Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-230688/2/Fra/Ka

Linz, 02.11.1998

VwSen-230688/2/Fra/Ka Linz, am 2. November 1998 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Fragner über die Berufung des Herrn W, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Schärding vom 28.9.1998, Sich96-853-1997-Hol, betreffend Übertretung des Fremdengesetzes, zu Recht erkannt:

Der Berufung wird insofern Folge gegeben, als von der Verhängung einer Strafe abgesehen wird und der Beschuldigte unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens ermahnt wird; der Berufungswerber hat keine Beiträge zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens zu zahlen. Rechtsgrundlage: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 21 und 24 VStG; § 66 Abs.1 VStG Entscheidungsgründe:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Schärding hat mit dem in der Präambel angeführten Straferkenntnis über den Berufungswerber (Bw) wegen Übertretung der §§ 2 Abs.1 und 15 Abs.1 Z1 iVm 82 Abs.1 Z4 Fremdengesetz eine Geldstrafe von 1.000 S (EFS 24 Stunden) verhängt, weil er sich am 26.9.1997 um 8.30 Uhr im Grenzkontrollbereich der Grenzübergangsstelle Suben-Autobahn aufgehalten hat, ohne ein gültiges Reisedokument mitzuführen, weshalb er sich als Fremder am angegebenen Ort zur angegebenen Zeit nicht rechtmäßig im Gebiet der Republik Österreich aufgehalten hat. Ferner wurde gemäß § 64 VStG ein Kostenbeitrag in Höhe von 10 % der verhängten Geldstrafe vorgeschrieben. 2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig bei der Bezirkshauptmannschaft Schärding eingebrachte Berufung. Diese Behörde legte das Rechtsmittel samt bezughabenden Verwaltungsstrafakt dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vor, der, weil eine 10.000 S nicht übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied entscheidet (§ 51c VStG). Das Rechtsmittel lautet wie folgt: "Gnadengesuch für Herrn W, wegen Straferkenntnis gegen ihn vom 28.09.98; AZ: Sich96-853-1997-Hol Sehr geehrte Damen und Herren, wir sind ein sozialer Dienst der Evang. Kirche und bieten Personen Beratung, die sich nicht selbst helfen können. Gegen Herrn S erging von Ihnen obiges Straferkenntnis. Herr S ist schwerbehindert und kann sich nicht selbst versorgen. Nach dem Tode seiner Mutter nahm sich die sozial engagierte, uns persönlich bekannte Bürgerin, Frau M seiner an. Herr S wohnt inzwischen bei ihr. Frau K wandte sich in dieser Angelegenheit mit der Bitte an uns, in dieser Angelegenheit Hilfestellung zu geben. Von der Seite Herrn S und seiner Patin Frau K ist die Angelegenheit vollkommen unstrittig: Herr S machte sich der Verwaltungsübertretung schuldig. Bezogen auf die verhängte Strafe bitten wir Sie zu prüfen, ob nicht davon aufgrund der besonderen Lebensumstände Herrn S abgesehen werden kann: Herr S ist Volksdeutscher und lebte bis vor einiger Zeit mit seiner Familie in dem Territorium der ehemaligen Sowjetunion. Von dort übersiedelte er mit seiner Familie in die Bundesrepublik Deutschland, nach L. Die Lebensgeschichte Herrn S und seiner Familie war gekennzeichnet durch mehrmalige Zwangsumsiedlung innerhalb der Sowjetunion und durch Verschleppung durch die Rote Armee. Nach Übersiedlung in die Bundesrepublik mußte sich Herr S auf die veränderten Kulturbedingungen einstellen. Er spricht zwar Deutsch, versteht aber oftmals nicht den Sinn unserer sprachlichen Formulierungen. Dieses macht sich besonders bei Schriftverkehr mit Behörden fest. So mußte ihm z.B. die Begründung Ihrer "Straferkenntnis" in eine für ihn begreifbare Sprache "übersetzt" werden. Erschwerend bei seiner Eingliederung hier ist, daß er als Schwerbehinderter bis heute keine Arbeitsstelle gefunden hat. Er lebt von öffentlicher Fürsorge. Bezogen auf seinen Aufenthalt in Ihrer Republik war sich Herr S nicht bewußt, daß er eine Verwaltungsübertretung begeht als er feststellte, daß er kein gültiges Reisedokument mit sich führte. Dieses stellte er erst fest, nachdem er sich in Ihrer Republik befand. Ihm war nicht bewußt, daß er unverzüglich bei einer Behörde (Polizei?) hätte vorsprechen müssen. Auch war Herr S der irrtümlichen Annahme, daß der Grenzübertritt von unserem zu Ihrem Staat ohne entsprechendes Dokument nicht gravierend ist, gehört doch die Bundesrepublik Österreich ebenso wie die Bundesrepublik Deutschland zur Europäischen Gemeinschaft. Herr S wollte auf keinen Fall unrechtmäßig handeln. Solches liegt ihm vollkommen fern, sein bisheriges Leben ist auch vollkommen unbescholten. Aufgrund der besonderen Umstände und auch deshalb, weil Herr S Sozialhilfeunterstützung durch die örtliche Kreisverwaltung sehr gering ist (er wird die ihm auferlegte Geldstrafe nicht zahlen können) bitten wir für Herrn S, von einer Verhängung der Strafe im Rahmen einer Gnadenverfügung abzusehen. Wird sind sicher, daß sich Herr S nichts mehr zu schulden kommen läßt. Er bedauert zutiefst sein Fehlverhalten. Nun kann hier gesagt werden: "Unwissenheit schützt nicht vor Strafe"; eventuell ist es Ihnen jedoch möglich den Satz anzuwenden: "Gnade ergeht vor Recht". Nach deutschem Recht könnte eine solche Strafe auch in Form einer Verfügung ausgesprochen/umgewandelt werden, dafür gemeinnützige Arbeit zu verrichten. Wie die Möglichkeit nach Ihrem Recht sind, wissen wir nicht. Herr S könnte aber solche gemeinnützige Arbeit hier in einer Sozialen Einrichtung ableisten. Den Vollzug dessen könnten wir überwachen und Ihnen den Vollzug melden. Mit freundlichen Grüßen" 4. Der Oö. Verwaltungssenat hat erwogen:

