A, der ihr ebenfalls ein Getränk bezahlte. Sie fragte auch ihn, ob er mit ihr nicht aufs Zimmer gehen wolle, wobei sie über die Preise verhandelten. Für eine halbe Stunde verlangte sie den Betrag von S 1.500,--, die der Zeuge bezahlte, um mit ihr den Geschlechtsverkehr auszuführen. Im Nebenraum zog sie ihm ein Präservativ über das Glied und führte mit der Hand eine Errektion herbei.

Anschließend vollzogen sie den Geschlechtsverkehr in verschiedenen Stellungen. Insgesamt waren sie maximal eine halbe Stunde im Nebenzimmer. Danach hielt sich der Zeuge noch in der Bar im Clubraum auf und konsumierte weitere Getränke.

Diese Feststellungen gründen auf den niederschriftlichen Angaben der beiden Zeugen, die glaubhaft und widerspruchsfrei über die Vorgänge berichteten und Frau C G auf einem vorgelegten Paßfoto eindeutig als jene mollige Person identifizierten, die mit ihnen sexuelle Beziehungen einging. Frau C G bestritt den Sachverhalt zur Gänze und behauptete, sich an die Zeugen nicht einmal erinnern zu können.

2.2. Mit Aufforderung zur Rechtfertigung je vom 28. März 1994 hat die belangte Behörde den spruchmäßig beschriebenen Sachverhalt vorgeworfen. Anläßlich ihrer niederschriftlichen Rechtfertigung je vom 15. April 1994 bestritten die Berufungswerber diesen Tatvorwurf und behaupteten, daß nach den Statuten des Freizeitclubs die Anbahnung und Ausübung der Prostitution im Clubraum verboten sei. Wäre ihnen dies bekannt geworden, hätten die Berufungswerber angeblich die Anbahnung oder Ausübung der Prostitution unterbunden. E H bezweifelte die Zeugenaussagen, konnte aber über die Vorgänge aus eigener Wahrnehmung nichts berichten. Seine Gattin und C G hätten sich aber in der Nacht vom 4. auf den 5. Februar 1994 im Clubraum aufgehalten. Auch H H betonte den bloßen Unterhaltungszweck des Clubraums. Es sei dort auch schon fotografiert worden. Beide Berufungswerber wiesen auch auf den Umstand hin, daß C G hochschwanger gewesen wäre und nach etwa vier Wochen entbunden hätte.

2.3. Die belangte Behörde hat ihre Verwaltungsstrafakten zur Berufungsentscheidung vorgelegt und auf eine mündliche Verhandlung verzichtet.

2.4. Die Berufungen machen Mangelhaftigkeit des Verfahrens, unrichtige Tatsachenfeststellung und Beweiswürdigung sowie unrichtige rechtliche Beurteilung geltend. Unter diesen Berufungsgründen wird im wesentlichen die strafbehördliche Feststellung bekämpft, die Berufungswerber hätten beabsichtigt, die Kellerräume im Haus S in S für Prostitutionszwecke zu verwenden.

3. Der unabhängige Verwaltungssenat hat nach Einsicht in die vorgelegten Verwaltungsstrafakten festgestellt, daß der entscheidungswesentliche Sachverhalt hinreichend geklärt erscheint und bereits nach der Aktenlage ersichtlich ist, daß die angefochtenen Straferkenntnisse aufzuheben sind. Die Durchführung einer Berufungsverhandlung war daher entbehrlich.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

4.1. Gemäß § 2 Abs 1 Satz 1 O.ö. PolStG hat der Gemeinde mindestens zwei Monate vor Aufnahme der Prostitution anzuzeigen, wer beabsichtigt, für Zwecke der Anbahnung oder Ausübung von Beziehungen zur sexuellen Befriedigung anderer Personen zu Erwerbszwecken (Prostitution), ein Gebäude, eine Wohnung oder einzelne Räumlichkeiten zu nutzen oder für solche Zwecke zur Verfügung zu stellen.

Nach § 2 Abs 3 lit d) O.ö. PolStG begeht eine Verwaltungsübertretung, wer die Anzeige gemäß Abs 1 nicht erstattet.

Im Zusammenhalt dieser Bestimmungen ergibt sich daher die Anzeigepflicht für den unmittelbaren Täter, der Räumlichkeiten für Zwecke der Prostitution entweder selbst nutzt oder als Verfügungsberechtigter anderen für diese Zwecke zur Verfügung stellt.

Die Anzeigepflicht kann immer nur den treffen, der die Verfügungsberechtigung über die Räumlichkeiten und damit die Entscheidung über deren Verwendung zu treffen hat. Zum Täterkreis gehören außer dem Eigentümer eines Gebäudes auch der Wohnungseigentümer, der Bestandnehmer oder ein sonstiger Nutzungsberechtigter.

In Verbindung mit Satz 2 ergibt sich als erkennbarer Zweck der Regelung des § 2 Abs 1 O.ö. PolStG, der Gemeinde die Überprüfung der Untersagungskriterien so rechtzeitig zu ermöglichen, damit die beabsichtigte Verwendung von Räumlichkeiten für Zwecke der Prostitution bereits vor ihrer Aufnahme verboten und unzumutbare Belästigungen des örtlichen Gemeinwesens vermieden werden können.

4.2. Die belangte Strafbehörde hat den Berufungswerbern die oben dargestellte Verwaltungsübertretung im Spruch angelastet, als ob sie in eigener Person eine Nutzung für Zwecke der Anbahnung oder Ausübung der Prostitution beabsichtigt hätten. Tatsächlich kommt nach dem festgestellten Sachverhalt aber nur die Variante des Zurverfügungstellens von Räumlichkeiten für dritte Prostituierte in Betracht.

Abgesehen von dieser Ungenauigkeit kann die erkennende Kammer der Strafbehörde nicht beipflichten, wenn sie lediglich aus der - auch nach h. Ansicht - erwiesenen Anbahnung und Ausübung der Prostitution durch Frau C G in der Nacht vom 4. auf den 5. Februar 1994 den Schluß zieht, daß die Verwaltungsübertretung gemäß § 2 Abs 3 lit d) O.ö. PolStG damit ebenfalls erwiesen sei. Denn aus einem einmaligen Vorfall, dessen Kenntnis und Billigung den Berufungswerbern nach der Aktenlage nicht nachweisbar ist, kann keinesfalls auf eine Verwendungsabsicht der Berufungswerber iSd § 2 Abs 1 O.ö. PolStG geschlossen werden. Die Aussagen der einvernommenen Zeugen sind insofern auch nicht aussagekräftig. Sie konnten vor allem nicht über weitere einschlägige Vorfälle am gleichen oder an einem anderen Tag Zeugnis ablegen. Der Zeuge A besuchte am 5. Februar 1994 neuerlich den Club, um etwas zu trinken, berichtete aber nichts von einer abermaligen Anbahnung der Prostitution. Auch ein längerer Beobachtungszeitraum scheidet gegenständlich aus, weil der Club E erst Anfang Februar 1994 eröffnet und bereits am 10. Februar 1994 wieder gewerbebehördlich geschlossen worden ist.

Den Berufungen ist zuzubilligen, daß für die strafbehördliche Feststellung der Verwendungsabsicht gemäß dem § 2 Abs 1 Satz 1 O.ö. PolStG keine geeignete Tatsachengrundlage aus den strafbehördlich erhobenen Beweisen ersichtlich ist. Insofern hat die belangte Behörde gegen den Grundsatz "in dubio pro reo" verstoßen, weil sie sich mit einer zwar naheliegenden, aber nicht erwiesenen Vermutung zu Lasten der Berufungswerber begnügte. Nach der Gesetzeslage besteht die Anzeigepflicht an die Gemeinde erst dann, wenn die von vornherein bestehende Verwendungsabsicht iSd § 2 Abs 1 Satz 1 leg.cit. nachgewiesen werden kann. Die unbedenkliche Feststellung dieses Umstandes ist demnach Voraussetzung für das Vorliegen des Tatbestands des § 2 Abs 3 lit d) iVm § 2 Abs 1 Satz 1 O.ö. PolStG. Daß es sich dabei auch um ein Ungehorsamsdelikt iSd § 5 Abs 1 Satz 2 VStG handelt, vermag nichts an diesem Befund über die Tatbestandsvoraussetzungen zu ändern. Zur Klarstellung wird darauf hingewiesen, daß im Falle der von der Strafbehörde erwähnten einschlägigen Vorstrafe (vgl dazu das h.

Erkenntnis vom 31. Mai 1994, Zlen. VwSen-230245/3/Wei/Bk und VwSen-230346/3/Wei/Bk) gerade der Umstand der Verwendungsabsicht für Zwecke der Prostitution unstrittig und als eindeutig erwiesen anzusehen war.

Aus den angeführten Gründen waren die Straferkenntnisse aufzuheben und die Strafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG einzustellen.

5. Bei diesem Ergebnis entfällt gemäß § 66 Abs 1 VStG die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten der Strafverfahren.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. F r a g n e r

 

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