Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-230388/2/Kei/Shn

Linz, 15.03.1996

VwSen-230388/2/Kei/Shn Linz, am 15. März 1996 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Michael Keinberger über die Berufung des Ion P, vertreten durch den Rechtsanwalt Dr.

Viktor gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Linz-Land vom 6. Dezember 1994, Zl.Sich 96-700-1994-Ho, wegen Übertretungen des Fremdengesetzes (FrG), zu Recht:

I: Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verfahren eingestellt.

II: Es entfällt die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde sowie zu den Kosten des Verfahrens vor dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz (AVG) iVm § 24 Verwaltungsstrafgesetz (VStG), § 45 Abs.1 Z1, § 51 Abs.1 und § 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Mit dem in der Präambel angeführten Straferkenntnis wurden über den Berufungswerber 1) eine Geldstrafe von 5.000 S und eine Ersatzfreiheitsstrafe von 72 Stunden und 2) eine Geldstrafe von 500 S und eine Ersatzfreiheitsstrafe von 24 Stunden verhängt, weil er 1) "am 24.5.1994 vorsätzlich Schlepperei begangen" habe, "indem er mit den rumänischen Staatsangehörigen Dumitru D und Marielena M illegal über die Staumauer am R bei O zu Fuß nach Deutschland gegangen" sei und 2) "am 24.5.1994 im Gemeindegebiet von O trotz Aufforderung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes, nämlich eines Beamten der Grenzkontrollstelle O, diesem das für seine Aufenthaltsberechtigung maßgebliche Dokument nicht ausgehändigt" habe. Dadurch habe er eine Übertretung des zu 1) § 80 Abs.2 FrG und zu 2) § 16 FrG begangen, weshalb er gemäß zu 1) § 80 Abs.2 Z1 FrG und zu 2) § 83 Z2 lit.a FrG zu bestrafen gewesen sei.

2. Gegen dieses dem Berufungswerber am 7. Dezember 1994 zugestellte Straferkenntnis richtet sich die am 21. Dezember 1994 der Post zur Beförderung übergebene und fristgerecht erhobene Berufung.

3. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat in den Verwaltungsakt der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 22. Dezember 1994, Zl.Sich 96-700-1994-Ho, Einsicht genommen.

Folgender Sachverhalt wurde als erwiesen angenommen und der Entscheidung zugrunde gelegt:

Am 24. Mai 1994 begaben sich die rumänischen Staatsangehörigen und Fremden iSd § 1 Abs.1 FrG Dumitru D, Marilena M und der Berufungswerber nach O. Sie fuhren mit dem Kraftfahrzeug einer anderen Person, die dieses lenkte.

Die drei oben namentlich angeführten Personen begaben sich in das im Grenzbereich und auf deutschem Gebiet gelegene Gasthaus F in dem sie Getränke konsumierten. Die drei Ausländer und der rumänische Staatsangehörige und Fremde iSd § 1 Abs.1 FrG R N, der in das Gasthaus gekommen ist und dessen Auto auf dem Parkplatz des Gasthauses abgestellt war, wurden - nachdem sie das Gasthaus verlassen hatten - durch die deutsche Grenzpolizei in Grenznähe und auf deutschem Gebiet aufgegriffen. Durch die deutsche Grenzpolizei erfolgte anschließend die Aufnahme von Niederschriften mit den oben angeführten Personen.

4. In der Sache selbst hat der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erwogen:

4.1. Gemäß § 80 Abs.1 FrG ist Schlepperei die Förderung der rechtswidrigen Ein- oder Ausreise eines Fremden, gleichgültig ob sie vor oder nach dem Grenzübertritt oder während des Aufenthaltes des Fremden im Bundesgebiet gewährt wird.

Gemäß § 80 Abs.2 FrG begeht, wer vorsätzlich Schlepperei begeht oder vorsätzlich an ihr mitwirkt, eine Verwaltungsübertretung und ist 1. mit Geldstrafe bis zu 50000 Schilling zu bestrafen; 2. sofern er die Tat um seines Vorteiles willen begeht, mit Geldstrafe bis zu 200000 S zu bestrafen.

Gemäß § 16 FrG sind Fremde verpflichtet, den Behörden und ihren Organen auf eine bei der Vollziehung eines Bundesgesetzes ergehende Aufforderung hin die für ihre Aufenthaltsberechtigung maßgeblichen Dokumente vorzuweisen und sich erforderlichenfalls in Begleitung eines Organes an jene Stelle zu begeben, an der die Dokumente verwahrt sind.

