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des Landes Oberösterreich
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VwSen-230552/2/Kei/Shn

Linz, 24.02.1998

VwSen-230552/2/Kei/Shn Linz, am 24. Februar 1998 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Keinberger über die Berufung des Fritz L, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Wels-Land vom 14. November 1996, Zl. Sich96-97-1996-WIM/MR, wegen einer Übertretung des Sicherheitspolizeigesetzes (SPG), zu Recht:

I. Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verfahren eingestellt.

Rechtsgrundlage: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz (AVG) iVm § 24 Verwaltungsstrafgesetz (VStG), § 45 Abs.1 Z1 und Z3 und § 51 Abs.1 VStG II. Es entfällt die Verpflichtung zur Leistung von Verfahrenskostenbeiträgen.

Rechtsgrundlage: § 66 Abs.1 VStG Entscheidungsgründe:

1. Die im Spruch des in der Präambel angeführten Straferkenntnisses angeführte, als erwiesen angenommene Tat (§ 44a Z1 VStG), lautet:

"Sie haben am 13.2.1996 gegen 13.30 Uhr im Ortsgebiet von Lambach, auf der entlang der Traun verlaufenden, neuaufgeschütteten Zufahrtsstraße der OKA-Baustelle Lambach, südlich der Maierhofgasse, auf Höhe der Stiftsgärtnerei, durch besonders rücksichtsloses Verhalten die öffentliche Ordnung ungerechtfertigt gestört, indem Sie auf dieser Uferstraße und sohin an einem öffentlichen Ort mit mehreren anderen Personen in enger körperlicher Verschränkung vor einer Baumaschine gesessen sind, dadurch den Fortgang der Schüttarbeiten behinderten, wobei es aufgrund dieser Sitzblockade zu einem Zusammenlauf von ca. 30 bis 40 unbeteiligten Personen, die darüber ihren Unmut äußerten, sowie zu einer Behinderung des Fortganges der Bauarbeiten kam und Sie auch trotz Aufforderung durch ein in rechtmäßiger Ausübung seines Dienstes befindlichen Behördenorganes Ihr Verhalten einzustellen und den Blockadeort zu verlassen, nicht zu bewegen waren, die Sitzblockade freiwillig aufzugeben, woraufhin gegen Sie eine Abmahnung und nach erfolgloser Androhung schließlich Ihre Festnahme um 13.30 Uhr ausgesprochen werden mußte." Der Berufungswerber (Bw) habe dadurch eine Übertretung des § 81 Abs.1 SPG begangen, weshalb er gemäß § 81 Abs.1 SPG zu bestrafen gewesen sei - und zwar mit einer Geldstrafe von 2.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe: 96 Stunden). 2. Gegen dieses dem Bw am 20. November 1996 zugestellte Straferkenntnis richtet sich die Berufung, die am 4. Dezember 1996 bei der belangten Behörde eingelangt ist und die fristgerecht erhoben wurde.

3. Der O.ö. Verwaltungssenat hat in den Verwaltungsakt der Bezirkshauptmann-schaft Wels-Land vom 11. Dezember 1996, Zl. Sich96-97-1996-WIM/MR, Einsicht genommen. Da bereits aus der Aktenlage ersichtlich war, daß der angefochtene Bescheid aufzuheben war, konnte in Entsprechung der Bestimmung des § 51e Abs.1 VStG von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen werden.

4. Der O.ö. Verwaltungssenat hat erwogen:

4.1. § 81 Abs.1 SPG lautet: Wer durch besonders rücksichtsloses Verhalten die öffentliche Ordnung ungerechtfertigt stört, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu 3.000 S zu bestrafen. Anstelle einer Geldstrafe kann bei Vorliegen erschwerender Umstände eine Freiheitsstrafe bis zu einer Woche, im Wiederholungsfall bis zu zwei Wochen verhängt werden. Gemäß § 19 Versammlungsgesetz sind Übertretungen dieses Gesetzes, insofern darauf das allgemeine Strafgesetz keine Anwendung findet, von der Bezirksverwaltungsbehörde, im Amtsgebiet einer Bundespolizeibehörde aber von dieser Behörde, mit Arrest bis zu sechs Wochen oder mit Geldstrafe bis zu 5.000 S zu ahnden.

