Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-230885/5/Ste/Ww/Sta

Linz, 14.09.2004

 

 

 VwSen-230885/5/Ste/Ww/Sta Linz, am 14. September 2004

DVR.0690392
 

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Vizepräsident Mag.Dr. Wolfgang Steiner über die Berufung der Frau A I, vertreten durch Dr. F S, Rechtsanwalt, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Grieskirchen vom 23.10.2003, Zl. Sich96-22-2003, wegen einer Übertretung des Fremdengesetzes, zu Recht erkannt.

 

  1. Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis wird aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren wird eingestellt.
  2.  

  3. Die Berufungswerberin hat weder einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch einen Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat zu leisten.

 

 

Rechtsgrundlagen:

zu I.: § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG iVm. § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG; § 45 Abs. 1 Z. 2 VStG.

zu II.: § 66 Abs. 1 VStG.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit Straferkenntnis des Bezirkshauptmanns Grieskirchen vom 23. Oktober 2003, Sich96-22-2003, wurde über die Berufungswerberin (im Folgenden: Bw) eine Geldstrafe von 145 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 66 Stunden) verhängt, weil sie sich als türkische Staatsangehörige und somit als Fremde im Sinne des § 1 Abs. 1 des Fremdengesetzes 1997 nicht rechtmäßig im Bundesgebiet der Republik Österreich aufhalte und zwar an der Adresse in, auf, da sie seit 6. September 2002 nicht mehr auf Grund eines Aufenthaltstitels oder einer Verordnung für Vertriebene zum Aufenthalt berechtigt sei und sie nicht Inhaber eines von einem Vertragsstaat ausgestellten Aufenthaltstitels sei und ihr nicht eine Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz 1997 zukomme. Dadurch habe sie eine Übertretung des § 107 Abs. 1 Z. 4 iVm. § 31 Abs. 1 des Fremdengesetzes 1997 begangen, weshalb sie nach
§ 107 Abs. 1 Z. 4 zu bestrafen gewesen sei.

 

Begründend wurde dazu ausgeführt, die Bw sei türkische Staatsangehörige und sei am 14. August 2002 mit einem Visum, gültig vom 6. August 2002 bis 5. September 2002 nach Österreich eingereist. Seit 6. September 2002 verfüge sie über keine Aufenthaltsberechtigung. Sie halte sich somit seit 6. September 2002 nicht rechtmäßig im Bundesgebiet und zwar unter der Adresse, auf. Zu ihrem Vorbringen, wonach sie gegen die Abweisung des Antrages auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung berufen und auch die Erteilung einer humanitären Aufenthaltserlaubnis angeregt habe, wurde festgestellt, dass sie trotzdem nicht zum Aufenthalt berechtigt sei, da sie über keine in § 31 Abs. 1 Fremdengesetz angeführte Bewilligung verfüge. Weiters sei ihr nach einem Gutachten vom 28. November 2002 des Amtsarztes der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen die Rückkehr in ihr Heimatland ohne zu erwartende gesundheitliche Schäden jederzeit zumutbar. Unter Berücksichtigung des obigen Sachverhaltes sei die Behörde daher zum Ergebnis gelangt, dass sie gegen die einschlägigen Strafbestimmungen des Fremdengesetzes 1997 schuldhaft verstoßen habe, was als Verwaltungsübertretung strafbar sei. Hinsichtlich ihrer Einkommens- und Vermögensverhältnisse ging die Behörde davon aus, dass sie kein Einkommen erziele und auch über kein Vermögen verfüge. Der objektive Unrechtsgehalt der angelasteten Tat könne nicht als gering gewertet werden, das Verschulden sei jedenfalls als grob fahrlässig zu qualifizieren. Strafmildernde und straferschwerende Umstände seien im Verfahren nicht hervorgekommen. Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass bereits seit über zwölf Monaten kein rechtmäßiger Aufenthalt mehr gegeben sei, hielt die Behörde die verhängte Strafe für schuldangemessen, dem Unrechtsgehalt der Tat angepasst und erschien diese der Behörde notwendig und geeignet, um die Berufungswerberin künftig zur Beachtung der gesetzlichen Vorschriften anzuhalten.

 

1.2. Gegen dieses der Bw am 27. Oktober 2003 zugestellte Straferkenntnis richtet sich die vorliegende, rechtzeitige, Berufung.

