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des Landes Oberösterreich
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VwSen-230610/3/Kei/Shn

Linz, 19.10.1998

VwSen-230610/3/Kei/Shn Linz, am 19. Oktober 1998 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Keinberger über die Berufung des Nils A, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Schärding vom 9. Oktober 1997, Zl. Sich96-589-1995, wegen einer Übertretung des Fremdengesetzes (FrG), nach mündlicher Verkündung der Entscheidung am 14. August 1998 zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verfahren eingestellt.

Rechtsgrundlage: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz (AVG) iVm § 24 Verwaltungsstrafgesetz (VStG), § 45 Abs.1 Z3 und § 51 Abs.1 VStG. II. Es entfällt die Verpflichtung zur Leistung von Verfahrenskostenbeiträgen.

Rechtsgrundlage: § 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Die im Spruch des in der Präambel angeführten Straferkenntnisses angeführte, als erwiesen angenommene Tat (§ 44a Z1 VStG), lautet:

"Sie haben sich am 23.8.1995 gegen 10.30 Uhr im Schnellzug EC 28 im Grenzkontrollbereich der damaligen Grenzkontrollstelle Passau-Bahnhof im Zuge einer Ausreisebewegung in die BRD nicht rechtmäßig im Gebiet der Republik Österreich aufgehalten, da Sie kein gültiges Reisedokument mitführten, weshalb Sie sich als Fremder ohne im Besitz eines gültigen Reisedokumentes zu sein, im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufgehalten haben." Der Berufungswerber (Bw) habe dadurch eine Übertretung der "§§ 82 Abs.1 Z.4 i.V.m. 2 Abs.1 und 15 Abs.1 Z.1 Fremdengesetz, BGBl.Nr.838/1992, i.d.F. BGBl.Nr.436/1996 (FrG)" begangen, weshalb er "gemäß § 82 Abs.1 2. Fall FrG" zu bestrafen gewesen sei - und zwar mit einer Geldstrafe von 500 S (Ersatzfreiheitsstrafe: 12 Stunden).

2. Gegen dieses dem Bw am 14. Oktober 1997 zugestellte Straferkenntnis richtet sich die Berufung, die am 20. Oktober 1997 bei der belangten Behörde eingelangt ist und die fristgerecht erhoben wurde. Der Bw brachte in der Berufung im wesentlichen vor: Die Zeugenaussage des Martin A, Oberstudienrat und u.a. Religionslehrer werde als Schutzbehauptung und damit als Lüge abgetan. Dies sei unverschämt. Sämtliche Reisedokumente seien bei der Einreise nach Österreich mitgeführt worden. Der Bw sei zum Zeitpunkt des Vorfalls 15 Jahre alt gewesen und hätte zur fraglichen Zeit exakt 10,-DM in der Woche Taschengeld bekommen. Österreich dürfte dem Erbe des christlichen Abendlands auch in rechtsgeschichtlicher Hinsicht verpflichtet sein und somit sollte jedes Gericht dem alten römischen Grundsatz verpflichtet sein: In Dubio Pro Reo (Im Zweifel, immer für den Angeklagten). Dieser Grundsatz sei außer acht gelassen worden. 3. Der Oö. Verwaltungssenat hat in den Verwaltungsakt der Bezirkshauptmann-schaft Schärding vom 21. Oktober 1997, Zl. Sich96-589-1995, Einsicht genommen. 4. Der Oö. Verwaltungssenat hat erwogen:

4.1. § 15 Abs.1 FrG lautet: Fremde halten sich rechtmäßig im Bundesgebiet auf, 1. wenn sie unter Einhaltung der Bestimmungen des 2. Teiles und ohne die Grenzkontrolle zu umgehen eingereist sind oder 2. wenn ihnen eine Bewilligung gemäß § 1 des Aufenthaltsgesetzes oder von einer Sicherheitsbehörde ein Sichtvermerk erteilt wurde oder 3. solange ihnen Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz 1991, BGBl.Nr.8/1992, zukommt. § 82 Abs.1 Z4 FrG lautet: Wer sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält (§ 15), begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu 10.000 Schilling zu bestrafen. Als Tatort gilt der Ort der Betretung oder des letzten bekannten Aufenthaltes.

