Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-230844/2/SR/Ri

Linz, 31.07.2003

 

 

 VwSen-230844/2/SR/Ri Linz, am 31. Juli 2003

DVR.0690392
 

 

 

E R K E N N T N I S
 
 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Stierschneider über die Berufung des I N, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. M F, Tgasse, W, gegen das Straferkenntnis des Polizeidirektors der Stadt Linz vom 21. Mai 2003, Zl. III/S-36.118/02-2 SE, wegen Übertretung des Fremdengesetzes (im Folgenden: FremdenG) zu Recht erkannt:

 

I. Der Berufung wird, soweit sie sich gegen die Schuld richtet, keine Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis mit der Maßgabe bestätigt, dass bei den übertretenen Rechtsvorschriften die Wendung "§ 31 FremdenG" durch "§ 31 Abs. 1 Z. 3 FremdenG" zu ersetzen ist.

 

Der Berufung wird jedoch, soweit sie sich gegen die Strafe richtet, Folge gegeben. Die verhängte Geld- und Ersatzfreiheitsstrafe wird aufgehoben und statt dessen eine Ermahnung erteilt.

 

II. Ein Beitrag zu den Kosten entfällt.

 

Rechtsgrundlage:

§ 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG; § 65 VStG.

 

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit oben bezeichnetem Straferkenntnis des Polizeidirektors der Stadt Linz wurde der Berufungswerber (Bw) wie folgt schuldig erkannt und bestraft:

 

"Am 04.09.2002 wurde aufgrund einer fremdenpolizeilichen Kontrolle festgestellt, dass Sie Fremder im Sinne des § 1 Abs 1 d. FremdenG sind und dass Sie sich seit ca. 1 Jahr unrechtmäßig im Bundesgebiet von Österreich aufhielten, da Sie weder aufgrund eines Aufenthaltstitels zum Aufenthalt berechtigt waren noch im Besitze eines von einem Vertragsstaat ausgestellten Aufenthaltstitels waren und Ihnen eine Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz nicht zukam.

 

Übertretene Rechtsvorschrift:

§ 107 Abs.1 Z. 4 FremdenG i.V.m. § 31 FremdenG

Strafnorm:

§ 107 Abs. 1 FremdenG

Verhängte Geldstrafe:

€ 60,--

Ersatzfreiheitsstrafe:

36 Stunden

Verfahrenskosten:

€ 6,--

Gesamtbetrag:

€ 66,--

."

2. Gegen dieses dem Vertreter des Bw am 28. Mai 2003 zugestellte Straferkenntnis richtet sich die vorliegende bei der Behörde erster Instanz rechtzeitig eingebrachte Berufung.

 

2.1. Im angefochtenen Straferkenntnis führt die Behörde erster Instanz im Wesentlichen begründend aus, dass sich der Bw zum Zeitpunkt der fremdenpolizeilichen Kontrolle schon ca. 1 Jahr unrechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten habe. In der Folge legt die Behörde erster Instanz prägnant und schlüssig dar, warum von keinem rechtmäßigen Aufenthalt des Bw ausgegangen werden könne.

 

Im Zuge der Strafbemessung sei seine bisherige Unbescholtenheit als mildernd zu werten gewesen. Ferner ging die Behörde erster Instanz davon aus, dass der Bw kein Vermögen besitze und über kein eigenes Einkommen verfüge.

 

2.2. Dagegen bringt der Vertreter des Bw vor, dass die Sachverhaltsfeststellungen unvollständig seien, Verfahrensmängel und unrichtige rechtliche Beurteilung vorliege. Der Bw sei legal eingereist und habe mit Schriftsatz vom 1. Februar 2001 ein Ersuchen um Erteilung einer humanitären Aufenthaltserlaubnis gemäß § 10 Abs. 4 FrG beim Bundesministerium für Inneres eingebracht. Mit Schreiben vom 10. Oktober 2002 teilte das Bundesministerium für Inneres, Sektion III mit, dass von der Erteilung einer humanitären Aufenthaltserlaubnis Abstand genommen werde. Aus den umfangreichen Bemühungen des Bw sei ersichtlich, dass er eine zufriedenstellende humanitäre Entscheidung erlangen und den Aufenthalt nicht durch illegale Aktionen sichern wollte. Bei umfassender Feststellung des Sachverhaltes und dessen Würdigung käme man zum Ergebnis, dass eine Bestrafung keinem dringenden sozialen Bedürfnis entspreche und insgesamt geringes Verschulden und keine Negativfolgen vorliegen würden. Der Vater sei seit über 10 Jahren im Bundesgebiet aufhältig und er habe bereits die Zusicherung der Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft. Damit sei dokumentiert, dass die Familie ihren weiteren Lebensmittelpunkt im Bundesgebiet haben werde.

Daher wird die Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnisses und die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens beantragt.

