Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-230396/3/Wei/Bk

Linz, 23.01.1996

VwSen-230396/3/Wei/Bk Linz, am 23. Jänner 1996 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch seine 3. Kammer (Vorsitzender Dr. Fragner, Berichter Dr. Weiß, Beisitzerin Mag. Bissenberger) über die Berufung des E N, V, I, L, vertreten durch Dr. W M, Rechtsanwalt in M, H, vom 27. Dezember 1994 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Perg vom 12.

Dezember 1994, Zl. Pol 96-54-1994-KG/BG, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem § 2 Abs 3 lit c) O.ö.

Polizeistrafgesetz - O.ö. PolStG (LGBl Nr. 36/1979 idF LGBl Nr. 94/1985) zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Strafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG eingestellt.

II. Der Berufungswerber hat keine Beiträge zu den Kosten des Strafverfahrens zu leisten.

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs 4 AVG 1991 iVm § 24 VStG 1991, § 66 Abs 1 VStG 1991.

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis vom 12. Dezember 1994 hat die belangte Behörde den Berufungswerber (Bw) wie folgt schuldig erkannt und bestraft:

"Sie stellen Ihrer eigenen Anzeige und einer Feststellung vom 4.7.1994 zufolge seit mindestens 4.7.1994 als Eigentümer des Hauses L, im Obergeschoß eine Wohnung zum Zwecke der Ausübung der Prostitution zur Verfügung, obwohl dies aufgrund der Wohnungssituation in diesem Haus verboten ist." Durch die so angelastete Tat erachtete die Strafbehörde den § 2 Abs 3 lit c) O.ö. PolStG als verletzte Rechtsvorschrift und verhängte wegen dieser Verwaltungsübertretung nach dem Strafrahmen "gemäß § 10 Abs. 1 lit. d O.ö.

Polizeistrafgesetz 1979" (richtig: § 10 Abs 1 lit b) O.ö.

PolStG) eine Geldstrafe von S 15.000,-- und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 240 Stunden. Als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens wurden S 1.500,-- vorgeschrieben.

1.2. Gegen dieses Straferkenntnis, das dem Bw zu Handen seines Rechtsvertreters am 13. Dezember 1994 zugestellt worden ist, richtet sich die vorliegende, am 27. Dezember 1994 - und damit rechtzeitig - zur Post gegebene Berufung vom 27. Dezember 1994, mit der unrichtige Sachverhaltsfeststellung, Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtige rechtliche Beurteilung geltend gemacht, die Aufhebung des Straferkenntnisses und die Einstellung des Strafverfahrens beantragt wird.

2. Aus der Aktenlage ergibt sich folgender S a c h v e r h a l t :

2.1. Aufgrund einer bekanntgewordenen Prostitutionsanzeige der "Jungspatzen M" in der Zeitschrift "S.O.Z. Österreichisches Männermagazin, Ausgabe (vgl Gendarmerieanzeige, Beilagen 2 und 3) betreffend das Haus Im S, S forderte die Gemeinde L den Bw als Eigentümer des Hauses zur Anzeige gemäß § 2 Abs 1 O.ö. PolStG gegenüber der Gemeinde auf. Mit Schreiben vom 4. Juli 1994 teilte er mit, daß er beabsichtige, in seinem Wohnhaus zwei Wohnräume für Zwecke der Prostitution zur Verfügung zu stellen. Der Ordnung halber stellte er klar, daß die Wohnräume bereits seit 1. Juni 1994 für den genannten Zweck beigestellt werden.

Der Gendarmerieposten S an der G erstattete die Strafanzeige vom 18. Juli 1994 gegen den Bw wegen des Verdachts der Übertretung des § 2 Abs 1 O.ö. PolStG an die belangte Behörde. In der Anzeige wird ausgeführt, daß der Bw der deutschen Staatsbürgerin K B S seit Anfang Juni 1994 eine Wohnung im Obergeschoß seines Hauses, I L, zum Zwecke der Prostitutionsausübung zur Verfügung stellte, ohne die Anzeige iSd § 2 Abs 1 O.ö. PolStG zu erstatten. Frau S habe die Prostitution nach ihren eigenen Angaben seit Juni 1994 ausgeübt. Das Erdgeschoß war an das Ehepaar E und S S vermietet, die laut Melderegister des Gemeindeamts einen Zweitwohnsitz gemeldet hatten (vgl Beilage 1 zur Anzeige der Gendarmerie). Nach Angaben des Bw gegenüber der Gendarmerie hatte er die zweite Wohnung im Obergeschoß an Elisabeth U F vermietet, die die Prostitution in L ausübte und die Wohnung angeblich nur für Wohnzwecke benutzte. Der Bw gab an, daß S die Prostitution auf eigene Rechnung und Gefahr ausübte und er nur Einnahmen aus der Vermietung hätte. Von der Meldepflicht an die Gemeinde hätte er nicht gewußt.

