Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-230869/3/WEI/Eg/An

Linz, 02.12.2004

 

 

 VwSen-230869/3/WEI/Eg/An Linz, am 2. Dezember 2004

DVR.0690392
 
 
 
 

E R K E N N T N I S
 
 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wolfgang Weiß über die Berufung des M P, H, L, vertreten durch Dr. R G & Dr. J K & Mag. H P, Rechtsanwaltspartnerschaft in L, K, gegen das mündlich verkündete Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Linz vom 4. Dezember 2003, Zl. St.38.585/03-2, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem § 108 Abs 1 Z 2 Fremdengesetz 1997 - FrG 1997 (BGBl I Nr. 75/1997, idF BGBl I Nr. 134/2002 [Strafrechtsänderungsgesetz]) zu Recht erkannt:

 

 

I. Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Strafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG eingestellt.

II. Die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens entfällt.

 

Rechtsgrundlagen:

 

§ 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG iVm § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG; § 66 Abs. 1 VStG.
 
 
 

Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit dem angefochtenen, am 4. Dezember 2003 mündlich verkündeten und niederschriftlich protokolliertem Straferkenntnis der belangten Behörde wurde der Berufungswerber (Bw) wie folgt schuldig erkannt und bestraft:

"Sie haben am 10.9.2003 um (von - bis) 20.15 Uhr in Ansfelden, auf der A 1 Parkplatz vor dem GH R als Fremder Ihr Reisedokument nicht mitgeführt und nicht in einer solchen Entfernung verwahrt, dass die Einholung ohne unverhältnismäßige Verzögerung erfolgen kann.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

§ 108/1 Zi. 2 FrG"

Wegen dieser Verwaltungsübertretung verhängte die belangte Behörde "gemäß § 108/1 FrG" eine Geldstrafe von 27 Euro und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 24 Stunden. Gemäß § 64 VStG wurden 2,70 Euro als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vorgeschrieben.

Unter weitere Verfügungen wird festgestellt:

"Der von Ihnen an die BH Linz-Land eingezahlte Strafbetrag von Euro 30,-- wird von der BH Linz-Land der BPD Linz überwiesen und auf die verhängte Geldstrafe angerechnet."

 

1.2. Gegen dieses am 4. Dezember 2003 mündlich verkündete Straferkenntnis, das der Bw ohne Erklärung zur Kenntnis nahm, richtet sich die rechtzeitig am 17. Dezember 2003 mittels Telefax eingebrachte, rechtsfreundlich verfasste Berufung, mit der die Aufhebung des Straferkenntnisses, in eventu die Anwendung des § 21 VStG sowie in eventu die Aufhebung des angefochtenen Bescheides und Zurückweisung an die Unterinstanz sowie die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt worden ist.

 

2. Aus der Aktenlage ergibt sich der folgende wesentliche S a c h v e r h a l t :

 

2.1. Einer "GENDIS-Anzeige" der Verkehrsabteilung-Außenstelle Haid, Zl. A1/0000002763/01/2003, vom 14. September 2003 zu Folge, habe der Bw die oben angeführte Verwaltungsübertretung begangen. Nach dieser Anzeige gab der Bw an, er habe den Reisepass zu Hause in L, er habe den Führerschein mit.

 

Aufgrund dieser Anzeige wurde über ihn von der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land mit Datum vom 17. Oktober 2003, Zl. Sich 96-713-2003, eine Strafverfügung verhängt. Gegen diese Strafverfügung erhob der Bw fristgerecht Einspruch.

In der Folge wurde der Verwaltungsakt gemäß § 29a VStG an die Bundespolizeidirektion Linz abgetreten. Diese hat den Bw mit Schreiben vom 24. November 2003 vorgeladen. Im Zuge dieser Amtshandlung am 4. Dezember 2003 wurde dem Bw das Straferkenntnis mündlich verkündet. Begründend wird in der Niederschrift angeführt, dass die strafbare Tat durch die Anzeige und das Geständnis erwiesen sei. Der Beschuldigte habe sich rechtswidrig und schuldhaft verhalten. Die Strafhöhe entspreche dem Verschulden sowie den Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnissen des Beschuldigten.

 

2.2. In der rechtsfreundlich verfassten Berufung wird zugestanden, dass der Bw seinen Reisepass am 10. September 2003 um 20.15 Uhr in Ansfelden vor dem Gasthaus Raststation R nicht mitführte. Deshalb habe er auch am 4. Dezember 2003 anlässlich der Aufnahme der Niederschrift ein Tatsachengeständnis abgelegt. Jedoch habe sich der Reisepass zu diesem Zeitpunkt in seinem Haus in der H, L, befunden und hätte innerhalb von 10 Minuten beigeschafft werden können. Somit sei das Reisedokument in einer solchen Entfernung zu seinem kurzfristigen Aufenthalt auf der Raststätte, wo er nur seine Gattin zu einem Bus gebracht habe, gewesen, dass die Einholung des Dokumentes keine unverhältnismäßige Verzögerung verursacht hätte. Innerhalb von 20 Minuten hätte er den einschreitenden Beamten das Reisedokument vorweisen können. Damit könne jedoch von einer unverhältnismäßigen Verzögerung gar keine Rede sein. Im Übrigen hätte mit einer Ermahnung das Auslangen gefunden werden können.