 

3.1. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der Bundespolizeidirektion Linz zu Zl. III/S-36.118/02-2 SE und nach Einsicht in die vorgelegten Verwaltungsakten festgestellt, dass der entscheidungsrelevante Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit dem Berufungsvorbringen hinreichend geklärt erscheint.

3.2. Auf Grund der Aktenlage steht folgender entscheidungswesentlicher Sachverhalt fest:

 

3.2.1. Der Bw reiste am 27. Jänner 2000 auf Grund eines "Visums D" legal in das Bundesgebiet ein und hielt sich seit diesem Zeitpunkt, polizeilich gemeldet, bei seinem Vater S I, der seit mehr als 10 Jahren legal im Bundesgebiet lebt, auf. Das vom österreichischen Konsulat in Istanbul ausgestellte "Visum D" berechtigte den Bw zu einem Aufenthalt im Bundesgebiet bis zum 27. April 2000. In der Folge verfügte der Bw über keinen weiteren "Aufenthaltstitel".

Am 19. April 2000 wurde von dem Bw ein Ersuchen an das Bundesministerium für Inneres gerichtet und dabei u.a. seine Situation im Herkunftsland nach dem Erdbeben am 17. August 1999 geschildert. Bereits am 21. September 1999 hatte der Bw bei der österreichischen Botschaft in Ankara einen Antrag auf Niederlassungsbewilligung eingebracht.

Mit Schreiben vom 10. Jänner 2001 teilte das Bundesministerium für Inneres - Sektion III/16 - bezugnehmend auf ein Schreiben des Bw vom 17. Juli 2000 mit, dass ein weiteres Visa nicht erteilt werden könne, da für den weiteren Aufenthalt eine Niederlassungsbewilligung benötigt würde.

Mit Schriftsatz vom 1. Februar 2001 ersuchte der Bw durch den ausgewiesenen Vertreter das Bundesministerium für Inneres um Erteilung einer humanitären Aufenthaltserlaubnis gemäß § 10 Abs. 4 FrG. Nach mehrmaligem Schriftwechsel und einer Nachfrage durch den Bw am 20. September 2002 teilte das Bundesministerium für Inneres am 10. Oktober 2002 mit, dass von der Erteilung einer humanitären Aufenthaltserlaubnis Abstand genommen würde und mit einer baldigen Erledigung der Anträge auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung durch das Magistrat Linz zu rechnen sei.

Auf Grund der Anfrage der Behörde erster Instanz übermittelte der zuständige Bearbeiter des Magistrates Linz mit Schreiben vom 12. März 2003 einen Auszug des Schriftverkehrs mit dem Rechtsvertreter dem Bw vom 10. Jänner 2003. Darin wurde dem Rechtsvertreter mitgeteilt, dass der Antrag auf Niederlassungsbewilligung noch nicht erledigt sei, jedoch wegen dem illegalen Aufenthalt des Bw beabsichtigt sei, den Antrag wegen des unbedingten Sichtvermerkversagungsgrundes - illegaler Aufenthalt - abzuweisen.

3.2.2. Die Anfrage des Oö. Verwaltungssenates beim zuständigen Bearbeiter des Magistrates Linz am 29. Juli 2003 ergab, dass eine Abweisung des Antrages derzeit nicht beabsichtigt sei, da die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft des Vater des Bw unmittelbar bevorstünde. Seitens der Staatsbürgerschaftsabteilung des Amtes der Oö. Landesregierung würde nur mehr auf die Antwort der türkischen Behörden - Austritt aus dem türkischen Staatsverband - gewartet. Nach der Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft an den Vater des Bw stünde der Bewilligung einer Erstniederlassungsbewilligung für sämtliche weitere Familienmitglieder (gemeint: die derzeitigen Antragsteller) nichts mehr im Wege.

 

3.3. Diese Sachverhaltsfeststellungen (Punkt. 3.2.1.) ergeben sich schon aus dem erstbehördlichen Akt und blieben von den Parteienvertretern unbestritten.

 

4. In der Sache selbst hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

4.1. Gemäß § 107 Abs. 1 Z. 4 i.V.m. § 31 Abs. 1 FrG begeht ein Fremder u.a. dann eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu 726 Euro zu bestrafen, wenn er sich deshalb nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, weil er nicht Inhaber eines von einem Vertragsstaat ausgestellten Aufenthaltstitels ist.

 

4.2. Dass der Bw nicht über einen Aufenthaltstitel verfügt, wird von ihm selbst gar nicht in Abrede gestellt (vgl. die Stellungnahme vom 8. November 2002 und die Berufungsschrift vom 10. Juni 2003). Unbestritten steht fest, dass der Bw auf Grund des Einreisetitels "Visum D" - Aufenthaltsvisum für den längerfristigen Aufenthalt - lediglich vom 27. Jänner 2000 bis zum 27. April 2000 zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt war. Aus dem Vorbringen und der Aktenlage ergibt sich weiter, dass der Bw sich anschließend durchgängig im Bundesgebiet aufgehalten hat. Dies erachtet der Oö. Verwaltungssenat nicht nur auf Grund der für diesen Zeitraum aufrechten behördlichen Meldung, sondern auch aus dem schlüssigen Vorbringen als erwiesen an.