K S (= M) habe die Prostitutionsausübung zugegeben und zwei Inserate aufgegeben. Entgegen dem oben angeführten Inserat übte E F (= L) die Prostitution nicht in L aus, da es sich anders ergeben hätte. S wäre am 29. Juni 1994 vom Amtsarzt in P auf Geschlechtskrankheiten und Aids untersucht worden und hätte einen Ausweis bekommen, womit alles legal wäre.

2.2. Die belangte Behörde lastete in der Folge dem Bw mit Aufforderung zur Rechtfertigung vom 2. August 1994 die nicht erfolgte Anzeige der Prostitution mindestens zwei Monate vor deren Aufnahme an (vgl § 2 Abs 3 lit d) iVm § 2 Abs 1 O.ö.

PolStG). Bei seiner niederschriftlichen Vernehmung am 17. August 1994 verantwortete sich der Bw zur unterlassenen Meldung der Prostitutionsaufnahme durch Frau S geständig.

Die belangte Behörde erteilte dann mit Schreiben vom 4. Oktober 1994 der Gendarmerie einen Erhebungsauftrag wegen des Verdachts der verbotenen Prostitution nach § 2 Abs 3 lit c) O.ö. PolStG. Der Gendarmerieposten berichtete am 24. Oktober 1994 unter Vorlage einer Kopie des Hausplanes, daß im Hause L, I insgesamt 3 Wohnungen baurechtlich genehmigt waren. Die Ehegatten S wären mittlerweile ausgezogen und hätten sich am 25. August 1994 beim Gemeindeamt abgemeldet. Die Wohnung im Erdgeschoß benutzte nunmehr F. Die zweite Wohnung im Obergeschoß stünde leer.

Die Prostitution werde nur von S ausgeübt.

Mit weiterer Aufforderung zur Rechtfertigung vom 4. November 1994 legte die belangte Strafbehörde dem Bw wie auch im Straferkenntnis die Verwaltungsübertretung des § 2 Abs 3 lit c) O.ö. PolStG zur Last, weil er seit mindestens 4. Juli 1994 eine Wohnung zum Zwecke der Ausübung der Prostitution zur Verfügung stellte, obwohl dies aufgrund der Wohnungssituation in seinem Haus verboten wäre. In der Folge erging das angefochtene Straferkenntnis vom 7. Dezember 1994, ohne daß weitere strafbehördliche Einvernahmen stattfanden. Von der Möglichkeit einer weiteren Rechtfertigung machte der Bw keinen Gebrauch.

2.3. Die Berufung rügt zunächst, daß sich aus dem Beweisverfahren zum angenommenen Tatzeitpunkt 4. Juli 1994 keinerlei Hinweise für eine Prostitutionsausübung der B S fänden. Deshalb fehlte die Identität der Tat. Die belangte Behörde hätte auch rechtsirrtümlich ein unbefristetes Dauerdelikt ohne Endtermin angenommen.

In der Sache bringt der Bw vor, daß die Ehegatten S in seinem Haus nur ihren Zweitwohnsitz hatten und daß zum Tatzeitpunkt 4. Juli 1994 das Bestandverhältnis zu den Ehegatten S bereits mit Wirkung vom 30. Juni 1994 aufgelöst war. Der Bw hätte ihnen lediglich die Räumung der Wohnung bis 31. Juli 1994 gestattet. Zum Beweis für dieses Vorbringen wird die Ausforschung und zeugenschaftliche Einvernahme der Ehegatten S beantragt. Auch E F wäre im Tatzeitpunkt 4. Juli 1994 bereits im Besitz einer "Genehmigung nach dem Geschlechtskrankheiten- und Aidsgesetz" der Bezirkshauptmannschaft Perg gewesen, was der Strafbehörde von Amts wegen hätte bekannt sein müssen. Zum Beweis dafür beantragt der Bw die Einvernahme dieser Prostituierten als Zeugin und die Beischaffung des entsprechenden Aktes.

