Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-230485/13/Kei/Shn

Linz, 17.09.1997

VwSen-230485/13/Kei/Shn Linz, am 17. September 1997 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Keinberger im Zusammenhang mit der Berufung des Ahmet O, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Perg vom 30. Oktober 1995, Zl. Sich96-216-1995, betreffend eine Übertretung des Fremdengesetzes (FrG), nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 27. Jänner 1997, zu Recht:

Der am 21. Februar 1997 durch den O.ö. Verwaltungssenat mündlich verkündete Bescheid, Zl.VwSen-230485/11/Kei/Shn, wird aus dem Grunde des § 52a Abs.1 VStG so abgeändert, daß der Spruch zu lauten hat: "I. Der Berufung gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Perg vom 30. Oktober 1995, Zl. Sich96-216-1995, wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verfahren eingestellt. Rechtsgrundlage: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz (AVG) iVm § 24 Verwaltungsstrafgesetz (VStG), § 45 Abs.1 Z1, § 51 Abs.1 und § 51e VStG II. Es entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.

Rechtsgrundlage: § 66 Abs.1 VStG" Entscheidungsgründe:

1. Die im Spruch des in der Präambel angeführten Straferkenntnisses angeführte, als erwiesen angenommene Tat (§ 44a Z1 VStG) lautet:

"Sie haben sich am 16.6.1995 um 16.00 Uhr in M 148, aufgehalten, obwohl Sie weder eine Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz noch einen gültigen Sichtvermerk besitzen." Der Berufungswerber (Bw) habe dadurch eine Übertretung des § 82 Abs.1 Z4 iVm § 15 Abs.1 Z2 FrG begangen, weshalb er gemäß § 82 Abs.1 Z4 FrG zu bestrafen gewesen sei - und zwar mit einer Geldstrafe von 1.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe: 72 Stunden). 2. Gegen dieses Straferkenntnis richtet sich die Berufung, die fristgerecht erhoben wurde. 3. Der O.ö. Verwaltungssenat hat in den Verwaltungsakt der Bezirkshauptmannschaft Perg vom 18. Dezember 1995, Zl. Sich96-216-1995, Einsicht genommen und am 27. Jänner 1997 eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt.

4. Mit dem am 21. Februar 1997 mündlich verkündeten Bescheid des O.ö. Verwaltungssenates, Zl. VwSen-230485/11/Kei/Shn, wurde der Berufung insoferne Folge gegeben, als gemäß § 21 Abs.1 VStG von der Verhängung einer Strafe abgesehen wurde. Mit diesem Bescheid wurde auch zum Ausdruck gebracht, daß der Bw keine Verfahrenskostenbeiträge zu leisten hat. 5. Der O.ö. Verwaltungssenat hat erwogen:

5.1. § 82 Abs.1 FrG lautet: Wer ... 4. sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält (§ 15), begeht eine Verwaltungsübertretung und ist ... mit Geldstrafe bis zu 10.000 Schilling zu bestrafen. Als Tatort gilt der Ort der Betretung oder des letzten bekannten Aufenthaltes.

Artikel 6 Abs.1 des auf das Assoziationsabkommen zwischen der EWG und der Türkei (abgeschlossen am 12. September 1963, in Kraft getreten am 1. Dezember 1964) gestützten Beschlusses des Assoziationsrates vom 19. Dezember 1980 lautet:

Vorbehaltlich der Bestimmungen in Artikel 7 über den freien Zugang der Familienangehörigen zur Beschäftigung hat der türkische Arbeitnehmer, der dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaats angehört, in diesem Mitgliedstaat - nach einem Jahr ordnungsgemäßer Beschäftigung Anspruch auf Erneuerung seiner Arbeitserlaubnis bei dem gleichen Arbeitgeber, wenn er über einen Arbeitsplatz verfügt; - nach drei Jahren ordnungsgemäßer Beschäftigung - vorbehaltlich des den Arbeitnehmern aus den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft einzuräumenden Vorrangs - das Recht, sich für den gleichen Beruf bei einem Arbeitgeber seiner Wahl auf ein unter normalen Bedingungen unterbreitetes und bei den Arbeitsämtern dieses Mitgliedstaates eingetragenes anderes Stellenangebot zu bewerben; - nach vier Jahren ordnungsgemäßer Beschäftigung freien Zugang zu jeder von ihm gewählten Beschäftigung im Lohn- oder Gehaltsverhältnis.

5.2. Im Hinblick auf die Frage der Anwendbarkeit des in Punkt 5.1. angeführten Beschlusses wird auf die Abhandlung von Rudolf Feik "Das Aufenthaltsrecht türkischer Arbeitnehmer" (Zeitschrift für Verwaltung, Heft 1/1995, S. 4 bis S. 14) und auf das Erkennntnis des VwGH vom 25. Juni 1996, Zl. 96/09/0088, hingewiesen. Zum Begriff "ordnungsgemäße Beschäftigung" im Sinne des Art.6 Abs.1 des in Punkt 5.1. angeführten Beschlusses wird bemerkt: Die Ordnungsgemäßheit im Sinne dieser Bestimmung setzt nach der Rechtsprechung des EuGH [EuGH, Rs C-192/89 - Sevince (FN 10) Rn 30; sowie Rs C-237/91 - Kus (FN 21) Rn 13] eine gesicherte und nicht nur vorläufige Position des Betroffenen auf dem Arbeitsmarkt voraus. Die beschäftigungsrechtliche Stellung ist eng mit der aufenthaltsrechtlichen Stellung verknüpft. Es wird diesbezüglich auf die Ausführungen von Rudolf Feik (S. 7 und S. 8), denen sich der O.ö. Verwaltungssenat anschließt, hingewiesen. Für den O.ö. Verwaltungssenat ist nicht geklärt, ob und bejahendenfalls zu welcher Zeit im gegenständlichen Zusammenhang eine "ordnungsgmäße Beschäftigung" im Sinne des Art.6 Abs.1 des in Punkt 5.1. angeführten Beschlusses vorgelegen ist. Vor dem angeführten Hintergrund ist für den O.ö. Verwaltungssenat nicht mit einem in einem Verwaltungsstrafverfahren erforderlichen Ausmaß an Sicherheit erwiesen, daß der objektive Tatbestand der dem Bw vorgeworfenen Übertretung verwirklicht wurde. Der O.ö. Verwaltungssenat vertritt die Auffassung, daß die Voraussetzungen für die Anwendung der Bestimmung des § 52a Abs.1 VStG vorgelegen sind. Insgesamt war spruchgemäß zu entscheiden.

Rechtsmittelbelehrung: Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis: Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S zu entrichten.

Beilage Dr. Keinberger

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