Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-230859/5/WEI/An

Linz, 04.01.2005

 

 

 VwSen-230859/5/WEI/An Linz, am 4. Jänner 2005

DVR.0690392
 

 

 

 

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wolfgang Weiß über die Berufung des G Z, K, L, gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Linz vom 30. Oktober 2003, Zl. III/S-14.181/03-2 SE, wegen einer Verwaltungsübertretung nach § 81 Abs 1 Sicherheitspolizeigesetz - SPG (BGBl Nr. 566/1991 idF BGBl I Nr. 104/2002) beschlossen und zu Recht erkannt:

 

 

  1. Der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe gemäß § 51a VStG wird abgewiesen.
  2.  

  3. Aus Anlass der Berufung wird das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Strafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG eingestellt.
  4.  

  5. Die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens entfällt.

 

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs. 4 AVG iVm § 24 VStG; § 66 Abs 1 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

 

1.1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Linz wurde der Berufungswerber (Bw) wie folgt schuldig erkannt und bestraft:

 

"Sie haben am 08.04.2003, von 15.49 - 16.00 Uhr in Linz, Wiener Straße n.d. Nr. 401, durch ein besonders rücksichtsloses Verhalten die öffentliche Ordnung ungerechtfertigt gestört, indem Sie in der Straßenbahn der Linie 1 der Linz Linien im Bereich der Haltestelle 'Simonystraße' den Straßenbahnfahrer und den Fahrscheinkontrollor lautstark beschimpft haben."

 

Dadurch erachtete die belangte Behörde den § 81 Abs 1 SPG als übertretene Rechtsvorschrift und verhängte wegen dieser Verwaltungsübertretung nach der Strafdrohung des § 81 Abs 1 SPG eine Geldstrafe von 70 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 48 Stunden). Als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens wurden 7 Euro vorgeschrieben.

 

1.2. Gegen dieses Straferkenntnis, das dem Bw durch Hinterlegung am 10. November 2003 beim Postamt L zugestellt wurde, richtet sich die Berufung vom 12. November 2003, die rechtzeitig am 19. November 2003 bei der belangten Behörde einlangte und mit der primär die Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnisses und Einstellung des Strafverfahrens angestrebt wird.

 

2. Aus der Aktenlage ergibt sich der folgende S a c h v e r h a l t :

 

2.1. Nach der Darstellung im angefochtenen Straferkenntnis sei die angelastete Verwaltungsübertretung durch die eigene dienstliche Wahrnehmung der einschreitenden Sicherheitswachebeamten, auf Grund der Anzeige und des Ermittlungsverfahrens erwiesen. Es stünde daher fest, dass der Bw die im Spruch angeführte Verwaltungsübertretung begangen habe.

 

Die belangte Behörde legte dann das bisherige Verfahren dar. Im Einspruch gegen die Strafverfügung habe der Bw die Tatbegehung bestritten. Vielmehr hätte ihn ein Kontrollorgan öffentlich vor mehreren Zeugen beleidigt, indem er ihn als typischen Schwarzfahrer bezeichnete. Einen gültigen Fahrschein habe der Bw bis zum Eintreffen der Exekutive nicht vorweisen können und als er ihn dann vorwies, habe er geäußert: "Und was ist jetzt, jetzt schaut`s blöd." Zum Vorwurf des Beschimpfens der Kontrollorgane habe er eine Abmahnung für berechtigt angesehen, da er öffentlich beleidigt worden sei.

 

Der Ladung zur mündlichen Verhandlung am 6. Juni 2003 habe er keine Folge geleistet, aber in einem schriftlichen Nachtrag zum Einspruch habe der Bw den Tatvorwurf im Widerspruch dazu gesehen, dass er als typischer Schwarzfahrer bezeichnet worden sei. Nach Einholung einer Stellungnahme des Meldungslegers habe der Bw einer Beschuldigtenladung zur mündlichen Verhandlung am 12. September 2003 ungerechtfertigt keine Folge geleistet, weshalb das Verwaltungsstrafverfahren im Hinblick auf § 41 Abs 3 VStG ohne seine weitere Anhörung durchgeführt worden sei.