Die belangte Behörde habe das für die getroffenen Feststellungen erforderliche Beweisverfahren nicht durchgeführt und damit gegen die Grundsätze der amtswegigen Wahrheitserforschung und der Anleitungspflicht verstoßen.

Unter dem Aspekt der unrichtigen rechtlichen Beurteilung rügt die Berufung, daß es sich beim § 2 Abs 3 lit c) O.ö.

PolStG nicht um ein Dauerdelikt handelte. Aber selbst unter dieser Annahme läge die Identität der Tat nicht vor, weil aus dem Beweisverfahren und den getroffenen Feststellungen nicht hervorginge, wann ein bestimmter Erfolg herbeigeführt und ob oder wie lange ein bestimmter Erfolg bestanden hätte.

Es lägen keine Feststellungen vor, die unter § 2 Abs 3 lit c) O.ö. PolStG subsumiert werden könnten. Die Strafbehörde wäre in dubio pro reo zur Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens verpflichtet gewesen.

2.4. Die belangte Behörde hat die Berufung mit ihrem Verwaltungsstrafakt zur Berufungsentscheidung vorgelegt.

Eine Gegenschrift wurde nicht erstattet.

3. Der unabhängige Verwaltungssenat hat nach Einsicht in die vorgelegten Verwaltungsakten und unter Berücksichtigung des Berufungsvorbringens festgestellt, daß das angefochtene Straferkenntnis bereits nach der Aktenlage aufzuheben ist.

Die belangte Behörde hat kein ausreichendes Ermittlungsverfahren durchgeführt. Sie hat es vermutlich auch im Hinblick auf rechtsirrtümliche Vorstellungen unterlassen, alle Mieter des Hauses zur Sache einzuvernehmen. Ein ordentliches Ermittlungsverfahren besteht nicht allein in einer Aufforderung zur Rechtfertigung mit Tatanlastung. Auch wenn der Bw darauf nicht reagierte, durfte die Strafbehörde nicht von erforderlichen weiteren Beweisaufnahmen Abstand nehmen und einfach zu seinen Lasten Sachverhaltsfeststellungen treffen.

Eine solche Vorgangsweise verstößt gegen die Unschuldsvermutung ebenso wie gegen den Grundsatz der amtswegigen Wahrheitserforschung.

Die Sachverhaltsdarstellung der Berufung erscheint der erkennenden Kammer plausibel. Der Bw hat unwiderlegt vorgebracht, daß die Ehegatten S die Wohnung im Erdgeschoß zum angelasteten Tatzeitpunkt nicht mehr benutzten, weil das Mietverhältnis bereits Ende Juni 1994 aufgelöst war. Die belangte Behörde ist dem in keiner Weise entgegengetreten.

Außerdem hat der Bw durchaus im Einklang mit der Aktenlage darauf hingewiesen, daß E F die Prostitution ausübt. Der unabhängige Verwaltungssenat folgt auch dem sinngemäßen Berufungsvorbringen, wonach sie sich den vorgeschriebenen Untersuchungen nach dem Geschlechtskrankheiten- und Aidsgesetz unterzogen hatte.

4. In rechtlicher Hinsicht hat der unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

4.1. Gemäß § 2 Abs 3 lit c) O.ö. PolStG begeht eine Verwaltungsübertretung und ist nach § 10 Abs 1 lit b) O.ö.

PolStG mit Geldstrafe bis S 200.000,-- und im Fall der Uneinbringlichkeit mit Arrest bis zu sechs Wochen zu bestrafen, wer in Gebäuden mit mehr als einer Wohnung oder in Gebäuden, in denen ein Gastgewerbe oder die Privatzimmervermietung ausgeübt wird, eine Wohnung, Teile einer Wohnung oder sonstige Räumlichkeiten oder wer einen Wohnwagen oder andere Bauten auf Rädern oder Wasserfahrzeuge und dgl. für Zwecke der Anbahnung oder Ausübung der Prostitution nutzt oder zur Verfügung stellt oder als Verfügungsberechtigter diese Verwendung gestattet oder duldet.

