Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-230738/14/Fra/Ka

Linz, 20.06.2000

VwSen-230738/14/Fra/Ka Linz, am 20. Juni 2000

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Fragner über die Berufung des Herrn S, gegen das laut Nachweis am 11.1.2000 zugestellte Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land, Zl. Sich96-282-1998, wegen Übertretungen des § 81 Abs.1 Sicherheitspolizeigesetz, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 15.6.2000, zu Recht erkannt:

Der Berufung wird stattgegeben. Das angefochtene Straferkenntnis wird behoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt; der Berufungswerber hat keine Verfahrenskostenbeiträge zu zahlen.

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24 und 45 Abs.1 Z1 und 3 VStG; § 66 Abs.1 VStG

Entscheidungsgründe:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land hat mit dem in der Präambel angeführten Straferkenntnis über den Berufungswerber (Bw) in zwei Fällen wegen Übertretungen des § 81 Abs.1 Sicherheitspolizeigesetzes jeweils Geldstrafen in Höhe von 800 S (Ersatzfreiheitsstrafen von je 45 Stunden) verhängt, weil er

1.) am 13.3.1999 gegen ca. 18.50 Uhr in Asten, vor dem Haus K, durch ein besonders rücksichtsloses Verhalten die öffentliche Ordnung ungerechtfertigt gestört hat, indem er vorerst mit P in einen verbalen Streit geriet, als dieser auf dem Gehsteig vor dem Haus Kakteenstraße seinen PKW parkte und in der Folge gegen den Außenspiegel des PKW´s von P schlug, sodass dieser hinzuklappte. Es entstand dadurch kein Sachschaden am PKW,

2.) am 13.3.1999 ab ca. 18.50 Uhr in A, vor dem Haus K, durch ein besonders rücksichtsloses Verhalten die öffentliche Ordnung ungerechtfertigt gestört hat, indem er und F sich einander lautstark beschimpften und er anschließend eine Handvoll Erde bzw Kieselsteine durch das geöffnete Fenster in die Wohnung von F warf.

Ferner wurden gemäß § 64 VStG Verfahrenskostenbeiträge in Höhe von 10 % der verhängten Geldstrafen vorgeschrieben.

2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig bei der Strafbehörde eingebrachte Berufung. Die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land - als nunmehr belangte Behörde - legte das Rechtsmittel samt bezughabenden Verwaltungsstrafakt dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vor, der, weil jeweils 10.000 S nicht übersteigende Geldstrafen verhängt wurden, durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied entscheidet (§ 51c erster Satz VStG).

3. Der Bw bringt im Wesentlichen vor, dass zur Tatzeit Herr F mit ihm und nicht er mit Herrn F zu streiten begonnen habe. Er habe auch nicht gegen den Außenspiegel des PKW´s von Herrn P geschlagen, sondern den Außenspiegel nur zurückgeklappt, um auf dem Gehsteig am vorschriftswidrig geparkten PKW vorbeizugehen. Es habe also Herr P ein besonders rücksichtsloses Verhalten an den Tag gelegt, indem er seinen PKW auf dem Gehsteig vor dem Haus A, parkte. Außerdem sei die öffentliche Ordnung ungerechtfertigt gestört worden, indem ihn Herr F auf das Gröbste beschimpfte, indem er ihn ua einen "Idioten" und eine "fette Sau" genannt habe. Außerdem habe ihm Herr F angedroht, aus dem Haus zu kommen und ihn zu verprügeln. Er habe zur Tatzeit nicht die öffentliche Ordnung gestört, da er keine Erde bzw Kieselsteine durch das geöffnete Fenster in die Wohnung von Herrn F geworfen habe.

Der Bw wirft weiters der Strafbehörde vor, das Verfahren "vermutlich" oberflächlich durchgeführt zu haben, weil nur Belastungszeugen vorgeladen wurden. Außerdem werde im Straferkenntnis fälschlich angegeben, dass er keine Sorgepflichten hätte. Dies sei nicht richtig. Er sei verheiratet und somit für seine Gattin S sorgepflichtig. Ihr Einkommen im Jahre 1999 habe monatlich netto 5.538,60 S betragen. Das gegenständliche Verfahren sei also im Sinne der Wahrheitsfindung äußerst schlampig durchgeführt worden, was für ihn auch den Verdacht des Amtsmissbrauches wecke. Eine Sachverhaltsdarstellung an die Staatsanwaltschaft behalte er sich ausdrücklich vor.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 15.6.2000 erwogen:

Zum Faktum 1 ist festzustellen, dass ein verbaler Streit und das Hinzuklappen des Außenspiegels eines PKW´s, ohne dass dadurch an diesem PKW ein Schaden verursacht wurde, nicht unter § 81 Abs.1 SPG subsumiert werden kann.