 

Darin wird im Wesentlichen vorgebracht, sie sei ein Opfer der Erdbebenkatastrophe, welches sich im Jahr 1999 in ihrem Heimatland Türkei ereignet habe. Ihr Ehegatte habe sich bereits von 1992 bis 1999 auf Grund einer Niederlassungsbewilligung, die bis 21. März 2001 gültig war, in Österreich aufgehalten. Auf Grund der Ereignisse im Jahr 1999 sei es ihm nicht möglich gewesen, ein rechtzeitigen Antrag auf Verlängerung der Niederlassungsbewilligung zu stellen. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 11. April 2003 sei der Bescheid der belangten Behörde, mit dem der Antrag von ihrem Ehegatten vom 26. September 2001 auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung abgewiesen worden sei, ersatzlos behoben worden. Auf Grund dieser Entscheidung habe ihm von der belangten Behörde die Niederlassungsbewilligung erteilt werden müssen. Sie habe im Zeitraum vom 16. November 2001 bis 14. August 2002 in ihrer Heimat auf eine Entscheidung der österreichischen Fremdenbehörde über ihren Antrag auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung gewartet. Dies sei nicht erfolgt. Kurz vor der Entbindung ihres zweiten Kindes K I sei sie ihrem Ehegatten nach Österreich gefolgt. Sie sei, da sie in der Türkei über keine Verwandtschaft mehr verfüge, auf seine Unterstützung in dieser schwierigen Situation angewiesen worden. Mit dem in zweiter Instanz ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 30. Mai 2003 sei ihr Antrag auf Erstniederlassungsbewilligung abgewiesen worden. Derzeit laufe ein Verfahren zur Erteilung einer humanitären Aufenthaltserlaubnis. Auch das Ausweisungsverfahren der belangten Behörde befinde sich derzeit im Berufungsstadium. Die Zulässigkeit einer Ausweisung bilde für eine Bestrafung nach § 107 Abs. 1 Z. 4 Fremdengesetz eine Vorfrage im Sinne des § 38 AVG. Ein Fremder könne nicht nach § 107 Abs. 1 Z. 4 Fremdengesetz bestraft werden, wenn seine Ausweisung eine zu seinen Gunsten ausfallende Interessenabwägung nach § 37 Abs. 1 Fremdengesetz im Weg stehe. Dann sei nämlich vom Vorliegen eines gesetzlichen Schuldausschließungsgrundes nach § 6 VStG auszugehen. Weiters wurde die von der belangten Behörde durchgeführte Strafbemessung bezweifelt. Es wurden die Anträge gestellt, der Unabhängige Verwaltungssenat möge der Berufung Folge geben und das angefochtene Straferkenntnis wegen Rechtswidrigkeit aufheben und das Strafverfahren einstellen; in eventu die verhängte Geldstrafe auf das gesetzliche Mindestausmaß herabsetzen.

 

 

2.1 Mit Schreiben vom 4. Juni 2004 wurde der Unabhängige Verwaltungssenat von der belangten Behörde darüber informiert, dass das Bundesministerium für Inneres im Fall der Bw sowie ihrer drei Kinder der Erteilung von humanitären Aufenthaltserlaubnissen gemäß § 10 Abs. 4 Fremdengesetz 1997 nicht zustimme, da die Erteilungsvoraussetzungen nicht vorliegen würden.

 

2.2 Das erwähnte Schreiben des Bundesministeriums für Inneres vom 21. Mai 2004 wurde der Bw zur Kenntnis und allfälligen Stellungnahme übermittelt. Im daraufhin eingelangten Schriftsatz der Bw vom 20. Juli 2004 wiederholt diese im Wesentlichen ihr Vorbringen in der Berufung und hebt hervor, dass die nunmehrige Mitteilung des Bundesministeriums für Inneres vom 21. Mai 2004 nach dem gegenständlichen Straferkenntnis verfasst worden sei. Weiters wurde die Kopie eines Schriftsatzes vom 20. Juli 2004 übermittelt, der sich an die Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen richtet und mit dem die Ergänzung des Verfahrens der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen angeregt wird, ein Unterbrechungsantrag gestellt wird, sowie die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung beantragt wird.

 

2.3 Auf das Ersuchen des Verwaltungssenates hin übermittelte die belangte Behörde mit Telefax vom 5. August 2004 den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 4. Dezember 2003, Zl St 113/03, über die Berufung der Bw gegen die über sie mit Bescheid der belangten Behörde vom 26. Februar 2003, Sich40-4558, ausgesprochene Ausweisung. Der Berufung wurde Folge gegeben, der angefochtene Bescheid wurde behoben und die Verwaltungsangelegenheit zur mündlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an die Erstinstanz verwiesen. Entscheidungswesentlich für die Sicherheitsdirektion war die Mitteilung, dass die Bw neuerlich ein Kind geboren hatte. In Anbetracht dieser Situation bedürfe es nach Ansicht der Sicherheitsdirektion keiner näheren Erörterung, dass eine allfällig erforderliche zwangsweise Durchsetzung eines Ausweisungsbescheides in nächster Zeit von vorneherein nicht in Frage käme. Wenn sich im Anschluss daran neuerlich die Frage einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme ergebe, werde sich die Erstbehörde die Frage nach einer eventuellen humanitären Aufenthaltserlaubnis stellen müssen. Dies könne jedoch aus jetziger Sicht noch nicht beurteilt werden, weshalb der erstinstanzliche Bescheid lediglich behoben und zur Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides zurückverwiesen werden konnte.