In der authentischen Interpretationsrichtlinie des 2. Satzes des § 2 Abs 3 lit c) O.ö. PolStG stellt der oberösterreichische Landesgesetzgeber klar, daß keine Verwaltungsübertretung vorliegt, wenn und solange die Prostitution in Gebäuden ausgeübt oder angebahnt wird, die ausschließlich von Personen bewohnt oder benützt werden, die die Prostitution ausüben. Nach dem erkennbaren Zweck des gegenständlichen Straftatbestandes, soll die Prostitution in Gebäuden verboten sein, wenn ein nicht der Prostitution zugehöriger Personenkreis durch ihre Ausübung betroffen und belästigt wäre. Damit kommt es für den Straftatbestand der verbotenen Prostitution entscheidend auf die tatsächlichen Benutzungsverhältnisse vor Ort im Tatzeitpunkt an.

4.2. Die Strafbehörde hat das Zurverfügungstellen einer Wohnung "seit mindestens 4. Juli 1994" zum Zweck der Ausübung der Prostitution angelastet, obwohl die Prostitution aufgrund der Wohnungssituation im Hause des Bw verboten wäre. Damit hat die belangte Behörde eine bloß allgemeine, die konkreten Umstände nicht berücksichtigende Fassung des Spruches vorgenommen. Eine unzureichende Konkretisierung iSd § 44a Z 1 VStG liegt bereits im unbestimmten Verweis auf die "Wohnungssituation" im Haus des Bw. Auch eine tatsächliche Anbahnung oder Ausübung der Prostitution hat die belangte Behörde nicht festgestellt. Es gibt dafür auch keine vorfallsbezogenen aktenkundigen Anhaltspunkte.

Abgesehen davon, ist die Berufung nach Ansicht der erkennenden Kammer im Recht, wenn sie in bezug auf den 2. Satz des § 2 Abs 3 lit c) O.ö. PolStG vorbringt, daß auch dann keine Verwaltungsübertretung vorliegt, wenn jene Personen, die die Prostitution ausüben, dies nicht im gleichen Gebäude tun. Nach dem Gesetzeswortlaut kommt es nur darauf an, daß ausschließlich Prostituierte das Gebäude bewohnen oder benutzen, unabhängig davon, wo sie ihr Gewerbe ausüben. Nach dem Zweck der Norm bedarf es nur des Schutzes prostitutionsfremder Personen. Auch wenn der Bw als Vermieter eine der drei Wohnungen selbst benutzte, kann § 2 Abs 3 lit c) O.ö. PolStG nicht verletzt sein, zumal die Strafbestimmung nicht den Sinn haben kann, den Hauseigentümer, der Wohnungen an Prostituierte vermietet, vor sich selbst zu schützen.

Im vorliegenden Fall folgt der unabhängige Verwaltungssenat der unwiderlegten und durchaus glaubhaften Darstellung des Bw, der sich auch sonst im bisherigen Strafverfahren offenbar wahrheitsgemäß verantwortete, daß die nicht die Prostitution ausübenden Ehegatten S ab Juli 1994 die Wohnung im Erdgeschoß nicht mehr benutzten. Sie konnten daher von einer allfälligen Ausübung der Prostitution im angelasteten Zeitpunkt nicht mehr betroffen sein. Daß ihnen der Bw nach Beendigung des Mietverhältnisses noch einen gewissen Zeitraum gewährt hatte, die Wohnung von ihren Fahrnissen zu räumen, vermag an dieser Beurteilung nichts zu ändern. Ob die Prostituierte E F ihr Gewerbe im Haus des Bw, I in L worauf die Prostitutionsanzeige im "S.O.Z.- Österreichisches Männermagazin, Ausgabe , hindeutete - oder in L oder an beiden Orten ausübte, macht für die rechtliche Beurteilung keinen Unterschied. Sie gehört jedenfalls nicht zu dem Personenkreis, dessen Schutz das Verbot der Prostitution nach § 2 Abs 3 lit c) O.ö. PolStG dient.

Schon aus diesen Gründen war das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Strafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG einzustellen. Auf weitere Ausführungen der Berufung brauchte nicht mehr eingegangen werden.

5. Bei diesem Ergebnis entfällt gemäß § 66 Abs 1 VStG die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. F r a g n e r

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