 

In rechtlicher Hinsicht meint die belangte Behörde, nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes genüge es, dass der normale Ablauf an einem öffentlichen Ort beeinträchtigt wurde. Diese Beeinträchtigung sei nach objektiven Kriterien zu messen. Es müsse daher durch ein Verhalten der Ablauf des äußeren Zusammenlebens von Menschen oder ein bestehender Zustand von Dingen in wahrnehmbarer Weise gestört worden sein. Dabei sei eine solche negative Veränderung schon zu bejahen, wenn eine Person dazu bewogen wird, sich anders zu verhalten, wenn der Vorfall nicht stattgefunden hätte.

 

Der normale Ablauf sei beeinträchtigt worden, indem der Bw zur angeführten Zeit in der Straßenbahn der Linie 1 der Linz Linien, die im Bereich der Haltestelle Simonystraße angehalten hatte, den Straßenbahnfahrer und den Fahrscheinkontrollor lautstark beschimpfte. Da der Bw nach seinen eigenen Angaben einen gültigen Fahrschein bei der Kontrolle vorerst tatsächlich nicht vorweisen habe können, sei sein Verhalten nicht gerechtfertigt gewesen.

 

2.2. In der weitwendig ausgeführten Berufung vertritt der Bw die Ansicht, dass mit seiner Bezeichnung durch ein Kontrollorgan als "typischer Schwarzfahrer" die Tatbestandsmerkmale der üblen Nachrede nach § 111 StGB, der Beleidigung nach § 115 StGB und/oder der Verleumdung gemäß § 297 StGB erfüllt worden sein könnten. Er könnte des Delikts der Erschleichung einer Leistung gemäß § 149 StGB falsch verdächtigt werden. Zu dieser theoretischen Variante, die nach der Aktenlage in keiner Weise naheliegend erscheint, führt der Bw im gegebenen Zusammenhang nicht weiter interessierende Argumente zu den Voraussetzungen der tätigen Reue nach § 167 StGB aus, die auf ihn zuträfen.

 

Der Bw bringt weiter vor, dass die nachträglich eingeschrittenen Sicherheitswachebeamten die vorgeworfene lautstarke Beschimpfung in der Straßenbahn jedenfalls nicht wahrnehmen hätten können. Der Straßenbahnfahrer wäre zu einem Zeitpunkt ausgestiegen und hätte die Garnitur einfach abgestellt, als er an der Weiterfahrt nicht gehindert war, zumal der Bw und die Kontrollorgane sich bereits im Haltestellenbereich "Simonystraße" außerhalb der Straßenbahn befunden hätten. Dafür hätte kein vernünftiger Grund bestanden, so dass das Verhalten des Straßenbahnfahrers als Privatvergnügen oder sogar als Dienstpflichtverletzung beurteilt werden könne. Im Bereich der Haltestelle habe er sowieso anhalten müssen, weshalb eine Beeinträchtigung des normalen Ablaufs an einem öffentlichen Ort nicht angenommen werden könne.

 

Die Berufung rügt Feststellungsmängel, weil das angefochtene Straferkenntnis überhaupt keine Angaben enthalte, wann und wo welche Äußerungen bzw Beschimpfungen gegenüber dem Kontrollorgan bzw dem Straßenbahnfahrer erfolgten. Das Verwaltungsstrafverfahren erweise sich als mangelhaft und die strafrechtliche Beurteilung als unvollständig, aktenwidrig und rechtswidrig. Das strafrechtlich relevante Verhalten eines Kontrollorgans sei zu Gänze unberücksichtigt geblieben.

 

Die weiteren Berufungsausführungen über strafrechtliche Tatbestände nach dem StGB erscheinen einseitig und ziemlich spekulativ ohne hinreichend konkretem Bezug zur verfahrensgegenständlichen Sache. Da sie für die Lösung des Falles irrelevant sind, wird von deren Wiedergabe abgesehen.

 

Abschließend beantragt der Bw die Aufhebung des Straferkenntnisses und Einstellung des Strafverfahrens.