Sie sind außerdem verpflichtet, den Behörden (§ 65) und den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes in begründeten Fällen auf Verlangen Auskunft über den Zweck und die beabsichtigte Dauer ihres Aufenthaltes im Bundesgebiet zu erteilen und den Besitz der Mittel zu ihrem Unterhalt nachzuweisen.

Gemäß § 83 FrG begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu 3000 Schilling zu bestrafen, wer (Z2) trotz Aufforderung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes (lit.a) diesem ein für seine Aufenthaltsberechtigung maßgebliches Dokument nicht aushändigt.

4.2. Der in Punkt 3 angeführte Sachverhalt wurde als erwiesen angenommen auf Grund der Aussagen der drei namentlich angeführten rumänischen Staatsangehörigen und derjenigen des Berufungswerber in den am 24. Mai 1994 aufgenommenen Niederschriften und auf Grund der übrigen Angaben in der Anzeige der Grenzkontrollstelle O vom 25. Mai 1994, Zl.549/2P1/-/1994/Ra - insbesondere den auf der Seite 2 und dem Zusatzblatt angeführten. Dieser Sachverhalt wurde durch den Berufungswerber nicht bestritten.

Zum Spruchpunkt 1 des angefochtenen Straferkenntnisses:

Die Aussagen, die in den durch die deutsche Grenzpolizei aufgenommenen Niederschriften aufscheinen, wurden - wie diesen zu entnehmen ist - "nach Belehrung" gemacht.

Möglicherweise handelte es sich bei der "Belehrung" um eine solche, die den österreichischen Regelungen in den §§ 49 und 50 AVG insbesondere eine "Wahrheitserinnerung" entspricht.

Die niederschriftlichen Aussagen der vier Ausländer sind im Großen und Ganzen - von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen eindeutig und übereinstimmend. Den Niederschriften, die nicht ignoriert werden können, ist insbesondere deutlich zu entnehmen, daß eine "Ausreise" in die Bundesrepublik Deutschland nicht beabsichtigt war. Festgehalten wird in diesem Zusammenhang, daß durch die belangte Behörde im wesentlichen über die ihr übermittelte Anzeige (einschließlich der Niederschriften) hinausgehende Ermittlungen - zB eine Einvernahme der Ausländer und eine Befragung von Grenzkontrollorganen - nicht vorgenommen wurden. Für den O.ö. Verwaltungssenat liegt im Hinblick auf die Frage, ob der objektive Tatbestand des § 80 Abs.2 FrG verwirklicht wurde - trotz Vorliegen von einzelnen Anhaltspunkten (die belangte Behörde hat solche in der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses angeführt) vor dem oa Hintergrund aber nicht mehr als ein Verdacht vor.

Insbesondere ist ein Vorliegen eines Vorsatzes des Berufungswerbers nicht mit einer in einem Verwaltungsstrafverfahren erforderlichen Sicherheit erwiesen.

Zum Spruchpunkt 2 des angefochtenen Straferkenntnisses:

Der Berufungswerber hat das gesamte Straferkenntnis bekämpft. Dem Verwaltungsakt sind keine Ermittlungsergebnisse, die eine Grundlage für die den Berufungswerber mit dem Spruchpunkt 2 vorgeworfene Tat darstellen könnten, zu entnehmen. Auch in der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses wird auf diesen Spruchpunkt nicht eingegangen. Es ist beispielsweise dem gesamten Verwaltungsakt nicht der Name des Organes zu entnehmen, das den Berufungswerber aufgefordert haben soll und auch nicht wann und wo dies erfolgt sein soll. Das Vorliegen der dem Berufungswerber mit diesem Spruchpunkt vorgeworfenen Tat ist vor diesem Hintergrund für den O.ö. Verwaltungssenat nicht erwiesen.

4.3. Aus den angeführten Gründen war nach dem Grundsatz in dubio pro reo (siehe hiezu Art.6 Abs.2 EMRK) vorzugehen, der vorliegenden Berufung gemäß § 24 VStG iVm § 66 Abs.4 AVG stattzugeben, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Strafverfahren gemäß § 45 Abs.1 Z1 VStG einzustellen.

5. Bei diesem Verfahrensergebnis war dem Berufungswerber gemäß § 66 Abs.1 VStG weder ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch ein Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem O.ö. Verwaltungssenat vorzuschreiben.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Beilage Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. Keinberger

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