Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-230817/2/WEI/Ni

Linz, 21.10.2003

 

 

 VwSen-230817/2/WEI/Ni Linz, am 21. Oktober 2003

DVR.0690392
 

 
 

E R K E N N T N I S
 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wolfgang Weiß über die Berufung des L S, türk. Staatsangehöriger, vertreten durch Dr. M F, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 7. August 2002, Zl. Sich 96-290-2002, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem § 107 Abs 1 Z 4 Fremdengesetz 1997 - FrG 1997 (BGBl I Nr. 75/1997, zuletzt geändert durch FrG-Novelle 2002, BGBl I Nr. 126/2002) zu Recht erkannt:

 

 

I. Aus Anlass der Berufung wird das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Strafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 und Z 3 VStG eingestellt.

 

II. Die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens entfällt.
 
Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs 4 AVG 1991 iVm § 24 VStG 1991; § 66 Abs 1 VStG 1991.
 
 

Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde der Berufungswerber (Bw) wie folgt schuldig erkannt und bestraft:

 

"Sie sind am 05.02.2002 mit einem von der Österreichischen Botschaft in A am gleichen Tag ausgestellten und bis zum 4.03.2002 gültigen Einreisetitel (Visum C) nach Österreich eingereist und haben sich am 18.02.2002 in A P, polizeilich gemeldet. Mit 19.04.2002 meldeten Sie sich an der Unterkunft T, an, wo Sie seither wohnhaft sind.

Seit Ablauf der Gültigkeitsdauer Ihres Einreisetitels mit 04.03.2002, halten Sie sich weiterhin, somit nicht rechtmäßig, als pass- und sichtvermerkspflichtiger Fremder (§ 1 Abs. 1 FrG 1997) im Bundesgebiet auf."

 

 

Dadurch erachtete die belangte Behörde §§ 31 iVm 107 Abs 1 Z 4 FrG 1997 idF BGBl I Nr. 134/2000 als verletzte Rechtsvorschriften und verhängte wegen dieser Verwaltungsübertretung "gemäß § 107 Abs. 1 Zi. 4 FrG 1997 leg.cit." eine Geldstrafe von 70 Euro und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 24 Stunden.

 

1.2. Gegen dieses Straferkenntnis, das dem Bw zu Händen seines Rechtsvertreters am 12. August 2002 zugestellt wurde, richtet sich die rechtsfreundlich verfasste Berufung vom 13. August 2002, die am 14. August 2002 bei der belangten Behörde rechtzeitig eingebracht worden ist und mit der die Aufhebung des Straferkenntnisses und Einstellung des Strafverfahrens, hilfsweise die Anwendung des § 21 VStG oder die Herabsetzung der Geldstrafe beantragt worden ist.

 

 

2. Aus der Aktenlage ergibt sich der folgende wesentliche S a c h v e r h a l t :

 

2.1. Dem Akteninhalt ist zu entnehmen, dass der Bw am 28. März 2002 vom GPK A-P angezeigt und ihm eine Sicherheitsleistung abgenommen wurde. Mit Strafverfügung vom 28. Mai 2002 verhängte die belangte Behörde 70 Euro Geldstrafe. Im dagegen erhobenen Einspruch führte der Bw an, dass er mit einem Visum C nach Österreich einreiste und sich seither bei seiner Gattin G S aufhielte, die seit mehr als zehn Jahren legal im Bundesgebiet lebte und vollkommen integriert wäre. Sie hätte ein ausreichendes Einkommen und eine ortsübliche Unterkunft, sodass Familieneinkommen und ausreichende Wohngelegenheit sichergestellt wären. Am 4. März 2002 hätte der Bw beim BMI - Beirat für Asyl und Migrationsfragen ein Ersuchen um Erteilung einer humanitären Aufenthaltsbewilligung aus besonders berücksichtigungswürdigen humanitären Gründen eingebracht, worüber noch keine Entscheidung vorliege. Der Bw befände sich daher rechtmäßig im Bundesgebiet, wobei auf die Bestimmung des § 31 Abs 4 FrG 1997 verwiesen wird. Die Geldstrafe wäre überhöht, weil der Bw auf Unterhaltsleistungen der Gattin angewiesen sei. Sie wäre auch nicht schuld- und tatangemessen. Vielmehr hätte die belangte Behörde gemäß § 21 VStG von Strafe absehen müssen.