 

3. Der erkennende Verwaltungssenat hat nach Einsicht in vorgelegten Verwaltungsstrafakt festgestellt, dass das angefochtene Straferkenntnis schon nach der Aktenlage aus rechtlichen Überlegungen aufzuheben ist. Zum Antrag des Bw auf Einleitung eines gerichtlichen Strafverfahrens gegen Sachbearbeiter, Sicherheitswachebeamte und Kontrollorgane, ist der Bw darauf hinzuweisen, dass für dieses Ansinnen die Zuständigkeit der Staatsanwaltschaft gegeben ist. Der Oö. Verwaltungssenat sieht auf der Grundlage der ihm vorliegenden Akten und der weit überschießenden strafrechtlichen Ausführungen des Bw keinen Anlass für eine amtswegige Vorgangsweise.

 

4. In der Sache hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

4.1. Der Antrag auf Verfahrenshilfe gemäß § 51a VStG konnte ohne Prüfung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Bw abgewiesen werden, weil die Beigebung eines Verteidigers im konkreten Fall schon nicht im Interesse der Verwaltungsrechtspflege erforderlich war. Einerseits war der Bw ohnehin in der Lage, eine ausführlich begründete Berufung ohne besondere Rechtsvertretung einzubringen, und andererseits war nicht von einer besonderen Schwierigkeit der Sach- oder Rechtslage oder einer besonderen Tragweite des vorliegenden Falles auszugehen.

 

4.2. Die Verwaltungsübertretung einer Störung der öffentlichen Ordnung nach § 81 Abs 1 Sicherheitspolizeigesetz - SPG begeht und ist mit Geldstrafe bis 218 Euro (vgl Art 21 des BGBl I Nr. 98/2001) oder bei Vorliegen erschwerender Umstände mit Freiheitsstrafe bis zu einer Woche, im Wiederholungsfall bis zu zwei Wochen (Abs 1 Satz 2) zu bestrafen,

 

wer durch besonders rücksichtsloses Verhalten die öffentliche Ordnung ungerechtfertigt stört.

 

Bei dieser Verwaltungsübertretung handelt es sich um ein die Beweisregel des § 5 Abs 1 Satz 2 VStG ausschließendes Erfolgsdelikt. Tatbildlich iSd § 81 Abs 1 SPG ist jedes menschliche Verhalten, das als "besonders rücksichtslos" qualifiziert werden kann und eine Störung der öffentlichen Ordnung herbeiführt.

 

Rücksichtslos ist ein der öffentlichen Ordnung widersprechendes Verhalten, das gegen jene ungeschriebenen Regeln für das Verhalten in der Öffentlichkeit verstößt, deren Befolgung als unentbehrliche Voraussetzung für ein gedeihliches Miteinanderleben angesehen wird (vgl Hauer/Keplinger, Kommentar zum Sicherheitspolizeigesetz2 [ 2001] 592, Anm B.4.1 und 600, Rechtsprechung C.5.)

 

Während die Vorgängernorm der Ordnungsstörung nach dem Art IX Abs 1 Z 1 EGVG in der bis 1. Mai 1993 geltenden Altfassung (vgl EGVG-Nov BGBl Nr. 143/1992) noch allgemein auf ein Verhalten, das Ärgernis zu erregen geeignet ist, abstellte, verlangt die im Verhältnis dazu günstigere Strafbestimmung des § 81 Abs 1 SPG (vgl VwGH 24.4.1995, Zl. 94/10/0154) nicht bloß einfache, sondern sogar das Vorliegen besonderer Rücksichtslosigkeit. Aus den Erläuterungen der Regierungsvorlage zum § 81 SPG (vgl RV 1991 zum SPG, 148 BlgNR 18. GP, 52) ergibt sich, dass die Strafbarkeit gegenüber der Vorgängerbestimmung durch das Erfordernis des besonders rücksichtslosen Verhaltens und durch die Betonung der Frage, ob es konkret im Einzelfall eine Rechtfertigung der Störung der Ordnung - beispielsweise durch Ausübung von Grund- und Freiheitsrechten - gibt, inhaltlich zurückgenommen werden sollte.

 

Die Frage der besonderen Rücksichtslosigkeit wird nach den Umständen des Einzelfalles zu beurteilen sein, wobei grundrechtliche Positionen besondere Bedeutung haben. Wer andere bei Ausübung oder Inanspruchnahme von grundrechtlichen Positionen stört, handelt in der Regel besonders rücksichtslos (vgl Hauer/Keplinger, Kommentar zum Sicherheitspolizeigesetz2, 592, Anm B.4.1.).