4.2. Im Hinblick auf das in § 44a VStG normierte Konkretisierungsgebot war das im folgenden Angeführte zu berücksichtigen (zitiert aus Hauer/Leukauf, "Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens", 5. Auflage, Linde Verlag, S  969 und S 970): Dem Spruch des Straferkenntnisses kommt im Hinblick auf die in § 44a Z1 - 5 festgelegten Erfordernisse besondere Bedeutung zu. Der Beschuldigte hat nach der Rechtsprechung des VwGH ein Recht darauf, schon dem Spruch unzweifelhaft entnehmen zu können, welcher konkrete Tatbestand als erwiesen angenommen, worunter die Tat subsumiert, welche Strafe unter Anwendung welcher Bestimmung über ihn verhängt wurde, usw. Die zentrale Frage, wie ein Spruch abgefaßt sein muß, um der Bestimmung des § 44a Z1 VStG zu entsprechen, hat sowohl in der Praxis der Behörden als auch in der Judikatur des VwGH manchmal zu Unsicherheiten geführt. Ein bedeutender Schritt zur Lösung der Problematik kann in dem Erkenntnis eines verstärkten Senates des VwGH vom 13.6.1984 Slg 11466 A gesehen werden, in dem dargelegt wurde, daß die Tat hinsichtlich des Täters und der Tatumstände so genau zu umschreiben ist, daß 1. die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung  a l l e r  Tatbestandsmerkmale ermöglicht wird und 2. die Identität der Tat (zB nach Ort und Zeit) unverwechselbar feststeht.

Daß es im Bescheidspruch zufolge der Z1 der Anführung aller wesentlichen Tatbestandsmerkmale, die zur Individualisierung und Konkretisierung des inkriminierten Verhaltens und damit für die Subsumtion der als erwiesen angenommenen Tat und die dadurch verletzte Verwaltungsvorschrift (Z2) erforderlich sind, bedarf, bedeutet, daß es nicht ausreicht, den bloßen Gesetzeswortlaut unter Anführung der Tatzeit und des Tatortes wiederzugeben, sondern daß die Tat entsprechend den Gegebenheiten des jeweiligen Falls zu individualisieren ist, wobei der Umfang der notwendigen Konkretisierung vom einzelnen Tatbild abhängt.

4.3. Den oben angeführten Erfordernissen entspricht die im gegenständlichen Straferkenntnis angeführte, als erwiesen angenommene Tat (§ 44a Z1 VStG), nicht. Es wird insbesondere auch auf die Bestimmung des § 15 Abs.1 FrG hingewiesen. (In der Bestimmung des § 82 Abs.1 Z4 FrG wird ausdrücklich auf § 15 FrG hingewiesen). Eine Berichtigung des Spruches des angefochtenen Straferkenntnisses war wegen der eingetretenen Verfolgungsverjährung nicht möglich. Der Verwaltungsgerichtshof hat im Hinblick auf die angeführte Thematik im Erkenntnis vom 23. Juni 1998, Zl. 96/21/0507, ua zum Ausdruck gebracht: "Eine Bestrafung wegen unrechtmäßigen Aufenthaltes kommt rechtens nur in Betracht, wenn keine der in § 15 Abs.1 (Z.1 bis 3) FrG angeführten Voraussetzungen eines rechtmäßigen Aufenthaltes gegeben ist. Demnach kann als übertretene Norm nicht eine der Z.1 bis 3, sondern allein § 15 Abs.1 FrG (insgesamt) herangezogen werden." Es war spruchgemäß (Spruchpunkt I) zu entscheiden.

5. Bei diesem Verfahrensergebnis hat der Bw gemäß § 66 Abs.1 VStG keinen Beitrag zu den Verfahrenskosten zu leisten.

Rechtsmittelbelehrung: Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis: Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S zu entrichten.

Beilage Dr. Keinberger

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