 

2.2. Die belangte Behörde führt begründend aus, dass sich der Bw seit 5. März 2002 unrechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten habe. Aus den fremdenpolizeilichen Unterlagen gehe hervor, dass der Bw über die Botschaft schon 1998 einen Antrag auf Erteilung einer Erstniederlassung für den Zweck "Familiengemeinschaft mit Fremden" gestellt hätte, der mangels ausreichend gesicherter Mittel für den Unterhalt im Instanzenzug abgewiesen wurde (BMI vom 26.09.2000, Zl. 126.854/2-III/11/00).

Das von der Botschaft ausgestellte "Visum C" sei ein für Besuchs- und Geschäftsreisen auf maximal 3 Monate erteiltes Reisevisum. Der Bw wäre verpflichtet gewesen nach Ablauf der Gültigkeit seines Einreisetitels wieder auszureisen. Das Ersuchen auf Erteilung einer humanitären Aufenthaltserlaubnis rechtfertige nicht den schon mehr als fünf Monate andauernden illegalen Aufenthalt des Bw. Dem Bw komme nach dem deutlichen Gesetzestext kein Antragsrecht nach § 10 Abs 4 FrG 1997 zu. Er könne ein solches Vorgehen nur anregen.

 

Der Bw habe es nach Abweisung seines Antrags auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung nicht einmal der Mühe wert gefunden, einen neuen Antrag einzubringen und die Entscheidung darüber (bis zur Zuteilung eines Quotenplatzes bzw Verleihung der Staatsbürgerschaft an seine Gattin) in seinem Heimatland abzuwarten. Sein Verhalten lasse eher den Schluss zu, die österreichischen Behörden vor vollendete Tatsachen stellen zu wollen.

 

Der rechtswidrige Aufenthalt eines Fremden laufe den öffentlichen Interessen an einem geordneten Fremdenwesen zuwider. Aus generalpräventiven Gründen seien die Folgen der Übertretung nicht als geringfügig anzusehen, weshalb eine Anwendung des § 21 VStG nicht möglich sei. Strafmildernd wären keine Umstände, erschwerend der schon länger andauernde unrechtmäßige Aufenthalt.

 

2.3. In der Berufung wird weiterhin der schon bisher eingenommene Rechtsstandpunkt vertreten und auf die Achtung des Familienlebens nach Artikel 8 EMRK sowie auf den Grundsatz des Familiennachzugs nach § 20 FrG 1997 verwiesen.

 

 

3. Der erkennende Verwaltungssenat hat nach Durchsicht der vorgelegten Verwaltungsakten festgestellt, dass das angefochtene Straferkenntnis aus rechtlichen Gründen aufzuheben ist.

 

 

4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen.

 

4.1. Gemäß § 107 Abs 1 FrG 1997 idFd Art 12 BGBl I Nr. 98/2001 (Euroumstellung) begeht eine Verwaltungsübertretung und ist zu in den Fällen der Z 1 und Z 2 mit Geldstrafe bis 726 Euro oder Freiheitsstrafe bis zu 14 Tagen, sonst mit Geldstrafe bis zu 726 Euro zu bestrafen, wer

 

  1. nach Erlassung eines Aufenthaltsverbotes oder einer Ausweisung nicht rechtzeitig ausreist oder
  2. einem Aufenthaltsverbot zuwider unerlaubt in das Bundesgebiet zurückkehrt oder
  3. sich als passpflichtiger Fremder, ohne im Besitz eines gültigen Reisedokuments zu sein, im Bundesgebiet aufhält, oder
  4. sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält (§ 31).

