Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-230721/12/Fra/Ka

Linz, 14.12.1999

VwSen-230721/12/Fra/Ka Linz, am 14. Dezember 1999

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Fragner über die Berufung des Herrn S , vertreten durch Herrn Rechtsanwalt Dr. S, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung vom 23.7.1999, Sich96-1-1999/OJ/HM, betreffend Übertretung des § 107 Abs.1 Z1 Fremdengesetz 1997, zu Recht erkannt:

Der Berufung wird stattgegeben. Das angefochtene Straferkenntnis wird behoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt; der Berufungswerber hat keine Verfahrenskostenbeiträge zu zahlen.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 AVG iVm § 45 Abs.1 Z1 VStG; § 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung hat mit dem in der Präambel angeführten Straferkenntnis über den Berufungswerber (Bw) wegen Übertretung des § 107 Abs.1 Z1 Fremdengesetz 1997 eine Geldstrafe von 2.000 S (EFS 48 Stunden) verhängt, weil er nach Erlassung eines Aufenthaltsverbotes (Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land, Sich-06/1085/1992, rechtskräftig seit 17.7.1996) nicht rechtzeitig aus dem Bundesgebiet der Republik Österreich ausgereist ist, da, wie am 31.12.1998 um 15.30 Uhr in 4190 Bad Leonfelden, in der Ortschaft Affetschlag festgestellt wurde, er sich noch im Bundesgebiet aufgehalten hat.

Ferner wurde gemäß § 64 VStG ein Kostenbeitrag in Höhe von 10 % der verhängten Geldstrafe vorgeschrieben.

2. Über die dagegen durch den ausgewiesenen Vertreter rechtzeitig eingebrachte Berufung hat der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich durch sein nach der Geschäftsverteilung zuständiges Einzelmitglied wie folgt erwogen:

Der Bw bringt in der Sache vor, er sei türkischer Staatsbürger und wohne gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin Frau N und dem gemeinsamen 11 Monate alten Kind, für das er sorgepflichtig ist, in . Er sei Inhaber eines Befreiungsscheines, ausgestellt vom AMS Wels vom 14.5.1997 (Serie B Nr. ) mit Gültigkeitsdauer bis 13.5.2002 und bei der Firma T, Fachgeschäft für Boden, Wand und Decke, beschäftigt. Die Bezirkshauptmannschaft Wels-Land habe unter der Zahl Sich-06/1085/1992/Ob, am 15.2.1996 aufgrund mehrerer rechtskräftiger Verwaltungsvorstrafen ein Verfahren auf Erlassung eines Aufenthaltsverbotes eingeleitet. Aufgrund der zwischenzeitlich erhobenen Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshofbeschwerde vom 15.6.1996, VwGH Zl.1996/21/0908-5, und dem damit verbundenen Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung befinde er sich derzeit im sogenannten "Duldungsstatus" und halte sich demnach ordnungsgemäß in Österreich auf. Er unternehme gelegentlich mit seiner Familie Ausflüge in andere Gemeinden bzw Verwaltungsbezirke, so auch am 31.12.1998, als er in Bad Leonfelden verhaftet und erst nach einer Woche, am 7.1.1999, wieder aus der Schubhaft entlassen wurde.

Als Berufungsgründe bringt der Bw vor, dass das angefochtene Straferkenntnis von einer unzuständigen Behörde erlassen worden sei, das Verfahren mangelhaft durchgeführt wurde.

Der Bw vertritt die Ansicht, dass, weil die Bezirkshauptmannschaft Wels-Land das Verfahren auf Erlassung eines Aufenthaltsverbotes eingeleitet hat, diese Behörde gemäß § 27 Abs.2 iVm § 32 Abs.2 VStG für sämtliche in diesem Zusammenhang eintretende Verwaltungsübertretungen zuständig sei. Der Auffassung der Erstinstanz insoferne, als diese ihre Zuständigkeit gemäß § 27 Abs.1 VStG deshalb als gegeben erachtet, weil die gegenständliche Übertretung in ihrem Sprengel festgestellt worden ist, hält der Bw entgegen, dass nach dieser Auffassung je nach Aufenthaltsort des Bw, unabhängig vom ordentlichen Wohnsitz und Arbeitsplatz und ohne Berücksichtigung des Umstandes, dass die Erlassung des Aufenthaltsverbotes von einer anderen Behörde verhängt wurde, immer jene Bezirkshauptmannschaft für die Bewertung des Aufenthaltsstatus zuständig wäre, in der er sich "zufälligerweise" gerade aufhalten würde. Diesfalls käme eine Vielzahl von "Ausflugszielen", tatsächlich nämlich jeder dieser Orte, als Ort einer Verwaltungsübertretung in Betracht, wodurch eine enorme Zuständigkeitskonkurrenz eintreten würde. In weiterer Konsequenz würde dies bedeuten, dass der "Duldungsstatus", der seiner zuständigen Aufenthaltsbehörde (ursprünglich Bezirkshauptmannschaft Wels-Land, nunmehr Magistrat der Stadt Wels) bekannt ist, auf den Bezirksverwaltungssprengel bzw das Stadtgebiet Wels beschränkt wäre. Tatsächlich erstrecke sich jedoch die behördliche Duldung des Aufenthaltes bis zur Entscheidung des VfGH bzw VwGH auf das ganze Bundesgebiet.

Dieser Auffassung hält der Oö. Verwaltungssenat die Bestimmung des § 107 Abs.1 letzter Satz FrG entgegen, wonach als Tatort der Ort der Betretung oder des letzten bekannten Aufenthaltes gilt. Die belangte Behörde war daher zur Ahndung der dem Bw zur Last gelegten Übertretung örtlich zuständig.

Unter den Berufungsgründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der inhaltlichen Rechtswidrigkeit bringt der Bw im Wesentlichen vor, dass das Verbleiben in Österreich aufgrund seiner familiären Situation geradezu geboten sei, zumal seine Lebensgefährtin Frau Sybille Neubauer und das gemeinsame Kind zur Befriedigung ihres Wohnbedürfnisses und ihres Unterhaltes auf ein gemeinsames Leben mit ihm angewiesen sind. Die Nichtbefolgung des Aufenthaltsverbotes sei für ihn nicht nur eine moralische Pflicht, sondern auch von der zuständigen Behörde rechtmäßig geduldet und demgemäß im Zuge einer Interessenabwägung zumindest zu entschuldigen. Zu verlangen, dass er trotz seiner familiären Bande und Pflichten als Familienvater - und trotz seines Duldungsstatus-Österreich verlassen und seine Lebensgefährtin sowie das gemeinsame Kind unversorgt zurücklassen müsste, würde einen Verstoß gegen das Grundrecht auf ein Familienleben gemäß Art.8 EMRK darstellen. Es könne ihm weder vorgeworfen werden, dass er sich ungerechtfertigterweise in Österreich aufhält noch, dass er nicht ausgereist ist, da beim VfGH und beim VwGH die aufschiebende Wirkung beantragt wurde und sowohl sein Aufenthaltsort als auch sein Arbeitgeber der zuständigen Fremdenbehörde stets bekannt war.

Das oa Vorbringen des Bw, seine soziale und wirtschaftliche Situation betreffend, konnte im Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat verifiziert werden.

Der Bw legte dem Oö. Verwaltungssenat auch den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 9.9.1999, Zl.96/21/0908-9, vor. Mit diesem Beschluss hat der Verwaltungsgerichtshof die oa Beschwerde als gegenstandslos erklärt und das Verfahren eingestellt. Begründend stellt der VwGH ua fest, dass der Bw in dem zur Erlassung des von ihm angefochtenen Aufenthaltsverbotes führenden Verfahren keine Möglichkeit hatte, erst im Rahmen der nunmnehrigen Ermessensentscheidung gemäß § 36 Abs.1 des Fremdengesetzes 1997 (Anmerkung: Das Aufenthaltsverbot wurde nach dem Fremdengesetz 1992 verhängt), relevante, gegen dessen Erlassung sprechende Umstände aufzuzeigen. Insbesondere enthalte der vom Bw in Beschwerde gezogene Bescheid keine Begründungselemente, die eine Überprüfung im Hinblick auf die nunmehr gebotene Ermessensübung ermöglichen würden. Es liegt auch kein Fall vor, in welchem das Vorliegen der Voraussetzungen für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes eindeutig und daher eine gesonderte Begründung der Ermessensentscheidung entbehrlich wäre. Somit kann nicht gesagt werden, dass der angefochtene Bescheid gemäß § 114 Abs.4 des Fremdengesetzes 1997 "offensichtlich auch in den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes eine Grundlage fände", weshalb er gemäß § 114 Abs.4 des Fremdengesetzes 1997 mit 1. Jänner 1998 außer Kraft getreten ist. Der VwGH verweist ausdrücklich darauf, dass mit dem vorliegenden Beschluss gemäß § 114 Abs.7 erster Satz, 2. Halbsatz, des Fremdengesetzes 1997 auch der Bescheid der Behörde erster Instanz außer Kraft tritt.

Dadurch wurde das Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes in den Stand vor Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides zurückversetzt. Dies ist dahin zu verstehen, dass der Rechtszustand zwischen der Erlassung des Aufenthaltsverbotes und seinem Außerkrafttreten im Nachhinein so zu betrachten ist, als ob das Verbot von Anfang an nicht erlassen worden wäre, und allen Rechtsakten, die auf der Basis dieses dann außer Kraft getretenen Aufenthaltsverbotes gesetzt wurden, im Nachhinein die Rechtsgrundlage entzogen wurde (vgl. auch VwGH vom 10.6.1999, Zl.98/21/0411).

Im Hinblick auf die dargestellte ex tunc-Wirkung entbehrte somit der angefochtene Bescheid der tatsbestandsmäßigen Grundlage. Aus den angeführten Gründen war spruchgemäß zu entscheiden.

Was die einbehaltene Sicherheitsleistung vom 31.12.1998 in der Höhe von 1.000 S betrifft, ist der Bw auf die Bestimmung des § 37 Abs.4 VStG zu verweisen, wonach die Sicherheit frei wird, wenn das Verfahren eingestellt wird oder die gegen den Beschuldigten verhängte Strafe vollzogen ist, oder nicht binnen 6 Monaten der Verfall ausgesprochen wurde. Eine ausdrückliche "Stattgebung" der beantragten Sicherheitsleistung erübrigt sich aus den oa Gründen.

3. Die Kostenentscheidung ist gesetzlich begründet.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500,00 Schilling (entspricht  181,68 Euro) zu entrichten.

Dr. F r a g n e r

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