 

 

3. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen zu Zl. Sich96-22-2003. Weil bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben ist, entfällt gemäß § 51e Abs. 2 Z. 1 VStG eine öffentliche mündliche Verhandlung.

 

 

4. In der Sache selbst hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen.

 

4.1 Gemäß § 107 Abs. 1 Z. 4 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75/1997, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 126/2002 begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu 726 Euro zu bestrafen, wer sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält (§ 31).

 

Gemäß § 31 Abs. 1 FrG halten sich Fremde rechtmäßig im Bundesgebiet auf, wenn sie unter Einhaltung der Bestimmungen des zweiten Hauptstückes und ohne die Grenzkontrolle zu umgehen eingereist sind (Z. 1) oder wenn sie auf Grund eines Aufenthaltstitels oder einer Verordnung für Vertriebene (§ 29) zum Aufenthalt berechtigt sind (Z. 2) oder wenn sie Inhaber eines von einem Vertragsstaat ausgestellten Aufenthaltstitels sind (Z. 3) oder solange ihnen Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz 1997 zukommt (Z. 4).
 

Würde durch eine Ausweisung gemäß den §§ 33 Abs. 1 oder 34 Abs. 1, 2a, 2b und 3 oder durch ein Aufenthaltsverbot in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist gemäß § 37 Abs. 1 FrG ein solcher Entzug der Aufenthaltsberechtigung nur zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 der Europäischen Menschenrechtskonvention - EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

 

Gemäß § 37 Abs. 2 FrG darf eine Ausweisung gemäß § 34 Abs. 1, 2a oder 2b oder ein Aufenthaltsverbot jedenfalls nicht erlassen werden, wenn die Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie schwerer wiegen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von seiner Erlassung. Bei dieser Abwägung ist insbesondere auf folgende Umstände Bedacht zu nehmen: 1. die Dauer des Aufenthaltes und das Ausmaß der Integration des Fremden oder seiner Familienangehörigen; 2. die Intensität der familiären oder sonstigen Bindungen.

 

4.2 Unbestritten steht fest, dass die Bw auf Grund eines Visums lediglich vom
6. August 2002 bis 5. September 2002 zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt war. Dementsprechend wird im bekämpften Straferkenntnis ausgeführt, die Bw halte sich seit dem 6. September 2002 nicht rechtmäßig im Bundesgebiet der Republik Österreich auf. Mit der erwähnten spruchmäßigen Formulierung der Tatbegehung seitens der belangten Behörde "seit 6. September 2002" - ohne ausdrückliche (kalendermäßige) Anführung des Tatzeitendes - wird bei Anlegung von objektiven Maßstäben zum Ausdruck gebracht, dass die Tatzeit mit dem Zeitpunkt der Schöpfung des Straferkenntnisses - (das ist im Falle der schriftlichen Bescheiderlassung der Zeitpunkt der Unterfertigung durch den Genehmigenden) - endete (vgl. VwGH vom 14. Mai 1985, 84/04/0134). Tatzeitende ist hier der
23. Oktober 2003, an diesem Tag wurde das bekämpfte Straferkenntnis unterfertigt (ein allfälliger unberechtigter Aufenthalt nach dem 23. Oktober 2003 ist daher vom bekämpften Straferkenntnis nicht erfasst). Die Bw hat nicht bestritten, sich innerhalb des erwähnten Zeitraumes durchgängig im Bundesgebiet aufgehalten zu haben, und hat folglich die ihr vorgeworfene Verwaltungsübertretung in objektiver Hinsicht zu vertreten.

 

Sie führte ins Treffen, ein Fremder könne nicht nach § 107 Abs. 1 Z. 4 FrG bestraft werden, wenn einer Ausweisung eines zu seinen Gunsten ausfallende Interessensabwägung nach § 37 Abs. 1 FrG im Weg steht. Dieser Einwand ist berechtigt. Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits wiederholt ausgesprochen (vgl. zuletzt VwGH vom 27. Jänner 2004, 2002/21/0203), dass bezüglich des Tatbestandes des § 107 Abs. 1 Z. 4 FrG ein gesetzlicher Strafausschließungsgrund gemäß § 6 VStG angenommen werden müsse, wenn der - im Verwaltungsstrafverfahren als Vorfrage zu prüfenden - Zulässigkeit einer (hypothetischen) Ausweisung des Fremden eine zu seinen Gunsten ausfallende Interessenabwägung nach § 37 FrG im Wege steht.