Im Grunde des § 10 Abs.4 AVG hat der Oö. Verwaltungssenat keinen Zweifel über den Bestand und Umfang der Vertretungsbefugnis des Diakonischen Werkes der Evangelischen Kirchengemeinde Lahr, die hier im Namen des Beschuldigten das Rechtsmittel verfaßt hat. Gemäß § 21 Abs.1 VStG kann die Behörde ohne weiteres Verfahren von der Verhängung einer Strafe absehen, wenn das Verschulden des Beschuldigten geringfügig ist und die Folgen der Übertretung unbedeutend sind. Sie kann den Beschuldigten jedoch gleichzeitig unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens mit Bescheid ermahnen, sofern dies erforderlich ist, um den Beschuldigten von weiteren strafbaren Handlungen gleicher Art abzuhalten. Trotz der Verwendung des Wortes "kann" ermächtigt diese Vorschrift die Behörde nicht zur Ermessensübung. Sie ist vielmehr als eine Anordnung zu verstehen, die die Behörde im Rahmen gesetzlicher Gebundenheit ermächtigt, bei Zutreffen der im ersten Satz angeführten Kriterien von einer Strafe abzusehen und bei Zutreffen des im zweiten Satz angeführten weiteren Kriteriums mit einer Ermahnung vorzugehen (VwGH 28.10.1980, 263, 264/80). Die Anwendung des § 21 Abs.1 VStG kommt nur in Frage, wenn die Schuld des Beschuldigten geringfügig ist. Davon kann aber nur die Rede sein, wenn das tatbildmäßige Verhalten des Täters hinter dem in der betreffenden Strafdrohung typisierten Unrechts- und Schuldgehalt erheblich zurückbleibt. Solches kann zwar auch bei vorsätzlichem Handeln des Täters der Fall sein, allerdings nur dann, wenn besondere Umstände bei der Begehung der Tat wie zum Beispiel Unbesonnenheit etc. diesen Schluß rechtfertigen (VwGH 31.1.1990, 89/03/0084, 27.5.1992, 92/02/0167, uva). Daß derartige Umstände im gegenständlichen Fall vorgelegen sind, wird in der Berufung deutlich aufgezeigt. Die Verhängung einer Geldstrafe (Ersatzfreiheitsstrafe) ist im gegenständlichen Fall aus spezialpräventiven Gründen nicht erforderlich, weil der Bw sein Fehlverhalten zutiefst bedauert. Es kann davon ausgegangen werden, daß dem Bw durch den ggst. Vorfall das Bewußtsein bezüglich rechtskonformen Verhaltens geschärft ist. Was das Angebot betrifft, daß der Bw aufgrund seines Fehlverhaltens gemeinnützige Arbeit in einer sozialen Einrichtung ableisten und der Vollzug dessen durch das Diakonische Werk überwacht werden könnte, kann diesbezüglich nicht darauf eingegangen werden, weil eine derartige Rechtsfolge im Fremdengesetz nicht vorgesehen ist. Der Ausspruch einer Ermahnung war jedoch erforderlich, um den Bw vor weiteren strafbaren Handlungen der gleichen Art abzuhalten. Es war somit spruchgemäß zu entscheiden. 5. Die Kostenentscheidung ist gesetzlich begründet. Rechtsmittelbelehrung: Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis: Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S zu entrichten. Dr. F r a g n e r

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum