Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-230407/2/Kei/Shn

Linz, 15.04.1996

VwSen-230407/2/Kei/Shn Linz, am 15. April 1996 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Michael Keinberger über die Berufung der R, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Ried im Innkreis vom 29. Dezember 1994, Zl.Pol 96-124-1-1994, wegen einer Übertretung des O.ö.

Polizeistrafgesetzes (O.ö. PolStG), zu Recht:

I: Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verfahren eingestellt.

II: Es entfällt die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde sowie zu den Kosten des Verfahrens vor dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz (AVG) iVm § 24 Verwaltungsstrafgesetz (VStG), § 45 Abs.1 Z1, § 51 Abs.1 und § 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Mit dem in der Präambel angeführten Straferkenntnis wurde über die Berufungswerberin eine Geldstrafe von 10.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe 50 Stunden) verhängt, weil sie "am 23.09.1994, um etwa 23.30 Uhr, in Ried i.I., zwei Gästen jeweils die Durchführung eines Geschlechtsverkehrs zum Preis von S 1.300,-- angeboten" habe, "obwohl der Gemeinderat der Stadtgemeinde Ried i.I. mit Verordnung vom 03.10.1986 die Anbahnung oder Ausübung der Prostitution (Beziehungen zur sexuellen Befriedigung anderer Personen zu Erwerbszwecken) im obgenannten Objekt verboten hat und somit die Prostitution angebahnt und einer Untersagung gemäß § 2 Abs.2 OÖ. Polizeistrafgesetz zuwidergehandelt" habe. Dadurch habe sie eine Übertretung des "§ 2 Abs.3 lit.e OÖ.

Polizeistrafgesetz, LGBl.Nr.36/1979 idF. LGBl.Nr.94/1985 iVm. §§ 1 und 2 der Verordnung der Stadtgemeinde Ried i.I.

vom 03.10.1986, Zl.Pol-158/1986-Dr.S/H", begangen, weshalb sie "gemäß § 10 Abs.1 lit.b OÖ. Polizeistrafgesetz" zu bestrafen gewesen sei.

2. Gegen dieses der Berufungswerberin am 5. Jänner 1995 zugestellte Straferkenntnis richtet sich die Berufung, die am 19. Jänner 1995 bei der belangten Behörde eingelangt ist und fristgerecht erhoben wurde.

3. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat in den Verwaltungsakt der Bezirkshauptmannschaft Ried im Innkreis vom 25. Jänner 1995, Zl.

Pol96-124-1-1994-Ha, Einsicht genommen.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

4.1. Gemäß § 2 Abs.1 O.ö. PolStG hat, wer beabsichtigt, für Zwecke der Anbahnung oder Ausübung von Beziehungen zur sexuellen Befriedigung anderer Personen zu Erwerbszwecken (Prostitution) ein Gebäude, eine Wohnung oder einzelne Räumlichkeiten zu nutzen oder für solche Zwecke zur Verfügung zu stellen, dies, soweit es nicht nach Abs.3 lit.c verboten ist, der Gemeinde mindestens zwei Monate vor Aufnahme der Prostitution anzuzeigen. Die Gemeinde hat die Verwendung zu diesem Zweck innerhalb von zwei Monaten ab Einlangen der Anzeige mit Bescheid zu untersagen, wenn auf Grund der örtlichen oder sachlichen Verhältnisse zu befürchten ist, daß dadurch die Nachbarschaft in unzumutbarer Weise belästigt oder das örtliche Gemeinwesen gestört wird oder sonstige öffentliche Interessen, insbesondere solche der Ruhe, Ordnung und Sicherheit oder des Jugendschutzes verletzt werden.

Gemäß § 2 Abs.2 O.ö. PolStG idFd LGBl.Nr.94/1985 kann die Gemeinde die Nutzung bestimmter Gebäude, Gebäudeteile oder Gruppen von Gebäuden des Gemeindegebietes zum Zweck der Anbahnung oder Ausübung der Prostitution durch Verordnung untersagen, wenn durch diese Tätigkeit die Nachbarschaft in unzumutbarer Weise belästigt oder das örtliche Gemeinwesen gestört wird oder sonstige öffentliche Interessen, insbesondere solche der Ruhe, Ordnung und Sicherheit oder des Jugendschutzes verletzt werden.