 

4.3 Die Bw wurde mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen vom
26. Februar 2003, Sich40-4558, aus dem Bundesgebiet der Republik Österreich ausgewiesen. Gegen diesen Bescheid wurde Berufung erhoben. Mit Berufungsbescheid vom 4. Dezember 2003, Zl St 113/03, wurde dieser Berufung von der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich gemäß § 66 Abs. 2 AVG iVm. §§ 31, 33 und 37 Abs. 1 FrG Folge gegeben, der angefochtene Bescheid wurde behoben und die Verwaltungsangelegenheit zur mündlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an die Erstinstanz verwiesen. Entscheidungswesentlich für die Sicherheitsdirektion war die Mitteilung, dass die Bw neuerlich ein Kind geboren hatte. Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft. Folglich erübrigt es sich zu erörtern, ob die Ausweisung der Bw - entgegen der Ansicht der Sicherheitsdirektion - zulässig war und allfällige Härten mit einem Abschiebungsaufschub nach § 56 Abs. 2 FrG verhindert hätten werden können. Auf Grund der Rechtskraft des Berufungsbescheides ist davon auszugehen, dass jedenfalls im Zeitpunkt der Erlassung der Berufungsentscheidung vom 4. Dezember 2003 die Voraussetzungen für eine Ausweisung der Bw bzw. eine Strafbarkeit nach § 107 Abs. 1 Z. 4 FrG - infolge einer zu ihren Gunsten ausfallende Interessenabwägung nach § 37 FrG - nicht gegeben waren.

 

4.4 Aus dem Akt ergibt sich, dass sich die für Entscheidung der Sicherheitsdirektion maßgeblichen Verhältnisse der Bw nicht wesentlich von den Verhältnissen während des vom bekämpften Straferkenntnis erfassten Tatzeitraumes (6. September 2002 bis 23. Oktober 2003) unterscheiden. Am 16. September 2002 entband die Bw einen Sohn (I K). Am 19. November 2003 gebar die Bw I S H. Die Bw war somit im gesamten vom bekämpften Straferkenntnis erfassten Zeitraum schwanger oder hatte einen Säugling zu betreuen. Vergleichbare Umstände führten zur erwähnten Entscheidung der Sicherheitsdirektion. Dies kann das von der belangten Behörde thematisierte amtsärztliche Gutachten vom 28. November 2002 nicht relativieren. Dieses Gutachten setzt sich nämlich nicht mit den für die Entscheidung der Sicherheitsdirektion maßgeblichen Aspekte auseinander. Auf den Umstand der im Tatzeitraum bestehenden Schwangerschaft bzw. die Tatsache, dass die Bw einen Säugling zu verpflegen hatte, wurde nicht unmittelbar eingegangen, sondern lediglich eine Depression diagnostiziert, welche nach Angaben der Amtsärztin auch in der Türkei zumutbar behandelt werden kann.

 

Dementsprechend muss hinsichtlich der mit dem bekämpften Straferkenntnis angelasteten Tat vom Vorliegen des gesetzlichen Strafausschließungsgrundes nach § 6 VStG ausgegangen werden. Jedes andere Ergebnis würde einen nicht zu verantwortenden Wertungswiderspruch bedeuten, da nicht einsehbar ist, aus welchem Grund die Bw für ihren (in objektiver Hinsicht) unrechtmäßigen Aufenthalt im Zeitraum von 6. September 2002 bis 23. Oktober 2003 bestraft werden sollte, wenn infolge der Rechtskraft der erwähnten Entscheidung der Sicherheitsdirektion vom 4. Dezember 2003 verbindlich feststeht, dass im Zeitpunkt des Erlasses dieser Entscheidung - bei im Vergleich zu den Verhältnissen während des angelasteten Tatzeitraumes nur unwesentlich veränderter Sachlage - gemäß § 37 Abs. 1 FrG eine Ausweisung und damit eine Bestrafung wegen unrechtmäßigen Aufenthaltes ausgeschlossen war.

 

4.5 Im Ergebnis bedeutet dies, das die Bw zwar den objektiven Tatbestand des
§ 107 Abs. 1 Z. 4 verwirklicht hat, die Strafbarkeit für dieses Verhalten ist aber gemäß § 6 VStG ausgeschlossen.

 

Aus diesem Grund war der vorliegenden Berufung daher gemäß § 24 VStG iVm. § 66 Abs. 4 AVG stattzugeben, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z. 2 VStG einzustellen.

 

 

5. Bei diesem Verfahrensergebnis war der Bw gemäß § 66 Abs. 1 VStG weder ein Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat noch ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde vorzuschreiben.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

Mag. Dr. Wolfgang Steiner

 
 

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