Den inkriminierten Tatbestand erfüllt derjenige, wer durch besonders rücksichtsloses Verhalten die öffentliche Ordnung ungerechtfertigt stört. Die Tatbestands-umschreibung entspricht in ihrem Aufbau jener des Art.IX Abs.1 Z1 EGVG, die Strafbarkeit wurde jedoch in zwei Punkten inhaltlich zurückgenommen. Nach dem EGVG ist für die Störung der Ordnung ein Verhalten erforderlich, das Ärgernis zu erregen geeignet ist; diese Formulierung stellt bereits auf die Einschätzung durch andere und nicht auf die Intention des Täters ab. Dass insbesondere diese maßgeblich ist, soll nunmehr durch die Wendung "besonders rücksichtsloses Verhalten" verstärkt zum Ausdruck gebracht werden (vgl. EBRVS 52 zu § 81 SPG). Vor diesem rechtlichen Hintergrund hat der Bw unter der Annahme, dass er den spruchgemäßen Sachverhalt verwirklicht hat, nicht tatbildmäßig gehandelt. Es mangelt am Tatbildelement des "besonders rücksichtslosen" Verhaltens. Das dem Bw zur Last gelegte Verhalten ist ein Erfolgsdelikt. Der "Erfolg" dieses Tatbestandsmerkmales besteht darin, dass der normale Ablauf an einem öffentlichen Ort beeinträchtigt wird; diese Beeinträchtigung ist nach objektiven Kriterien zu messen. Der Verfassungsgerichtshof geht davon aus, dass unter "Ordnung an öffentlichen Orten" nur der Zustand der gewöhnlichen Verhältnisse der Dinge der Außenwelt zueinander verstanden werden kann, eine Ordnung, die etwa durch Aufsehen oder durch einen Massenauflauf gestört und in der Folge wieder hergestellt werden kann, somit die äußerliche öffentliche Ordnung. Es muss durch das inkriminierte Verhalten der Ablauf des äußeren Zusammenlebens von Menschen oder ein bestehender Zustand von Dingen in wahrnehmbarer Weise gestört worden sein. Dass derartiges durch das Verhalten des Bw bezweckt oder bewirkt worden wäre, ist nicht evident.

Zum Faktum 2:

Der Zeuge F sagte am 2.12.1999 vor der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land (vgl. Niederschrift vom 2.12.1999, Sich96-282-1999) aus, beim Fenster hinausgesehen und dabei wahrgenommen zu haben, wie der Bw auf einen PKW einschlug. Er habe daraufhin das Fenster geöffnet und ihn gefragt, ob er nicht normal wäre, worauf ihm der Bw wörtlich entgegnete: "Halten Sie Ihre Goschn". Er habe ihm dabei Steine ins Fenster geworfen.

Bei der Berufungsverhandlung räumte der Zeuge F ein, dass er den Bw beschimpft habe. Er habe auch wahrgenommen, dass irgendetwas in seine Wohnung geworfen wurde. Viel sei es nicht gewesen. Beschädigt wurde ebenfalls nichts.

In rechtlicher Hinsicht ist dazu festzustellen, dass eine Beschimpfung und ein damit im Zusammenhang stehendes Werfen von Erde bzw Kieselsteine durch das geöffnete Fenster in eine Wohnung, - wie dies dem Bw lt. angefochtenem Straferkenntnis zur Last gelegt wird - grundsätzlich geeignet ist, das Tatbild des § 81 Abs.1 SPG zu erfüllen. Dem Schuldspruch kann jedoch nicht entnommen werden, welchen Inhalt die dem Bw zur Last gelegte Beschimpfung hatte. Er entspricht insofern nicht den Straftatumschreibungskriterien des § 44a Z1 VStG. Da während der Verfolgungsverjährungsfrist diesbezüglich keine taugliche Verfolgungshandlung gesetzt wurde, kann schon aus diesem Grunde der Schuldspruch nicht mehr saniert werden. Was nun das Werfen eines Gegenstandes durch das geöffnete Fenster in einer Wohnung anlangt (das angefochtene Straferkenntnis geht davon aus, dass der Bw eine Handvoll Erde bzw Kieselsteine geworfen hat, der Zeuge F gab bei der Berufungsverhandlung an, dass "irgend etwas" in die Wohnung geflogen ist, viel sei es nicht gewesen), ist dieses Verhalten für sich alleine nicht geeignet, das gegenständliche Tatbild herzustellen. Es darf im gegenständlichen Zusammenhang nämlich nicht außer Betracht bleiben, dass der Bw unter der Voraussetzung der Annahme, dass er tatsächlich etwas in die Wohnung des Herrn F geworfen hat, vorher von diesem als "fette Sau" beschimpft und laut Aussage der Zeugin S auch verbal bedroht wurde. Unabhängig von dem Umstand, ob nun der Bw tatsächlich etwas in die Wohnung des Herrn F geworfen hat (der Bw und die Zeuginnen Gattringer sowie S verneinen dies mit dem Argument, dass der Bw eine Abdeckplatte in der Hand hatte) kann somit dieses Verhalten keinesfalls unter das Tatbildelement der "besonderen Rücksichtslosigkeit" subsumiert werden, sodass schon aus rechtlichen Gründen der spruchgemäße Vorwurf nicht aufrechterhalten werden kann.

Gemäß § 45 Abs.1 Z1 hat die Behörde von der Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden kann oder keine Verwaltungsübertretung bildet.

Aus den genannten Gründen war spruchgemäß zu entscheiden.

5. Die Kostenentscheidung ist gesetzlich begründet.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500,00 Schilling (entspricht  181,68 Euro) zu entrichten.

Dr. F r a g n e r

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