 

Im Gegensatz zur Ansicht der Behörde erster Instanz wäre gemäß § 31 Abs. 1 Z. 1 FrG vorerst von einem rechtmäßigen Aufenthalt auszugehen, da der Bw unter Einhaltung der Bestimmungen des 2. Hauptstückes und ohne die Grenzkontrolle zu umgehen eingereist ist. Gemäß § 31 Abs. 3 FrG richtet sich jedoch die Dauer des rechtmäßigen Aufenthaltes eines Fremden im Bundesgebiet nach der Befristung des Einreisetitels. Unbestritten war der Einreisetitel nur bis zum 27. April 2000 befristet.

 

Gemäß § 31 Abs. 4 FrG halten sich nur diejenigen Fremden, die vor Ablauf der Gültigkeitsdauer eines Aufenthaltstitels einen Antrag auf Ausstellung eines weiteren Aufenthaltstitel gestellt haben, bis zur rechtskräftigen Entscheidung darüber rechtmäßig im Bundesgebiet auf. Die Behörde erster Instanz hat zu Recht darauf hingewiesen, dass es sich beim "Visum D" um einen Einreisetitel und nicht um einen Aufenthaltstitel gehandelt hat. Die Antragstellung hat daher weder den rechtmäßigen Aufenthalt verlängert noch einen solchen begründet.

 

Der Bw hat daher tatbestandsmäßig und indem er es unterließ, sich über die maßgeblichen fremdenrechtlichen Vorschriften zu informieren, auch fahrlässig und damit schuldhaft i.S.d. § 107 Abs. 1 i.V.m. § 31 Abs. 1 Z. 3 FrG gehandelt.

Seine Strafbarkeit ist daher gegeben.

 

4.3. Gemäß § 19 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, sowie der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Überdies sind die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 - 35 StGB (Strafgesetzbuch) sinngemäß anzuwenden.

 

Hinsichtlich der jeweils verhängten Strafe ist der Bw darauf hinzuweisen, dass deren höhenmäßige Festsetzung eine Ermessensentscheidung der Strafbehörde darstellt, die sie unter Bedachtnahme auf die objektiven und subjektiven Strafbemessungskriterien des § 19 VStG vorzunehmen hat. Das festgesetzte Strafausmaß wäre grundsätzlich vertretbar. Aus Gründen der Generalprävention bedürfte es einer Bestrafung, um Übertretungen in vergleichbaren Fällen hintanzuhalten. Im gegenständlichen Fall sind die Umstände jedoch so gelagert, dass es keiner Bestrafung bedarf, um den Bw zur Einsicht und zur zukünftigen Einhaltung der Verwaltungsvorschriften zu bringen. Das bisherige Verfahren zeigt, dass die einschreitenden Behörden auf Grund der besonderen Umstände - Erdbebenopfer, familiäre Verhältnisse in Österreich, bevorstehende Verleihung der Staatsbürgerschaft an den Vater und dadurch zu erwartender Aufenthaltstitel - an einer humanitären Lösung interessiert waren. Bezogen auf diese Fallkonstellation ist auch zukünftig ein gleichgelagertes strafbares Verhalten nicht zu erwarten.

 

4.4. Gemäß § 21 Abs.1 VStG kann die Behörde ohne weiteres Verfahren von der Verhängung einer Strafe absehen, wenn das Verschulden des Beschuldigten geringfügig ist und die Folgen der Übertretung unbedeutend sind.

 

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Schuld nur dann geringfügig, wenn das tatbildmäßige Verhalten des Täters hinter dem in der betreffenden Strafdrohung typisierten Unrechtsgehalt und Schuldgehalt erheblich zurückbleibt. Im Gegensatz zum grundsätzlich typisierten Unrechtsgehalt und Schuldgehalt der übertretenen Normen bleibt die Schuld hier erheblich zurück. Das Verhalten des Bw zeigt auch deutlich, dass es aus Gründen der Spezialprävention keiner Geldstrafe bedurfte und mit einer Ermahnung unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens das Auslangen gefunden werden konnte. Es bestand daher ein Rechtsanspruch auf die Anwendung des § 21 Abs.1 VStG und der unabhängige Verwaltungssenat hatte von der Verhängung einer Strafe abzusehen und die Ermahnung auszusprechen.

 

Die in der übertretenen Rechtsvorschrift angeführte Wendung "§ 31 FremdenG" war durch § 31 Abs. 1 Z. 3 FremdenG" zu ersetzen.

 

5. Gemäß § 66 Abs.1 VStG entfällt damit auch die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

Mag. Stierschneider

 
 

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