 

Die Rechtsprechung zum EGVG (zahlreiche Beispiele zur alten Ordnungsstörung nach Art IX Abs 1 Z 1 EGVG bei Hauer/Keplinger, Kommentar zum Sicherheitspolizeigesetz2, 592 ff, Anm B.4.1.1. bis B.4.1.3.) bietet zwar eine Fülle von Beispielen für Ordnungsstörungen, diese können allerdings nicht einfach undifferenziert und ohne weitere Überlegungen auf die seit 1. Mai 1993 geltende neue Rechtslage übertragen werden.

 

4.3. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu den Sprucherfordernissen nach § 44a Z 1 VStG ist die Tat so weit zu konkretisieren, dass eine eindeutige Zuordnung zu den Tatbestandsmerkmalen ermöglicht wird und die Identität der Tat unverwechselbar feststeht (stRsp seit verst. Senaten VwSlg 11.466 A/1984 und VwSlg 11.894 A/1985). Im Spruch sind alle wesentlichen Tatbestandsmerkmale anzuführen, die zur Individualisierung und Konkretisierung des inkriminierten Verhaltens notwendig sind. Eine Umschreibung bloß in der Begründung reicht im Verwaltungsstrafrecht nicht aus (vgl mwN Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens6, [2003], 1522, Anm 2 zu § 44a VStG).

 

Nach Ansicht des erkennenden Mitglieds des Oö. Verwaltungssenats kann mit dem bloßen Hinweis der belangten Behörde auf lautstarke Beschimpfungen des Straßenbahnfahrers und des Fahrscheinkontrollors durch den Bw das Tatbildmerkmal des besonders rücksichtslosen Verhaltens noch nicht als erfüllt angesehen werden. Denn zum Unterschied von Art IX Abs 1 Z 1 EGVG genügt nicht mehr bloß ein Verhalten, das Ärgernis zu erregen geeignet ist. Es fehlt im gegebenen Fall daher an einer ausreichenden Konkretisierung anhand der Umstände des Einzelfalls, die eine Beurteilung der Situation und damit des Verhaltens des Bw erst ermöglicht.

 

Außerdem ist auf die Subsidiaritätsklausel des § 85 SPG Bedacht zu nehmen, wonach keine Verwaltungsübertretung vorliegt, wenn eine Tat nach den §§ 81 bis 84 SPG den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet. § 81 SPG ist daher nicht nur subsidiär zu § 82 SPG (vgl § 82 Abs 2 SPG), sondern auch im Verhältnis zu gerichtlich strafbaren Handlungen, worunter auch Privatanklagedelikte wie Beleidigungen nach dem § 115 StGB zählen (vgl kritisch Hauer/Keplinger, Kommentar zum Sicherheitspolizeigesetz2, 594, Anm B.4.1.2.).

 

Allein schon aus dieser Subsidiarität des § 81 Abs 1 SPG ist zwingend zu folgern, dass bloße Beleidigungen oder Beschimpfungen iSd §§ 111 ff StGB nicht ausreichen können, um das Tatbild des § 81 Abs 1 SPG herzustellen. Dies verkennend hat die belangte Strafbehörde einen mangels Konkretisierung rechtlich unschlüssigen Tatvorwurf erhoben. Der unabhängige Verwaltungssenat hat nach ständiger Rechtsprechung als Berufungsbehörde nach § 66 Abs 4 AVG (iVm § 24 VStG) nicht die Befugnis, dem Beschuldigten eine vom Tatvorwurf der Strafbehörde wesentlich abweichende Tat anzulasten und damit den Tatvorwurf auszutauschen.

 

5. Im Ergebnis war daher aus Anlass der Berufung das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Strafverfahren gegen den Bw mangels einer strafbaren Verwaltungsübertretung gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG einzustellen. Bei diesem Ergebnis entfällt gemäß § 66 Abs 1 VStG die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens.

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

 

 

Dr. W e i ß

 

 

 

 

 
 

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