Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-230366/3/Kei/Shn

Linz, 29.12.1995

VwSen-230366/3/Kei/Shn Linz, am 29. Dezember 1995 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Michael Keinberger über die Berufung der A D, vertreten durch den Rechtsanwalt Dr. J P, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Braunau am Inn vom 29. September 1994, Zl.Sich 96-124-1994-Bu, wegen einer Übertretung des Fremdengesetzes (FrG), zu Recht:

I: Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verfahren eingestellt.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz (AVG) iVm § 24 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG) § 45 Abs.1 Z2 und § 51 VStG.

II: Es entfällt die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde sowie zu den Kosten des Verfahrens vor dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Mit dem in der Präambel angeführten Straferkenntnis wurde über die Berufungswerberin eine Geldstrafe von 600 S (Ersatzfreiheitsstrafe 24 Stunden) verhängt, weil sie "sich als Fremde (StA. der dominik. Rep.) jedenfalls im Zeitraum vom 28.12.1993 bis 12.2.1994 unrechtmäßig im Bundesgebiet der Republik Österreich" aufgehalten habe, "da die Gültigkeit ihres Sichtvermerkes am 27.12.1993" geendet hätte. Ihr Aufenthalt im Bundesgebiet sei daher im angeführten Zeitraum nicht rechtmäßig gewesen. Dadurch habe sie eine Übertretung des § 5 iVm § 15 Abs.3 Z2 und § 82 Abs.1 Z4 FrG begangen, weshalb sie gemäß § 82 Abs.1 Z4 FrG zu bestrafen gewesen sei.

2. Gegen dieses der Berufungswerberin am 3. Oktober 1994 zugestellte Straferkenntnis richtet sich die Berufung, die am 14. Oktober 1994 der Post zur Beförderung übergeben und fristgerecht erhoben wurde.

3. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat in den Verwaltungsakt der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 20. Oktober 1994, Zl.Sich 96-124-1994-Bu, Einsicht genommen.

Folgender Sachverhalt wurde als erwiesen angenommen und der Entscheidung zugrunde gelegt:

Die Berufungswerberin war eine Staatsangehörige der dominikanischen Republik und Fremde iSd § 1 Abs.1 FrG. Der Berufungswerberin wurde durch die Bezirkshauptmannschaft Leibnitz für die Zeit vom 17.Juni 1992 bis 20. Dezember 1992 ein Sichtvermerk ausgestellt. Dieser Sichtvermerk wurde bis 30. September 1993 verlängert. Auf ihren Antrag vom 23. September 1993 hin wurde ihr - ummittelbar an die angeführte Zeit anschließend - ein Sichtvermerk bis 27. Dezember 1993 ausgestellt. Am 13. Dezember 1993 hat die Berufungswerberin einen "Verlängerungsantrag" gestellt.

Ebenfalls am 13. Dezember 1993 hat die Berufungswerberin bei der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck einen Antrag auf Erteilung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz gestellt. Über beide Anträge war bis zu der Zeit, mit der das angefochtene Straferkenntnis datiert wurde (29. September 1994), nicht entschieden. Am 9. Oktober 1993 heiratete die Berufungswerberin den österreichischen Staatsangehörigen A H. Für die Zeit von 28. Dezember 1993 bis 12. Februar 1994 ist der Berufungswerberin nicht eine Bewilligung gemäß § 1 des Aufenthaltsgesetzes oder von einer Sicherheitsbehörde ein Sichtvermerk erteilt worden und eine Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz ist ihr nicht zugekommen.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

4.1. Gemäß § 15 Abs.1 FrG halten sich Fremde rechtmäßig im Bundesgebiet auf, wenn (Z2) ihnen eine Bewilligung gemäß § 1 des Aufenthaltsgesetzes oder von einer Sicherheitsbehörde ein Sichtvermerk erteilt wurde.

Gemäß § 82 Abs.1 Z4 FrG begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu 10.000 S zu bestrafen, wer sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält (§ 15). Als Tatort gilt der Ort der Betretung oder des letzten bekannten Aufenthaltes.

Gemäß § 5 Abs.1 VStG genügt zur Strafbarkeit, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nicht anderes bestimmt, fahrlässiges Verhalten. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, daß ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

4.2. Der in Punkt 3 angeführte Sachverhalt wurde als erwiesen angenommen auf Grund des Vorbringens der Berufungswerberin (Rechtfertigung vom 9. Mai 1994 und Berufung) und der übrigen Unterlagen des Verwaltungsaktes.

Auf die oa Vorbringen der Berufungswerberin - insbesondere diejenigen in der Rechtfertigung vom 9. Mai 1994 - ist die belangte Behörde fast überhaupt nicht eingegangen geschweige denn ist sie diesen entgegengetreten. Für den O.ö. Verwaltungssenat liegt kein Grund vor, dem Vorbringen der Berufungswerberin keinen Glauben zu schenken. Dies wegen der oben (im vorletzten Satz) angeführten Tatsache und auch deshalb, weil dem Verwaltungsakt keine Anhaltspunkte zu entnehmen sind, nach denen es geboten wäre, dem Vorbringen keinen Glauben zu schenken. Bemerkt wird, daß der Akt oder relevante Aktenteile des Verfahrens betreffend den durch die Berufungswerberin gestellten Antrag auf Erteilung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz durch die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck, bei der er sich befunden hat, trotz (mehrmaligem) Ersuchen durch den O.ö. Verwaltungssenat diesem nicht zur Einsichtnahme vorgelegt wurde.

Die Berufungswerberin hat ca zwei Wochen vor Ablauf des Sichtvermerkes die Verlängerung desselben beantragt. Der Antrag der Berufungswerberin war zur Zeit des Ablaufes der Gültigkeit des Sichtvermerkes weder (aus der Sicht der Berufungswerberin) positiv noch negativ erledigt. In bezug auf die Zeit von 28. Dezember 1993 bis 12. Februar 1994 liegt der objektive Tatbestand des § 82 Abs.1 Z4 iVm § 15 Abs.1 FrG vor.

Bei vernünftiger Gesetzesanwendung ist aus einer ex ante Sicht zu beurteilen, ob in der Situation der Berufungswerberin ein anderes Verhalten erwartet werden hätte können bzw ob ihr ein anderes Verhalten - ein Verlassen des Bundesgebietes - zumutbar gewesen wäre. Ein Verschulden könnte auch in einer zu späten Antragstellung erblickt werden, wobei das nicht rechtzeitige Vorliegen einer zu spät beantragten Bewilligung den folglich illegalen Aufenthalt als verschuldet begründen würde. Ein Verschulden der Berufungswerberin wird verneint. Der Berufungswerberin ist deshalb ihr Verhalten nicht als schuldhaft vorzuwerfen, weil sie davon ausgehen durfte, daß es sich bei der Verlängerung des Sichtvermerkes um eine behördliche Routinesache handelt, welche sich durchaus in der Zeit von 13. Dezember 1993 bis 27. Dezember 1993 erledigen lassen würde. Die eingetretene Verzögerung lag nicht in ihrer Sphäre und kann ihr nicht als schuldhaft vorgeworfen werden.

Was diese Beurteilung betrifft, so wird auch auf die Erkenntnisse des O.ö. Verwaltungssenates, VwSen-230365/6/Br vom 15. Dezember 1994 und VwSen-230343/5/Kei/Shn vom 16. August 1995, denen ähnlich gelagerte Sachverhalte zugrunde liegen, hingewiesen. Bei der gegenständlichen Übertretung handelt es sich um ein Ungehorsamsdelikt - das Tatbild besteht in einem bloßen Verhalten ohne Merkmal eines Erfolges (s. hiezu Hauer-Leukauf, "Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens", 4. Auflage, Prugg Verlag, Eisenstadt 1990, S 708). Bei Ungehorsamsdelikten hat ein Beschuldigter glaubhaft zu machen, daß ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft (Hauer-Leukauf, S 708). Eine diesbezügliche Glaubhaftmachung ist der Berufungswerberin gelungen. Indem das Vorliegen des Verschuldens verneint wird, liegt ein Strafausschließungsgrund nach § 45 Abs.1 Z2 VStG vor.

4.3. Aus den angeführten Gründen war der vorliegenden Berufung gemäß § 24 VStG iVm § 66 Abs.4 AVG stattzugeben, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Strafverfahren gemäß § 45 Abs.1 Z2 VStG einzustellen.

5. Bei diesem Verfahrensergebnis war der Berufungswerberin gemäß § 66 Abs.1 VStG weder ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch ein Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem O.ö. Verwaltungssenat vorzuschreiben.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. Keinberger

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