 

Als Tatort gilt der Ort der Betretung oder des letzten bekannten Aufenthalts, bei Betretung in einem öffentlichen Beförderungsmittel die nächstgelegene Ausstiegsstelle, an der das Verlassen des öffentlichen Beförderungsmittels gemäß dem Fahrplan des Beförderungsunternehmers möglich ist (Fassung gem. Art I Z 85 des BGBl I Nr. 126/2002).

 

§ 31 Abs 1 FrG 1997 regelt den rechtmäßigen Aufenthalt. Danach halten sich Fremde rechtmäßig im Bundesgebiet auf,

 

  1. wenn sie unter Einhaltung der Bestimmungen des 2. Hauptstückes und ohne die Grenzkontrolle zu umgehen eingereist sind oder
  2. wenn sie auf Grund eines Aufenthaltstitels oder einer Verordnung für Vertriebene (§ 29) zum Aufenthalt berechtigt sind oder
  3. wenn sie Inhaber eines von einem Vertragsstaat ausgestellten Aufenthaltstitels sind oder
  4. solange ihnen eine Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz 1997 zukommt.

 

Gemäß § 31 Abs 3 FrG 1997 richtet sich die Dauer des rechtmäßigen Aufenthalts eines Fremden im Bundesgebiet nach

 

  1. der durch zwischenstaatliche Vereinbarung, Bundesgesetz oder Verordnung getroffenen Regelung oder
  2. der Befristung des Einreise- oder Aufenthaltstitels.

 

4.2. Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger Judikatur zum vergleichbaren Straftatbestand des § 82 Abs 1 Z 4 iVm § 15 Abs 1 des Fremdengesetzes 1992 im Hinblick auf § 44a Z 1 VStG, der die eindeutige Umschreibung als erwiesen angenommene Tat im Spruch fordert, ausgesprochen, dass eine Bestrafung wegen unrechtmäßigen Aufenthalts rechtens nur dann in Betracht kommt, wenn keine der in den Ziffern des § 15 Abs 1 FrG 1992 (nunmehr § 31 Abs 1 FrG 1997) angeführten Voraussetzungen eines rechtmäßigen Aufenthalts gegeben ist. Die Annahme der Unrechtmäßigkeit eines inländischen Aufenthalts aus der Verneinung bloß eines Teils der in § 15 Abs 1 FrG 1992 genannten alternativen Voraussetzungen für eine Rechtmäßigkeit des Aufenthalts stehe mit dem Gesetz nicht in Einklang (vgl etwa VwGH 18.1.2000, Zl. 94/18/0396; VwGH 24.3.2000, 96/21/0919; VwGH 5.10.2000, 96/21/0861; VwGH 8.11.2000, 97/21/0223; VwGH 23.1.2001, 97/21/0056).

 

Diese Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes gilt ebenso für die inhaltlich gleichgelagerte Strafbarkeit des unrechtmäßigen Aufenthalts nach §§ 107 Abs 1 Z 4, 31 Abs 1 FrG 1997. Da die belangte Behörde den Spruch nicht unter Berücksichtigung bzw Verneinung der Voraussetzungen für einen rechtmäßigen Aufenthalt nach dem § 31 Abs 1 FrG 1997 formuliert hat, verstößt die strafbehördliche Anlastung gegen das Bestimmtheitsgebot des § 44a Z 1 VStG. Der bloße Hinweis auf den Ablauf der Gültigkeitsdauer des Einreisetitels entspricht den Anforderungen im Sinne der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht.

 

Im Ergebnis war daher das angefochtene Straferkenntnis mangels ausreichender Tatumschreibung von Amts wegen aufzuheben und das Strafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 und 3 VStG einzustellen, ohne dass auf die Berufung inhaltlich weiter eingegangen werden musste.

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
 
 
 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.
 
 

Dr. W e i ß

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