Gemäß § 2 Abs.2 O.ö. PolStG idFd LGBl.Nr.30/1995 ist die Nutzung bestimmter Gebäude, Gebäudeteile oder Gruppen von Gebäuden zum Zweck der Anbahnung oder Ausübung der Prostitution in der Nähe von Kirchen, Friedhöfen, Krankenanstalten, Schulen, Kindergärten, Kinder- und Jugendspielplätzen, Jugendheimen und dergleichen verboten. Überdies kann die Gemeinde die Nutzung bestimmter Gebäude, Gebäudeteile oder Gruppen von Gebäuden des Gemeindegebietes zum Zweck der Anbahnung oder Ausübung der Prostitution durch Verordnung untersagen, wenn durch diese Tätigkeit 1. die Nachbarschaft in unzumutbarer Weise belästigt wird oder 2. das örtliche Gemeinwesen gestört wird oder eine solche Störung zu erwarten ist oder 3. sonstige öffentliche Interessen, insbesondere solche der Ruhe, Ordnung und Sicherheit oder des Jugendschutzes, verletzt werden oder eine solche Verletzung zu erwarten ist.

Gemäß § 2 Abs.3 O.ö. PolStG idFd LGBl.Nr.94/1985 begeht eine Verwaltungsübertretung (ua lit.e), wer einer Untersagung gemäß Abs.1 oder 2 (durch die Novelle LGBl.Nr.30/1995 geschaffener Zusatz: sowie einem Verbot gemäß Abs.2) zuwiderhandelt.

Gemäß § 10 Abs.1 O.ö. PolStG sind Verwaltungsübertretungen gemäß (ua) § 2 Abs.3 von der Bezirksverwaltungsbehörde, im Wirkungsbereich einer Bundespolizeidirektion von dieser, bei Übertretungen nach (lit.b) § 2 Abs.3 mit Geldstrafe bis 200.000 S, im Falle der Uneinbringlichkeit mit Arrest bis zu sechs Wochen zu bestrafen.

4.2. Der O.ö. Verwaltungssenat schließt sich nicht der durch die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses vorgenommenen Beweiswürdigung an. Dem Aktenvermerk der belangten Behörde betreffend die Amtshandlung am 24. September 1994 ist nicht zu entnehmen, daß eine "Ausländerin" und Angehörige der "dominikan. Rep." - eine Person, auf die die in den mit den beiden Zeugen Werner F und D am 23. September 1994 aufgenommenen Niederschriften vorgenommene Beschreibung zutrifft -, im Lokal anwesend gewesen ist. Auch stellen die Niederschriften einerseits und der Aktenvermerk andererseits auf eine deutlich unterschiedliche Zeit ab. Aus den mit den beiden Zeugen F und D aufgenommenen Niederschriften ergibt sich, daß die Aufnahme der Niederschriften bereits um 24.00 Uhr beendet wurde und daß sich diese Niederschriften auf die Zeit von ca 23.30 bis 24.00 Uhr bezogen haben. Der Aktenvermerk beschreibt eine Situation, die 1/4 bis 3/4 Stunden nach Abschluß der Aufnahme der oa Niederschriften vorgelegen ist.

Dem Verwaltungsakt ist kein Ermittlungsergebnis zu entnehmen, daß die Berufungswerberin die bzw. die einzige zur verfahrensgegenständlichen Zeit im Lokal anwesend gewesene Person gewesen ist, auf die die in den beiden Niederschriften vorgenommene Beschreibung zutrifft.

Zwar sprechen einzelne Anhaltspunkte - die belangte Behörde hat solche in der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses angeführt - dafür, daß es möglich ist, daß die Berufungswerberin die ihr vorgeworfene Tat begangen hat. Die ihr vorgeworfene Anbahnung der Prostitution - die Berufungswerberin bestritt dezidiert, daß sie mit den beiden Personen gesprochen hat - und die Verwirklichung des objektiven Tatbestandes des § 2 Abs.3 lit.e O.ö. PolStG ist für den O.ö. Verwaltungssenat aus den angeführten Gründen nicht mit einer für ein Verwaltungsstrafverfahren erforderlichen Sicherheit und Schlüssigkeit erwiesen. Deshalb war nach dem Grundsatz in dubio pro reo (siehe hiezu Art.6 Abs.2 EMRK) vorzugehen, der vorliegenden Berufung gemäß § 24 VStG iVm § 66 Abs.4 AVG stattzugeben, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Strafverfahren gemäß § 45 Abs.1 Z1 VStG einzustellen.

5. Bei diesem Verfahrensergebnis war der Berufungswerberin gemäß § 66 Abs.1 VStG weder ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch ein Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem O.ö. Verwaltungssenat vorzuschreiben.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Beilage Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. Keinberger

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