4.2.1. Es ergibt sich schon aus Art.10 Abs.1 Z7 B-VG, daß das aufgrund des Einleitungsteiles dieses Kompetenztatbestandes ("Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit") basierende SPG zu jenen gesetzlichen Vorschriften über die sog. Verwaltungspolizei (darunter zB "Vereins- und Versammlungsrecht") im Verhältnis der Susidiarität steht, also nach allgemein herrschender Auffassung stets nur dann zum Tragen kommen kann, wenn es nicht um die Besorgung einer besonderen verwaltungspolizeilichen Agende geht (vgl. zB L.K. Adamovich - B.C. Funk, Allgemeines Verwaltungs-recht, 3. Auflage, Wien 1987, 161 f). Eine aus ein und demselben Anlaß erfolgende Bestrafung kann daher stets nicht zugleich sowohl auf das SPG und auf das VersG (oder ein sonstiges, eine besondere Verwaltungsmaterie ordnendes Gesetz), sondern richtigerweise nur entweder auf die eine oder die andere Vorschrift gestützt werden, und zwar so, daß jener die Verwaltungspolizei regelnde Vorschrift - sofern diese für den konkreten Sachverhalt überhaupt anwendbar ist - gegenüber dem SPG stets der Vorrang zukommt.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ist unter einer Versammlung eine Zusammenkunft mehrerer Menschen in der Absicht, die Anwesenden zu einem gemeinsamen Wirken (Debatte, Diskussion, Manifestation usw) zu bringen, zu verstehen, sodaß eine gewisse Assoziation der Zusammengekommenen entsteht. Eine Versammlung ist - m.a.W. ausgedrückt - das Zusammenkommen von Menschen (auch auf Straßen) zum gemeinsamen Zweck der Erörterung von Meinungen oder der Kundgabe von Meinungen an andere; keine Versammlung ist das bloß zufällige Zusammentreffen von Menschen (vgl zuletzt etwa VfSlg 12161/1989; siehe dazu näher auch H. Hofer-Zeni, Die Versammlungsfreiheit in: Machacek-Pahr-Stadler, Grund- und Menschenrechte in Österreich, Bd. II, Kehl 1992, 359 ff). Durch den Versuch in aktionistischen Maßnahmen Bauarbeiten zu verhindern, wobei durchaus Verzögerungen im Fortgang erwirkt wurden, läßt an einer Assoziation der Zusammengekommenen keinen Zweifel aufkommen (VfGH 23.9.1983, B 671/80). Der im gegenständlichen Zusammenhang unter den Teilnehmern bekannte Umstand der damals in Lambach eingerichtet gewesenen "Actions-Camps", welche von den Teilnehmern quasi durch freies Kommen und Gehen erhalten wurden, läßt keinen Zweifel dahingehend aufkommen, daß es sich hier jeweils um eine zeitlich begrenzte Tätigkeit der Manifestation handelte. Es lag im gegenständlichen Zusammenhang eine Versammlung vor und die belangte Behörde wäre gehalten gewesen, im Sinne des Versammlungsgesetzes und nicht unter Berufung auf das SPG vorzugehen. Zur Frage eines Vorliegens einer Übertretung des Versammlungsgesetzes wird auf die Ausführungen im Erkenntnis des O.ö. Verwaltungssenates vom 30. Dezember 1996, Zl. VwSen-230554/2/Br, hingewiesen (Entscheidung über die Berufung gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Wels-Land vom 14. November 1996, Zl. Sich96-104-1996-WIM/MR). Diesen Ausführungen, die (sinngemäß) auch für den gegenständlichen Zusammenhang relevant sind, schließt sich das in der gegenständlichen Sache zur Entscheidung zuständige Mitglied des O.ö. Verwaltungssenates an. Innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist (§ 31 VStG) wurde dem Bw eine Übertretung des Versammlungsgesetzes nicht vorgeworfen. Eine diesbezügliche Berichtigung des Spruches des angefochtenen Straferkenntnisses durch den O.ö. Verwaltungssenat war wegen der eingetretenen Verfolgungsverjährung nicht möglich. Vor dem oben angeführten Hintergrund und weil der Bw die ihm vorgeworfene Übertretung des SPG nicht begangen hat, war der Berufung stattzugeben, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Verfahren einzustellen.

4.2.2. Bei diesem Verfahrensergebnis hat der Bw gemäß § 66 Abs.1 VStG keinen Beitrag zu den Verfahrenskosten zu leisten.

Rechtsmittelbelehrung: Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis: Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S zu entrichten.

Beilage Dr. Keinberger

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