 

3. Der Oö. Verwaltungssenat hat nach Durchsicht des vorgelegten Verwaltungsstrafaktes festgestellt, dass das angefochtene Straferkenntnis schon auf Grund der Aktenlage aufzuheben ist.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen.

4.1. Gemäß dem § 32 Abs 1 FrG 1997 sind Fremde verpflichtet, den Behörden und ihren Organen auf eine bei der Vollziehung eines Bundesgesetzes ergehende Aufforderung hin die für ihre Aufenthaltsberechtigung maßgeblichen Dokumente vorzuweisen und sich erforderlichenfalls in Begleitung eines Organs an jene Stelle zu begeben, an der die Dokumente verwahrt sind. Sie sind außerdem verpflichtet, den Behörden (§§ 88 ff) und den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes in begründeten Fällen auf Verlangen Auskunft über den Zweck und die beabsichtigte Dauer ihres Aufenthaltes im Bundesgebiet zu erteilen und den Besitz der Mittel zu ihrem Unterhalt nachzuweisen.

 

Nach § 32 Abs 2 FrG 1997 sind Fremde verpflichtet, ihr Reisedokument mit sich zu führen oder in einer solchen Entfernung von ihrem jeweiligen Aufenthaltsort zu verwahren, dass seine Einholung (Abs 1) ohne unverhältnismäßige Verzögerung erfolgen kann.

 

Gemäß § 108 Abs 1 FrG 1997 begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu 218 Euro zu bestrafen, wer

  1. Auflagen, die ihm die Behörde
    a) bei Erteilung eines Durchsetzungs- oder eines Abschiebungsaufschubes oder
    b) bei Bewilligung der Wiedereinreise auferlegt hat, missachtet oder
  2. sein Reisedokument nicht mit sich führt oder gemäß § 32 Abs. 2 verwahrt oder
  3. trotz Aufforderung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes
    a) diesem ein für seine Aufenthaltsberechtigung maßgebliches Dokument nicht aushändigt oder
    b) sich nicht in dessen Begleitung an jene Stelle begibt, an der das Dokument verwahrt ist oder
  4. eine Änderung des Aufenthaltszweckes während der Gültigkeit des Aufenthaltstitels der Behörde nicht ohne unnötigen Aufschub bekanntgibt oder die Zulässigkeit dieser Änderung nach den hiefür maßgeblichen Gesetzen nicht darlegt.

 

4.2. Im gegenständlichen Fall stellte der Bw zwar nicht in Abrede, dass er zum Tatzeitpunkt sein Reisedokument nicht mit sich führte. Er rechtfertigt sich jedoch in seiner Berufung damit, dass sich sein Reisedokument zu diesem Zeitpunkt in seinem Haus in der H, L, befunden habe und somit in einer Entfernung war, dass das Dokument innerhalb von 10 Minuten hätte beigeschafft werden können. Innerhalb von etwa 20 Minuten hätte er nach eigener Angabe den einschreitenden Beamten das Reisedokument vorweisen können.

Die belangte Behörde hat der in der Berufung aufgeworfenen Frage nach § 32 Abs 2 FrG 1997, ob der Fremde sein Reisedokument in einer solchen Entfernung verwahrt hatte, dass seine Einholung ohne unverhältnismäßige Verzögerung erfolgen konnte, keinerlei Beachtung geschenkt und damit offenbar verkannt, dass nach § 32 Abs 2 iVm § 108 Abs 1 Z 2 FrG 1997 keine unbedingte Pflicht des Fremden besteht, sein Reisedokument mit sich zu führen.

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat ergänzend mit Hilfe eines allgemein über das Internet zugänglichen Routenplaners (http://route.herold.at/online/herold/mapserver.asp) festgestellt, dass die Fahrtstrecke vom Tatort, Autobahnraststation Ansfelden Süd, bis nach L, H, rund 8,9 km beträgt und sich dafür eine Fahrzeit von rund 12 Minuten ergibt. Daraus folgt, dass die Berufungsbehauptung, der Bw hätte das Reisedokument in etwa 20 Minuten beischaffen können, durchaus realistisch und damit glaubhaft ist.

Außerdem spricht § 32 Abs 2 FrG 1997 nur von der Einholung nach Abs 1, wonach der Fremde verpflichtet ist, sich erforderlichenfalls in Begleitung eines Organs an jene Stelle zu begeben, an der die Dokumente verwahrt sind. Der Bw war demnach nur zu einer solchen Verwahrung, die eine "Einholung" iSd § 32 Abs 1 FrG 1997 durch Behördenorgane ohne unverhältnismäßige Verzögerung ermöglicht, nicht aber zur Herbeischaffung verpflichtet. Der für eine einfache Wegstrecke bis zur H erforderliche tatsächliche Zeitaufwand beträgt laut Routenplaner nur 12 Minuten. Die darin gelegene Verzögerung kann nach Ansicht des erkennenden Mitglieds keinesfalls als unverhältnismäßig angesehen werden. Der Bw hatte demnach sein Reisedokument pflichtgemäß in einer geeigneten Entfernung vom Aufenthaltsort verwahrt.

5. Im Ergebnis war daher der Berufung Folge zu geben, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Strafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG mangels einer begangenen Verwaltungsübertretung einzustellen. Bei diesem Ergebnis entfällt gemäß § 66 Abs 1 VStG die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens.

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.
 
 
 

Dr. W e i ß
 
 

 

 

 
 

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